Nur ein intakter Regenwald garantiert eine gesunde Zukunft für das

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Nur ein intakter Regenwald garantiert eine gesunde Zukunft für das
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Die Amazone.
Nur ein intakter Regenwald garantiert eine gesunde Zukunft für das Ökosystem Erde. Deshalb hat die Deutsche Mascha Kauka (rechts) eine
Initiative gegründet, um dieses gewaltige Projekt zu stemmen. Ein Investment in ihre Stiftung Amazonica ist ein Investment in unsere Zukunft.
„Geben Sie niemals einem Indianerstamm Ihre Visitenkarte,
schien und allein in Deutschland eine monatliche Auflage von
wenn Sie nicht enden wollen wie ich“, sagt Mascha Kauka.
300 000 Exemplaren erreichte. Rolf Kauka war also so etwas
Und lacht. Es ist ein herzliches Lachen. Ein wohlwollendes La-
wie Deutschlands Walt Disney.
chen. Die ganze Frau sprüht vor Herzlichkeit, vor Energie, vor
Die Verlags-Gene, das unternehmerische Handeln und das
guter Laune. Sie hat Großes vor. Sie will die Welt retten.
kreative Denken gingen offenbar auch auf seine Tochter
Mascha Kauka. Der Name ist Programm. Er klingt zunächst
Mascha über. Mit 26 Jahren gründet sie ihren eigenen Verlag,
einmal nach Abenteuer. Tatsächlich ist Mascha die russische
den Münchner RV-Officin-Verlag. Sie verlegt Kinderbücher
Form von Maria. Und er klingt nach Bekanntem. Tatsächlich
wie „Pumuckl“, macht sich aber vor allem einen Namen als
war Rolf Kauka, Maschas Vater, eine deutsche Institution. In
Autorin von Kochbüchern. Mit 138 Titeln und einer verkauf-
nahezu jedes Kinderzimmer schleuste er zwei Füchse ein: Fix
ten Gesamtauflage von mehr als 17 Millionen Exemplaren ist
und Foxi. Mehr als 750 Millionen Hefte wurden vom größ-
Mascha Kauka eine von Deutschlands erfolgreichsten Koch-
ten Comic-Erfolg Deutschlands verkauft.
buch-Autorinnen.
Ein weiteres Erfolgsprodukt aus Rolf Kaukas Verlag war
Bis eine Urlaubsreise ihr Leben – und das ihres Ehemanns, des
das Vorschulmagazin „Bussi Bär“, das in zehn Sprachen er-
Werbefachmanns Ulrich Pohl – komplett auf den Kopf stellt.
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Und zwar gründlich. 1980 fahren die beiden nach Ecuador. Sie
gabe werden wird, aus der weißen Fläche eine farbige Land-
haben wenig Zeit und deshalb sehr präzise Vorstellungen.
karte zu machen.
„Wir wollten auf die Galápagos-Inseln. Und wir wollten rich-
Unter anderem.
tige Indios sehen“, sagt Mascha Kauka.
Tatsächlich stoßen Mascha Kauka und ihr Mann am Ende ih-
Freunde helfen bei der Planung des Abenteuers. Sie raten den
res dritten Kanu-Tages auf ein Indio-Dorf mitten im Wald. In-
beiden zu einem Trip in den Urwald nördlich von Quito. Das
des, das Dorf ist leer. Sie stellen ihr Zelt auf und warten. Um
sei nicht so weit wie eine Fahrt in das Amazonasbecken, und
sechs Uhr nachmittags geht die Sonne unter. Sofort ist es zap-
außerdem gebe es dort waschechte Indios. „Ihr fahrt einfach
penduster. Mascha Kauka, Frau der Taten, setzt einen Topf
so lange, bis die Straße an einem Fluss endet. Dann paddelt ihr
Wasser auf, um Spaghetti zu kochen, und entkorkt eine Fla-
mit einem Kanu drei Tage stromaufwärts. Ihr könnt den Weg
sche Rotwein. Da taucht aus dem schwarzen Kreis des Wal-
gar nicht verfehlen.“
des ein Fackelzug auf. Drei Dutzend nackter Männer, die Ge-
Gesagt, getan. Was die beiden zu dem Zeitpunkt nicht wissen,
sichter bunt bemalt, Federschmuck auf dem Kopf, umkreist
ist, dass sie sich mit ihrem Kanu in ein Stück Landkarte hin-
das Paar, das vor dem Spaghettitopf hockt. Es folgt eine Schar
einbewegen, das 1980 noch weiß ist. Und dass es ihre Auf-
Frauen mit Kindern, allesamt ähnlich nackt.
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Wasserfall Lagune Sharam
„In meinem Kopf“, sagt Mascha Kauka, „blitzten unmittelbar
zu schaffen? Aus Freundlichkeit hinterlassen sie den Chachi
Szenen einschlägiger Filme auf. Ich sah meinen Mann und
jedoch ihre Adresse.
mich schon in einem großen Kessel schmoren.“
Damit nimmt seinen Lauf, was sich über 25 Jahre zu einem
Der Sohn des Häuptlings tritt vor. Es stellt sich heraus, dass
enormen und vorbildlichen Projekt auswachsen wird. Mit –
er Spanisch kann. Mascha Kauka auch. „Wer seid ihr?“, fragt
im Idealfall – positiven Folgen für das Wohlergehen unseres
der Häuptlingssohn. „Goldgräber? Holzfäller? Missionare?“
gesamten Planeten.
Mascha Kauka verneint. „Wir sind Touristen“, sagt sie. Diese
Wieder zu Hause, finden Mascha Kauka und ihr Mann einen
Spezies des weißen Mannes kennen die Indios nicht. Aber sie
Brief des Häuptlingssohnes vor. Darin wiederholt er seine Bit-
gefällt ihnen. So gut, dass sie das Ehepaar um Hilfe bitten.
te. „Wir wollen sehen“, sagen sich Mascha Kauka und ihr
Der Indianerstamm der Chachi, etwa 7000 Flussnomaden, die
Mann, „wie ernst es unseren Indianern wirklich ist.“ Sie ar-
vom Jagen und Fischen leben, ist in seiner Existenz bedroht.
beiten einen Fragebogen aus, der einer Volksbefragung gleicht,
Die ecuadorianische Regierung hatte den gesamten Wald an
und schicken ihn den Chachi.
ausländische Holzgesellschaften verpachtet, und die verlang-
Damit scheint die Angelegenheit beendet. Denn die Chachi las-
ten die Aussiedlung der Indios. Das Ende für die Chachi.
sen nichts mehr von sich hören. Fall erledigt, denken Mascha
Einen Ausweg gäbe es jedoch. Einen einzigen. Das Land müs-
Kauka und ihr Mann.
se vermessen werden. Denn laut der ecuadorianischen Recht-
Irrtum. Sechs Monate später liefert der Postbote ein Paket aus
sprechung wird vermessenes Land den ansässigen Ureinwoh-
dem Urwald. Darin liegt ein 40 Seiten dickes Manuskript und
nern überlassen, sofern sich diese dort dauerhaft niederlassen.
ein Entschuldigungsschreiben. Die Beantwortung habe so lan-
„Wir wollen sesshaft werden“, sagt der Häuptlingssohn.
ge gedauert, da die Antworten auf viele Fragen erst recher-
„Doch ihr müsst uns helfen, das Land vermessen zu lassen. Ihr
chiert werden mussten. Außerdem sei der Missionar und mit
seid weiß, wie die Leute der Regierung. Ihr wisst, wie sie den-
ihm die einzige Schreibmaschine im Urwald auf Heimaturlaub
ken. Und wir haben Vertrauen zu euch. Helft uns.“
gewesen.
Eine nette, ja, eine rührende Idee. Doch leider völlig unprak-
Was Mascha Kauka und ihr Mann nun in den Händen halten,
tikabel. In ein paar Tagen stehen die Galápagos-Inseln auf dem
ist eine ausführliche Abhandlung über den Stamm der Chachi.
Programm. Und dann geht es zurück zum otro lado del mun-
Ein derartiges Engagement darf nicht ohne Widerhall bleiben.
do, in das ferne Deutschland. Und außerdem, was hat das
Mascha Kauka sucht die Bayerische Verwaltung der staat-
deutsche Touristenpaar mit der ecuadorianischen Regierung
lichen Schlösser, Gärten und Seen auf. Erbettelt sich mit dem
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Achuar-Kinder
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Wettlauf im Urwa
Charme einer gutaussehenden und tatkräftigen Frau deren
der traditionelle Lebensraum gehört ihnen heute mit offiziel-
ausgemusterte Vermessungsgeräte. Überzeugt die deutsche
lem Eigentumstitel.
Lufthansa, das gesamte Material kostenlos nach Ecuador zu
Mascha Kauka und ihr Mann stemmten ein Mammut-Projekt.
fliegen. Inklusive Gummistiefel, Regenponchos und Kanus mit
Erreichten, wovon klassische Entwicklungshilfe-Organisatio-
Außenbordmotor. Fliegt selbst nach Ecuador. Spricht bei der
nen nur träumen. Brachten eine respektable Portion an Zeit,
Regierung vor: Der Urwald auf der weißen Landkarte nörd-
Energie, eigenem Geld und Engagement mit ein.
lich von Quito muss vermessen werden.
Mehr, als sie sich am Anfang jemals vorzustellen wagten. „Es
Sechs Jahre lang arbeiten sich ecuadorianische Beamte darauf-
gibt“, sagt Mascha Kauka, „mehr Frauen, die gute Kochbü-
hin durch den Wald. Ausgerüstet mit bayerischen Winkelmess-
cher schreiben, als solche, die den Indios helfen können, ihren
instrumenten, bestimmen sie durch ihre Zielfernrohre Verti-
traditionellen Lebensraum zu retten. Damit war für mich klar,
kal- und Horizontalwinkel eines Gebietes, das so groß ist wie
wie ich meine Prioritäten setze.“
ganz Oberbayern. Die Indios schlagen ihnen dazu die Schnei-
Doch dies war erst der Anfang.
sen in den Busch.
Zehn Jahre, nachdem die Zusammenarbeit mit den Chachi be-
Parallel dazu gründet Mascha Kauka in Deutschland den ge-
gann, bittet die ecuadorianische Regierung Mascha Kauka um
meinnützigen Verein Indio-Hilfe. Arbeitet einen Masterplan
weitere Hilfe. In einem Slum von Quito leben 16 000 Indios
aus, um den Chachi-Stamm sesshaft zu machen. Macht aus
unter katastrophalen Bedingungen. Kein Wasser, keine Kana-
Flussnomaden Bauern und Handwerker. Errichtet Schulen,
lisation, keine Arbeit. Stattdessen Elend, Kriminalität, Prosti-
sanitäre Anlagen, Krankenhäuser. Bindet die Stammesmit-
tution.
glieder mit ein und bildet sie aus.
Mascha Kauka geht in den Slum. Redet mit den Indios. Stellt
„Das war“, sagt Mascha Kauka, „kein Wohltätigkeitsprojekt.
fest, dass 12 000 der 16 000 Indios Angehörige ein und dessel-
Was wir mit den Chachi gemacht haben, war gemeinsame
ben Stammes sind: Hochland-Indianer vom Stamm der
Arbeit. Wir waren Partner. Wir haben gegenseitig Know-how
Pilahuines. Fährt in die Provinz Tungurahua, das Heimat-
ausgetauscht. Unsere Hilfe bestand primär nicht aus Geld,
gebiet der Pilahuines.
sondern aus unternehmerischem Management. Aus Mut. Aus
„Es war das totale Kontrastprogramm“, sagt Mascha Kauka.
Praxis.“
„Vom dampfigen Urwald auf das auf 3500 Meter gelegene
20 Jahre lang dauerte die Zusammenarbeit mit den Chachi.
Hochland. Die Gründe für die gewaltige Landflucht der Pila-
Das Land wurde vermessen. Der Stamm wurde sesshaft. Und
huines lagen auf der Hand. So weit das Auge reichte,
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dung
brandRo
kahlschlag im urwald
betrieben sie Monokulturen von Zwiebeln und Knoblauch.
te der Weltbevölkerung – knapp vier Milliarden Menschen –
Klar, dass niemand davon leben konnte und dass deshalb fast
nicht genügend oder kein sauberes Trinkwasser.
alle ihr Glück in der Stadt suchten.“
Auch das Weltklima wird durch den tropischen Regenwald
Mascha Kauka packt an. Sie lässt die steilen Hänge im Tun-
maßgeblich beeinflusst. Nur ein intakter Urwald garantiert
gurahua-Hochland nach altem Inka-Vorbild terrassieren. Sie
weltweit ein gesundes Klima, ausreichend Wasser und damit
errichtet eine weiträumige Wasserversorgung. Sie organisiert
auch genügend Nahrung. Der Urwald ist das effizienteste De-
Ausbildungskurse und Studienbeihilfen.
pot für CO2. Doch werden die Bäume gefällt, wird das CO2
Sieben Jahre später bauen die Pilahuines auf ihren Feldern 40
wieder frei. Jedes Jahr fallen im Amazonasgebiet mehrere Mil-
verschiedene Agrarprodukte an, hauptsächlich in ökologischer
lionen Hektar Urwald dem Raubbau zum Opfer.
Produktion. Sie besitzen eine Herberge mit 140 Übernach-
Und: Nirgendwo sonst ist die Artenvielfalt so groß wie im tro-
tungsplätzen am Indio-Markt in Quito. Und der Slum ist ver-
pischen Regenwald. Schon heute sterben vier Arten pro Stun-
schwunden.
de. Je mehr Regenwald abgeholzt wird, umso mehr Arten ge-
Finanziert wurde das erfolgreiche Projekt aus Kaukas Indio-
hen verloren.
Hilfe, aus eigener Tasche und aus Fördermitteln des Bundes-
„Seit Tausenden von Jahren“, sagt Mascha Kauka, „leben die
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
Indios im Wald und vom Wald, ohne dem Wald dabei Schaden
wicklung.
zuzufügen. Sie sind die geborenen Waldhüter. Keiner kennt
„Was wir erreicht haben“, sagt Mascha Kauka, „ist gut.
den Wald besser als sie. Niemand kann sich im Wald besser
Trotzdem. Es ist nicht genug. Nicht flächendeckend genug.
bewegen als sie. Indem wir die Indios fördern, bewahren wir
Nicht tief genug. Nicht nachhaltig genug. Wir müssen ein Sys-
auch den Wald. Und indem wir den Wald bewahren, sichern
tem entwickeln, das nicht nur einzelnen Stämmen oder einzel-
wir letztendlich die Lebensgrundlage und die Zukunft für uns
nen Dörfern hilft. Wir müssen ein System entwickeln, das dem
alle.“
hohen Ziel gerecht wird, die Natur zu schützen und damit die
Eine einfache Gleichung, eine einleuchtende Logik. Um ihr
Menschheit.“
Folge zu leisten, hat Mascha Kauka im April 2002 die Ama-
Im Amazonasbecken liegt das größte und wichtigste Wald-
zonica-Initiative gegründet.
ökosystem der Welt. Es bewahrt und erneuert ein Drittel der
Sie vereint zwei Schwerpunkte: erstens den Indios eine Zu-
gesamten Süßwasserreserven der Erde. Diese Reserven werden
kunft im Wald zu bieten und dadurch zweitens die Umwelt zu
immer wichtiger, denn schon heute hat weit mehr als die Hälf-
schützen. Heute leben fast zwei Millionen Indios in 400 Dör-
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So kochen d
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Shuar-Kinder
fern im Amazonas-Urwald – die meisten davon weitab von je-
Licht. Anstelle von Dieseltreibstoff werden die Maschinen mit
dem Straßennetz. Gemeinsam mit ihnen wählte Mascha Kau-
Biogas und mit Pflanzenöl betrieben. Schließlich schaffen sau-
ka drei Stämme aus, um drei so genannte Mustergemeinden
bere Energien saubere Dörfer.
aufzubauen. An ihnen soll demonstriert werden, wie die Zu-
Und saubere Dörfer sind die Grundvoraussetzung für Punkt
kunft des Urwaldes aussehen kann. Nach vier Jahren Testlauf
drei, Gesundheit. Sämtliche Familien wurden in Fragen der
ist das Pilotprojekt nun erfolgreich abgeschlossen.
Hygiene und der ökologischen Entsorgung geschult. Dazu ge-
Die Ergebnisse sind beeindruckend. Sie zeigen, dass Entwick-
hören zeitgemäße Dinge wie Mülltrennung, Kompostierung,
lungshilfe, die richtig verstanden und richtig praktiziert wird,
der Bau von Toiletten, das Klären von Abwasser, aber auch die
nachhaltige Resultate bringen kann. „Wir haben uns“, sagt
Wiederbelebung von althergebrachtem Wissen wie über den
Mascha Kauka, „in unseren Mustergemeinden auf vier Kern-
Anbau und die Verarbeitung von traditionellen Heilpflanzen.
punkte fokussiert: Trinkwasser, Energie, Gesundheit und Aus-
Zudem gelang Mascha Kauka die erste Malaria-Kampagne im
bildung.“
Urwald. Dazu ließ sie 28 Indio-Sanitäter am Mikroskop aus-
Nicht mehr und nicht weniger. Aber mit dem Pragmatismus ei-
bilden und errichtete eine medizinische Infrastruktur, die
ner Kochbuch-Autorin und dem ihr angeborenen unterneh-
15 000 Quadratkilometer abdeckt.
merischen Gespür wurde daraus tatsächlich ein zukunftswei-
„Und damit die Indios das alles bewahren, selbst verwalten
sendes Modell.
und künftig auch ausbauen können, haben wir, Punkt vier, ein
„Es gibt“, sagt Mascha Kauka, „wenige Dinge, die die Indios
breites Ausbildungsprogramm gestartet“, sagt Mascha Kauka.
im Wald produzieren und zu einem realistischen Preis draußen
Alphabetisierung von Kindern und Erwachsenen, Unterstüt-
verkaufen können, da kein Straßennetz existiert und alles teu-
zung von Studenten, Informatikkurse, Ausbildung für Hand-
er rausgeflogen werden muss. Es ist deshalb fundamental, dass
werker und Landwirte, Kurse für Gemüseanbau und Acker-
die Indios lernen, autark zu sein.“
bau, alles ökologisch, für Kleintierhaltung und für Wiederauf-
Deshalb, Punkt eins, stand am Anfang die Versorgung aller
forstung ehemaliger Rinderweiden, für die Gründung von Fa-
Haushalte mit Trinkwasser. Dazu wurde, Punkt zwei, der Ein-
milienbetrieben und für Gemeindeverwaltung, die Wiederbe-
satz erneuerbarer – und umweltfreundlicher – Energien einge-
lebung und Pflege der jeweiligen Stammeskultur, ja sogar
führt, um eine dezentrale Versorgung im Urwald zu garantie-
Lehrgänge für zukünftigen Öko-Tourismus.
ren. Photovoltaik-Anlagen und Wasserkraftwerke versorgen
Es funktioniert. Heute leben die Einwohner der drei Muster-
die Häuser der Mustergemeinden mit Wasser, Strom und
gemeinden autark und selbstbestimmt, zeitgemäß und
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Wasserstelle vor dem Gemeindehaus
Terrasse
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ka-Vorbi nbau nach Inld
Schulspeisung
zugleich traditionsbewusst und sind in der Lage, ihre Zukunft
„mitten im ecuadorianischen Amazonasbecken eine Urwald-
selbstständig zu gestalten. Sie leben von ökologischer Land-
Akademie gründen. Sie soll das Herzstück der Amazonica-
wirtschaft und von handwerklicher Produktion. Sie haben ei-
Initiative werden.“
nen eigenen Binnenmarkt im Wald geschaffen und sogar eine
Der Hauptsitz der Urwald-Akademie wird sich im Gebiet der
Art Steuersystem eingeführt. Sie verfügen über medizinische
Achuar-Indios am Pastaza-Fluss befinden. Ein zweiter Sitz ist
Versorgung und das Know-how für Wiederaufforstungspro-
bei dem Volk der Shuar im Norden der Provinz Morona San-
jekte und zur Errichtung von Naturschutzgebieten.
tiago geplant. Das geschlossene Waldgebiet, in dem die Aka-
Doch das war immer noch erst der Anfang.
demie liegt, misst 20 000 Quadratkilometer und ist weitge-
„Phase eins ist geschafft“, sagt Mascha Kauka. „Nun müssen
hend Primärwald. Es zählt zu den artenreichsten Regionen der
wir das Modell auf den Rest des Gebietes umsetzen. 100 Dorf-
Welt. „Der Regenwald“, sagt Mascha Kauka, „ist ein exzel-
gemeinschaften warten bereits darauf.“ Um den Sprung ge-
lentes Forschungsgebiet für Wissenschaft und Industrie. Bisher
wissermaßen vom erfolgreichen Prototypen zur Serienproduk-
war der Regenwald den Hochschulen allerdings weitgehend
tion zu schaffen, hat sich Mascha Kauka nationale und inter-
verschlossen, da er nur mit Hilfe der Indios zugänglich ist.
nationale Schützenhilfe geholt.
Und die haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen ge-
Mit der Regierung in Ecuador besteht ein Kooperationsver-
macht. Nun kann der Forschung eine enorme Spielwiese er-
trag. In Deutschland wird das Projekt vom Klima-Bündnis
öffnet werden.“
unterstützt. Die Schirmherrschaft hat das Bayerische Staatsmi-
Die Studieninhalte, die an der Urwald-Akademie gelehrt wer-
nisterium für Wissenschaft, Forschung und Kunst übernom-
den, kombinieren die Erfahrungen der Mustergemeinden mit
men. Die weltweite Schirmherrschaft über die Amazonica-In-
Themen des Umweltschutzes und mit Entwicklungen moder-
itiative liegt bei der UNESCO.
ner Spitzentechnologie, soweit diese umweltverträglich ist.
Das Projekt soll Schule machen. Im wahrsten Sinne des Wor-
Studienfächer werden unter anderem sein: erneuerbare Ener-
tes. Alle Erkenntnisse aus dem Testlauf mit den drei Muster-
gien, nachwachsende Rohstoffe, Klimatologie, Hydrologie,
gemeinden sind heute schon umfassend dokumentiert und sol-
Bodenbiologie, Geoinformatik, Nutzung von Medizinalpflan-
len künftig nicht nur allen Ureinwohnern des Amazonas-
zen für Pharmazie und Kosmetik, Management von Natur-
beckens zugänglich gemacht, sondern auch über die Landes-
schutzgebieten, Öko-Tourismus, Ethnologie.
grenzen hinaus genutzt werden. Deshalb hat Mascha Kauka
Die Akademie unterrichtet in Theorie und Praxis. Neben den
sich etwas Besonderes einfallen lassen. „Wir wollen“, sagt sie,
Seminaren finden Exkursionen, Feldarbeit und Workshops in
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Urwaldhaus mit Solarmodul
os bei
Achuar-Indi
agnose
Malaria-Di
Jorges Laptop ar
beitet mit
Solarenergie
Indio-Dörfern und im Primärwald statt. Angeboten werden
Mut, an Ideen und an Engagement, das sie bisher gezeigt hat,
postgraduierte Studiengänge mit qualifiziertem Abschluss
wird ihr auch diese Aufgabe gelingen. Für die Welt wäre es ein
ebenso wie Diplome für die Teilnahme an bestimmten Semi-
Anfang.
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naren. Für die Indios wird unter anderem als fester Bestandteil ein Beratungsservice eingerichtet, der sie begleiten soll, die
Text: Sabine Holzknecht
Erkenntnisse aus der Akademie in ihren Dörfern umzusetzen.
Zahlreiche Hochschulen haben bereits ihr Interesse bekundet:
die Technische Universität München, die Fachhochschule WeiFotos: Amazonica // Corbis // mediacolors // wildlife // Corbis lizenzfrei
henstephan, die Universität Regensburg, das Wissenschafts-
Investieren in Amazonica
zentrum Straubing, die Fachhochschule Amberg-Weiden, die
Universität Granada, das Polytechnikum Quito.
Für den Ausbau der 2002 ins Leben gerufenen Amazonica-Initiati-
Es bleibt noch ein großes Problem zu lösen: das der Finanzie-
ve gründete Mascha Kauka im April 2007 in München die Amazo-
rung. „Für den Aufbau der Amazonica-Akademie haben wir
nica-Stiftung. Die Stiftung bündelt Spenden und Zustiftungen und
einen Investitionsbedarf von 1,3 Millionen Euro“, sagt Ma-
verantwortet die Finanzierung der Urwald-Akademie. Die erforder-
scha Kauka. Dieser soll durch Spenden, Zustiftungen und För-
lichen Mittel will die Stiftung unter anderem durch Erlöse aus dem
derungen abgedeckt werden.
Stiftungsvermögen, Zustiftungen, öffentlichen Fördermitteln, Spen-
Zusätzlich hat Mascha Kauka Namen und Logo von Amazo-
den und Sponsoring aufbringen. Die Kosten für den Aufbau der Aka-
nica bereits in 33 Ländern als Trademark schützen lassen. „Ei-
demie werden sich auf etwa 1,3 Millionen Euro belaufen.
ne Vermarktung der Marke Amazonica ist durchaus denk-
Zu den Unterstützern der Stiftung zählen namhafte deutsche Unter-
bar“, sagt sie. Eine weitere Einnahmequelle könnte sanfter
nehmen wie das private Bankhaus Sal. Oppenheim in Köln oder die
Öko-Tourismus im Urwald sein. Und natürlich gibt es auch
Süd-Chemie in München. Auch wissenschaftliche Einrichtungen
die Möglichkeit, durch eine nennenswerte Spende zum „Eh-
fördern die Initiative. Mascha Kauka selbst bringt 25 Jahre Erfah-
rensenator“ der Amazonica-Stiftung zu avancieren.
rung in die Stiftung mit ein sowie bereits getätigte Investitionen in
Trotzdem: Vor Mascha Kauka liegt eine große, eine schwere
das Pilotprojekt in Höhe von 1,2 Millionen Euro.
Aufgabe. Ihr Mann Ulrich Pohl ist letztes Jahr verstorben. Sie
Weitere Informationen gibt es unter: www.amazonica.org
selbst, heißt es, sei bereits zweimal entführt worden. Doch
oder direkt bei Mascha Kauka: [email protected]
Mascha Kauka ist nicht kleinzukriegen. Bei dem Ausmaß an
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