Hamburger Abendblatt | Juli 2015

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Hamburger Abendblatt | Juli 2015
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REISE&ENTDECKEN
HamburgerAbendblatt
Sonnabend/Sonntag, 11./12. Juli 2015
Autos müssen vor der Altstadt von Dubrovnik parken. Der historische Ortskern ist von einer mächtigen Mauer begrenzt, auf der man rundherum spazieren kann. Beliebt ist der kroatische Küstenort auch bei Kreuzfahrern
Picture Alliance
Kulturschatz an der Adria
Dubrovnik ist das Top­Reiseziel in Kroatien. Die Altstadt innerhalb der historischen Stadtmauer lädt zum Bummeln ein, aber auch die umliegenden Inseln lohnen einen Ausflug
E L I S A B ET H J E S S E N
S
o mancher in Dubrovnik
mag sich die alten Zeiten zurückwünschen, als Kaufleute und Reisende 40 Tage in
Quarantäne
verbringen
mussten, ehe ihnen Einlass
in die Stadt gewährt wurde. Heute verbringen viele Besucher keine 40 Stunden hier, vielleicht eher vier, bevor sie
die Weltkulturerbe-Stadt wieder verlassen. „Bis zu sieben Kreuzfahrtschiffe
kommen täglich“, sagt die Stadtführerin Lucija Podić, der das unzweifelhaft
ein Dorn im Auge ist. Ihr Vater ist aus
Dubrovnik, ihre Mutter Wienerin, und
mit weichem österreichischem Singsang bringt Lucija, die in beiden Welten
aufgewachsen ist, ihre Heimat interessierten Touristen nahe. „Auf diesen
Kulturschatz muss man aufpassen“,
sagt sie vehement. Denn sie sieht den
Welterbe-Status in Gefahr, sollten weiterhin ungehemmt Kreuzfahrtschiffe
mit Menschenmassen im Hafen ankommen. „Manche Schiffe haben 5000
Passagiere“, sagt sie. Qualität, nicht
Quantität ist dagegen ihr Anliegen.
„Aber das klingt ja alles so negativ“,
ruft sich die 40-Jährige selbst zur Ordnung. Schließlich will sie uns die schönen Seiten der Stadt zeigen. Und
schnell wird dem Besucher klar: Dubrovnik am Fuß des Bergs Srđ, auf den
auch eine Seilbahn führt, ist eine unvergleichliche Stadt. Gleich hinter dem
Stadtstrand passiert man das Lazarett –
wie die ehemalige Quarantänestation
genannt wird, die heute Galerien, Läden und Veranstaltungszentren beherbergt. Dann geht es in die Altstadt, die
rundherum von der historischen Stadtmauer mit mehreren Forts eingerahmt
ist – 1940 Meter lang, bis zu sechs Meter breit. Der Kalkstein, aus dem Häuser und Stadtmauern errichtet sind,
leuchtet strahlend hell in der Sonne.
Dubrovniks Stadtkern ist ein Juwel. Dabei hatte ein Erdbeben die Stadt
1667 erschüttert und dabei fast die
Hälfte der Gebäude zerstört. Das Franziskanerkloster am Ende der Stradun,
der breiten Hauptstraße, die einmal
quer durch die Stadt führt, hat dagegen
das große Beben überstanden. „Der
Kreuzgang wurde zu Beginn des 14.
Jahrhunderts erbaut“, sagt Lucija und
führt uns in das Innere der Klostermauern. „Es gibt keine zwei Kapitelle,
die sich gleichen.“ Unglaublich, dass
diese filigranen Säulen nicht eingestürzt sind – auf ihnen muss ein göttlicher Segen liegen. Still ist es hier im
Kloster, in dem auch eines der beliebtesten Mitbringsel hergestellt wird. In
der drittältesten Apotheke der Welt
(von 1317), „von jenen, die immer noch
im Betrieb sind, also nach Prag und
Bagdad“, so Lucija, werden Cremes in
althergebrachter Weise ohne künstli-
che Inhaltsstoffe von Hand angerührt.
Die Angestellten kommen mit der Produktion kaum hinterher, weil die Touristen die Tiegel oft im Dutzend kaufen.
Die Spuren des Balkankrieges sind
fast überall beseitigt, im Kloster hat
man das Loch einer Granate, die am
6. Dezember 1991 einschlug, bewusst
nicht zugemauert, sondern es verglast,
um an diese furchtbare Zeit zu erinnern. An jenem Tag war die Stadt durch
2000 unterschiedliche Geschosse getroffen worden, viele Gebäude wurden
schwer beschädigt.
Gegenüber dem Kloster haben der
Große Onofrio-Brunnen von 1440 und
das Frauenkloster zur Heiligen Klara
ebenfalls dem Erdbeben getrotzt.
„Auch ein Kinderheim gab es hier seit
dem 14. Jahrhundert“, erzählt uns die
Stadtführerin. Ob es einen Zusammenhang mit den Nonnen- und den Franziskanermönchen in unmittelbarer
Nachbarschaft gab, führt sie nicht näher aus. Von den 25 Kirchen in der Altstadt sind nur fünf ständig geöffnet, ein
Besuch der Kathedrale lohnt sich.
Stradun, die berühmte Hauptstraße, führt quer durch die Altstadt
E. Jessen (3)
Drei Austern am Tag,
und du brauchst
keinen Doktor.
Denis Dražeta,
Austernzüchter
Auf der Stradun glänzt der helle
Stein, als hätte man ihn lackiert. „Das
ist Kalkstein von den Inseln Korčula
oder Brač“, sagt die Stadtführerin.
„Wenn man ihn auf dem Boden verlegt,
bekommt er durch die vielen Füße, die
darüber laufen, eine andere Struktur
und sieht inzwischen aus wie Marmor“,
erklärt sie.
Parallel dazu verläuft die Straße
Prijeko. Lucija kann es nicht lassen:
„Banditenstraße“ nennt sie den schmalen Straßenzug, in dem sich Lokal an
Lokal reiht. „Dort befinden sich nicht
mehr als zwei Restaurants, die ich empfehlen kann“, warnt sie. In der Stadt
gebe es insgesamt 4000 Restauranttische, sagt die Insiderin, die selbst in
der Altstadt wohnt, und tatsächlich hat
man den Eindruck, in einem großen
Freiluftrestaurant gelandet zu sein.
Aber da sind auch die stillen Gassen, in
denen man treppauf, treppab kaum jemanden trifft.
Etwa 45.000 Menschen leben insgesamt in Dubrovnik, aber nur rund
800 Bewohner innerhalb der Stadtmauern, wo es besonders teuer ist:
„4000 Euro pro Quadratmeter kosten
Wohnungen hier“, sagt Lucija Podić.
Niemand sollte Dubrovnik verlassen, ohne einen Rundgang auf der
Stadtmauer gemacht zu haben. 100 Ku-
Dubrovnik verfügt über einen kleinen, bei Einwohnern sehr beliebten Sandstrand
Das Sommerfestival läuft bis zum 25. August
DUBROVNIK
Anreise: Direktflug z. B. mit German-
wings vom Hamburg nach Dubrovnik
Pile-Tor
Unterkunft: z. B. im Fünf-Sterne-Hotel
Excelsior an der Frana Supila 12, DZ
ab 104 Euro (mit Frühstück), oder im
Hotel Bellevue Dubrovnik (fünf Sterne)
an der Ul. Pera Čingrije 7, DZ ab 106
Euro (beide buchbar im Internet über
www.adriaticluxuryhotels.com); zudem
gibt es Ferienwohnungen und private
Quartiere auf den nahegelegenen
Inseln.
Lazarett
FranziskanerKloster
OnofrioBrunnen
Strad
un
Alter
Hafen
ALTSTADT
KROATIEN
Zagreb
Dubrovnik
Kathedrale
Stadtmauer
Adria
100 m
Grafik: fh
Kulturprogramm: Beim 61. Dubrovnik
Sommerfestival (es läuft bis 25. August), dem ältesten und angesehensten
Kroatiens, werden klassische Musik
und hochkarätige Theater-Aufführungen in den Sommernächten zwischen
den antiken Stadtmauern geboten.
(www.dubrovnik-festival.hr)
Informationen zur Stadt und zur Region:
www.tzdubrovnik.hr/deu/
(deutschsprachige Seite)
(Die Reise wurde unterstützt von
Adriatic Luxury Hotels.)
schickt mit einem kleinen Messer, spült
na (umgerechnet etwa 14 Euro), kostet
sie noch einmal in einem Topf mit
der Besuch der mittelalterlichen AnMeerwasser und träufelt dann Zitrone
lage, die zur Abwehr der zahlreichen
darauf. Die Austern sind fest im Biss,
Eroberer angelegt worden war. Die
schmecken frisch nach Meer und sehr
Breite der Festungsmauer variiert, man
viel köstlicher als pazifische Austern.
kann aber überall bequem gehen und
„Drei Austern am Tag, und du brauchst
spektakuläre Ausblicke zum Meer hin
keinen Doktor“, sagt Dražeta und lacht.
genießen oder auch intime Einblicke in
Gerade am Morgen hat er 1000
die Gärten der Bewohner erhaschen.
Austern an ein Restaurant in Mali Ston
Für Fans der Fernsehserie „Game
geliefert. Der kleine Ort ist berühmt für
of Thrones“ hat sich Dubrovnik fast zu
seine Fischrestaurants am Hafen. Viele
einer Art Wallfahrtsort entwickelt. Es
Kreuzfahrer kämen extra aus Dubrovgibt für sie eigene Stadtführungen zu
nik, um Austern und ein Glas Chamden Schauplätzen der mittelalterlichen
pagner zu genießen, sagt Dražeta.
Fantasy-Serie nach der Romanreihe
Dubrovnik ist aber auch ein idealer
„Das Lied von Eis und Feuer“ von
Ausgangspunkt, um einen Ausflug mit
George R. R. Martin, in der es vereindem Boot zu den vorgelagerten Inseln
facht gesagt um Machtkämpfe, Kriege
zu unternehmen. Das Wasser des Mitund Religion geht.
telmeeres ist türkis und glasklar, und
Dubrovnik ist nicht erst in jüngster
weil es fast ausschließlich Felsküste
Zeit Filmschauplatz. Im alteingesesgibt, ist eine Bootstour, bei der
senen Hotel Excelsior, das 1913
man jederzeit ins Wasser
eröffnet wurde, stiegen
springen oder über die
schon viele Stars ab. Eine
Leiter klettern kann, ein
Fotogalerie mit Schwarzechter Luxus. Im neuen
Weiß-Bildern zeigt viele
Hafen von Dubrovnik
Hollywood-Stars,
dastarten etliche Ausrunter Elizabeth Taylor
flugsboote – beispielsund Richard Burton. „Er
weise zur Insel Miljet
hat 1973 drei Monate hier
oder zur vorgelagerten
gedreht, er spielte Tito.“
Insel Lopud. Wer es exklusiv
Der ehemalige jugoslawische Machthaber hatte Ein Korb mit fang­ haben will, kann sich halbtasich den berühmten Schau- frischen Austern geweise oder für einen Tag ein
Boot chartern und dann selbst
spieler für diese Rolle gebestimmen, wohin die Reise geht.
wünscht, erzählt Zrinka Marinović, die
Problemlos auf dem Landweg daseit elf Jahren für die Hotelgruppe
gegen erreicht man die langgestreckte
Adriatic Luxury Hotels arbeitet, zu der
Halbinsel Pelješac. Der Massentourisauch das Excelsior gehört. „Dubrovnik
mus hat sich hier noch nicht breitgewar immer schon eine beliebte Destimacht. „Es gibt nur wenige Hotels, aber
nation“, sagt Marinović, „auch zu komviele Privatquartiere“, sagt Zrinka Mamunistischen Zeiten.“ Allerdings sei
rinović, die von dort stammt. Man
Kroatien bemüht, im Tourismus noch
braucht etwa eineinhalb Stunden vom
besser zu werden. Die Wende zum
östlichen ans westliche Inselende. An
modernen Dienstleistungsgedanken sei
vielen Abzweigungen sieht man Schilnoch nicht bei allen angekommen, sagt
der, die auf die zahlreichen Weingüter
sie vorsichtig: „Wir lernen immer noch
der Halbinsel hinweisen. Pelješac, die
dazu.“ Dabei keime aber auch ein neues
bekannteste Weingegend Kroatiens,
Selbstbewusstsein auf. „Man besinnt
produziert vor allem Rotweine. Zur
sich auf die eigenen Wurzeln.“ Und so
Weinprobe beim Gut Skaramuča hat
gibt es auf allen Speisekarten viel Fisch
die Mitarbeiterin Christina Gryušić
und Meeresfrüchte.
köstliche Kleinigkeiten aus der Region
Denn Dubrovnik, auch Perle der
aufgedeckt: pikant gefüllte Mini-PapAdria genannt, liegt direkt an den Fangrika, Oktopussalat, getrocknete Tomagründen der edlen Delikatessen. In der
ten, Krabbensalat, Käse und dalmatiniBucht von Mali Ston haben etwa 50 Faschen Schinken. Dazu gibt es Brot. Und
milien das Privileg, Austern und Munatürlich testen wir uns durch diverse
scheln zu züchten. „Das Meer ist hier
Rotweine aus der Traubensorte Plavac
wie ein See. Es gibt mit dem RegenwasMali – der bekannteste heißt Dingač.
ser und dem Fluss einen Mix, der ein„Ein Glas Dingač am Abend, und alles
zigartig ist“, erklärt Denis Dražeta. Der
ist entspannt“, sagt Christina und lacht.
50-jährige Kroate arbeitet seit 40 JahSelbst wenn viele Inselbewohner
ren gemeinsam mit seinem Vater und
leben wie in alten Zeiten und weiterhin
zwei Brüdern im Familienbetrieb. Für
ihr Einkommen mit dem Wein- und
Touristen bietet er gelegentlich Touren
Olivenanbau erwirtschaften, die Mozu seiner kleinen Insel an, auf der eine
derne hat auch hier längst Einzug geprovisorische Freiluftküche eingerichhalten. Den Wein kann man im Intertet hat. Stolz erklärt er seine Arbeit und
net bestellen, und er wird auch nach
wie viel Zeit und Mühe es braucht, bis
Deutschland geliefert. 40 Tage dauert
die europäischen Austern groß genug
das garantiert nicht.
sind für den Verkauf. Er öffnet sie ge-

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