Report: Freightliner als Fahrschul

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Report: Freightliner als Fahrschul
REPORT
REPORT
Freightliner als Fahrschul-Truck
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Die Spaßschule Erding
Kleine Kinder, kleine Träume – große Kinder, große Träume: Getreu
diesem Motto hat sich ein Erdinger Fahrlehrer einen US-Truck nach
Bayern geholt. Wir haben den Lkw-Freak aus Oberbayern besucht.
E
s war einmal auf einem
endlosen Highway zwischen El Paso und Tuscon. Mitten in der düstersten Nacht entdeckte
Christian Fragner, Fahrlehrer
aus Erding, seinen Traum am
Straßenrand: Knallrot stach
der Freightliner aus dem Dunkel der Umgebung, silbern
blitzten seine mächtigen
Sidepipes zum Firmament.
Und hingerissen wies Fragner
seinen Begleiter an: „Stopp!
Den will ich haben.“
Wie jedes echte Märchen
darf ruhig auch die Geschichte von Christian Fragner beginnen. Denn
sie hat etwas von einem Märchen. Zumindest ging für den
35-jährigen Lkw-Freak ein
Traum in Erfüllung.
Der Traum nämlich,
einen waschechten USHauber nach Deutschland zu holen und ihn
zum Fahrschul-Truck
zu machen. Fünf Wochen war er mit einem
Freund in den USA unterwegs. Im Hinterkopf immer den spleenigen Gedanken vom
eigenen
US-Hauber. Auch wenn mancher Fahrschulkollege Fragner für verrückt erklärt haben
mag, ihn stört das nicht. „Ich
liebe diese Formen, diesen
Sound und dieses Fahrgefühl“, gesteht Fragner voller
Leidenschaft. Und: „Ich habe
es sicher nicht gemacht, weil
ich mir für das Fahrschulgeschäft Vorteile erhofft habe.“
Dafür war die ganze Aktion
zu teuer. Was Fragner aber
erst nach und nach bewusst
wurde. Damals, als er seinen
amerikanischen Traum im
Dunkeln
Mehr als nur ein Fahrschul-Truck
hristian Fragners FreightC
liner dient freilich nicht
nur als Fahrschul-Truck. Acht
bis zehn Promotion-Events
absolviert der vielseitige
Fahrlehrer im Jahr. Beim Filmfest München oder bei Fußballübertragungen war der
Ami im Einsatz. Der Erdinger
nutzt den Hauber auch als
Zugmaschine für den Übertragungswagen des InternetSenders TV1.de, bei dem
Fragner sich nebenberuflich
um die Technik kümmert.
entdeckte, wusste er nicht genau, welche Kosten auf ihn
zukommen. Als er am nächsten Tag den Händler aufsuchte, schien alles günstig. Etwa
40.000 Mark wollte der Verkäufer für das gut zehn Jahre
alte knallrote Spielmobil haben. „Der Freightliner
hatte einen CumminsDiesel, der gerade komplett überholt worden
war. Genau so einen
hatte ich gesucht“, erzählt Fragner.
Zwei Tage verbrachte
er noch in dem Kaff am
Highway, ließ ein paar
Detailumbauten vom
Händler erledigen. Und
dann ratterte er sicher
von dem einen oder anderen Mahlen des Fullergetriebes begleitet
samt seinem
Freund
vom Hof.
Los Angeles war ihr
Ziel, von
dort sollte
der Truck
nach Good
der Schlafkabine, Einbau eines komfortablen ZF-Getriebes mit Schaltwippe im Cockpit, neue Sattelkupplung und
so weiter und so fort. „50.000
Mark hat der Umbau gekostet“, stöhnt Fragner. Bereut
hat er es nicht.
Freude am Freightliner.
Bei Fahrlehrer Christian Fragner lernen die Schüler auf
einem US-Truck. Dass die Side-Pipes den Erdinger Maibaum überragen, ist ein Gerücht
Vorfahr t achten.
Pkw begegnen dem
Fahrschul-Ami mit Respekt
90
Old Germany verschifft werden. Von wegen: „Von L.A.
aus hätte das locker 10.000
Mark gekostet. Die hatten
nur 40-Fuß-Container für unsern Laster. Das war mir zu
teuer. Von Florida aus käme
es zwei Drittel billiger, das
wusste ich“. Doch sein Urlaub
war vorbei, ein Transfer von
West nach Ost kam für ihn
nicht mehr in Frage. Fragner
rief den Bruder in Erding an.
Der hat als Harley-Davidson-Händler ohnehin eine
Vorliebe für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Und Lust und Zeit, in zwei
Wochen einen Freightliner
von L.A. nach Florida zu überführen. Truck-Freaks unter
sich. Endlich in Erding – Zoll
und Mehrwertsteuer hatten
die Kosten um gut 30 Prozent
hoch getrieben – machten
sich die Geschwister an den
fahrschulgerechten Umbau:
Verkürzung von acht auf
sechs Meter, eine Achse musste dran glauben, neue
Bremsanlage, Luftfederung,
Verbindung der Fahrer- mit
„Die Fahrschüler waren begeistert und die Prüfer freuten sich, mal in einem anderen Truck zu sitzen“, lacht der
jugendlich wirkende Fahrschuleigner. Von der US-Armee in Deutschland hat er
sich noch zwei original MillerAuflieger besorgt und fertig
war der Traum-Zug. Und wovon kann Fragner nun nachts
noch träumen? „Noch einen
rüberholen. Jetzt weiß ich ja,
wie’s geht“, grinst er.
JR
Im nächsten TRUCKER:
Der neue EU-Führer schein – so funktioniert’s
in der Praxis
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