Predigt am Gründonnerstag 2015 Liebe Kommunionkinder, liebe

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Predigt am Gründonnerstag 2015 Liebe Kommunionkinder, liebe
Predigt am Gründonnerstag 2015
Liebe Kommunionkinder, liebe Kinder, liebe Schwestern und Brüder
im Herrn,
der letzte Abend eines bewegten Lebens, eines jungen Lebens. Der
letzte Abend eines bewegenden Lebens – Unzählige waren ihm
begegnet, hatten sich von ihm bewegen lassen. Viele hat er befreien
können von inneren und äußeren Fesseln. Durch ihn bewegt, gelang es
Menschen, miteinander und füreinander zu leben, lebendig zu sein.
Ich kann mir Jesus nicht anders vorstellen, als einen Menschen, der
das Leben liebt, der buchstäblich in das Leben verliebt ist. Ja, Jesus
wird oft staunend und begeistert beobachtet haben, wie Menschen
plötzlich frei wurden, sich entfalteten, ihre Fähigkeiten entdeckten.
Ich kann mir auch vorstellen, wie die Jünger begeistert von den
vergangenen gemeinsamen drei Jahren erzählt haben, in denen sie mit
Jesus zusammen gewesen sind, quasi wie eine Familie. Jahre, die sie
entscheidend geprägt haben, die sie zusammengeschweißt haben,
Jahre, in denen sie allerlei Schwierigkeiten durchlebt haben, die
jedoch durch den festen Zusammenhalt und durch den Glauben an
Jesus überwunden werden konnten. Jesus weiß, dass seine Stunde des
Abschiedes gekommen ist, mehr als seine Jünger, er weiß, dass er sich
noch entscheiden kann, ja, entscheiden muß – er stimmt ein in den
Abschied, in das Lassen müssen, das jetzt von ihm gefordert wird.
Jesus wählt für seinen Abschied, für seine Entscheidung, vielsagende
Zeichen aus: Brot und Wein und die Fußwaschung: Das Mahl und das
Bedient werden schenkt den Jüngern Kraft, weiterzumachen,
weiterzumachen in seinen Spuren, die bis heute unter uns sichtbar
sind. Nach 2000 Jahren feiern wir immer noch dasselbe: Heute Abend
feiern wir ganz bewusst in der Erinnerung an den letzten Abend Jesu
vor seinem qualvollen Sterben gemeinsam Eucharistie. Vielleicht
denken wir heute einmal ganz bewusst daran, in welchem Bereich
unseres Lebens jetzt Abschied ansteht, was zu lassen jetzt meine,
unsere Aufgabe ist. Das können Gewohnheiten, Aufgaben, Pläne, ja
auch Suchten und Abhängigkeiten sein, die nicht mehr in mein Leben
passen. Wagen wir es doch, einen Schritt zu gehen, den Abschied
sozusagen einzuüben. Nehmen wir einfach wahr, dass das Leben mit
dem Abschied nicht zu Ende ist, sondern nehmen wir heute einfach
einmal bewusst wahr, was uns da Großes geschenkt wird: Brot und
Wein. Wir dürfen diese Gaben empfangen. Wir dürfen Geschmack
daran finden, wir dürfen uns nähren. Das, liebe Kinder, liebe
Schwestern und Brüder im Herrn, ist auch der Grund, warum im
Johannesevangelium nur von der Fußwaschung die Rede ist: Denn in
diesem Zeichen wird auf andere Art und Weise ausgedrückt, was uns
in Brot und Wein begegnet: Wo Gott an der Welt handelt, da gibt er
sich ganz hinein, er hält sich nicht zurück, er macht sich ganz klein, er
hat keine Berührungsängste – so will er die Welt verändern. Das
Zeichen der Fußwaschung deutet das Mahl. Wer am Mahl teilnimmt,
der muß, wie er bereit sein, sich ganz einzusetzen, der muß genau
diesen Dienst auf sich nehmen: Den Dienst mitzuhelfen, den Schmutz
dieser Welt abzuwaschen, diese Welt positiv zu verändern, nicht
durch Intrigen, durch sich in den Vordergrund stellen; um nichts
Geringeres geht es hier als um eine neue Welt. Denn überall dort, wo
wirklich Schmutz und Dreck in unserer Gesellschaft ist, da dürfen wir
uns als Christen nicht aus dem Staub machen – sonst sind wir keine
Jünger Jesu! Überall dort, wo Menschen sich wie der letzte Dreck
vorkommen, unnütz, hilflos, schlecht behandelt, unbeachtet, wo nichts
zu holen ist, abgeschoben und weggeworfen, da sind wir gefragt, da
ist unser Platz als Christen – nicht da, wo wir nur im Vordergrund
stehen, wo wir Verdienste erheischen können, wo unser Tun sichtbar
wird, das kann jeder! Gott sei Dank, gibt es auch heute noch
Menschen, auch in unserer Kirche, die tagtäglich, oft ganz verborgen
diesen demütigen Dienst auf sich nehmen. Was ich tue, sagt Jesus zu
Petrus, verstehst du jetzt noch nicht, doch später wirst du es begreifen
– dieses später, liebe Kinder, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
das ist heute. AMEN!
P. Thomas Köhler OSB