Bericht vom Auslandssemester an der Universität Aalborg (DK)

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Bericht vom Auslandssemester an der Universität Aalborg (DK)
Bericht vom Auslandssemester an der Universität Aalborg (DK)
von Daniel Höllen
1. Vorbereitung
Von Oktober 2003 bis April 2008 studierte ich Mineralogie an der TU Bergakademie Freiberg.
Den Höhepunkt und Abschluss meines Studiums bildete meine Diplomarbeit, die ich von
Oktober 2007 bis März 2008 an der Universität Aalborg in der dänischen Provinz Nordjütland
verfasste. Die Idee, einen Teil meines Studiums im Ausland zu verbringen, entstand bei mir
bereits in den ersten Semestern. Nach Rücksprache mit meinem damaligen Professor fasste
ich dafür das 7. Semester ins Auge. Als ich ein Jahr vorher mit den Vorbereitungen dafür
begann, stellte sich heraus, dass die Anerkennung der im Ausland erbrachten
Studienleistungen ein Problem darstellen würde. Die bestehenden Vereinbarungen für
ähnliche Studiengänge (z.B. Geologie) waren nicht so beschaffen, dass sie es mir ermöglicht
hätten, das 7. Semester im Ausland zu verbringen, dann ins 8. Semester wieder einzusteigen
und anschließend meine Diplomarbeit zu schreiben. Stattdessen hätte ich das 7. Semester
wiederholen müssen, wobei erschwerend hinzugekommen wäre, dass sich einige Vorlesungen
über das 7. und 8. Semester erstrecken. Daher entschied ich mich stattdessen für ein IAESTEPraktikum in der Türkei in der vorlesungsfreien Zeit nach dem 6. Semester. Diese positive,
aber leider relativ kurze Erfahrung (5 Wochen Praktikum, eine Woche Urlaub) in
Kombination mit dem Bericht eines Kommilitonen von seinem Auslandssemester in
Norwegen und der erfolgreichen Planung zweier Trimester in Kanada durch eine
Kommilitonin führte bei mir zu dem Wunsch, ein zweites Mal ins Ausland zu gehen. Dabei
kam mir der Gedanke, die Auslandserfahrung mit der Diplomarbeit zu kombinieren, ohne
einen Zeitverlust zu erleiden: Ich entschied mich, meine Diplomarbeit im Ausland zu
schreiben. Da ich wusste, dass ich dafür einen Betreuer an der Universität brauchen würde,
fragte ich sogleich meinen Professor, der mir vorschlug, mich an einen seiner Bekannten zu
wenden, der an der Universität Aalborg in Dänemark lehrt. Schnell wurde ich mit ihm und
meinem Professor aus Freiberg über das Thema, „Identification and Quantification of
Crystalline Phases in Thermally Treated Stone Wool“, einig. Ich bewarb mich offiziell bei der
Universität in Aalborg und wurde akzeptiert. Anschließend schlossen die beiden beteiligten
Professoren eine Erasmus-Vereinbarung ab, was den Vorteil hatte, dass ich in den Genuss
einer finanziellen Unterstützung von 150 € pro Monat kam. Zusätzlich stockte die
Studienstiftung des deutschen Volkes mein Stipendium von vorher 605 € auf 805 € pro Monat
auf, um den höheren Lebenshaltungskosten in Dänemark Rechnung zu tragen. Somit hatte ich
insgesamt 955 € pro Monat zur Verfügung, einen Betrag, den man in Dänemark auch braucht.
Die Universität Aalborg ist gut auf ausländische Studenten eingestellt. Ansprechpartner in
allgemeinen Fragen ist das „International Office“, ein Fragen der Unterkunft das
„International Accomodation Office“ (Kapitel 2). Wer zum offiziellen Semesterbeginn Ende
August ankommt, kommt in den Genuss von Einführungsveranstaltungen und einem
kostenlosen Dänisch-Sprachkurs der Universität. Zudem erhält jeder ausländische Student für
die ersten Wochen einen dänischen Studenten („Buddy“) zur Seite gestellt, der ihm bei der
Erledigung der Formalitäten und beim Zurechtfinden in der Stadt hilft. Leider bekam ich
meinen Buddy nie zu Gesicht. Da es zusätzlich einen „Arrival Guide“ von der Universität gibt,
der genau beschrieb, wann man wo was zu tun hatte, fand ich mich jedoch auch so zurecht.
2. Unterkunft
Das „International Accomodation Office“ (Kapitel 1), bei dem ich mich um eine Unterkunft
beworben hatte, hatte mir ein Appartement in einer Reihenhaussiedlung am Stadtrand
verschafft, in dem ich das ganze Semester über wohnte. Die Monatsmiete (2500 DKK, ca.
335 €) für die ca. 25 m² (incl. Miniküche und Bad) war deutlich höher als in Freiberg, aber
dennoch im ortsüblichen Rahmen. Das zweigeschossige Backsteinhaus gehörte einer
städtischen Wohnungsbaugesellschaft und bestand aus sechs Wohnungen, von denen zwei
von Studenten bewohnt waren. Andere Mieter bekam ich kaum zu Gesicht. Der andere
Student, ein sehr freundlicher Däne, war mein direkter Nachbar. Im Gegensatz zu seinem
Appartement war das meinige voll möbliert. Die Einrichtung bestand aus einem Bett, einer
Couch, einem Couchtisch, einem Schrank, einem Schreibtisch, einem Sessel und einem
durchgesessenen Schreibtischstuhl. Der Boden war mit einem abgenutzten Parkett ausgelegt.
Die Miniküche stimmte exakt mit dem Modell überein, das auch in den Freiberger
Studentenwohnheimen verwendet wurde. Besteck und Geschirr waren ebenfalls vorhanden.
Das Badezimmer war mit einem Ölanstrich versehen, der leider unter starkem Schimmelbefall
litt. Auf meine Beschwerde beim „International Accomodation Office“ hin wurde mir ein
entsprechendes Reinigungsmittel empfohlen, mit dessen Hilfe mir dann auch die Entfernung
des Schimmels gelang. Danach war das Appartement in einem relativ guten Zustand. Die
Unterbringung in Appartements in normalen Wohnhäusern ist an der Universität Aalborg aber
nicht üblich. Meist wohnen ausländische Studenten in Studentenwohnheimen, teilweise auch
im „International Kollegium“, das für seine zahlreichen, großen und guten Partys bekannt ist.
Den dort untergebrachten Studenten fällt es dementsprechend leicht, Kontakte zu anderen
Erasmus-Studenten zu knüpfen. Die Kontakte zu dänischen Studenten ergeben sich im
Normalfall über die Gruppenarbeit (Kapitel 3).
3. Studium
Da ich nur für die Diplomarbeit in Aalborg war, sind die in diesem Kapitel enthaltenen
Erfahrungen für künftige Studenten nur bedingt nutzbar. Ich selbst habe die Zeit teils in einem
Gruppenbüro mit dänischen Studenten, teils im Labor verbracht, werde aber versuchen, aus
den Berichten meiner dänischen und ausländischen Kommilitonen auch ein Bild von den
normalen Studienbedingungen zu vermitteln. Ich nahm während meines Auslandssemesters
an keiner einzigen Lehrveranstaltung teil, wohl aber an einem vom dänischen
Integrationsministerium an einer Sprachschule angebotenen Dänischkurs, an dem
überwiegend Doktoranden und Arbeitsmigranten aus dem EU-Ausland teilnahmen.
Einwanderer aus anderen Ländern (in Dänemark gibt es sehr viele Flüchtlinge aus Somalia)
werden in der Regel wegen ihres geringeren Bildungsgrades getrennt unterrichtet. Die
Erasmus-Studenten nutzen normalerweise anstelle des staatlichen Sprachkurses das Angebot
der Universität. Beide Kurse führen in der zur Verfügung stehenden Zeit dazu, dass man am
Ende seines Auslandssemesters in der Lage ist, sich in Alltagssituationen zu verständigen.
Mithilfe eines Wörterbuches konnte ich zudem einen dänischen Abstract für meine
Diplomarbeit verfassen. Neben dem Spracherwerb war es für meine Integration in die
dänische Gesellschaft von Vorteil, dass ich mit drei dänischen Diplomanden (von denen einer
sehr selten da war) in einem Gruppenbüro arbeitete. Das „Markenzeichen“ der Universität
Aalborg ist die Gruppenarbeit, die ich zwar nur mittelbar mitbekam, die aber hier aber als
Vorbild für deutsche Hochschulen erläutert werden soll. Die Universität Aalborg, die 1972 als
Reformuniversität gegründet wurde, hat ihr damals eingeführtes alternatives Lehr- und
Lernkonzept bis heute bewahrt. Dieses sieht so aus, dass in der Regel nur zwei Monate des
Semesters klassische Vorlesungen stattfinden. Die Testate, die anschließend abgelegt werden
müssen, gehen nicht in die Examensnote ein. Diese setzt sich nur aus den Noten der
Kolloquien zusammen, die im Anschluss an jede Gruppenarbeit durchgeführt werden. Diese
Arbeiten werden von fünf Studenten durchgeführt, dauern ebenfalls zwei Monate und münden
in der Regel in eine Publikation in einer international anerkannten Fachzeitschrift.
Wesentlicher Unterschied zu den Laborpraktika an deutschen Hochschulen ist neben der
Gruppenarbeit die eigenständige Entwicklung des Versuchsaufbaus und die sehr weitgehende
Selbstständigkeit der Studenten. Die Resultate der unterschiedlichen Lehrmodelle der
Universität Aalborg und der TU Bergakademie Freiberg spiegelten sich in den Unterschieden
zwischen meinen dänischen Kommilitonen und mir wider. Während ich über weit mehr
Faktenwissen verfügte und auch über zahlreiche Fachgebiete Bescheid wusste, die nicht zu
den Forschungs- wohl aber zu den Lehrbereichen meiner Freiberger Professoren gehörten,
war das Wissen meiner dänischen Kommilitonen auf einige grundlegende Aspekte und die
Themen der insgesamt acht Semesterprojekte, die sie vor ihrer einjährigen Diplomarbeit
bearbeitet hatten, beschränkt. Dafür waren Sie imstande, sich selbstständig mittels der
Fachliteratur in ein Thema einzuarbeiten, aus einer Problemstellung heraus einen Lösungsweg
zu entwickeln und diesen umzusetzen und zudem gründlicher, kritischer, konzentrierter,
durchdachter und wissenschaftlicher zu arbeiten als ich. Daher halte ich das Lehrsystem der
Universität Aalborg für besser als das der TU Bergakademie Freiberg.
4. Freizeit
Aalborg ist eine Stadt mit 130.000 Einwohnern und bietet zahlreiche Freizeitmöglichkeiten.
Von überregionaler Bedeutung ist die Jomfru Ane Gade, die Kneipengasse der Stadt. Darüber
hinaus spielen die Erasmus-Partys in den im ganzen Stadtgebiet verstreuten Wohnheimen eine
wichtige Rolle. Freitags und samstags verkehren aus der Innenstadt Nachtbusse in die
Außenbezirke, wenn der Heimweg in umgekehrter Richtung verläuft, muss man entweder
gegen halb eins gehen oder die Nacht durchmachen. Eine Monatskarte ist im Winterhalbjahr
empfehlenswert und kostet 328 DKK, also gut 40 €. Im Sommerhalbjahr ist hingegen das
Fahrrad das Verkehrsmittel der Wahl. Gebrauchte Fahrräder können jederzeit günstig
erworben werden. Regelmäßige Freizeitbeschäftigungen sind im Rahmen des
selbstorganisierten Studentensports im Sportzentrum „Gigantium“ möglich. So habe ich z.B.
in den ersten Wochen mit dem Volleyball begonnen, dies aber nach einiger Zeit wegen des zu
hohen dortigen Spielniveaus aufgegeben. Daneben gibt es mehrere Clubs in der Stadt, in
denen ein- bis zweimal wöchentlich Salsa-Tanzkurse stattfinden, teils in dänischer, teils in
englischer Sprache. Weitere Freizeitmöglichkeiten bietet das Erasmus Students Network
(ESN) an, ein Zusammenschluss von dänischen Studenten, die Besichtigungen von
Schnapsbrennereien, Radtouren, Partys, Bowlingabende usw. anbieten. Weitere Angebote
speziell für ausländische Studenten unterbreiten die evangelisch-freikirchlich orientierten
„Aalborg International Friends“ (Karaoke-Abende, Rundfahrten durch Nordjütland…). Das
wichtigste Ereignis während des dänischen Winters ist die weihnachtliche Julefrokost, ein
großes Ess- und Trinkgelage, das vom ESN, aber auch von vielen Fachschaften und sonstigen
Gruppierungen angeboten wird. Kulturell bietet Aalborg mit dem nordjütischen
Kunstmuseum, dem Wikingerfriedhof Lindholm Høje und dem unterirdischen FranziskanerMuseum auch dem ruhigeren Zeitgenossen eine Menge. Landschaftlich gesehen ist der
Norden Dänemarks ebenfalls sehr reizvoll. Empfehlenswert sind die Wanderdünen Råbjerg
Mile und Rudbjerg Knude sowie die Grenze von Nordsee und Ostsee, der Grenen bei der
malerischen Kleinstadt Skagen mit ihren vielen gelben Häusern und ihrem Kunstmuseum.
Am Wochenende lohnen Ausflüge ins schwedische Göteborg oder nach Kopenhagen.
5. Fazit
Insgesamt habe ich in Aalborg eine schöne Zeit verbracht, neue Freundschaften geschlossen,
eine gute Diplomarbeit geschrieben, Dänisch gelernt und meinen Horizont erweitert. Daher
kann ich allen Studenten der Studiengänge BGM, KGB, Ch, WWT, VT, UWE und Nat
empfehlen, die bestehende Erasmus-Vereinbarung zu nutzen. Ansprechpartner ist Prof. Heide.

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