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02.2011 Newsletter Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Neue Spielzeugrichtlinie Erhöhte Sicherheitsanforderungen Schnittschutz für Hände und Füße Neue Prüfung und Prüfgerät made by PFI Flachsanbau bald wieder interessant? PFI Biotechnologie mit neuem Forschungsschwerpunkt Der »Lüfterschuh« Forschungsprojekt zur Verbesserung des Schuhklimas 02.2011 02.2011 Newsletter Inhalt Inhalt Inhalt ........................................................................ 02 Editorial ................................................................... 04 Nachrichten Schuhe und mikrobiologische Aspekte .....................05 DIN EN 12705 erschienen ...........................................05 ISC bald mit Filiale in Chennai .................................. 06 Industriemeisterkurs läuft an ....................................08 Jobs rund um den Schuh ............................................10 PoS 2012: Früher ist besser ........................................12 Leder- und Schuhtechniker tagen gemeinsam .........14 Forum für technische Fragen .....................................14 Mikrobiologie Wirksamkeitsprüfungen antimikrobieller Ausrüstungen .................................15 Chemie Liste der SVHC-Kandidaten erweitert .......................16 Verbot von Cadmium in Modeschmuck ....................17 Neue Spielzeugrichtlinie ............................................18 2 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Biotechnologie Abgasreinigung mit Mikroorganismen ....................22 Flachsanbau bald wieder interessant? ..................... 26 Physik Schnittschutz für Hände und Füße ............................28 Ist es Leder? ................................................................29 Schuhtechnik Der »Lüfterschuh« ..................................................... 30 Impressum Herausgeber: PFI Prüf- und Forschungsinstitut Bilder: Pirmasens e.V., Member of PFI Group Fotolia (S. 5, 17), Institutsleitung: Dr. Gerhard Nickolaus Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR, S. 22), Adresse: Marie-Curie-Straße 19 Ökobit GmbH (S. 23 und 24), 66953 Pirmasens / Germany PFI, ISC Telefon: +49 6331 2490 0 Telefax: +49 6331 2490 60 Nachdruck, auch auszugsweise, E-Mail: [email protected] nur mit Genehmigung des PFI. Internet: www.pfi-germany.de Der PFI Newsletter im Internet: Redaktion: Elisabeth Rouiller www.pfi-group.org/newsletter.html Übersetzung: Tony Rackstraw Design Konzept und Gestaltung: Konzept fünf - Agentur für Werbung und Design Internet: www.konzept-fuenf.de 3 Newsletter E dit o ria l Editorial Liebe Leser, die Insolvenz des traditionsreichen Lederinstituts Ger- „Was ist falsch gelaufen?“, fragt man sich. Es gibt si- berschule Reutlingen hat uns am PFI sehr nachdenk- cher nicht nur einen Grund. Für uns zeigt der Fall Ger- lich gestimmt. Über Jahrzehnte war die „Gerberschu- berschule, dass das Überleben für ein Institut einen le“ ein geschätzter Projektpartner des PFI. Nun ist sie permanenten Kampf darstellt. Einen Kampf um Sie – sang- und klanglos von der Bildfläche und aus der Ins- unsere Kunden, Förderer und Freunde. titutslandschaft verschwunden. Wir verstehen uns als Dienstleitungsunternehmen und setzen all unsere Kraft und Energie, unser Wissen und unsere Erfahrung daran, um Sie schnell und kompetent zu bedienen. Sollten Sie mit unserem Service nicht zufrieden sein oder Anregungen zur Verbesserung haben, kontaktieren Sie bitte meine Abteilungsleiter oder mich. Wir versprechen, jedem Vorschlag und jeder Beanstandung nachzugehen. Fordern Sie uns, denn damit fördern Sie uns! Ich wünsche Ihnen einen guten Ausklang des Jahres 2011 und einen erfolgreichen Start für 2012. Ihr Dr. Gerhard Nickolaus 4 PFI Group 02.2011 N achrichten Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Internationales Technisches Komitee „Schuhe“ Schuhe und mikrobiologische Aspekte Weil es immer häufiger Fragen zu mikrobiologischen Nach einer konstituierenden Sitzung im Frühjahr 2011 beziehungsweise hygienischen Eigenschaften von folgte Ende Oktober die erste Arbeitssitzung. Schuhen gibt, hat das technische Komitee ISO/TC 216 „Schuhe“ die neue Arbeitsgruppe WG 1 mit dem Die Normen, die dieses Gremium künftig erarbeiten Schwerpunkt „Schuhe und mikrobiologische Aspekte“ wird, beziehen sich auf Schuhbestandteile und ganze eingerichtet. Diplom-Biologin Michaela Würtz vom PFI Schuhe. Sie bezwecken eine einheitliche Bestimmung ist Mitglied dieser Arbeitsgruppe. unterschiedlicher mikrobiologischer beziehungsweise hygienischer Eigenschaften von Schuhen und deren ISO, die internationale Vereinigung von Normungsor- Bestandteile. ganisationen, bezweckt mit ihrer Tätigkeit die Vereinheitlichung von Terminologie und Prüfverfahren un- Das PFI Germany wird Sie über die Aktivitäten dieser terschiedlicher Produkte. Für Schuhe ist das technische Arbeitsgruppe und über daraus resultierende Neue- Komitee ISO/TC mit der Nummer 216 zuständig. rungen auf dem Laufenden halten. Im Rahmen des TC 216 haben verschiedene europäi- Weitere Informationen: sche Länder, darunter auch Deutschland, sowie China Michaela Würtz, Experten für eine neue Arbeitsgruppe mit der Bezeich- Leiterin der Abteilung Mikrobiologische Prüfung nung WG 1 „Schuhe und mikrobiologische Aspekte“ und Forschung am PFI, benannt. E-Mail: [email protected] Migration von Schuhklebstoffen bei weißen oder hellen Ledern DIN EN 12705 erschienen Im August 2011 hat der Technische Ausschuss „Kleb- Die deutsche Fassung hat die Kennzeichnung stoffe“ des Europäischen Komitees für Normung eine EN 12705:2011 und kann bezogen werden über: neue Norm veröffentlicht, und zwar DIN EN 12705. Beuth Verlag GmbH Der Titel lautet „Klebstoffe für Leder- und Schuhwerk- Am DIN-Platz stoffe – Bestimmung der Farbänderung weißer oder hellfarbiger Lederoberflächen durch Migration“. Burggrafenstraße 6 10787 Berlin Telefon: +49 (0)30 2601 - 0 Telefax: +49 (0)30 2601 - 1260 E-Mail: [email protected] Internet:www.beuth.de 5 Newsletter N achrichten ISC engagiert sich in Indien ISC bald mit Filiale in Chennai Seit seiner Gründung 2008 unterhält das ISC Germa- Die Entscheidung des ISC Germany, eine Niederlas- ny Kontakte nach Indien: bereits 2008 unterzeichnete sung in Indien zu gründen, fußt auf den vielfältigen das ISC einen Kooperationsvertrag mit dem indischen Anfragen von deutscher wie auch von indischer Seite. FDDI (Footwear Design and Development Institute). „Selbst wenn sich nur ein Teil davon konkretisiert, ist Indien investiert in den Ausbau seiner Schuhindustrie klar, dass wir nicht nur für punktuelle Aufträge in In- und setzt dabei auf das Know-how aus Deutschland. dien unterwegs sind, sondern uns langfristig in einem Doch auch deutsche Unternehmen lassen in Indien Markt engagieren, der in rasantem Tempo wächst. Schuhe produzieren. Indische Firmen wenden sich vor allem mit Fragen in den Bereichen Produktionsoptimierung und Mitarbeitertraining an uns. Deutsche Firmen haben Bedarf an Inline-Produktionskontrollen und Wareninspektionen. Es wäre sträflich, in diesem Wachstumsmarkt nicht präsent zu sein“, so ISC-Leiter Uwe Thamm. Michal Spaçek, der ISC-Mann in Indien, äußert sich folgendermaßen über die indische Schuhindustrie: „Die indische Schuhindustrie entwickelt sich sehr dynamisch und in einem sehr positiven Sinn. Ich stelle immer wieder fest, wie handwerklich geschickt die indischen Schuharbeiter sind. Auch die Infrastruktur für Materialien, Komponenten und Maschinen entwickelt sich sehr rasch”. Blick in eine indische Schuhfabrik Chennai ist der Ort, den das ISC Germany als Standort Indien weltweit zweitgrößter Schuhhersteller für die indische Niederlassung gewählt hat. Sie wird Nach den jüngsten Ausgabe der World Shoe Review 2012 offiziell eröffnet. Das ISC ist bislang mit einer Per- (veröffentlicht Ende 2010, Autor: Stuart Cleaver) son vor Ort, führt für mehrere Auftraggeber Waren- wurden 2009 weltweit 16,61 Mrd. Paar Schuhe pro- inspektionen durch und leistet Produktionsberatung duziert, davon kamen 9,5 Mrd. Paar aus China, dem und -unterstützung für indische Betriebe. Enge Kon- Welt-Schuh-Giganten. Die chinesische Schuhindustrie takte bestehen auch zu einer Gruppe von Schuhher- beschäftigte laut World Shoe Review 2009 rund 3,4 stellern in der Region Ambur, das etwa 180 km östlich Mio. Menschen. Indien ist mit einer Produktion von 2,1 von Chennai im Landesinneren liegt. Mrd. Paar Schuhen (2009) der zweitgrößte Schuhproduzent der Welt, gefolgt von Brasilien mit rund 800 Mio. Paar auf Platz drei, Vietnam mit rund 660 Mio. Paar auf Platz vier und Indonesien mit 580 Mio. Paar auf Platz fünf. 2009 fertigte Indien 909 Mio. Paar Lederschuhe, 100 Mio. Paar Lederschäfte und 1,056 Mrd. Paar Schuhe aus anderen Werkstoffen als Leder. 6 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Noch neuere Zahlen präsentiert die portugiesische Apiccaps in ihrer 2011 zum ersten Mal erschienenen Publikation World Footwear Yearbook: Die hier veröffentlichten Zahlen stammen aus dem Jahr 2010. Demnach soll die Weltschuhproduktion 2010 erstmals die 20-Milliarden-Grenze überschritten haben. Laut Apiccaps ist China auch 2010 mit einer Produktion von 12,6 Mrd. Paar Schuhen die klare Nummer eins. Indien wird mit knapp über 2 Mrd. Paar genannt, gefolgt von Brasilien mit 894 Mio. Paar, Vietnam mit 760 Mio. Paar, Pakistan mit 295 Mio. Paar, Thaliand mit 245 Mio Paar und Mexiko mit 244 Mio. Paar. Italien ist mit 203 Mio. Paar gelistet. Seit 1999 ist die indische Schuhindustrie jedes Jahr um 10 Prozent gewachsen. Deutschland ist einer der wichtigsten Exportpartner für die indische Schuhindustrie. Zu den Schuhherstellern, die in Indien produzieren, gehören laut World Shoe Review Clarks, Ecco, Gabor, Marks & Spencer, Nike, Nine West, Louis Vuitton, Florsheim und Timberland. Die Sportgiganten adidas, Nike und Reebok sind ebenfalls vor Ort präsent, zudem asiatische Hersteller wie Apache Footwear oder Feng Tay. Zu den wichtigen indischen Herstellern gehören Tata, Liberty, Farida, Gaitonde, KH Shoes, Mirza, United Shoe und Forward Shoes. Laut World Shoe Review beschäftigte die indische Schuhindustrie 2009 964.000 Menschen. Dazu passt, dass laut Council for Leather Exports im September 2010 1,1 Mio. Menschen in der indischen Schuhindustrie beschäftigt gewesen sein sollen. 7 Newsletter N achrichten 13 Anmeldungen Industriemeisterkurs läuft an Die Werbemaßnahmen zeigen Wirkung: Mit 13 Teil- Zugangsvoraussetzungen nehmern startet im Januar 2012 die berufsbegleitende Weiterbildung „Industriemeister/in Schuhfertigung“. Zur Industriemeisterprüfung ist zugelassen, wer Dass dieser Kurs nach jahrelanger Lücke wieder auf entweder Interesse stößt, beweist erstens, dass die Anstren- eine mit Erfolg abgelegte Abschlussprüfung in einem gungen der Schuhindustrie fruchten, dem Fachkräf- anerkannten Ausbildungsberuf vorweisen kann, temangel entgegenzuwirken, und zweitens, dass die der der Fachrichtung Schuhfertigung zugeordnet Branche an Attraktivität gewinnt. Der Kurs wird ge- werden kann, und danach eine einschlägige Be- meinsam von IHK und ISC Germany organisiert. rufspraxis, die unter Anrechnung der in der Ausbildungsverordnung für den Ausbildungsberuf vor- Der „Industriemeister Schuhfertigung“ ist eine Fach- geschriebenen Ausbildungsdauer mindestens vier kraft mit Führungsverantwortung im Produktions- Jahre beträgt, oder eine mindestens fünfjährige einschlägige Berufs- bereich. Zu ihren Aufgaben gehören vor allem die Überwachung von Material- und Produktionsfluss, die praxis in der Schuhfertigung nachweist. Unterweisung von Mitarbeitern, Qualitäts-, Quantitäts- und Kostenverantwortung sowie die Überwa- Abweichend davon kann zur Industriemeisterprüfung chung der Sicherheit am Arbeitsplatz. auch zugelassen werden, wer durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft macht, dass er Die Ausbildung ist kostenpflichtig. Die Teilnehmer der Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben Meisterausbildung erhalten ihren Meisterbrief nach hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen. erfolgreich abgelegter Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer. 8 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Termine für den Blockunterricht Der Unterricht wird teils berufsbegleitend, teils in Voll- Berufs- und arbeitspädagogischer Teil zeit erteilt und umfasst drei Teile: (Branchenneutral): Grundfragen und Rechtsgrundlagen der Berufsausbildung, Planung und Durchführung der Ausbildung. Der Erwerb der berufs- und ar- Fachrichtungsspezifischer Teil beitspädagogischen Eignung ist nicht Bestandteil des (Schuhbezogen; der Unterricht findet am ISC Germa- Lehrgangs. Der Prüfungsnachweis ist vor Beginn der ny in Pirmasens statt): Betriebs- und Fertigungstech- letzten Prüfungsleistung zu erbringen. Diese Prüfung nik, Materialkunde, Fachrechnen, Physik und Chemie, wird von den Teilnehmer/-innen bei ihrer zuständigen Qualitätssicherung, Arbeitssicherheit. Die Termine für IHK abgelegt. den Blockunterricht gestalten sich wie folgt: Es liegen bereits 13 Anmeldungen vor. Die Einschrei Block 1: 30.01.2012 bis 17.02.2012 Block 2: 05.03.2012 bis 23.03.2012 Block 3: 20.08.2012 bis 31.08.2012 Block 4: 17.09.2012 bis 28.09.2012 Block 5: 22.10.2012 bis 26.10.2012 Weitere Informationen: (Prüfungsvorbereitung und Prüfung) Dipl.-Ing. (FH) Martin Bruhn, bung ist auch jetzt noch möglich. Leiter des Weiterbildungszentrums IHK Pfalz Fachrichtungsübergreifender Teil Adam-Müller-Straße 6 (Branchenneutral, kann bei den regionalen IHK-Ge- 66954 Pirmasens schäftsstellen absolviert werden): Betriebs- und Volks- Telefon: +49 (0)6331 523 2651 wirtschaftslehre, Arbeits- und Sozialrecht, Mitarbei- Telefax: +49 (0)6331 523 2654 terführung und Sozialverhalten. Die Termine für den E-Mail:[email protected] Blockunterricht gestalten sich wie folgt: oder Block 1: 04.03.2013 bis 22.03.2013 Block 2: 15.04.2013 bis 26.04.2013 ISC – International Shoe Competence Block 3: 09.09.2013 bis 27.09.2013 Center Pirmasens gGmbH Block 4: 21.10.2013 bis 25.10.2013 Marie-Curie-Straße 20 (Prüfungsvorbereitung und Prüfung) 66953 Pirmasens Dipl.-Ing. (FH) Uwe Thamm Telefon: +49 (0)6331 145334 - 0 E-Mail:[email protected] Web:www.isc-germany.com www.pfi-group.org 9 Newsletter N achrichten ISC koordiniert Auftritt der Schuhindustrie auf der BIB Jobs rund um den Schuh Ist der traditionsreiche Wirtschaftszweig Schuhindus- Die bisherige Arbeit des „Runden Tisches der Schuhin- trie gut gerüstet für die Zukunft? Wie können Schuh- dustrie“ kann sich sehen lassen: Mit „Step up shoes - unternehmen Fachkräfte finden? Warum zögern take your job“ wurde eine innovative Dachmarke lan- Schulabgänger, wenn es um eine Ausbildung in der ciert, die Zahl der Ausbildungsplätze ist gestiegen und Schuhindustrie geht? Lösungen auf diese Fragen erar- die Teilnahme an der Berufsinformationsbörse BIB am beitet der Ende 2010 auf Anstoß der Agentur für Arbeit 16. September war ein voller Erfolg. in Pirmasens gegründete „Runde Tisch der Schuhindustrie“, dem unter anderem regionale Schuhunterneh- Begonnen hatte alles im Dezember 2010: Auf Initiative men, der Bundesverband der Schuhindustrie sowie das der Agentur für Arbeit trafen sich Vertreter der regi- ISC Germany angehören. Mit viel Herzblut entwickelt onalen Schuhindustrie, des International Shoe Com- die Initiative Strategien zur Nachwuchs- und Fachkräf- petence Centers (ISC Germany), des Bundesverbandes tegewinnung. Sehr erfolgreich verlief beispielsweise der Schuhindustrie, der Job-Börse Pirmasens, der IHK der vom ISC koordinierte Auftritt an der Berufsinfor- und der Berufsbildenden Schule Pirmasens zum ersten mationsbörse BIB am 16. September in Pirmasens unter „Runden Tisch der Schuhindustrie“. Hintergrund der dem Titel „Step up shoes – take your job“. Initiative war eine Analyse auf Grundlage des Arbeitsmarktmonitors der Bundesagentur zur Struktur und Entwicklung in der Branche. 10 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Schuhindustrie mit spannenden Karrierechanchen Zahl der Ausbildungsplätze gestiegen Eingeladen waren alle Schuhunternehmen aus dem Die ersten Erfolge der Netzwerkarbeit des „Runden Bezirk der Arbeitsagentur. Engagiert haben sich fünf Tisches“ sind bereits messbar: Während der Arbeits- renommierte Traditionsunternehmen: Caprice, Peter agentur im Jahr 2010 Ausbildungsstellen in der Schuh- Kaiser, Kennel und Schmenger, Theresia Muck und Jo- industrie in einstelliger Größenordnung gemeldet sef Seibel. Die Teilnehmer treffen sich etwa alle zwei wurden, waren es für 2011 bereits 20 Stellen. Monate in den Räumen des ISC. Ziel ist, die Berufs- und Karrierechancen in der Schuhindustrie aufzuzeigen. Geplant sind nun ein Informationstag am ISC Germany für an Ausbildung in der Schuhbranche interessierte Es gilt zu vermitteln, dass die Zeiten des drastischen Jugendliche und deren Eltern sowie Tage der offenen Rückgangs vorbei sind. Die regionalen Schuhunter- Schuhfabriken. Um gemeinsame Projekte auch künftig nehmen, die bis heute Bestand haben, sind hochspe- erfolgreich umsetzen zu können, wird die Bildung ei- zialisiert und kerngesund. Rund 1800 Menschen ar- ner rechtsfähigen Organisation erwogen. beiten im Bezirk der Pirmasenser Agentur für Arbeit in Schuhfabriken. Über 1000 Menschen sind im Großund Einzelhandel mit Schuhen beschäftigt. Berufsein- Weitere Informationen: steiger können je nach Neigung eine technische oder Steffen Korf, ISC Germany eine kreative Laufbahn einschlagen. Die Schuhindust- Telefon: +49 (0)6331 145334 - 17 rie bietet Karrierechancen auf internationaler Ebene. E-Mail:[email protected] Modenschau auf der BIB Im Vorfeld der Berufsinformationsbörse BIB am 16. September fanden die Treffen des „Runden Tisches“ häufiger statt: Im Rahmen einer Modenschau präsentierten dort Pirmasenser Schülerinnen und Schüler unter dem Slogan „Step up shoes – take your job“ auf einer großen Bühne Schuhmodelle der beteiligten Unternehmen. Außerdem informierten die Firmen über ihre Produkte, ihre Betriebe sowie die Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. 11 Newsletter N achrichten PoS 2012: Früher ist besser Fazit nach Point of Shoes – International Fair for Fa- Gut kamen auch diesmal die Vorträge zum Schwer- shion, Materials and Production (PoS) am 3. und 4. punktthema an, das unter dem Titel „Quo vadis, Schuh- November: Obwohl die Besucherzahlen denen der industrie – Globale Szenarien für die europäische vorangehenden Veranstaltungen nicht nachstanden, Schuhbranche 2021“ einen Blick in die Zukunft wagte. vermissten die rund 60 Aussteller den Besuch einiger Das Rahmenprogramm der Frühjahrs-PoS 2012 wird Kunden, die sie zu treffen gehofft hatten. Deren Aus- sich mit dem Thema „Prüfen, Testen, Zertifizieren“ bleiben war offenbar eine Reaktion auf den späten befassen. Geplant ist, bereits am Tag vor Beginn der Termin. Daher wird sich die PoS 2012 im Messekalen- kommenden PoS, nämlich am 20. März, an PFI und ISC der jeweils vor der Lineapelle positionieren: Sie geht ein Symposium zum diesem Themenkomplex anzubie- am 21. und 22. März sowie am 26. und 27. September ten. Und wie immer werden Projektgruppen- und Bei- an den Start. ratssitzungen von PFI und ISC Synergieeffekte für die PoS bringen. Uwe Thamm Angeregte Gespräche 12 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Zudem hat das ISC den Verband der tschechischen und Kontakt slowakischen Schuhhersteller zur nächsten PoS einge- Ansprechpartner für die Point of Shoes am ISC ist laden. Und um einem Ausstellerwunsch Rechnung zu Steffen Korf: tragen: Die PoS wird in einem zentralen Display Infor- E-Mail:[email protected] mationen zu Mode- und Farbtrends zur Verfügung International Shoe Competence Center Pirmasens gGmbH stellen. Marie-Curie-Straße 20 66953 Pirmasens „Wir setzen all unsere Energie daran, zusammen mit Telefon: +49 (0)6331 145334 - 17 Ausstellern und Besuchern ein optimales Branchenfo- Telefax: +49 (0)6331 145334 - 30 rum zu etablieren“, sagt Uwe Thamm, der als Leiter des ISC Germany auch für die PoS-Organisation verantwortlich ist. „Mit den auf der November-PoS gemeinsam festgelegten Terminen für das kommende Jahr sollten die Zeichen gut stehen: Das belegen sowohl die Zahl der Voranmeldungen für März 2012 wie auch die einhellige Bestätigung, dass das PoS-Konzept stimmig ist.“ 13 Newsletter N achrichten VGCT und VDST zu Gast am ISC Germany Leder- und Schuhtechniker tagen gemeinsam Zum ersten Mal gemeinsam hatten der VGCT (Verein Leder und Schuh – wie leicht spricht sich das im Ge- für Gerberei-Chemie und Technik) und der VDST (Ver- spann, und natürlich gibt es viele Themen, über die ein Deutscher Schuhtechniker) ihre Jahrestagungen Techniker aus beiden Bereichen fachsimpeln können. 2011 ausgerichtet. Die Mitglieder beider Organisati- Die Mitgliederversammlungen beider Vereine mit den onen kamen am 5. und 6. Mai am ISC Germany in Pir- obligatorischen Programmpunkten wie Vorstands- masens zusammen. wahl, Entlastung des Schatzmeisters und das Besprechen aktueller Themen wurden separat abgehalten, doch das Rahmenprogramm und das Get-together am Abend des 5. Mai wie auch die Fachvorträge am 6. Mai fanden für VGCT und VDST gemeinsam statt. 2012 will der VGCT seine Jahrestagung vom 24. bis 26. April am FILK (Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen) in Freiberg abhalten. ISC-Website mit Diskussionsforum Forum für technische Fragen Sie sind in der Schuhindustrie im technischen Bereich des Forums frei, nicht nur Fragen zu stellen, sondern tätig, also in der Produktentwicklung oder in der Pro- auch Fragen zu beantworten und Tipps zu geben. duktion, und Sie suchen einen Anlaufpunkt für Fragen und Tipps? Einen Ort, an dem Sie mit Fachleuten Er- Das ISC-Technik-Forum ist thematisch geordnet. Es fahrungen austauschen, diskutieren, wo Sie Rat be- gibt Rubriken wie „Troubleshooting in der Produk- kommen, aber auch Rat geben können? Eine Plattform tion“, „Materialbeschaffung“, „Schuhkonstruktion“ hierfür hat das ISC mit seinem Forum geschaffen. Zu oder „Passform“. Außerdem ist es zweisprachig: es finden ist sie auf www.forum.isc-germany.com. gibt einen deutschen und einen englischen Zweig. Beide erscheinen auf dem Bildschirm nebeneinander Ein Forum für Schuhtechnik lebt natürlich von der und können parallel durchsucht werden. Foreneinträ- Beteiligung der Besucher. Interaktivität entsteht nur ge sind nach dem ersten Schritt der Anmeldung sehr dann, wenn man auf Fragen auch Antworten erhält. leicht zu veröffentlichen: Thema auswählen, in die Der Part des ISC besteht darin, die Plattform zur Verfü- Textbox tippen, abschicken, fertig. gung zu stellen und eingehende Fragen so schnell wie möglich zu beantworten oder zumindest einen Tipp Das ISC hofft auf rege Nutzung des Forums. Natürlich zu geben, wohin sich der Frager wenden könnte. Aber muss erst bekannt werden, dass es dieses Forum gibt. selbstverständlich steht es auch allen anderen Besuchern Daher: Besuchen Sie www.forum.isc-germany.com und empfehlen Sie es weiter! 14 02.2011 M ikr o bi o l o gie Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Mikrobiologie-Seminar am ISC Germany Wirksamkeitsprüfungen antimikrobieller Ausrüstungen Erhöhte Hygieneanforderungen haben auch in der Das Seminar „Wirksamkeitsprüfungen antimikrobiel- Schuhindustrie zur Entwicklung und Etablierung anti- ler Ausrüstungen in der Schuhindustrie“ wendete sich mikrobiell ausgerüsteter Materialien und Komponen- an Ausrüster, Techniker, Wissenschaftler und Sachbe- ten geführt. Das Seminar „Wirksamkeitsprüfungen arbeiter aus kaufmännischen oder betriebswirtschaft- antimikrobieller Ausrüstungen in der Schuhindustrie“, lichen Bereichen. Den Teilnehmern wurden nicht nur das am 26. Mai am ISC veranstaltet wurde, stieß daher Grundlagen zu dieser Thematik vermittelt, sondern auf großes Interesse. auch weiterführende Aspekte zur kritischen Bewertung von Daten bis hin zur Qualitätssicherung antimikrobiell ausgerüsteter Produkte. Der erste Teil informierte allgemein über antimikrobielle Ausrüstungen, über die gesetzlichen Grundlagen und über Begriffsdefinitionen. Dann ging’s tiefer in die Materie mit Details zu den verschiedenen Testkeimen aus der Gruppe der Bakterien und der Mikropilze sowie zu verschiedenen antibakteriellen und antimykotischen Prüfverfahren zur Bestimmung der Wirksamkeit. Abgerundet wurde das Programm durch eine Laborbesichtigung. Dank der limitierten Teilnehmerzahl konnten Fragen detailliert beantwortet werden. Auf Anfrage werden auch maßgeschneiderte Schulungen angeboten. Michaela Würtz, Leiterin der Abteilung Mikrobiologische Prüfung und Forschung PFI Germany Der Einsatz antimikrobiell ausgerüsteter Materialien hat zwei Hauptziele: die Vermeidung einer mikrobiellen Besiedlung, die sichtbare oder haptische Materialveränderungen zur Folge haben kann, und die Unterbindung einer Geruchsentwicklung, die durch die Stoffwechselleistung von Keimen bedingt ist. Zu- Weitere Informationen: dem dienen solche Ausrüstungen der Vorbeugung Michaela Würtz, Leiterin der Abteilung einer möglichen Infektionsverbreitung. Letzteres ist Mikrobiologische Prüfung und Forschung ein wichtiges Kriterium in hygienisch anspruchsvollen E-Mail: [email protected] Bereichen wie im Orthopädie-Sektor oder bei Berufsschuhen für kritische Einsatzgebiete (Lebensmittelund Pharmaindustrie, Gesundheitssektor etc.). 15 Newsletter C hemie ECHA Liste der SVHC-Kandidaten erweitert Seit dem 29. August 2011 stehen 20 neue Substan- Für die restlichen im aktuellen Vorschlag aufgeführten zen zur Aufnahme in die SVHC-Kandidaten-Liste zur Substanzen – wie die feuerfesten Keramikfasern, die Diskussion (SVHC steht für „substances of very high Arsen-Verbindungen, Phenolphthalein oder die Blei- concern“). Die EU-Mitgliedsstaaten hatten bis zum 13. Verbindungen – ist ein Vorkommen in Schuhkompo- Oktober 2011 Gelegenheit, die Vorschläge zu kom- nenten sehr unwahrscheinlich. mentieren. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war noch nicht bekannt, welche Stoffe letztlich in die SVHC-Liste aufgenommen wurden. Die SVHC-Kandidatenliste enthält Stoffe, die seitens der EU-Mitgliedsstaaten oder der ECHA (European Chemicals Agency) als besonders besorgniserregend identifiziert wurden und deshalb für eine Zulassungspflicht in Frage kommen. Aktuell stehen 53 Substanzen auf der SVHC-Kandidatenliste. Sofern die Abstimmung für alle vorgeschlagenen Stoffe positiv ausfällt, wächst Allein schon die Aufnahme in die SVHC-Kandidatenlis- die Liste auf über 70 Kandidaten. te bedeutet, dass Lieferanten eines Erzeugnisses, das Ausgehend vom aktuellen Vorschlag können folgende mehr als 0,1 Prozent eines Kandidatenstoffes enthält, Substanzen für Schuhkomponenten relevant sein: ihre Abnehmer darüber informieren müssen. Diese Bis(2-methoxyethyl)phthalat, das als Weichmacher Pflicht trifft jeden Lieferanten dieses Erzeugnisses in in Polymermaterialien eingesetzt werden kann, der Lieferkette. Zusätzlich hat der Verbraucher ein oder das 4-tert.-Octylphenol, das ähnlich wie No- Auskunftsrecht beim Hersteller oder Händler, ob ein nylphenol in Kunststoffen und Ethoxylaten ver- Erzeugnis Stoffe enthält, die auf der SHVC-Liste ste- wendet wird. hen. Für den Schuhhersteller oder -importeur ist es Abfragen sollte man auch N,N-Dimethylacetamid deshalb wichtig, die entsprechenden Informationen (DMAC), das bei der Herstellung von Fasern für von seinen Lieferanten anzufordern. Sofern er keine Textilien oder als Lösungsmittel für Beschichtun- Informationen erhält, kann auch eine Untersuchung gen eingesetzt wird. der relevanten Substanzen im Erzeugnis Schuh eine Ebenfalls Verwendung als Lösungsmittel – beispiels- Alternative sein. Das PFI Pirmasens unterstützt Sie je- weise in Klebstoffen – finden die Stoffe 1,2-Di- derzeit und kann gemeinsam mit Ihnen die optimale chlorethan und Bis(2-methoxyethyl)ether. Vorgehensweise festlegen. Weitere potentielle Kandidaten wie die drei gelisteten Chromat-Salze, Formaldehyd, o-Anisidin oder 2,2‘-Dichlor-4,4‘-methylendianilin wer- Kontakt: Dr. Kerstin Schulte durch ähnliche Stoffe in der SVHC-Kandidatenlis- Abteilungsleiterin Chemische Analyse und Forschung te berücksichtigt, sodass eine Überschreitung des Telefon: +49 6331 2490 33 Grenzwertes von 0,1 Massenprozent im Erzeugnis E-Mail: [email protected] vermutlich nicht zu erwarten ist. 16 (MOCA) den schon durch andere Reglementierungen oder 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Neue Richtlinie Verbot von Cadmium in Modeschmuck Ab Januar 2012 werden die bereits bestehenden Be- Das Cadmium-Verbot gilt zudem für jede Art von Kunst- schränkungsmaßnahmen für Cadmium im Rahmen stoff. Ausnahmen gelten lediglich bei Recycling-PVC, der europäischen Chemikalienverordnung REACH auf wenn zur Wiederverwendung PVC-Abfall mit niedrigem Grund seiner hohen Toxizität deutlich verschärft: Das Cadmiumgehalt eingesetzt wird. Das Recycling-PVC Amtsblatt der EU hat die Verordnung (EU) Nr. 494/2011 muss dann durch eine entsprechende Aufschrift oder zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ein Piktogramm gekennzeichnet sein. (REACH) hinsichtlich Anhang XVII (Cadmium) sowie eine Berichtigung dieser Änderungsverordnung veröf- Sobald das Verbot in Anhang XVII der REACH-Verord- fentlicht. Die Verordnung trat am 10. Juni 2011 in Kraft nung aufgenommen ist (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und gilt ab dem 10. Dezember 2011. Eine Umsetzung in zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschrän- nationales Recht ist nicht erforderlich. kung chemischer Stoffe), darf ab Januar 2012 innerhalb der EU kein Schmuck (einschließlich Modeschmuck) mehr Cadmium ist krebserregend und für Gewässer giftig. in den Handel kommen, dessen Metallteile mehr als 0,01 Bereits 1988 wurden Maßnahmen zur Bekämpfung der Massenprozent Umweltverschmutzung durch Cadmium beschlossen. enthalten. Ausnahmen von Früher wurde Cadmium als Farbstoff oder Stabilisator in der Regelung gelten ledig- Kunststoffmaterialien benutzt. Seit 1992 ist seine Ver- lich für Schmuckstücke, die wendung in Kunststoffartikeln verboten, mit Ausnahme bereits vor Inkrafttreten der einiger Hart-PVC-Arten, da es hierfür keinen Ersatz gab. Richtlinie in den Handel ge- Seitdem jedoch Alternativen existieren, hat die europä- kommen sind oder älter als ische PVC-Industrie im Rahmen des Programms „Vinyl 50 Jahre sind („Antiquitä- 2010“ beschlossen, die Verwendung von Cadmium in ten-Ausnahme“). PVC nach und nach einzustellen. Für die Verwendung von Cadmium in Batterien und elektronischen Produkten gelten seit 2004 ebenfalls Einschränkungen. Cadmium ab Dezember 2011 verboten Cadmium Kontrolle ist besser… Schuhhersteller sollten deshalb frühzeitig reagieren und abklären, ob ihre Modelle Schmuckteile aufweisen, die möglicherweise von dieser neuen gesetzli- Seit geraumer Zeit wurde das gesundheitsschädliche chen Regelung betroffen sind. Auch Schuhimporteure Schwermetall in beträchtlichen Mengen auch in Mode- sollten im Vorfeld mögliche Cadmium-Belastungen in schmuck nachgewiesen. Beschlagnahmte Schmuckliefe- Schmuckteilen kontrollieren. Entsprechende Untersu- rungen aus dem Ausland wiesen zum Teil sogar deut- chungen können sowohl das PFI-Labor in Hongkong lich erhöhte Cadmiumwerte auf. Durch das Tragen auf als auch in Pirmasens durchführen. der Haut kommen Konsumenten mit dem Schadstoff in Berührung. Auch die Dämpfe, die beispielsweise beim Kontakt: Löten von Metall mit Cadmiumgehalt eingeatmet wer- Dr. Kerstin Schulte den können, gelten als hochgradig gefährlich. Deshalb Abteilungsleiterin Chemische Analyse und Forschung darf Cadmium ab Dezember 2011 nicht mehr als Mate- Telefon: +49 (0)6331 2490 33 rial in Modeschmuck verwendet werden. E-Mail:[email protected] 17 Newsletter C hemie Erhöhte Sicherheitsanforderungen Neue Spielzeugrichtlinie Neue Spielzeugtrends und neue Herstellungsverfahren machten eine Angleichung der Rechtsvorschriften notwendig: Die neue Richtlinie über die Sicherheit Chemische Anforderungen: Übergang bis Juli 2013 von Spielzeug sieht strengere Sicherheitsanforderun- Die Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments gen vor, um zu gewährleisten, dass Kinder unbescha- und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit det mit dem Spielzeug spielen und Unfälle vermieden von Spielzeug trat bereits am 20. Juli 2009 in Kraft. werden können. Erweiterte chemische Anforderun- Zur Anpassung an die neue Richtlinie wurden den Her- gen und Grenzwerte sollen die Schadstoffbelastung stellern und Händlern Übergangszeiträume gewährt, durch Spielzeug senken und damit das Risiko einer in denen noch Produkte in den Verkehr gebracht möglichen Gesundheitsgefährdung verringern. werden durften bzw. dürfen, die lediglich den weniger strengen Anforderungen der Vorgängerrichtlinie Die neue Spielzeugrichtlinie verfolgt im Wesentlichen genügten. Die allgemeinen Bestimmungen der neuen zwei Ziele: einheitliche Sicherheitsstandards für die in Spielzeugrichtlinie gelten seit dem 20. Juli 2011 in der der EU vertriebenen Spielzeuge und Gewährleistung gesamten Europäischen Union. Mit Ablauf eines zwei- eines reibungslosen Warenverkehrs innerhalb des Eu- jährigen Übergangszeitraums wurde die alte Richtlinie ropäischen Binnenmarktes. 88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug damit abgelöst. Für den Bereich der chemischen Anforderungen wurde eine verlängerte Übergangsfrist von vier Jahren vereinbart. Dieser Bereich ist hinsichtlich der Materialvielfalt sehr komplex und entsprechende Umstellungen sind zeitintensiv. Deshalb gelten hier noch bis zum 19. Juli 2013 die Anforderungen der alten Spielzeugrichtlinie. 18 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Die neue Spielzeugrichtlinie erweitert den Begriff Spiel- Die Sicherheitsbewertung des Spielzeugs ist Aufgabe zeug und spricht von Produkten, die ausschließlich oder des Herstellers und muss vor dem Inverkehrbringen nicht ausschließlich dazu bestimmt oder so gestaltet durchgeführt werden. Zusätzlich müssen Hersteller sind, von Kindern unter 14 Jahren zum Spielen verwen- vor dem Inverkehrbringen von Spielzeug in einem det zu werden. Ein Produkt muss demzufolge nicht aus- Konformitätsbewertungsverfahren nachweisen, dass schließlich zum Spielen gedacht sein, um als Spielzeug zu das Spielzeug die allgemeinen und besonderen Sicher- gelten. Produkte mit Mehrfachfunktion, wie beispiels- heitsanforderungen der Richtlinie erfüllt. weise Schlüsselanhänger mit Plüschtierchen, werden als Spielzeug betrachtet. Ausnahmen sind in Anhang I der Spielzeugrichtlinie geregelt. So sind zum Beispiel Puzz- Besondere Sicherheitsanforderungen les mit über 500 Teilen oder maßstabsgetreue Kleinmodelle keine Spielzeuge im Sinne der Richtlinie. In Anhang II der neuen Spielzeugrichtlinie finden sich besondere Sicherheitsanforderungen bezüglich der Allgemeine Sicherheitsanforderungen physikalischen und mechanischen Eigenschaften, der Entzündbarkeit sowie der chemischen Eigenschaften von Spielzeug. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Neuerungen im Bereich der chemischen Anforderungen. Die Spielzeugrichtlinie enthält allgemeine und besondere Sicherheitsanforderungen. Nach der allgemeinen Wie bereits erwähnt gilt für die chemischen Anfor- Sicherheitsanforderung muss Spielzeug, einschließlich derungen, anders als für die übrigen Regelungen der der darin enthaltenen chemischen Stoffe, bei vor- Richtlinie, eine vierjährige Übergangsfrist. Sie endet hersehbarem Gebrauch sicher sein. Es dürfen keine am 20. Juli 2013. Spielzeug ist grundsätzlich so zu ge- potentiellen Gefahren von dem Spielzeug ausgehen, stalten und herzustellen, dass die chemischen Stoffe besonders im Hinblick auf das Verhalten von Kindern, oder Gemische, aus denen das Spielzeug besteht, die die meist nicht so vorsichtig handeln wie Erwachsene menschliche Gesundheit bei bestimmungsgemäßem und beim Spielen eine eigene Kreativität entwickeln. und vorhersehbarem Gebrauch des Spielzeugs nicht Damit soll sichergestellt werden, dass Spielzeug keine schädigen können. Risiken birgt, die über die in den besonderen Sicherheitsanforderungen berücksichtigten Risiken hinaus- Es sind jedoch weitere gesetzlich verbotene Substan- gehen. Die allgemeine Sicherheitsanforderung dient zen zu berücksichtigen: Neben der Spielzeugrichtlinie als rechtliche Grundlage, um auch dann Maßnahmen muss Spielzeug den einschlägigen Rechtsvorschriften gegen gefährliches Spielzeug ergreifen zu können, entsprechen wenn weder die Richtlinie noch die Europäischen Nor- bots-Verordnung, Bedarfsgegenstände-Verordnung). men spezifische Sicherheitsanforderungen enthalten. So ist der Einsatz von Phthalat-Weichmachern in Spiel- (REACH-Verordnung, Chemikalienver- zeug bereits durch die Richtlinie 2005/84/EG geregelt. Für die Phthalate DEHP, DBP und BBP gilt ein generelles Verwendungsverbot für Spielzeug; DINP, DIDP und DNOP dagegen sind nur in Spielzeug verboten, das in den Mund genommen werden kann. Der Summengrenzwert für Phthalate liegt bei 0,1 Prozent. 19 Newsletter C hemie Erhöhte Sicherheitsanforderungen Neue Spielzeugrichtlinie Migrationsgrenzwerte für 19 Elemente Für 19 Elemente gibt es konkrete Migrationsgrenz- Bei der Umsetzung der neuen Spielzeugrichtlinie in werte in der neuen Spielzeugrichtlinie. In der alten deutsches Recht wird es voraussichtlich inhaltliche Spielzeugrichtlinie waren nur acht Elemente geregelt. Abweichungen geben. Für die Elemente Barium, Blei, Die Migration simuliert hierbei die Aufnahmewahr- Antimon, Arsen und Quecksilber sind die Grenzwerte scheinlichkeit und Aufnahmemengen des „Elements“ der neuen Spielzeugrichtlinie höher als nach der alten aus dem Spielzeugmaterial. Dabei wird unterschie- Rechtslage, so dass ein nationaler Gesetzesentwurf den, ob es sich um flüssige, trockene und geschmei- möglicherweise die strengeren Grenzwerte der alten dige oder abgeschabte Spielzeugmaterialien handelt. Spielzeugrichtlinie 88/378/EWG vorsieht. Ausgenommen ist Spielzeug und dessen Bestandteile unter Berücksichtigung des kindlichen Verhaltens, das KEF-Stoffe beim bestimmungsgemäßen Gebrauch aufgrund von Zugänglichkeit, Funktion, Volumen oder Masse jegli- Eine weitere Neuerung der Richtlinie 2009/48/EG ist che Gefährdung durch Saugen, Lecken, Verschlucken das Verbot der Verwendung von sogenannten KEF- oder längeren Hautkontakt eindeutig ausschließt. Auf Stoffen, das sind Substanzen mit krebserzeugendem, Grundlage toxikologischer Neubewertungen erwägt erbgutveränderndem oder fortpflanzungsgefährden- die Europäische Kommission allerdings derzeit eine dem Potential. KEF-Stoffe dürfen nicht in Materialien Anpassung der Grenzwerte einiger Elemente wie Blei enthalten sein, die für Kinder zugänglich sind. Einzelne und Cadmium. KEF-Stoffe können jedoch nachträglich für bestimmte Verwendungen erlaubt werden. So ist die Verwendung von Nickel in nicht rostendem Stahl möglich. Nitrosamine Nitrosamine sind krebserregend und entstehen bei der Produktion von Gummi. Demzufolge können Spielzeuge aus Gummi, wie Luftballons oder Gummibälle, Nitrosamine enthalten. Eine besondere Gefährdung besteht für Kinder unter 36 Monaten. Für Spielzeug, das für diese Altersgruppe konzipiert ist, und ebenso für Spielzeug, das in den Mund gesteckt werden soll – unabhängig vom Alter –, gilt ein Nitrosamin-Migrationsgrenzwert von 0,05 mg/kg. Für die Vorläufersubstanzen der Nitrosamine, das heißt für N-nitrosierbare Stoffe, gilt ein Migrationsgrenzwert von 1 mg/kg. 20 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Duftstoffe Neu hinzugekommen ist ein Verbot von 55 Duftstof- Für die chemischen Anforderungen sind das im We- fen mit allergenem Potential. Diese dürfen eine Kon- sentlichen die DIN EN 71-3 „Migration bestimmter zentration von 100 mg/kg nicht überschreiten. Für elf Elemente“ und die DIN EN 71-9 „Organisch-chemi- weitere Duftstoffe ist bei Überschreitung des Grenz- sche Anforderungen“. Bei den organisch-chemischen wertes von 100 mg/kg ein Hinweis am Spielzeug oder Anforderungen wurden die Lösemittel, Konservie- der Verpackung erforderlich. Vom Verbot ausgenom- rungsstoffe, Weichmacher (ausgenommen sind Phtha- men sind einige Duftstoffe für Spiele mit Geruchs- und latweichmacher), Geschmacksinn, sowie für Kosmetikkoffer, wenn diese Biozide (Holzschutzmittel), Verarbeitungshilfsmittel, für Kinder unter 36 Monaten nicht verwendet werden Farbmittel und Formaldehyd berücksichtigt. Die An- dürfen. Dies ist mit einem Warnhinweis zu kennzeich- forderungen variieren hierbei abhängig von der Art nen. Diese Maßnahme soll der steigenden Zahl an des Spielzeugs, den vorhandenen Materialien und der allergischen Erkrankungen entgegenwirken. Gerade Altersgrenze unter oder über drei Jahre. Daneben Kinder, deren Immunsystem sich noch in der Entwick- gibt es weitere Normen für Experimentierkästen, che- lung befindet, können durch Stoffe mit allergenem misches Spielzeug und Fingermalfarben. In Vorberei- Potential so sensibilisiert werden, dass sie lebenslang tung ist auch eine weitere Norm im Hinblick auf die unter den allergischen Reaktionen leiden. Die Aufnah- Verwendung von allergenen Duftstoffen und deren me von Duftstoffen ist zudem leicht über die Raumluft Kennzeichnung, und zwar für Spiele, die den Geruchs- möglich, so dass schon eine Gefahr von dem Spielzeug und Geschmacksinn ansprechen. Des Weiteren ist eine ausgehen kann, wenn sich das Kind in dem Raum auf- Norm geplant, die strengere Nitrosamin-Grenzwerte hält, in dem das Spielzeug aufbewahrt wird. vorsieht. Lösungsansätze zu Defiziten hinsichtlich Flammschutzmittel, Monomere, der chemischen Anforderungen in der neuen Spiel- Harmonisierte Normen für die Umsetzung der Spielzeugrichtlinie zeugrichtlinie sollen in einer Arbeitsgruppe erarbeitet werden, bevor die Anforderungen ab 20. Juli 2013 anzuwenden sind. Die neue Spielzeugrichtlinie wird in Deutschland mit dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) in Weitere Informationen: nationales Recht umgesetzt. Die Spielzeugrichtlinie Dr. Kerstin Schulte regelt zudem, dass die zu prüfenden Anforderungen Abteilungsleiterin Chemische Analyse und Forschung und Grenzwerte in harmonisierten Normen festgelegt Telefon: +49 (0)6331 2490 33 werden. Die harmonisierten Normen der Normenrei- E-Mail:[email protected] he DIN EN 71 „Sicherheit von Spielzeug“ spezifizieren die allgemein gefassten Anforderungen der Spielzeugrichtlinie und beinhalten die technische Umsetzung sowie die Analyseverfahren. 21 Newsletter B I O T e C H N OLO G I E Forschungsprojekt: Neue Option für Biomethananlagen Abgasreinigung mit Mikroorganismen Die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen und der Das Problem vieler Biogasanlagen mit Blockheizkraft- Ausbau erneuerbarer Energien stehen seit Jahren auf werken besteht in der sehr unzureichenden Wärme- Deutschlands politischer Agenda. Bereits 2020 sollen nutzung. Biogasanlagen liegen meist außerhalb der rund 18 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus Ortschaften, so dass der Anschluss potentieller Wär- erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Bioener- meabnehmer über Nahwärmenetze häufig nicht wirt- gie wird hierzu einen signifikanten Beitrag leisten schaftlich ist. Zudem schwankt der Wärmebedarf mög- müssen. Ein Schwerpunkt der Energiepolitik ist die licher Abnehmer oft stark, während die Wärme in den Substitution von Erdgas durch Biomethan. Der Neu- Anlagen kontinuierlich anfällt. So wird der theoretisch bau von Biomethananlagen bleibt allerdings bislang sehr hohe Wirkungsgrad der Blockheizkraftwerke von deutlich hinter den Plänen zurück, nicht zuletzt auf- über 85 Prozent (Summe aus elektrischem und thermi- grund der teuren Gasaufbereitung und der aufwändi- schem Wirkungsgrad) in der Praxis nur unzureichend gen Nachbehandlung des Abgases, die zudem erheb- genutzt. Die Aufbereitung des produzierten Biogases liche Energieverluste verursacht. Diese Problematik bietet hier insbesondere den Vorteil, die Energie sehr geht die PFI Biotechnologie zusammen mit dem Insti- viel variabler und damit verbrauchsorientierter und tut für Mikrobiologie der Universität Mainz in einem effizienter einzusetzen. Zusätzlich besteht die Option, Forschungsprojekt an. Ziel ist eine biologische Abgas- Biomethan als Kraftstoff für Erdgasfahrzeuge zu nut- reinigung, die Kosten und Energieverluste reduziert. zen. Im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen, insbesondere Biodiesel und Bioethanol, bietet Biomethan Bis 2020 sollen in Deutschland pro Jahr rund 6 Mrd. m3 Bio- das größte Potential und die effizienteste Nutzung methan produziert werden. Bis 2030 soll eine weitere landwirtschaftlicher Flächen. Steigerung auf 10 Mrd. m3 erreicht werden. Hintergrund dieser ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung sind die Vorteile, welche die Aufbereitung von Biogas auf Ergasqualität und eine nachfolgende Einspeisung in das Erdgasnetz gegenüber der derzeit verbreitenden direkten Verstromung vor Ort bietet. 22 02.2011 A bgasreinigung Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Nachbehandlung des Abgases nötig, um Methanschlupf zu reduzieren In Anbetracht der aktuellen Situation erscheinen die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Biomethanproduktion sehr ambitioniert. Ende 2010 waren deutschlandweit nur rund 50 Anlagen in Betrieb. Bis Ende 2011 werden lediglich 30 neue Anlagen dazukommen. Nach Berechnungen der Deutschen Energie-Agentur (dena) wird bei einer Fortschreibung des aktuellen Wachstums die von der Regierung gesetzte Zielmarke für 2020 um mehr als 50 Prozent verfehlt werden. Hierbei spielen die hohen Investitionen für die Gasaufbereitung und die Abgasbehandlung eine Rolle. Die Nachbehandlung des Abgases ist nötig, um den im Abgas enthaltenen Methanschlupf zu reduzieren. Nach den derzeit geltenden Vorschriften muss der Methangehalt im Abgas von Biomethananlagen auf unter 0,5 Prozent begrenzt werden. Ab 2012 tritt eine weitere Verschärfung mit dem dann gültigen Grenzwert von 0,2 Prozent in Kraft. Die meisten Biomethananlagen müssen daher mit technisch aufwändigen und teuren Modulen zur katalytischen oder thermischen Nachverbrennung des Abgases ausgestattet werden. Die Etablierung kostengünstiger Module zur Gasbehandlung und die damit verbundene Absenkung der spezifischen Investitionskosten würden einen wichtigen Beitrag zur verbesserten Wirtschaftlichkeit von Biomethananlagen leisten. Dies gilt insbesondere in der Leistungsklasse von unter 500 m3/h, da hier die Wirtschaftlichkeit durch die hohen Netzanschlusskosten zusätzlich belastet wird. Biogasanlage mit Biomethaneinspeisung (Bild: Ökobit GmbH) 23 Newsletter B I O T e C H N OLO G I E Forschungsprojekt: Neue Option für Biomethananlagen Abgasreinigung mit Mikroorganismen Einsatz von Bakterien zum Abbau von Methan PFI und Uni Mainz verfolgen in ihrem Verbundprojekt Methanotrophe Bakterien spielen für den globalen daher das Ziel, ein alternatives Verfahren zur biologi- Kohlenstoffkreislauf eine wichtige Rolle, da sie Me- schen Abgasreinigung zu entwickeln. Das Projekt wird than aus natürlichen Quellen in CO2 und Biomasse von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) überführen. Die Organismen sind daher auch unter gefördert. Ziel ist es, die Fähigkeit einer bestimmten klimatischen Gesichtspunkten von erheblicher Bedeu- Gruppe von Bakterien zu nutzen, welche in der Lage tung, da ohne ihre Aktivität große Mengen des star- sind, Methan abzubauen. Die Besonderheit, Methan ken Treibhausgases Methan in die Atmosphäre gelan- als Wachstumssubstrat nutzen zu können, ist den so- gen würden. genannten methanotrophen Bakterien vorbehalten. Diese Mikroorganismen verfügen über ein spezielles Enzymsystem, die Methan-Monooxygenase (MMO), mit der Methan zunächst zu Methanol und im Anschluss weiter über Formaldehyd und Formiat bis zum Kohlendioxid oxidiert wird. Das natürliche Habitat dieser methanotrophen Bakterien findet sich typischerweise dort, wo Methan aus anaeroben Bereichen aufsteigt und auf Sauerstoff der aeroben Zone trifft, beispielsweise in limnischen Sedimenten, Tundren, Feuchtgebieten oder auch in Reisfeldern. Biomethananlage in Semd (Bild: Ökobit GmbH) 24 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Neuer Reaktortyp Im Rahmen des Forschungsvorhabens gilt es zunächst, In der zweiten Phase des Projekts soll ein Reaktor zur besonders leistungsfähige methanotrophe Bakterien biologischen Entmethanisierung von Abgasen der zu identifizieren, welche für das anvisierte Verfahren Gasaufbereitung entwickelt werden. Vorgesehen ist geeignet sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt wird die ein Reaktor nach dem Prinzip des Rieselstrom-Verfah- Optimierung der Fermentationsbedingungen sein. rens in einem Technikumsmaßstab mit rund 250 l Re- Ziel ist, dass die eingesetzten Bakterien im Zuge des aktorvolumen. Der Reaktor ist mit einen porösen Trä- Methanabbaus in einem größeren Umfang das Stoff- germaterial gefüllt, das als Besiedlungsfläche für die wechselzwischenprodukt Ameisensäure produzieren. Mikroorganismen dient. Das methanhaltige Abgas soll Diese Säure kann in den Biogasfermenter zurückge- von unten in den mit dem Trägermaterial gefüllten führt und erneut zu Methan umgesetzt werden. Auf Reaktionsraum des Reaktors einströmen. In Abhängig- diese Weise können größere Energieverluste im Zuge keit vom Methangehalt des Abgases wird die benötig- der Abgasreinigung vermieden werden. te Menge Luft zugeströmt (zur Oxidation des Methans benötigen die methanotrophen Bakterien ein Molekül O2 je Molekül CH4 bzw. ein Luft/Methan-Verhältnis von ca. 4:1). Von oben wird Wasser im Gegenstrom eingerieselt. Das Gegenstromprinzip ermöglicht kurze Stoffübergangswege und hohe Raumabbauleistungen. Im unteren Bereich des Reaktors gelangt das Wasser durch ein Trennsieb in ein Auffangbecken, von wo es je nach organischer Beladung rezirkuliert oder abgezogen und dem Biogasreaktor zugeführt werden kann. Die vom Methan gereinigte Abluft wird oben aus dem Reaktor entlassen. Die Leistungsfähigkeit des Verfahrens soll zunächst in einem Versuchsreaktor unter praxisnahen Bedingungen überprüft werden, um technologische Anpassungen vor der Überführung des Verfahrens in den Praxismaßstab machen zu können. Auf dieser Basis erfolgt eine Machbarkeitsanalyse eines Reaktormoduls im Praxismaßstab unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten. Weitere Informationen: Dr. Stefan Dröge PFI - Abteilung Biotechnologie Telefon: +49 (0)6331 2490 840 E-Mail:[email protected] 25 Newsletter B I O T e C H N OLO G I E Neuer Forschungsschwerpunkt Textil Flachsanbau bald wieder interessant? 1957 war der Flachsanbau aus den offiziellen deut- Ziel des neuen Projekts der PFI Biotechnologie ist es, schen Landwirtschaftsstatistiken verschwunden, weil aus Flachsstroh Kurzfasern (Flockenbast) zu gewinnen, er zu marginal geworden war. In den 80er Jahren er- die aus Elementarfasern oder Gruppen von Elementar- lebte Flachs unter dem Gesichtspunkt des ökologisch fasern bestehen. Diese fein aufgeschlossenen Fasern verträglichen Pflanzenanbaus ein Revival. Bis in die mit einer Länge von 30 bis 40 mm können auf Baum- 90er Jahre unternahmen verschiedene EU-Länder, dar- wollspinnmaschinen verarbeitet werden. Sie sollen in unter Spanien, Portugal, Großbritannien und Deutsch- ihren Eigenschaften und ihrer Haptik zwischen Leinen land, erhebliche Anstrengungen, um Flachsanbau und und Baumwolle liegen. Durch den kontrolliert ablau- Leinenproduktion wiederzubeleben. Ziel war, tech- fenden Prozess ergeben sich weitere Vorteile. nisch nutzbare Kurzfasern zu gewinnen, wie sie in Verbundwerkstoffen oder Dämmstoffen Verwendung finden. Die Bemühungen scheiterten, weil technische und ökonomische Aspekte sowie Vermarktungsprobleme deutlich unterschätzt wurden. Nun könnte ein Prozessinnovationen und erhöhter Ertrag neues Faseraufschlussverfahren, welches das PFI zu- Die neue Methode verringert das Anbaurisiko für Lei- sammen mit den Projektpartnern Hess Natur-Textilien nen wesentlich, da die Witterungsgefahren durch die GmbH sowie der FH Kaiserslautern und der TU Dres- Feldröste wegfallen (siehe Kasten „Traditionelle Flachs- den entwickelt hat, zum Durchbruch verhelfen. fasergewinnung“). Im Vergleich zur traditionellen Fasergewinnung fallen Bearbeitungsschritte wie beispielsweise das Schwingen weg. Dadurch können Frachtwege, Transport- und Bearbeitungskosten eingespart werden. Die Ausbeute aus dem Stroh wird erheblich verbessert, da nicht mehr nach Lang- und Kurzfasern unterschieden wird. Eine höhere Faserausbeute erhöht den Ertrag pro Hektar Anbaufläche für die Landwirte und macht den Flachsanbau in Deutschland wieder um einiges interessanter. Die neu entwickelte Faser wird voraussichtlich preiswerter als Leinen sein und lässt daher ein sehr gutes Nachfragepotential erwarten. Da die Baumwollpreise sich im Laufe der letzten Jahre verdreifacht haben, wird die neue Faser zunehmend kommerziell interessant. Durch das neue Aufschlussverfahren wird man eine Faser erhalten, die nicht im traditionellen Nassspinnverfahren weiterverarbeitet werden muss. Daher kann auf Auftrennung von Schäben und Fasern nach dem hydro- thermalen Aufschluss von Flachsstroh trockene und daher kostengünstigere Spinntechnologien ausgewichen werden. Auf Chemikalien (konventionelles Leinen benötigt fast immer einen Bleichvorgang vor allen weiteren Verarbeitungsschritten) wird ebenfalls verzichtet werden können. Darüber hinaus können die bei der Fasergewinnung anfallenden biologischen Reststoffe zur Biogasgewinnung genutzt werden. 26 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Prozessschritte Massenströme 1. Angepasste Erntetechnik Verfahrensschritte Brechen und zu Ballen pressen Prozessvorteile Leinsamen 5% Bessere Transport- und Lagerfähigkeit Flachsstroh 95 % winnung. Aus dem Flockenbast sollen Flächentextilien hergestellt und zu einem Endprodukt verarbeitet werden. Anschließend plant das PFI in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern von 2.Aufschlußtechnik des PFI HTA*-Behandlung bei 140 °C mit wenig Chemicalien Xylose 10% Nutzung der Abgaswärme des BHKW* Grundlage für Xylitolproduktion HTA-Rest 85 % der FH Kaiserlautern und TU Dresden, die textilen Flächengebilde umweltschonend zu färben und auszurüsten. Die neue Faser eignet sich zum Einsatz in hochwertiger Bekleidung, für Heim- 3. Nachbehandlung Entwässerung und Grobreinigung Schäben 55% Ganzjähriges Substrat für Biogasanlage textilien, im Nonwoven-Bereich oder als Füllmaterial in Bettdecken. Nassfaser 30 % Trocknen und Kardieren Textilfaser 25 % 4. Textile Verarbeitung Kurzfaser 5% Nutzung der Niedertemperaturabwärme der Anlage Herstellung von Nonwoven Traditionelle Flachsfasergewinnung Die Flachsfasern sind im Stängel in der äußeren Rindenschicht eingebettet. Pektine und andere Kitt- verspinnen, weben, konfektionieren Substanzen verbinden die Einzelfasern zu Faserbündeln. Üblicherweise Textilien wird der erntereife Flachs gerauft und 4. Textilveredelung Garn und Flächentextilien Färben, Endausrüstung, Überprüfung der Gebrauchseigenschaften Ökologische und ökonomische Textil veredelung *BHKW = Blockheizkraftwerk, ** HTA = Hydrothermaler Aufschluß Verfahrenstechnischer Ansatz zur innovativen Flachsfasergewinnung zur mehrwöchigen Taurös- te parallel auf dem Feld abgelegt. Unter Rösten wird jedes Verfahren verstanden, bei dem eine Trennung der Faserlage vom Holzzylinder auf biologischem Wege durch Mikroorganismen stattfindet. Dieser Vorgang ist extrem zeitaufwändig und zudem wetterabhängig. Ungünstige Nach erfolgreichen Vorversuchen werden nun Ver- Wetterbedingungen können eine tragsbauern des PFI-Projektpartners, der Hess Natur- Einbuße des Ertrags durch Überröste Textilien GmbH, den Flachs für dieses Forschungs- hervorrufen. Nach der Röste erfolgt projekt anbauen. Das Flachsstroh soll ohne Röste eine mechanische Aufbereitung der geerntet, gedroschen, gebrochen und dann zu Ballen Stängel. Durch Knicken und Schwin- gepresst werden. Im Energiepark Pirmasens ist eine gen werden die verholzten Anteile großtechnische Anlage geplant, die es ermöglicht, die herausgelöst, um die Fasern zu ge- Faseraufschlüsse vom Labormaßstab in den großtech- winnen. Die so gewonnenen Fasern nischen Maßstab zu überführen. Nach dem Aufschluss liegen im Bündel vor und haben eine müssen faserschonende Reinigungsprozesse ange- Länge von ca. 450 mm. wandt werden, um die Fasern von den Schäben (das sind die holzigen Reste, die bei der Flachserzeugung Weitere Informationen: nach der Entholzung des Pflanzenstängels anfallen) zu Dipl. Ing. (FH) Israel Schmitt trennen. Die Schäben sind wichtig für die Gewinnung PFI - Abteilung Biotechnologie von Nebenprodukten (z. B. Xylitol) und zur Biogasge- Telefon: +49 (0)6331 2490 840 E-Mail: [email protected] 27 Newsletter PHYSIK PFI entwickelt neue Produktprüfung und Prüfgerät Schnittschutz für Hände und Füße Handverletzungen machen einen Großteil der Arbeits- Das neue Prüfgerät ist in der Lage, die Schnittfestig- unfälle in der Industrie aus. Jeder zweite dieser Unfäl- keit von Schutzhandschuhen gemäß DIN EN 388 und le geht mit Schnittwunden einher. Aber nicht nur die den Schnittschutz (CR) von Sicherheitsschuhen gemäß Hände, sondern auch die Füße müssen in gefährde- DIN EN ISO 20344 zu überprüfen. ten Berufen, wie zum Beispiel bei Forstarbeitern, vor Schnittverletzungen geschützt werden. Schnittfestes Bei der Prüfung werden Prüfmuster mit einer kreis- Schuhwerk minimiert das Risiko. Zur Überprüfung der förmig rotierenden Klinge geschnitten. Die Klinge Wirksamkeit von Schuhen und Handschuhen, die vor bewegt sich unter einer festgelegten Belastung auf Schnittverletzungen schützen sollen, hat das PFI die dem Prüfmuster hin und her und dreht sich zusätzlich Schnittfestigkeitsprüfmaschine SFH 3136 entwickelt. entgegen dieser Bewegung. Eine Akkreditierung des Verfahrens wird schnellstmöglich angestrebt. Das PFI bietet nicht nur die Durchführung der Prüfung an, sondern das Prüfgerät wurde auch in den PFI-Prüfgerätekatalog aufgenommen und kann somit über das PFI bezogen werden. Weitere Informationen: Dipl.-Ing. (FH) Liselotte Vijselaar Abteilungsleiterin Physikalische Prüfung und Forschung Telefon: +49 (0)6331 2490 12 E-Mail:[email protected] PFI-Schnittfestigkeitsprüfmaschine 28 02.2011 N ews Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Unterscheidung von Leder und Synthetik-Materialien Ist es Leder? Selbst für Experten ist es mittlerweile eine echte Herausforderung, Leder auf den ersten Blick von Synthetik-Materialien zu unterscheiden. Früher konnte Leder anhand von Indikatoren wie Haptik, Schnittkanten und Geruch erkannt werden. Zur Prüfung musste das Produkt nicht zerstört werden. Heute reicht dies meist Hier handelt es sich um beschichtetes Leder (Beschichtung 0,37 mm, Gesamtstärke 2,43 mm) nicht mehr aus, weil die Technologien zur Herstellung synthetischer Materialien inzwischen sehr hoch ent- Nur Leder mit einer maximalen Beschichtungsstärke wickelt sind. Ob Mikrofasermaterial mit Veloursle- von weniger als 0,15 mm dürfen mit dem Begriff „Le- dercharakter oder Synthetics mit geprägten Narben- der“ gekennzeichnet werden. Beträgt die Beschich- bildern – Imitationen gibt es in unendlicher Vielfalt, tungsdicke mehr als 0,15 mm, jedoch weniger als ein und sie sind dem Original teilweise zum Verwechseln Drittel der Gesamtmaterialstärke, dann muss das Ma- ähnlich. terial als „beschichtetes Leder“ oder „Leder mit Beschichtung“ bezeichnet werden. Ist eine Beschichtung Schwierig kann es aber auch bei vermeintlich beschich- stärker als 0,15 mm und überschreitet die Beschich- teten Ledern werden: Oft ist die Beschichtungsstärke tungsdicke ein Drittel der Gesamtstärke, handelt es zu hoch und das eigentliche Leder viel zu dünn, als sich um ein so genanntes „sonstiges Material“. dass das Material nach den einschlägigen Richtlinien noch als „Leder“ oder „beschichtetes Leder“ bezeich- Bei der Überprüfung der Beschichtungsstärke werden net werden dürfte. Das Leder hat bei starker Beschich- je nach Prüfmuster mindestens drei Proben senkrecht tung lediglich die Funktion eines Trägermaterials. zur Deckschicht entnommen. Die Dicke der Oberflä- Seine charakteristischen Merkmale wie Feuchtigkeits- chendeckschicht wird mit einem Lichtmikroskop be- aufnahme und Flexibilität gehen dann fast vollständig stimmt und sowohl als Dicke als auch als prozentualer verloren. Anteil der Gesamtdicke angegeben. Quellen DIN EN ISO 17186 Leder – Bestimmung der Dicke der Oberflächendeckschicht RAL 060 A2 – Abgrenzung des Begriffes Leder gegenüber anderen Materialien Bedarfsgegenständeverordnung § 10a Kennzeichnung von Schuherzeugnissen 94/11/EG Weitere Informationen: Dipl.-Ing. (FH) Liselotte Vijselaar Dies hier ist Leder, denn die Beschichtung ist dünner als 0,15 mm bei einer Gesamtmaterialstärke von 1,71 mm Abteilungsleiterin Physikalische Prüfung und Forschung Telefon: +49 (0)6331 2490 12 E-Mail:[email protected] 29 Newsletter F o rschung Forschungsprojekt zur Verbesserung des Schuhklimas Der »Lüfterschuh« Seit seiner Gründung vor über 60 Jahren befasst sich Die wesentlichen Materialeigenschaften, welche Tra- das PFI mit der Tragehygiene von Schuhen. Eine gute gekomfort und Tragehygiene beeinflussen, sind Was- Tragehygiene steigert den Komfort, den der Träger serdampfdurchlässigkeit und thermische Leitfähigkeit empfindet, hilft gegen stark schwitzende Füße und der verwendeten Schuhwerkstoffe. Bei körperlicher den damit einhergehenden Geruch, und beugt Er- Aktivität, aber auch bei psychischer Belastung entwi- krankungen wie Fußpilz vor. Der „Lüfterschuh“ ist das ckelt der Körper aufgrund des beschleunigten Stoff- Ergebnis eines PFI-Forschungsprojekts, das die Ver- wechsels verstärkt Wärme und sondert vermehrt besserung der Belüftung im Schuh zum Ziel hatte. Er Schweiß ab. Die natürliche Funktion des Schweißes, ist mit einem energie-autarken Belüftungssystem aus- nämlich den Fuß durch Verdunstung zu kühlen, ist gestattet, das über die menschliche Muskelkraft beim bei dem mit einem Schuh umhüllten Fuß nur einge- Gehen gespeist wird. schränkt möglich. Der Fuß im Schuh kann nur gekühlt werden, wenn Wärme und Feuchtigkeit durch das Schuhmaterial nach außen abgeleitet werden. Tragehygiene – ein wichtiges Verkaufsargument Optimale Tragehygiene von Schuhen ist ein Verkaufsargument und wird daher von vielen Schuhherstellern angestrebt. Sie investieren erhebliche Summen, um die Traghygiene ihrer Schuhe zu verbessern – leider nicht immer mit Erfolg. Dass eine vernünftige Ventilation im Schuh das Fußklima positiv beeinflusst, ist bekannt. Die große Zahl von Patentanmeldungen im Bereich der Erzeugung von Belüftung im Schuh, über Pumpen und ähnliches, zeigen, dass sich auf diesem Gebiet zahlreiche Tüftler und Erfinder betätigen. Sehr häufig, und das bestätigen Untersuchungen solcher Systeme am PFI, werden dabei jedoch physikalische Gesetze ignoriert oder mechanische und konstrukIm Rahmen des AIF-Projekts entwickelter „Lüfterschuh“ mit Datenlogger und Handy-Akku tive Aspekte außen vor gelassen, so dass die Systeme letztlich keine messbare Verbesserung der Tragehygiene erreichen. 30 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Gesucht: Energie-autarkes Belüftungssystem Im Rahmen eines bereits abgeschlossenen AiF-Projek- Unter den verschiedenen Möglichkeiten, den Fuß tro- tes mit dem Titel “Wohlfühlklima im Arbeitsschuh“ cken zu halten, stellt der Abtransport der Feuchtigkeit wurden die wesentlichen Mechanismen, welche die durch Luftströmung über die Nutzung des Kühleffekts Tragehygiene beeinflussen, untersucht. Dann wurde durch verdunstenden Fußschweiß die wirksamste das Optimierungspotenzial in den Feldern Material, Methode dar. Diese Erfahrung hat sich auch in dem Konstruktion und Mikrosysteme systematisch analy- erwähnten Projekt bestätigt. Die besten Ergebnisse siert. Hierbei zeigte sich, dass die Hauptaufgabe darin erzielte ein modifizierter Sicherheitsschuh mit einge- besteht, Feuchtigkeit vom Fuß weg zu transportieren bautem CPU-Lüfter, der über einen Handy-Akku ge- und die Hauttemperatur im angenehmen Bereich, um speist wurde. die 30 °C, zu halten. Ein derartiges Lüftungssystem mit einer elektrischen Energieversorgung erfordert jedoch ein regelmäßiges Aufladen des Energiespeichers an einer externen Stromquelle. Da dieser Umstand die Benutzerfreundlichkeit einschränkt, hat sich das PFI in einem weiteren Forschungsprojekt gezielt mit dem Thema „Lüftung im Schuh“ und der technischen Realisierung der Erzeugung signifikanter, messbarer Luftströme im Schuh befasst. Das Ziel war, ein durch Muskelkraft gespeistes, funktionsfähiges Lüftersystem zu entwickeln, welches völlig autark, das heißt ohne Fremdenergie in Form von auszuwechselnden Batterien beziehungsweise exIm Projekt entwickeltes Funktionsmodell des „Lüfterschuhs" tern aufzuladenden Akkus, eine mess- und spürbare Lüftungswirkung im Schuh generiert. Das Projekt gliederte sich hauptsächlich in zwei Forschungsbereiche, und zwar „Technische Umsetzung der Klimatisierung im Schuh“ und – damit eng verbunden – „Energiegewinnung im/am Schuh“. 31 Newsletter F o rschung Forschungsprojekt zur Verbesserung des Schuhklimas Der »Lüfterschuh« Die Entwicklung eines energieautarken Lüftersystems Der menschliche Gang ist das komplexe Zusammen- setzt die Wahl eines entsprechenden Energiewand- wirken vieler einzelner Bewegungen. Um einen Teil lungssystems voraus. Die Untersuchung möglicher der beim Gehen aufgewendeten Bewegungsenergie Wandlungsprinzipien zeigte, dass ein potentieller Lüf- in elektrische Energie zu wandeln, eignen sich beson- ter am besten elektronisch betrieben werden sollte. ders zwei Gangphasen: Fersenauftritt und Fersenab- Die untersuchten Energiewandlungsarten sind in der hub bzw. die damit einhergehende Abrollbewegung. folgenden Tabelle dargestellt. In einem Schrittzyklus sind dies die Ereignisse mit den höchsten relativen Kraftaufkommen. Die Gewinnung Energiequelle WandlungsprinzipWandler von Energie aus der Gehbewegung erfolgt dabei nicht gleichmäßig, sondern – abhängig von der Gangart des rein mechanisch Getriebe elektrisch Piezoelektrische Trägers – intervallförmig. Bei zügigem Gehen beträgt Materialien die Schrittfrequenz einer erwachsenen Person etwa Dielektrische 1Hz, was einem Schritt pro Sekunde entspricht. Ausge- Elastomere hend von diesem Wert wurden zwei unterschiedliche Muskelbewegungelektromagnetisch Generator Systeme entwickelt, welche es dem Träger ermögli- chen, beim Gehen ausreichend Energie für den Betrieb (Dynamo) hydraulisch/ Turbine eines kleinen elektrischen Lüfters zu erzeugen. pneumatisch Zahnradpumpe Wandlung der Bewegungsrichtung Funktionsmodell „Lüfterschuh“ W andlung der Energieform Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde das FunktiÜberblick über die untersuchten Energiewandlungsarten onsmodell des so genannten „Lüfterschuhs“ gefertigt. Dieser Schuh verfügt über ein energie-autarkes Belüftungssystem, bestehend aus einem kleinen elektrischen Lüfter im Vorfußbereich und einem System zur Energiegewinnung im Fersenbereich. Sowohl objektive Messungen als auch subjektive Beurteilungen von Probanden bestätigten die Wirksamkeit des Lüftungssystems. Das Diagramm rechts stellt den ermittelten Temperaturverlauf in einem Schuh mit und in einem baugleichen Schuh ohne Belüftungssystem während einer zweistündigen Tragebeanspruchung dar. 32 02.2011 Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V. Temperatur [°C] Mittlere Temperaturen 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 0 1530 45 607590125 120 Zeit [min] Temperaturverläufe im Schuh mit (rot) und ohne (blau) Belüftung Nächster Schritt: Tragbares Schuhmodell entwickeln Um zu einer alltagstauglichen Lösung zu kommen, Das IGF-Vorhaben 15743 N wurde über die AiF im Rah- sind weitere Optimierungsschritte erforderlich: Ers- men des Programms zur Förderung der industriellen tens sollten die systemrelevanten Bauteile so klein Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom wie möglich sein, und zweitens sollten die funktiona- Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie len Komponenten bestmöglich in den Schuh integriert aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundesta- werden, um eine optische Verschmelzung zu erreichen. ges gefördert. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei zügigem Ge- Unser Dank geht an alle, die dieses Projekt ermöglicht hen mit dem auf Seite 31 dargestellten Funktionsmo- haben. Der Forschungsbericht sowie weitere Informa- dell mehr Energie gewonnen wird als der Lüfter be- tionen sind erhältlich bei nötigt. Diese überschüssige elektrische Energie könnte für weitere Entwicklung genutzt werden, zum Beispiel für eine sensorunterstützte Lüftersteuerung. Die Idee ist, den Schuh mit Temperatur- und Feuchtesensoren Dipl.-Ing. Peter Schultheis auszustatten, die es ermöglichen, die klimatischen PFI Prüf- und Forschungsinstitut Verhältnisse im Schuhinneren zu messen. Ein Mikro- Leiter Forschung und Entwicklung / Schuhtechnik controller könnte den Lüfter automatisch steuern und Telefon: +49 (0)6331 2490 40 die Schuhinnentemperatur in einem definierten Wohl- E-Mail:[email protected] fühlbereich halten. 33 Newsletter S 34