Marzahn-Hellersdorf

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Marzahn-Hellersdorf
434 Kieze, 96 Stadtteile, 12 Bezirke: eine Stadt.
Erfahren Sie mehr über Berlins Bezirke. Die meisten Bezirke haben dabei mehr Einwohner als manch
eine Großstadt im Bundesgebiet. Und genauso abwechslungsreich sind die Bezirke selbst.
Erfahren Sie mehr über die einzelnen Stadtteile, deren beliebsteste Ecken und manch interessantes Detail.
Die Serie über die Berliner Bezirke ist im ImmobilienJournal erschienen.
Marzahn-Hellersdorf
Platte, Hartz-IV und Cindy. Ganz ehrlich, vielmehr fällt den meisten zu Marzahn-Hellersdorf nicht ein.
Es sei denn, man lebt hier. Wer denkt schon zuerst an Kaulsdorf, Mahlsdorf und Biesdorf, die
gutbürgerlichen Ortsteile, die immerhin mehr als die Hälfte des Bezirks ausmachen? Marzahn-Hellersdorf
ist reduziert auf die „Platte“ und deren Image. Ein Image, das seit Ilka Bessins Comedian-Figur „Cindy
aus Marzahn“ zum Kult avanciert und auch Nicht-Berlinern die Existenz des Stadtteils medial einbrennt:
laut, schrill, vulgär, aber dabei herzlich und bisweilen verträumt.
Die Figur bedient das übliche Klischee des Hochhausbewohners. Mit traumwandlerischer Sicherheit
greift sie am guten Geschmack vorbei in den Kleiderschrank und wählt stets Outfits, die jedes Detail des
bei Fernsehmarathons geformten Körpers in Szene setzen. Das Make-up ist wenig dezent und gleicht eher
den ersten Malversuchen eines Teenies auf dem Kriegspfad. Dazu ein Diadem und die Prinzessin träumt
vom edlen Retter, der sie in eine andere Welt entführt. Cinderella – oder eben Cindy.
Eine völlig überzogene Parodie – gewiss. Doch wie kam es zu den Hochhaussiedlungen am Stadtrand der
ehemaligen „Hauptstadt der DDR“?
Plattenbauten zwischen "Must have" und "No go"
Angefangen hat es im Jahr 1973, als die DDR ein Wohnbauprogramm beschloss. Jede Familie sollte mit
einer Wohnung versorgt werden und somit das Wohnungsproblem als soziale Frage gelöst werden. Die
geplanten Wohnungen waren zweifelsohne modern, mit durchdachten Grundrisslösungen, Aufzug,
zentraler Heizung und Warmwasser. Sie boten einen ungeahnten Wohnkomfort im Vergleich zu den
üblicherweise desolaten Altbauwohnungen mit Ofenheizung, zugigen Fenstern und den Örtlichkeiten auf
halber Treppe. Vorerst waren ca. 35.000 Wohnungen geplant, doch diese Zahl wurde stets erweitert.
Ende 1977 hatte der in diesem Jahr neu gegründete Bezirk bereits ca. 64.000 Einwohner zu verzeichnen.
Realisierbar waren solche Bauten nur durch eine typisierte Architektur mit rationaler Fertigungsweise.
Während die statische Stützkonstuktion vor Ort erbaut wurde, konnten die Wandelemente industriell
vorgefertigt werden. Der von den Bewohnern geprägte Begriff vom Wohnen „in der Platte“ war denn
auch eher als Lob denn als Abwertung gemeint, zeigte es doch, dass man zu den Privilegierten gehörte,
die hier ihr Heim erhalten haben.
Auch heute noch ist Marzahn-Hellersdorf die größte zusammenhängende Plattenbausiedlung und
gleichzeitig auch das größte Siedlungsgebiet Europas. Seit der Wende und der Sanierung des
Altbaubestandes in den innerstädtischen Bezirken verlor die Platte an Attraktivität. Wer konnte zog weg.
Auch bauphysikalisch waren die Häuser schnell ein alter Hut. Die meisten Gebäude wurden bereits
saniert, ein nicht unerheblicher Teil im Rahmen des Projekts „Stadtumbau Ost“ aber auch abgerissen. So
wurden viele Elfgeschosser auf ein drei- bis sechsgeschossiges Niveau zurückgebaut. Insgesamt flossen
knapp 61 Millionen Euro in das Projekt, das offiziell seit Mitte 2010 abgeschlossen ist. Insgesamt ist
Marzahn-Hellersdorf zu einem deutlich attraktiveren Wohnstandort geworden, denn der Stadtteil wird
zunehmend familienfreundlicher. Er verfügt über genügend Kita- und Hortplätze, es sollen sogar noch
700 weitere Plätze geschaffen werden und auch drei neue Schulen sind in Planung. Eine angemessene
Infrastruktur mit vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten und überwiegend guter Verkehrsanbindung ist auch
gegeben.
Gentrifizierung in Hellersdorf?
Dorthin zieht man nicht, wenn man es sich leisten kann, denken viele. Aber so schlimm, wie der Ruf es
vermuten lässt, lebt es sich gar nicht im Berliner Osten. Ganz im Gegenteil der Osten wird wieder „hip“.
Auch wenn man im ersten Moment nicht darauf kommt, was das Thema Gentrifizierung mit MarzahnHellersdorf zu tun hat, so zeigt sich doch ein steter Zuzug von besser- bis gutsituieren Berlinern. Häufig
sind es „Heimkehrer“ die hier aufwuchsen und den teilweise spektakulären Blick aus den oberen
Hochhausetagen vermissten. Häufiger Auslöser sind die schnell steigenden Lebenshaltungskosten in den
Innenstadtbezirken, vor allem für Mieten, die viele veranlassen, sich nach Wohnungen umzusehen, die
günstiger im Unterhalt sind. So lässt sich ein zunehmender Wanderungsdruck aus der Stadtmitte an den
Rand wahrnehmen. Die Marzahn-Hellersdorfer Sozialstadträtin Dagmar Pohle erhofft sich durch die
Umstände eine bessere Bevölkerungsmischung. Bei den Einschulungsuntersuchungen könne sie vermehrt
feststellen, dass beide Elternteile des neuen Schülers berufstätig sind. Allerdings gebe es immer noch
problematische Regionen z.B. in Marzahn-West oder rund um die Hellersdorfer Promenade, diese Areale
sind größtenteils noch unsaniert und viele Menschen leben von Sozialleistungen.
Alles in allem ist die Wohnzufriedenheit Umfragen zufolge in den sanierten Plattensiedlungen sehr hoch,
auch wenn das Leben in der „Platte“ für viele noch immer negativ behaftet zu sein scheint. Für den, der
bislang keine Berührungspunkte zu den Hochhaussiedlungen in Marzahn und Hellersdorf hatte, lebt das
Klischee weiter. Dies erklärt auch den immer noch höchsten Leerstand aller Berliner Bezirke, bei jüngst
rückläufiger Tendenz. Die niedrigen Angebotsmieten fördern die Entwicklung. Wer eine Wohnung in den
Ortsteilen Marzahn oder Hellersdorf mietet, zahlt derzeit zwischen 4,10 und 5,50 Euro Kaltmiete pro
Quadratmeter. So lässt sich jüngst eine differente Mietpreisentwicklung feststellen, jedoch durchweg mit
negativem Vorzeichen zwischen 2,6 und 10 %.
Marzahn-Hellersdorf bietet mehr als nur eine große Plattenbausiedlung und Einkaufsmöglichkeiten wie
das Eastgate. Inmitten der Hochhäuser befindet sich z.B. der Erholungspark Marzahn mit den berühmten
„Gärten der Welt“. U. a. beherbergt er auf seinen 21 Hektar Fläche den größten chinesischen Garten
Europas, einen japanischen, einen orientalischen und weitere Gärten. Noch zu Mauerzeiten wurde 1987
der Landschaftspark anlässlich der 750-Jahr-Feierlichkeiten als Gegenstück zum (West-)Berliner BuGaGelände eröffnet, und steht dem Britzer Garten auch heute in nichts nach.
Auch das Wuhletal lädt zu einem Spaziergang auf dem 15 Kilometer langen Wanderweg ein. Insgesamt
bietet der Großbezirk neun Parkanlagen und durchbricht somit die hohe Bebauung der Plattenbauten.
Mahlsdorf - "Dahlem des Ostens"
Drei von zehn Bewohnern im Bezirk Marzahn-Hellersdorf leben in den ehemaligen märkischen Dörfern
Kaulsdorf, Biesdorf und Mahlsdorf. Ortsnamen, die Durchreisende auf der B1/B5 als staubeladenes
Eingangstor von Osten ins Berliner Stadtzentrum kennen. Neben den großen Bau- und Gartenmärkten
fallen die weiten und zumeist unscheinbaren Einfamilienhaussiedlungen auf. Und das macht den Reiz
aus. Hier lässt es sich völlig unspektakulär leben. Alte Eigenheime noch aus den 1930er Jahren in
gewachsener Umgebung wechseln sich fast selbstverständlich mit neuen Einfamilienhäusern
unterschiedlichster Architektur ab. Luxuriöse Landhäuser oder auch die mit sehr viel Glasflächen
gebauten HUF- und daVinci-Häuser lassen sich hier entdecken. Vorherrschend sind natürlich klassische
Einfamilienhäuser der unterschiedlichsten Fertighausanbieter. Entweder als Einzelobjekte oder im
Rahmen von zahlreichen Bauträgermaßnahmen in Siedlungen wie beispielsweise Biesdorf-Süd.
Insbesondere Kaulsdorf wird von vielen als „Dahlem des Ostens“ bezeichnet – ein zugegebenermaßen
abgedroschener Begriff des Makler-Vokabulars, der aber auf die bevorzugte Wohnlage hinweisen soll. In
der Tat ist es so, dass Kaulsdorf als einer der ganz wenigen östlichen Ortsteile im Berliner Mietspiegel als
gute Wohnlage eingestuft ist. Aber auch Mahlsdorf und Biesdorf zählen zu den bessersituierten
Wohngegenden.
In allen drei Ortsteilen liegt das Mietniveau mit im Mittel 6,80-7,50 Euro je Quadratmeter netto kalt
deutlich höher als in den dicht bebauten Hochhaussiedlungen im Norden des Bezirks. Die
Steigerungsraten in 2011 sind mit bis 3% moderat. Bei Kaufimmobilien herrscht wie bisher das Angebot
an baureifen Grundstücken vor, wobei die angebotenen Flächen mit 400-500 Quadratmetern
hauptsächlich als Hammer- und Hinterliegergrundstücke offeriert werden. Mit einem Quadratmeterpreis
von 100-110 Euro bleibt das Kaufpreisniveau seit Jahren relativ konstant.
Etwas anders sieht die Marktlage bei Einfamilienhäusern aus. Nur gut zwei Prozent des Bestandes werden
derzeit angeboten, was deutlich unterhalb des Berliner Schnitts (6,7%) liegt. Dass hier das knappe
Angebot nicht zu steigenden Preisen führt, liegt vorrangig an dem großen Angebot an neuen Reihen-,
Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften, das auch preislich für viele Kaufinteressenten eine
Alternative zur Bestandsimmobilie aufzeigt. Die Kaufpreisentwicklung verläuft seit einigen Jahren
seitwärts, wobei es in einzelnen Mikrolagen durchaus Veränderungen im zweistelligen Bereich gibt.
Wer Eigentum abseits der großstädtischen Hektik sucht, ist in den drei südlichen Ortsteilen von MarzahnHellersdorf bestens aufgehoben. Wer noch nie in Hellersdorf oder Marzahn war, sollte sich zumindest
einmal auf den Weg machen, und die „Gärten der Welt“ besuchen. Wer hierbei durch die
Hochhaussiedlungen streift wird feststellen, dass Cindy ein Klischee ist. Schade eigentlich.
Marzahn-Hellersdorf im Vergleich
Übersicht
Fläche*
Marzah
n-Heller
sdorf
Berlin Abwe
ichun
g
61,8
km²
891,8 6,9%
km²
Einwohner 244.980 3.371.2 7,3%
*
12
Einwohner
dichte
3.964/k 3.780/k +4,9
m²
m²
%
Einkomme 875€/m
885
n²
tl. €/mtl.
-1,1
%
Arbeitslose
nquote
7,8%
13,6% -42,6
%
Migrantena
nteil³
10,6%
25,5% -58,4
%
Ausländera
nteil
Kriminalitä
t⁴
3,5%
13,5% -74,1
%
10.070 14.494 -30,5
%
Quelle: Statistisches Landesamt Berlin, Daten per 30.06.2010
* statt Abweichung Anteil;
² verfügbares Pro-Kopf-Einkommen
³ dt. Einwohner mit Migrationshintergrund und Nicht-Deutsche
⁴ Straftaten je 100.000 Einwohner (2009)
Interessantes und Wissenswertes
Das Eastgate ist das Einkaufszentrum im Großbezirk. Es eröffnete im Jahr 2005 und bietet eine
Verkaufsfläche von 32.000 m² mit 150 Geschäften.
"Cindy aus Marzahn“ alias Ilka Bessin wurde in Luckenwalde geboren und lebt in BerlinWilmersdorf. In Marzahn hat sie noch nie gewohnt! Übrigens: laut Recherche der BILD gibt es
nur 139 „echte“ Cindys in Marzahn
Die Marzahner Bockwindmühle ist die Rekonstruktion einer bereits im Jahr 1815 in Betrieb
genommenen Bockwindmühle. Rund 200 000 "Mahlgäste" besuchten die Mühle am Dorfrand von
Marzahn, seit ihrer Eröffnung 1994.
Die „Gärten der Welt“ befinden sich im Erholungspark Marzahn und beherbergen den größten
chinesischen Garten Europas. Täglich ab 9:00 Uhr geöffnet. (Eisenacher Straße/Blumberger
Damm)
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