Racheakt mit schrecklichen Folgen

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Racheakt mit schrecklichen Folgen
Racheakt mit schrecklichen Folgen - Stadt Schweinfurt | Nachrichten - mainpost.de
12.06.2009 15:53 UHR
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SCHWEINFURT
Racheakt mit schrecklichen Folgen
Bewährungsstrafen für Angeklagte, hohes Schmerzensgeld für Opfer
Die Spuren der Schläge und Tritte, die der heute 26-Jährige am Morgen des 31. Mai 2007 einstecken musste, sind noch zwei Jahre nach der Wahnsinnstat in
seinem Gesicht zu sehen. Beide Wangenknochen waren gebrochen, eine Augen- und die Stirnhöhle zertrümmert worden. Nun standen vier Tatverdächtige in
einer Berufungsverhandlung vor Gericht.
Der Schwerverletzte musste in ein künstliches Koma
versetzt werden, so kompliziert war die Notoperation.
Erst kürzlich wurde das Opfer ein drittes Mal operiert.
Er sieht auf einem Auge nicht mehr richtig, der
Geruchssinn ist gestört. Wer ihn damals nach einem
Besuch in der Disco „Look“ in Bad Kissingen so schwer
misshandelte, konnte schon am Amtsgericht in Bad
Kissingen und jetzt auch in der Berufungsverhandlung
vor der Zweiten Strafkammer am Landgericht nicht
geklärt werden.
Nur einer der vier Angeklagten räumte ein, das Opfer ins Gesicht geschlagen zu
haben. Er hatte dafür in erster Instanz zwei Jahre mit Bewährung erhalten. Die
schweren Verletzungen können aber nicht nur von diesem einen Schlag
herrühren. Die anderen, die nichts gesehen und gemacht haben wollten, waren
am Amtsgericht wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt worden – zu drei bis
sechs Monaten mit Bewährung. Die Männer aus Schweinfurt, heute 27 bis 31
Jahre alt, ließen den Verletzten damals einfach liegen.
Streit war schon geschlichtet
Nach einer Zockrunde in einer Privatwohnung hatten die Schweinfurter die
Diskothek gegen 1.30 Uhr aufgesucht und waren dort auf eine große Gruppe
Bundeswehrsoldaten gestoßen, stationiert in Wildflecken. Darunter auch das
Opfer aus Hamburg. Nachdem es zunächst friedlich war, kam es – alkoholbedingt
– zu Rempeleien und einer handfesten Auseinandersetzung je eines
Gruppenmitglieds vor der Disco. Folge waren weitere Schubsereien und
Bedrohungen. Die Polizei schlichtete zunächst erfolgreich.
Auf der polizeilich angeordneten Heimfahrt erkannten die auf zwei Autos
verteilten Schweinfurter zwei Soldaten auf dem Gehweg wieder. „Da sind sie“, rief
einer – das Zeichen zum Angriff. Die Fahrer stoppten, und weil ein Soldat
flüchtete, verfolgte ihn der Älteste, heute 31, um ihn wegen angeblicher
Todesdrohungen vor der Disco „zur Rede zu stellen“, wie er sagte. Erwischt hat er
ihn nicht.
Der andere Soldat, das spätere Opfer und zuvor an nichts beteiligt, blieb
konsterniert stehen. Von wem es malträtiert wurde, konnte das Opfer nicht
sagen: Nach dem ersten Schlag bekam er nichts mehr mit.
Am Landgericht landete die schwere Körperverletzung, weil alle Beteiligten
Berufung eingelegt hatten. Die Staatsanwaltschaft, um höhere Strafen zu
erreichen, die Angeklagten mit dem gegenteiligen Ziel. Gehört wurde gleichwohl
nur der 31-jährige Angeklagte, der den anderen Soldaten erfolglos verfolgt hatte.
Er konnte erneut über einen fünften Beteiligten – möglicherweise der
Hauptschläger – nichts sagen, obwohl man zuvor Karten gespielt hatte.
Staatsanwalt stinksauer
Zudem verstrickte er sich in Widersprüche und brachte den Staatsanwalt wegen
einer Passage seiner Schilderung richtiggehend auf: Nach der Rückkehr von der
Verfolgungsjagd will er nichts vom zweiten Opfer gesehen oder nach ihm gefragt
haben. Die Verfolgung habe er abgebrochen, weil ihm just in dem Moment
eingefallen sei, dass er wegen einer anderen schweren Körperverletzung unter
Bewährung stand. „Das ist lebensfremd“, wetterte der Ankläger.
Gleichwohl: Den Nachweis, um einen der Beteiligten zu überführen, hatten
offensichtlich weder er noch das Gericht. In einer langen Sitzungspause einigten
sich die Anwälte der vier Angeklagten, die Kammer und der Rechtsvertreter des
Opfers dann auf folgenden Deal: Der Ex-Zeitsoldat erhält ein Schmerzensgeld von
35 000 Euro. Darin enthalten sind die in erster Instanz ausgesprochenen rund 20
000 Euro Geldbußen aller Angeklagten. Für die restlichen 15 000 Euro müssen der
31-Jährige und der 27-Jährige aufkommen, der als einziger Schläge einräumte
und sich erneut als einziger beim Opfer entschuldigte. Im Gegenzug nahmen alle
ihre Berufungen zurück. Es bleibt also lediglich bei Bewährungsstrafen für die vier
Schweinfurter.
Das Opfer kann übrigens seinen Traumberuf – Soldat, Zoll oder Polizei – wegen
der Verletzungen nicht realisieren. Er absolviert zurzeit eine Ausbildung zum
Informatiker.
http://www.mainpost.de/lokales/schweinfurt/Racheakt-mit-schrecklichen-Folgen;art7...
12.06.2009