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02.2011
Newsletter
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Neue Spielzeugrichtlinie
Erhöhte Sicherheitsanforderungen
Schnittschutz für Hände und Füße
Neue Prüfung und Prüfgerät made by PFI
Flachsanbau bald wieder interessant?
PFI Biotechnologie mit neuem Forschungsschwerpunkt
Der »Lüfterschuh«
Forschungsprojekt zur Verbesserung des Schuhklimas
02.2011
02.2011
Newsletter
Inhalt
Inhalt
Inhalt ........................................................................ 02
Editorial ................................................................... 04
Nachrichten
Schuhe und mikrobiologische Aspekte .....................05
DIN EN 12705 erschienen ...........................................05
ISC bald mit Filiale in Chennai .................................. 06
Industriemeisterkurs läuft an ....................................08
Jobs rund um den Schuh ............................................10
PoS 2012: Früher ist besser ........................................12
Leder- und Schuhtechniker tagen gemeinsam .........14
Forum für technische Fragen .....................................14
Mikrobiologie
Wirksamkeitsprüfungen
antimikrobieller Ausrüstungen .................................15
Chemie
Liste der SVHC-Kandidaten erweitert .......................16
Verbot von Cadmium in Modeschmuck ....................17
Neue Spielzeugrichtlinie ............................................18
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02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Biotechnologie
Abgasreinigung mit Mikroorganismen ....................22
Flachsanbau bald wieder interessant? ..................... 26
Physik
Schnittschutz für Hände und Füße ............................28
Ist es Leder? ................................................................29
Schuhtechnik
Der »Lüfterschuh« ..................................................... 30
Impressum
Herausgeber: PFI Prüf- und Forschungsinstitut
Bilder:
Pirmasens e.V., Member of PFI Group
Fotolia (S. 5, 17),
Institutsleitung: Dr. Gerhard Nickolaus
Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR, S. 22),
Adresse: Marie-Curie-Straße 19
Ökobit GmbH (S. 23 und 24),
66953 Pirmasens / Germany
PFI, ISC
Telefon: +49 6331 2490 0
Telefax: +49 6331 2490 60
Nachdruck, auch auszugsweise,
E-Mail: [email protected]
nur mit Genehmigung des PFI.
Internet: www.pfi-germany.de
Der PFI Newsletter im Internet:
Redaktion: Elisabeth Rouiller
www.pfi-group.org/newsletter.html
Übersetzung: Tony Rackstraw
Design Konzept und Gestaltung:
Konzept fünf - Agentur für Werbung und Design
Internet: www.konzept-fuenf.de
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E dit o ria l
Editorial
Liebe Leser,
die Insolvenz des traditionsreichen Lederinstituts Ger-
„Was ist falsch gelaufen?“, fragt man sich. Es gibt si-
berschule Reutlingen hat uns am PFI sehr nachdenk-
cher nicht nur einen Grund. Für uns zeigt der Fall Ger-
lich gestimmt. Über Jahrzehnte war die „Gerberschu-
berschule, dass das Überleben für ein Institut einen
le“ ein geschätzter Projektpartner des PFI. Nun ist sie
permanenten Kampf darstellt. Einen Kampf um Sie –
sang- und klanglos von der Bildfläche und aus der Ins-
unsere Kunden, Förderer und Freunde.
titutslandschaft verschwunden.
Wir verstehen uns als Dienstleitungsunternehmen und
setzen all unsere Kraft und Energie, unser Wissen und
unsere Erfahrung daran, um Sie schnell und kompetent zu bedienen. Sollten Sie mit unserem Service nicht
zufrieden sein oder Anregungen zur Verbesserung
haben, kontaktieren Sie bitte meine Abteilungsleiter
oder mich. Wir versprechen, jedem Vorschlag und jeder
Beanstandung nachzugehen.
Fordern Sie uns, denn damit fördern Sie uns!
Ich wünsche Ihnen einen guten Ausklang des Jahres
2011 und einen erfolgreichen Start für 2012.
Ihr Dr. Gerhard Nickolaus
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PFI Group
02.2011
N achrichten
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Internationales Technisches Komitee „Schuhe“
Schuhe und mikrobiologische
Aspekte
Weil es immer häufiger Fragen zu mikrobiologischen
Nach einer konstituierenden Sitzung im Frühjahr 2011
beziehungsweise hygienischen Eigenschaften von
folgte Ende Oktober die erste Arbeitssitzung.
Schuhen gibt, hat das technische Komitee ISO/TC
216 „Schuhe“ die neue Arbeitsgruppe WG 1 mit dem
Die Normen, die dieses Gremium künftig erarbeiten
Schwerpunkt „Schuhe und mikrobiologische Aspekte“
wird, beziehen sich auf Schuhbestandteile und ganze
eingerichtet. Diplom-Biologin Michaela Würtz vom PFI
Schuhe. Sie bezwecken eine einheitliche Bestimmung
ist Mitglied dieser Arbeitsgruppe.
unterschiedlicher mikrobiologischer beziehungsweise
hygienischer Eigenschaften von Schuhen und deren
ISO, die internationale Vereinigung von Normungsor-
Bestandteile.
ganisationen, bezweckt mit ihrer Tätigkeit die Vereinheitlichung von Terminologie und Prüfverfahren un-
Das PFI Germany wird Sie über die Aktivitäten dieser
terschiedlicher Produkte. Für Schuhe ist das technische
Arbeitsgruppe und über daraus resultierende Neue-
Komitee ISO/TC mit der Nummer 216 zuständig.
rungen auf dem Laufenden halten.
Im Rahmen des TC 216 haben verschiedene europäi-
Weitere Informationen:
sche Länder, darunter auch Deutschland, sowie China
Michaela Würtz,
Experten für eine neue Arbeitsgruppe mit der Bezeich-
Leiterin der Abteilung Mikrobiologische Prüfung
nung WG 1 „Schuhe und mikrobiologische Aspekte“
und Forschung am PFI,
benannt.
E-Mail: [email protected]
Migration von Schuhklebstoffen bei weißen oder hellen Ledern
DIN EN 12705 erschienen
Im August 2011 hat der Technische Ausschuss „Kleb-
Die deutsche Fassung hat die Kennzeichnung stoffe“ des Europäischen Komitees für Normung eine
EN 12705:2011 und kann bezogen werden über:
neue Norm veröffentlicht, und zwar DIN EN 12705.
Beuth Verlag GmbH
Der Titel lautet „Klebstoffe für Leder- und Schuhwerk-
Am DIN-Platz
stoffe – Bestimmung der Farbänderung weißer
oder hellfarbiger Lederoberflächen durch
Migration“.
Burggrafenstraße 6
10787 Berlin
Telefon: +49 (0)30 2601 - 0
Telefax: +49 (0)30 2601 - 1260
E-Mail: [email protected]
Internet:www.beuth.de
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N achrichten
ISC engagiert sich in Indien
ISC bald mit Filiale in Chennai
Seit seiner Gründung 2008 unterhält das ISC Germa-
Die Entscheidung des ISC Germany, eine Niederlas-
ny Kontakte nach Indien: bereits 2008 unterzeichnete
sung in Indien zu gründen, fußt auf den vielfältigen
das ISC einen Kooperationsvertrag mit dem indischen
Anfragen von deutscher wie auch von indischer Seite.
FDDI (Footwear Design and Development Institute).
„Selbst wenn sich nur ein Teil davon konkretisiert, ist
Indien investiert in den Ausbau seiner Schuhindustrie
klar, dass wir nicht nur für punktuelle Aufträge in In-
und setzt dabei auf das Know-how aus Deutschland.
dien unterwegs sind, sondern uns langfristig in einem
Doch auch deutsche Unternehmen lassen in Indien
Markt engagieren, der in rasantem Tempo wächst.
Schuhe produzieren.
Indische Firmen wenden sich vor allem mit Fragen in
den Bereichen Produktionsoptimierung und Mitarbeitertraining an uns. Deutsche Firmen haben Bedarf an
Inline-Produktionskontrollen und Wareninspektionen.
Es wäre sträflich, in diesem Wachstumsmarkt nicht
präsent zu sein“, so ISC-Leiter Uwe Thamm. Michal
Spaçek, der ISC-Mann in Indien, äußert sich folgendermaßen über die indische Schuhindustrie: „Die indische
Schuhindustrie entwickelt sich sehr dynamisch und in
einem sehr positiven Sinn. Ich stelle immer wieder fest,
wie handwerklich geschickt die indischen Schuharbeiter sind. Auch die Infrastruktur für Materialien, Komponenten und Maschinen entwickelt sich sehr rasch”.
Blick in eine indische Schuhfabrik
Chennai ist der Ort, den das ISC Germany als Standort
Indien weltweit zweitgrößter Schuhhersteller
für die indische Niederlassung gewählt hat. Sie wird
Nach den jüngsten Ausgabe der World Shoe Review
2012 offiziell eröffnet. Das ISC ist bislang mit einer Per-
(veröffentlicht Ende 2010, Autor: Stuart Cleaver)
son vor Ort, führt für mehrere Auftraggeber Waren-
wurden 2009 weltweit 16,61 Mrd. Paar Schuhe pro-
inspektionen durch und leistet Produktionsberatung
duziert, davon kamen 9,5 Mrd. Paar aus China, dem
und -unterstützung für indische Betriebe. Enge Kon-
Welt-Schuh-Giganten. Die chinesische Schuhindustrie
takte bestehen auch zu einer Gruppe von Schuhher-
beschäftigte laut World Shoe Review 2009 rund 3,4
stellern in der Region Ambur, das etwa 180 km östlich
Mio. Menschen. Indien ist mit einer Produktion von 2,1
von Chennai im Landesinneren liegt.
Mrd. Paar Schuhen (2009) der zweitgrößte Schuhproduzent der Welt, gefolgt von Brasilien mit rund 800
Mio. Paar auf Platz drei, Vietnam mit rund 660 Mio.
Paar auf Platz vier und Indonesien mit 580 Mio. Paar
auf Platz fünf. 2009 fertigte Indien 909 Mio. Paar Lederschuhe, 100 Mio. Paar Lederschäfte und 1,056 Mrd.
Paar Schuhe aus anderen Werkstoffen als Leder.
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02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Noch neuere Zahlen präsentiert die portugiesische
Apiccaps in ihrer 2011 zum ersten Mal erschienenen
Publikation World Footwear Yearbook: Die hier veröffentlichten Zahlen stammen aus dem Jahr 2010.
Demnach soll die Weltschuhproduktion 2010 erstmals
die 20-Milliarden-Grenze überschritten haben. Laut
Apiccaps ist China auch 2010 mit einer Produktion von
12,6 Mrd. Paar Schuhen die klare Nummer eins. Indien
wird mit knapp über 2 Mrd. Paar genannt, gefolgt von
Brasilien mit 894 Mio. Paar, Vietnam mit 760 Mio. Paar,
Pakistan mit 295 Mio. Paar, Thaliand mit 245 Mio Paar
und Mexiko mit 244 Mio. Paar. Italien ist mit 203 Mio.
Paar gelistet.
Seit 1999 ist die indische Schuhindustrie jedes Jahr um
10 Prozent gewachsen. Deutschland ist einer der wichtigsten Exportpartner für die indische Schuhindustrie.
Zu den Schuhherstellern, die in Indien produzieren,
gehören laut World Shoe Review Clarks, Ecco, Gabor,
Marks & Spencer, Nike, Nine West, Louis Vuitton, Florsheim und Timberland. Die Sportgiganten adidas, Nike
und Reebok sind ebenfalls vor Ort präsent, zudem asiatische Hersteller wie Apache Footwear oder Feng Tay.
Zu den wichtigen indischen Herstellern gehören Tata,
Liberty, Farida, Gaitonde, KH Shoes, Mirza, United Shoe
und Forward Shoes. Laut World Shoe Review beschäftigte die indische Schuhindustrie 2009 964.000 Menschen. Dazu passt, dass laut Council for Leather Exports
im September 2010 1,1 Mio. Menschen in der indischen
Schuhindustrie beschäftigt gewesen sein sollen.
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N achrichten
13 Anmeldungen
Industriemeisterkurs
läuft an
Die Werbemaßnahmen zeigen Wirkung: Mit 13 Teil-
Zugangsvoraussetzungen
nehmern startet im Januar 2012 die berufsbegleitende
Weiterbildung „Industriemeister/in Schuhfertigung“.
Zur Industriemeisterprüfung ist zugelassen, wer Dass dieser Kurs nach jahrelanger Lücke wieder auf
entweder
Interesse stößt, beweist erstens, dass die Anstren-
eine mit Erfolg abgelegte Abschlussprüfung in einem
gungen der Schuhindustrie fruchten, dem Fachkräf-
anerkannten Ausbildungsberuf vorweisen kann,
temangel entgegenzuwirken, und zweitens, dass die
der der Fachrichtung Schuhfertigung zugeordnet
Branche an Attraktivität gewinnt. Der Kurs wird ge-
werden kann, und danach eine einschlägige Be-
meinsam von IHK und ISC Germany organisiert.
rufspraxis, die unter Anrechnung der in der Ausbildungsverordnung für den Ausbildungsberuf vor-
Der „Industriemeister Schuhfertigung“ ist eine Fach-
geschriebenen Ausbildungsdauer mindestens vier
kraft mit Führungsverantwortung im Produktions-
Jahre beträgt, oder
eine mindestens fünfjährige einschlägige Berufs-
bereich. Zu ihren Aufgaben gehören vor allem die
Überwachung von Material- und Produktionsfluss, die
praxis in der Schuhfertigung nachweist.
Unterweisung von Mitarbeitern, Qualitäts-, Quantitäts- und Kostenverantwortung sowie die Überwa-
Abweichend davon kann zur Industriemeisterprüfung
chung der Sicherheit am Arbeitsplatz.
auch zugelassen werden, wer durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft macht, dass er
Die Ausbildung ist kostenpflichtig. Die Teilnehmer der
Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben
Meisterausbildung erhalten ihren Meisterbrief nach
hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen.
erfolgreich abgelegter Prüfung vor der Industrie- und
Handelskammer.
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02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Termine für den Blockunterricht
Der Unterricht wird teils berufsbegleitend, teils in Voll-
Berufs- und arbeitspädagogischer Teil
zeit erteilt und umfasst drei Teile:
(Branchenneutral): Grundfragen und Rechtsgrundlagen der Berufsausbildung, Planung und Durchführung der Ausbildung. Der Erwerb der berufs- und ar-
Fachrichtungsspezifischer Teil
beitspädagogischen Eignung ist nicht Bestandteil des
(Schuhbezogen; der Unterricht findet am ISC Germa-
Lehrgangs. Der Prüfungsnachweis ist vor Beginn der
ny in Pirmasens statt): Betriebs- und Fertigungstech-
letzten Prüfungsleistung zu erbringen. Diese Prüfung
nik, Materialkunde, Fachrechnen, Physik und Chemie,
wird von den Teilnehmer/-innen bei ihrer zuständigen
Qualitätssicherung, Arbeitssicherheit. Die Termine für
IHK abgelegt.
den Blockunterricht gestalten sich wie folgt:
Es liegen bereits 13 Anmeldungen vor. Die Einschrei
Block 1: 30.01.2012 bis 17.02.2012
Block 2: 05.03.2012 bis 23.03.2012
Block 3: 20.08.2012 bis 31.08.2012
Block 4: 17.09.2012 bis 28.09.2012
Block 5: 22.10.2012 bis 26.10.2012
Weitere Informationen:
(Prüfungsvorbereitung und Prüfung)
Dipl.-Ing. (FH) Martin Bruhn,
bung ist auch jetzt noch möglich.
Leiter des Weiterbildungszentrums IHK Pfalz
Fachrichtungsübergreifender Teil
Adam-Müller-Straße 6
(Branchenneutral, kann bei den regionalen IHK-Ge-
66954 Pirmasens
schäftsstellen absolviert werden): Betriebs- und Volks-
Telefon: +49 (0)6331 523 2651
wirtschaftslehre, Arbeits- und Sozialrecht, Mitarbei-
Telefax: +49 (0)6331 523 2654
terführung und Sozialverhalten. Die Termine für den
E-Mail:[email protected]
Blockunterricht gestalten sich wie folgt:
oder
Block 1: 04.03.2013 bis 22.03.2013
Block 2: 15.04.2013 bis 26.04.2013
ISC – International Shoe Competence
Block 3: 09.09.2013 bis 27.09.2013
Center Pirmasens gGmbH
Block 4: 21.10.2013 bis 25.10.2013
Marie-Curie-Straße 20
(Prüfungsvorbereitung und Prüfung)
66953 Pirmasens
Dipl.-Ing. (FH) Uwe Thamm
Telefon: +49 (0)6331 145334 - 0
E-Mail:[email protected]
Web:www.isc-germany.com
www.pfi-group.org
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N achrichten
ISC koordiniert Auftritt der Schuhindustrie auf der BIB
Jobs rund um den Schuh
Ist der traditionsreiche Wirtschaftszweig Schuhindus-
Die bisherige Arbeit des „Runden Tisches der Schuhin-
trie gut gerüstet für die Zukunft? Wie können Schuh-
dustrie“ kann sich sehen lassen: Mit „Step up shoes -
unternehmen Fachkräfte finden? Warum zögern
take your job“ wurde eine innovative Dachmarke lan-
Schulabgänger, wenn es um eine Ausbildung in der
ciert, die Zahl der Ausbildungsplätze ist gestiegen und
Schuhindustrie geht? Lösungen auf diese Fragen erar-
die Teilnahme an der Berufsinformationsbörse BIB am
beitet der Ende 2010 auf Anstoß der Agentur für Arbeit
16. September war ein voller Erfolg.
in Pirmasens gegründete „Runde Tisch der Schuhindustrie“, dem unter anderem regionale Schuhunterneh-
Begonnen hatte alles im Dezember 2010: Auf Initiative
men, der Bundesverband der Schuhindustrie sowie das
der Agentur für Arbeit trafen sich Vertreter der regi-
ISC Germany angehören. Mit viel Herzblut entwickelt
onalen Schuhindustrie, des International Shoe Com-
die Initiative Strategien zur Nachwuchs- und Fachkräf-
petence Centers (ISC Germany), des Bundesverbandes
tegewinnung. Sehr erfolgreich verlief beispielsweise
der Schuhindustrie, der Job-Börse Pirmasens, der IHK
der vom ISC koordinierte Auftritt an der Berufsinfor-
und der Berufsbildenden Schule Pirmasens zum ersten
mationsbörse BIB am 16. September in Pirmasens unter
„Runden Tisch der Schuhindustrie“. Hintergrund der
dem Titel „Step up shoes – take your job“.
Initiative war eine Analyse auf Grundlage des Arbeitsmarktmonitors der Bundesagentur zur Struktur und
Entwicklung in der Branche.
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02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Schuhindustrie mit spannenden Karrierechanchen
Zahl der Ausbildungsplätze gestiegen
Eingeladen waren alle Schuhunternehmen aus dem
Die ersten Erfolge der Netzwerkarbeit des „Runden
Bezirk der Arbeitsagentur. Engagiert haben sich fünf
Tisches“ sind bereits messbar: Während der Arbeits-
renommierte Traditionsunternehmen: Caprice, Peter
agentur im Jahr 2010 Ausbildungsstellen in der Schuh-
Kaiser, Kennel und Schmenger, Theresia Muck und Jo-
industrie in einstelliger Größenordnung gemeldet
sef Seibel. Die Teilnehmer treffen sich etwa alle zwei
wurden, waren es für 2011 bereits 20 Stellen.
Monate in den Räumen des ISC. Ziel ist, die Berufs- und
Karrierechancen in der Schuhindustrie aufzuzeigen.
Geplant sind nun ein Informationstag am ISC Germany
für an Ausbildung in der Schuhbranche interessierte
Es gilt zu vermitteln, dass die Zeiten des drastischen
Jugendliche und deren Eltern sowie Tage der offenen
Rückgangs vorbei sind. Die regionalen Schuhunter-
Schuhfabriken. Um gemeinsame Projekte auch künftig
nehmen, die bis heute Bestand haben, sind hochspe-
erfolgreich umsetzen zu können, wird die Bildung ei-
zialisiert und kerngesund. Rund 1800 Menschen ar-
ner rechtsfähigen Organisation erwogen.
beiten im Bezirk der Pirmasenser Agentur für Arbeit
in Schuhfabriken. Über 1000 Menschen sind im Großund Einzelhandel mit Schuhen beschäftigt. Berufsein-
Weitere Informationen:
steiger können je nach Neigung eine technische oder
Steffen Korf, ISC Germany
eine kreative Laufbahn einschlagen. Die Schuhindust-
Telefon: +49 (0)6331 145334 - 17
rie bietet Karrierechancen auf internationaler Ebene.
E-Mail:[email protected]
Modenschau auf der BIB
Im Vorfeld der Berufsinformationsbörse BIB am 16.
September fanden die Treffen des „Runden Tisches“
häufiger statt: Im Rahmen einer Modenschau präsentierten dort Pirmasenser Schülerinnen und Schüler unter dem Slogan „Step up shoes – take your job“ auf
einer großen Bühne Schuhmodelle der beteiligten Unternehmen. Außerdem informierten die Firmen über
ihre Produkte, ihre Betriebe sowie die Arbeits- und
Ausbildungsmöglichkeiten.
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Newsletter
N achrichten
PoS 2012:
Früher ist besser
Fazit nach Point of Shoes – International Fair for Fa-
Gut kamen auch diesmal die Vorträge zum Schwer-
shion, Materials and Production (PoS) am 3. und 4.
punktthema an, das unter dem Titel „Quo vadis, Schuh-
November: Obwohl die Besucherzahlen denen der
industrie – Globale Szenarien für die europäische
vorangehenden Veranstaltungen nicht nachstanden,
Schuhbranche 2021“ einen Blick in die Zukunft wagte.
vermissten die rund 60 Aussteller den Besuch einiger
Das Rahmenprogramm der Frühjahrs-PoS 2012 wird
Kunden, die sie zu treffen gehofft hatten. Deren Aus-
sich mit dem Thema „Prüfen, Testen, Zertifizieren“
bleiben war offenbar eine Reaktion auf den späten
befassen. Geplant ist, bereits am Tag vor Beginn der
Termin. Daher wird sich die PoS 2012 im Messekalen-
kommenden PoS, nämlich am 20. März, an PFI und ISC
der jeweils vor der Lineapelle positionieren: Sie geht
ein Symposium zum diesem Themenkomplex anzubie-
am 21. und 22. März sowie am 26. und 27. September
ten. Und wie immer werden Projektgruppen- und Bei-
an den Start.
ratssitzungen von PFI und ISC Synergieeffekte für die
PoS bringen.
Uwe Thamm
Angeregte Gespräche
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02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Zudem hat das ISC den Verband der tschechischen und
Kontakt
slowakischen Schuhhersteller zur nächsten PoS einge-
Ansprechpartner für die Point of Shoes am ISC ist
laden. Und um einem Ausstellerwunsch Rechnung zu
Steffen Korf:
tragen: Die PoS wird in einem zentralen Display Infor-
E-Mail:[email protected]
mationen zu Mode- und Farbtrends zur Verfügung
International Shoe Competence Center Pirmasens gGmbH
stellen.
Marie-Curie-Straße 20
66953 Pirmasens
„Wir setzen all unsere Energie daran, zusammen mit
Telefon: +49 (0)6331 145334 - 17
Ausstellern und Besuchern ein optimales Branchenfo-
Telefax: +49 (0)6331 145334 - 30
rum zu etablieren“, sagt Uwe Thamm, der als Leiter
des ISC Germany auch für die PoS-Organisation verantwortlich ist. „Mit den auf der November-PoS gemeinsam
festgelegten Terminen für das kommende Jahr sollten
die Zeichen gut stehen: Das belegen sowohl die Zahl der
Voranmeldungen für März 2012 wie auch die einhellige
Bestätigung, dass das PoS-Konzept stimmig ist.“
13
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N achrichten
VGCT und VDST zu Gast am ISC Germany
Leder- und Schuhtechniker
tagen gemeinsam
Zum ersten Mal gemeinsam hatten der VGCT (Verein
Leder und Schuh – wie leicht spricht sich das im Ge-
für Gerberei-Chemie und Technik) und der VDST (Ver-
spann, und natürlich gibt es viele Themen, über die
ein Deutscher Schuhtechniker) ihre Jahrestagungen
Techniker aus beiden Bereichen fachsimpeln können.
2011 ausgerichtet. Die Mitglieder beider Organisati-
Die Mitgliederversammlungen beider Vereine mit den
onen kamen am 5. und 6. Mai am ISC Germany in Pir-
obligatorischen Programmpunkten wie Vorstands-
masens zusammen.
wahl, Entlastung des Schatzmeisters und das Besprechen aktueller Themen wurden separat abgehalten,
doch das Rahmenprogramm und das Get-together am
Abend des 5. Mai wie auch die Fachvorträge am 6. Mai
fanden für VGCT und VDST gemeinsam statt. 2012 will
der VGCT seine Jahrestagung vom 24. bis 26. April am
FILK (Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen) in Freiberg abhalten.
ISC-Website mit Diskussionsforum
Forum für technische Fragen
Sie sind in der Schuhindustrie im technischen Bereich
des Forums frei, nicht nur Fragen zu stellen, sondern
tätig, also in der Produktentwicklung oder in der Pro-
auch Fragen zu beantworten und Tipps zu geben.
duktion, und Sie suchen einen Anlaufpunkt für Fragen
und Tipps? Einen Ort, an dem Sie mit Fachleuten Er-
Das ISC-Technik-Forum ist thematisch geordnet. Es
fahrungen austauschen, diskutieren, wo Sie Rat be-
gibt Rubriken wie „Troubleshooting in der Produk-
kommen, aber auch Rat geben können? Eine Plattform
tion“, „Materialbeschaffung“, „Schuhkonstruktion“
hierfür hat das ISC mit seinem Forum geschaffen. Zu
oder „Passform“. Außerdem ist es zweisprachig: es
finden ist sie auf www.forum.isc-germany.com.
gibt einen deutschen und einen englischen Zweig.
Beide erscheinen auf dem Bildschirm nebeneinander
Ein Forum für Schuhtechnik lebt natürlich von der
und können parallel durchsucht werden. Foreneinträ-
Beteiligung der Besucher. Interaktivität entsteht nur
ge sind nach dem ersten Schritt der Anmeldung sehr
dann, wenn man auf Fragen auch Antworten erhält.
leicht zu veröffentlichen: Thema auswählen, in die
Der Part des ISC besteht darin, die Plattform zur Verfü-
Textbox tippen, abschicken, fertig.
gung zu stellen und eingehende Fragen so schnell wie
möglich zu beantworten oder zumindest einen Tipp
Das ISC hofft auf rege Nutzung des Forums. Natürlich
zu geben, wohin sich der Frager wenden könnte. Aber
muss erst bekannt werden, dass es dieses Forum gibt.
selbstverständlich steht es auch allen anderen Besuchern
Daher: Besuchen Sie www.forum.isc-germany.com und
empfehlen Sie es weiter!
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02.2011
M ikr o bi o l o gie
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Mikrobiologie-Seminar am ISC Germany
Wirksamkeitsprüfungen antimikrobieller Ausrüstungen
Erhöhte Hygieneanforderungen haben auch in der
Das Seminar „Wirksamkeitsprüfungen antimikrobiel-
Schuhindustrie zur Entwicklung und Etablierung anti-
ler Ausrüstungen in der Schuhindustrie“ wendete sich
mikrobiell ausgerüsteter Materialien und Komponen-
an Ausrüster, Techniker, Wissenschaftler und Sachbe-
ten geführt. Das Seminar „Wirksamkeitsprüfungen
arbeiter aus kaufmännischen oder betriebswirtschaft-
antimikrobieller Ausrüstungen in der Schuhindustrie“,
lichen Bereichen. Den Teilnehmern wurden nicht nur
das am 26. Mai am ISC veranstaltet wurde, stieß daher
Grundlagen zu dieser Thematik vermittelt, sondern
auf großes Interesse.
auch weiterführende Aspekte zur kritischen Bewertung von Daten bis hin zur Qualitätssicherung antimikrobiell ausgerüsteter Produkte.
Der erste Teil informierte allgemein über antimikrobielle Ausrüstungen, über die gesetzlichen Grundlagen
und über Begriffsdefinitionen. Dann ging’s tiefer in
die Materie mit Details zu den verschiedenen Testkeimen aus der Gruppe der Bakterien und der Mikropilze
sowie zu verschiedenen antibakteriellen und antimykotischen Prüfverfahren zur Bestimmung der Wirksamkeit. Abgerundet wurde das Programm durch eine
Laborbesichtigung. Dank der limitierten Teilnehmerzahl konnten Fragen detailliert beantwortet werden.
Auf Anfrage werden auch
maßgeschneiderte Schulungen
angeboten.
Michaela Würtz, Leiterin der Abteilung Mikrobiologische Prüfung und Forschung PFI Germany
Der Einsatz antimikrobiell ausgerüsteter Materialien
hat zwei Hauptziele: die Vermeidung einer mikrobiellen Besiedlung, die sichtbare oder haptische Materialveränderungen zur Folge haben kann, und die
Unterbindung einer Geruchsentwicklung, die durch
die Stoffwechselleistung von Keimen bedingt ist. Zu-
Weitere Informationen:
dem dienen solche Ausrüstungen der Vorbeugung
Michaela Würtz, Leiterin der Abteilung
einer möglichen Infektionsverbreitung. Letzteres ist
Mikrobiologische Prüfung und Forschung
ein wichtiges Kriterium in hygienisch anspruchsvollen
E-Mail: [email protected]
Bereichen wie im Orthopädie-Sektor oder bei Berufsschuhen für kritische Einsatzgebiete (Lebensmittelund Pharmaindustrie, Gesundheitssektor etc.).
15
Newsletter
C hemie
ECHA
Liste der SVHC-Kandidaten
erweitert
Seit dem 29. August 2011 stehen 20 neue Substan-
Für die restlichen im aktuellen Vorschlag aufgeführten
zen zur Aufnahme in die SVHC-Kandidaten-Liste zur
Substanzen – wie die feuerfesten Keramikfasern, die
Diskussion (SVHC steht für „substances of very high
Arsen-Verbindungen, Phenolphthalein oder die Blei-
concern“). Die EU-Mitgliedsstaaten hatten bis zum 13.
Verbindungen – ist ein Vorkommen in Schuhkompo-
Oktober 2011 Gelegenheit, die Vorschläge zu kom-
nenten sehr unwahrscheinlich.
mentieren. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war noch
nicht bekannt, welche Stoffe letztlich in die SVHC-Liste aufgenommen wurden.
Die SVHC-Kandidatenliste enthält Stoffe, die seitens
der EU-Mitgliedsstaaten oder der ECHA (European
Chemicals Agency) als besonders besorgniserregend
identifiziert wurden und deshalb für eine Zulassungspflicht in Frage kommen. Aktuell stehen 53 Substanzen
auf der SVHC-Kandidatenliste. Sofern die Abstimmung
für alle vorgeschlagenen Stoffe positiv ausfällt, wächst
Allein schon die Aufnahme in die SVHC-Kandidatenlis-
die Liste auf über 70 Kandidaten.
te bedeutet, dass Lieferanten eines Erzeugnisses, das
Ausgehend vom aktuellen Vorschlag können folgende
mehr als 0,1 Prozent eines Kandidatenstoffes enthält,
Substanzen für Schuhkomponenten relevant sein:
ihre Abnehmer darüber informieren müssen. Diese
Bis(2-methoxyethyl)phthalat, das als Weichmacher
Pflicht trifft jeden Lieferanten dieses Erzeugnisses in
in Polymermaterialien eingesetzt werden kann,
der Lieferkette. Zusätzlich hat der Verbraucher ein
oder das 4-tert.-Octylphenol, das ähnlich wie No-
Auskunftsrecht beim Hersteller oder Händler, ob ein
nylphenol in Kunststoffen und Ethoxylaten ver-
Erzeugnis Stoffe enthält, die auf der SHVC-Liste ste-
wendet wird.
hen. Für den Schuhhersteller oder -importeur ist es
Abfragen sollte man auch N,N-Dimethylacetamid
deshalb wichtig, die entsprechenden Informationen
(DMAC), das bei der Herstellung von Fasern für
von seinen Lieferanten anzufordern. Sofern er keine
Textilien oder als Lösungsmittel für Beschichtun-
Informationen erhält, kann auch eine Untersuchung
gen eingesetzt wird.
der relevanten Substanzen im Erzeugnis Schuh eine
Ebenfalls Verwendung als Lösungsmittel – beispiels-
Alternative sein. Das PFI Pirmasens unterstützt Sie je-
weise in Klebstoffen – finden die Stoffe 1,2-Di-
derzeit und kann gemeinsam mit Ihnen die optimale
chlorethan und Bis(2-methoxyethyl)ether.
Vorgehensweise festlegen.
Weitere potentielle Kandidaten wie die drei gelisteten Chromat-Salze, Formaldehyd, o-Anisidin oder
2,2‘-Dichlor-4,4‘-methylendianilin
wer-
Kontakt:
Dr. Kerstin Schulte
durch ähnliche Stoffe in der SVHC-Kandidatenlis-
Abteilungsleiterin Chemische Analyse und Forschung
te berücksichtigt, sodass eine Überschreitung des
Telefon: +49 6331 2490 33
Grenzwertes von 0,1 Massenprozent im Erzeugnis
E-Mail: [email protected]
vermutlich nicht zu erwarten ist.
16
(MOCA)
den schon durch andere Reglementierungen oder
02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Neue Richtlinie
Verbot von Cadmium in Modeschmuck
Ab Januar 2012 werden die bereits bestehenden Be-
Das Cadmium-Verbot gilt zudem für jede Art von Kunst-
schränkungsmaßnahmen für Cadmium im Rahmen
stoff. Ausnahmen gelten lediglich bei Recycling-PVC,
der europäischen Chemikalienverordnung REACH auf
wenn zur Wiederverwendung PVC-Abfall mit niedrigem
Grund seiner hohen Toxizität deutlich verschärft: Das
Cadmiumgehalt eingesetzt wird. Das Recycling-PVC
Amtsblatt der EU hat die Verordnung (EU) Nr. 494/2011
muss dann durch eine entsprechende Aufschrift oder
zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006
ein Piktogramm gekennzeichnet sein.
(REACH) hinsichtlich Anhang XVII (Cadmium) sowie
eine Berichtigung dieser Änderungsverordnung veröf-
Sobald das Verbot in Anhang XVII der REACH-Verord-
fentlicht. Die Verordnung trat am 10. Juni 2011 in Kraft
nung aufgenommen ist (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006
und gilt ab dem 10. Dezember 2011. Eine Umsetzung in
zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschrän-
nationales Recht ist nicht erforderlich.
kung chemischer Stoffe), darf ab Januar 2012 innerhalb
der EU kein Schmuck (einschließlich Modeschmuck) mehr
Cadmium ist krebserregend und für Gewässer giftig.
in den Handel kommen, dessen Metallteile mehr als 0,01
Bereits 1988 wurden Maßnahmen zur Bekämpfung der
Massenprozent
Umweltverschmutzung durch Cadmium beschlossen.
enthalten. Ausnahmen von
Früher wurde Cadmium als Farbstoff oder Stabilisator in
der Regelung gelten ledig-
Kunststoffmaterialien benutzt. Seit 1992 ist seine Ver-
lich für Schmuckstücke, die
wendung in Kunststoffartikeln verboten, mit Ausnahme
bereits vor Inkrafttreten der
einiger Hart-PVC-Arten, da es hierfür keinen Ersatz gab.
Richtlinie in den Handel ge-
Seitdem jedoch Alternativen existieren, hat die europä-
kommen sind oder älter als
ische PVC-Industrie im Rahmen des Programms „Vinyl
50 Jahre sind („Antiquitä-
2010“ beschlossen, die Verwendung von Cadmium in
ten-Ausnahme“).
PVC nach und nach einzustellen. Für die Verwendung
von Cadmium in Batterien und elektronischen Produkten gelten seit 2004 ebenfalls Einschränkungen.
Cadmium ab Dezember 2011 verboten
Cadmium
Kontrolle ist besser…
Schuhhersteller sollten deshalb frühzeitig reagieren
und abklären, ob ihre Modelle Schmuckteile aufweisen, die möglicherweise von dieser neuen gesetzli-
Seit geraumer Zeit wurde das gesundheitsschädliche
chen Regelung betroffen sind. Auch Schuhimporteure
Schwermetall in beträchtlichen Mengen auch in Mode-
sollten im Vorfeld mögliche Cadmium-Belastungen in
schmuck nachgewiesen. Beschlagnahmte Schmuckliefe-
Schmuckteilen kontrollieren. Entsprechende Untersu-
rungen aus dem Ausland wiesen zum Teil sogar deut-
chungen können sowohl das PFI-Labor in Hongkong
lich erhöhte Cadmiumwerte auf. Durch das Tragen auf
als auch in Pirmasens durchführen.
der Haut kommen Konsumenten mit dem Schadstoff in
Berührung. Auch die Dämpfe, die beispielsweise beim
Kontakt:
Löten von Metall mit Cadmiumgehalt eingeatmet wer-
Dr. Kerstin Schulte
den können, gelten als hochgradig gefährlich. Deshalb
Abteilungsleiterin Chemische Analyse und Forschung
darf Cadmium ab Dezember 2011 nicht mehr als Mate-
Telefon: +49 (0)6331 2490 33
rial in Modeschmuck verwendet werden.
E-Mail:[email protected]
17
Newsletter
C hemie
Erhöhte Sicherheitsanforderungen
Neue Spielzeugrichtlinie
Neue Spielzeugtrends und neue Herstellungsverfahren machten eine Angleichung der Rechtsvorschriften
notwendig: Die neue Richtlinie über die Sicherheit
Chemische Anforderungen: Übergang bis Juli 2013
von Spielzeug sieht strengere Sicherheitsanforderun-
Die Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments
gen vor, um zu gewährleisten, dass Kinder unbescha-
und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit
det mit dem Spielzeug spielen und Unfälle vermieden
von Spielzeug trat bereits am 20. Juli 2009 in Kraft.
werden können. Erweiterte chemische Anforderun-
Zur Anpassung an die neue Richtlinie wurden den Her-
gen und Grenzwerte sollen die Schadstoffbelastung
stellern und Händlern Übergangszeiträume gewährt,
durch Spielzeug senken und damit das Risiko einer
in denen noch Produkte in den Verkehr gebracht
möglichen Gesundheitsgefährdung verringern.
werden durften bzw. dürfen, die lediglich den weniger strengen Anforderungen der Vorgängerrichtlinie
Die neue Spielzeugrichtlinie verfolgt im Wesentlichen
genügten. Die allgemeinen Bestimmungen der neuen
zwei Ziele: einheitliche Sicherheitsstandards für die in
Spielzeugrichtlinie gelten seit dem 20. Juli 2011 in der
der EU vertriebenen Spielzeuge und Gewährleistung
gesamten Europäischen Union. Mit Ablauf eines zwei-
eines reibungslosen Warenverkehrs innerhalb des Eu-
jährigen Übergangszeitraums wurde die alte Richtlinie
ropäischen Binnenmarktes.
88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Sicherheit von Spielzeug damit abgelöst. Für den
Bereich der chemischen Anforderungen wurde eine
verlängerte Übergangsfrist von vier Jahren vereinbart.
Dieser Bereich ist hinsichtlich der Materialvielfalt sehr
komplex und entsprechende Umstellungen sind zeitintensiv. Deshalb gelten hier noch bis zum 19. Juli 2013
die Anforderungen der alten Spielzeugrichtlinie.
18
02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Die neue Spielzeugrichtlinie erweitert den Begriff Spiel-
Die Sicherheitsbewertung des Spielzeugs ist Aufgabe
zeug und spricht von Produkten, die ausschließlich oder
des Herstellers und muss vor dem Inverkehrbringen
nicht ausschließlich dazu bestimmt oder so gestaltet
durchgeführt werden. Zusätzlich müssen Hersteller
sind, von Kindern unter 14 Jahren zum Spielen verwen-
vor dem Inverkehrbringen von Spielzeug in einem
det zu werden. Ein Produkt muss demzufolge nicht aus-
Konformitätsbewertungsverfahren nachweisen, dass
schließlich zum Spielen gedacht sein, um als Spielzeug zu
das Spielzeug die allgemeinen und besonderen Sicher-
gelten. Produkte mit Mehrfachfunktion, wie beispiels-
heitsanforderungen der Richtlinie erfüllt.
weise Schlüsselanhänger mit Plüschtierchen, werden als
Spielzeug betrachtet. Ausnahmen sind in Anhang I der
Spielzeugrichtlinie geregelt. So sind zum Beispiel Puzz-
Besondere Sicherheitsanforderungen
les mit über 500 Teilen oder maßstabsgetreue Kleinmodelle keine Spielzeuge im Sinne der Richtlinie.
In Anhang II der neuen Spielzeugrichtlinie finden sich
besondere Sicherheitsanforderungen bezüglich der
Allgemeine Sicherheitsanforderungen
physikalischen und mechanischen Eigenschaften, der
Entzündbarkeit sowie der chemischen Eigenschaften
von Spielzeug. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Neuerungen im Bereich der chemischen Anforderungen.
Die Spielzeugrichtlinie enthält allgemeine und besondere Sicherheitsanforderungen. Nach der allgemeinen
Wie bereits erwähnt gilt für die chemischen Anfor-
Sicherheitsanforderung muss Spielzeug, einschließlich
derungen, anders als für die übrigen Regelungen der
der darin enthaltenen chemischen Stoffe, bei vor-
Richtlinie, eine vierjährige Übergangsfrist. Sie endet
hersehbarem Gebrauch sicher sein. Es dürfen keine
am 20. Juli 2013. Spielzeug ist grundsätzlich so zu ge-
potentiellen Gefahren von dem Spielzeug ausgehen,
stalten und herzustellen, dass die chemischen Stoffe
besonders im Hinblick auf das Verhalten von Kindern,
oder Gemische, aus denen das Spielzeug besteht, die
die meist nicht so vorsichtig handeln wie Erwachsene
menschliche Gesundheit bei bestimmungsgemäßem
und beim Spielen eine eigene Kreativität entwickeln.
und vorhersehbarem Gebrauch des Spielzeugs nicht
Damit soll sichergestellt werden, dass Spielzeug keine
schädigen können.
Risiken birgt, die über die in den besonderen Sicherheitsanforderungen berücksichtigten Risiken hinaus-
Es sind jedoch weitere gesetzlich verbotene Substan-
gehen. Die allgemeine Sicherheitsanforderung dient
zen zu berücksichtigen: Neben der Spielzeugrichtlinie
als rechtliche Grundlage, um auch dann Maßnahmen
muss Spielzeug den einschlägigen Rechtsvorschriften
gegen gefährliches Spielzeug ergreifen zu können,
entsprechen
wenn weder die Richtlinie noch die Europäischen Nor-
bots-Verordnung, Bedarfsgegenstände-Verordnung).
men spezifische Sicherheitsanforderungen enthalten.
So ist der Einsatz von Phthalat-Weichmachern in Spiel-
(REACH-Verordnung,
Chemikalienver-
zeug bereits durch die Richtlinie 2005/84/EG geregelt.
Für die Phthalate DEHP, DBP und BBP gilt ein generelles Verwendungsverbot für Spielzeug; DINP, DIDP und
DNOP dagegen sind nur in Spielzeug verboten, das in
den Mund genommen werden kann. Der Summengrenzwert für Phthalate liegt bei 0,1 Prozent.
19
Newsletter
C hemie
Erhöhte Sicherheitsanforderungen
Neue Spielzeugrichtlinie
Migrationsgrenzwerte für 19 Elemente
Für 19 Elemente gibt es konkrete Migrationsgrenz-
Bei der Umsetzung der neuen Spielzeugrichtlinie in
werte in der neuen Spielzeugrichtlinie. In der alten
deutsches Recht wird es voraussichtlich inhaltliche
Spielzeugrichtlinie waren nur acht Elemente geregelt.
Abweichungen geben. Für die Elemente Barium, Blei,
Die Migration simuliert hierbei die Aufnahmewahr-
Antimon, Arsen und Quecksilber sind die Grenzwerte
scheinlichkeit und Aufnahmemengen des „Elements“
der neuen Spielzeugrichtlinie höher als nach der alten
aus dem Spielzeugmaterial. Dabei wird unterschie-
Rechtslage, so dass ein nationaler Gesetzesentwurf
den, ob es sich um flüssige, trockene und geschmei-
möglicherweise die strengeren Grenzwerte der alten
dige oder abgeschabte Spielzeugmaterialien handelt.
Spielzeugrichtlinie 88/378/EWG vorsieht.
Ausgenommen ist Spielzeug und dessen Bestandteile
unter Berücksichtigung des kindlichen Verhaltens, das
KEF-Stoffe
beim bestimmungsgemäßen Gebrauch aufgrund von
Zugänglichkeit, Funktion, Volumen oder Masse jegli-
Eine weitere Neuerung der Richtlinie 2009/48/EG ist
che Gefährdung durch Saugen, Lecken, Verschlucken
das Verbot der Verwendung von sogenannten KEF-
oder längeren Hautkontakt eindeutig ausschließt. Auf
Stoffen, das sind Substanzen mit krebserzeugendem,
Grundlage toxikologischer Neubewertungen erwägt
erbgutveränderndem oder fortpflanzungsgefährden-
die Europäische Kommission allerdings derzeit eine
dem Potential. KEF-Stoffe dürfen nicht in Materialien
Anpassung der Grenzwerte einiger Elemente wie Blei
enthalten sein, die für Kinder zugänglich sind. Einzelne
und Cadmium.
KEF-Stoffe können jedoch nachträglich für bestimmte
Verwendungen erlaubt werden. So ist die Verwendung
von Nickel in nicht rostendem Stahl möglich.
Nitrosamine
Nitrosamine sind krebserregend und entstehen bei der
Produktion von Gummi. Demzufolge können Spielzeuge aus Gummi, wie Luftballons oder Gummibälle,
Nitrosamine enthalten. Eine besondere Gefährdung
besteht für Kinder unter 36 Monaten. Für Spielzeug,
das für diese Altersgruppe konzipiert ist, und ebenso
für Spielzeug, das in den Mund gesteckt werden soll
– unabhängig vom Alter –, gilt ein Nitrosamin-Migrationsgrenzwert von 0,05 mg/kg. Für die Vorläufersubstanzen der Nitrosamine, das heißt für N-nitrosierbare
Stoffe, gilt ein Migrationsgrenzwert von 1 mg/kg.
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02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Duftstoffe
Neu hinzugekommen ist ein Verbot von 55 Duftstof-
Für die chemischen Anforderungen sind das im We-
fen mit allergenem Potential. Diese dürfen eine Kon-
sentlichen die DIN EN 71-3 „Migration bestimmter
zentration von 100 mg/kg nicht überschreiten. Für elf
Elemente“ und die DIN EN 71-9 „Organisch-chemi-
weitere Duftstoffe ist bei Überschreitung des Grenz-
sche Anforderungen“. Bei den organisch-chemischen
wertes von 100 mg/kg ein Hinweis am Spielzeug oder
Anforderungen wurden die Lösemittel, Konservie-
der Verpackung erforderlich. Vom Verbot ausgenom-
rungsstoffe, Weichmacher (ausgenommen sind Phtha-
men sind einige Duftstoffe für Spiele mit Geruchs- und
latweichmacher),
Geschmacksinn, sowie für Kosmetikkoffer, wenn diese
Biozide (Holzschutzmittel), Verarbeitungshilfsmittel,
für Kinder unter 36 Monaten nicht verwendet werden
Farbmittel und Formaldehyd berücksichtigt. Die An-
dürfen. Dies ist mit einem Warnhinweis zu kennzeich-
forderungen variieren hierbei abhängig von der Art
nen. Diese Maßnahme soll der steigenden Zahl an
des Spielzeugs, den vorhandenen Materialien und der
allergischen Erkrankungen entgegenwirken. Gerade
Altersgrenze unter oder über drei Jahre. Daneben
Kinder, deren Immunsystem sich noch in der Entwick-
gibt es weitere Normen für Experimentierkästen, che-
lung befindet, können durch Stoffe mit allergenem
misches Spielzeug und Fingermalfarben. In Vorberei-
Potential so sensibilisiert werden, dass sie lebenslang
tung ist auch eine weitere Norm im Hinblick auf die
unter den allergischen Reaktionen leiden. Die Aufnah-
Verwendung von allergenen Duftstoffen und deren
me von Duftstoffen ist zudem leicht über die Raumluft
Kennzeichnung, und zwar für Spiele, die den Geruchs-
möglich, so dass schon eine Gefahr von dem Spielzeug
und Geschmacksinn ansprechen. Des Weiteren ist eine
ausgehen kann, wenn sich das Kind in dem Raum auf-
Norm geplant, die strengere Nitrosamin-Grenzwerte
hält, in dem das Spielzeug aufbewahrt wird.
vorsieht. Lösungsansätze zu Defiziten hinsichtlich
Flammschutzmittel,
Monomere,
der chemischen Anforderungen in der neuen Spiel-
Harmonisierte Normen für die Umsetzung der Spielzeugrichtlinie
zeugrichtlinie sollen in einer Arbeitsgruppe erarbeitet
werden, bevor die Anforderungen ab 20. Juli 2013 anzuwenden sind.
Die neue Spielzeugrichtlinie wird in Deutschland mit
dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) in
Weitere Informationen:
nationales Recht umgesetzt. Die Spielzeugrichtlinie
Dr. Kerstin Schulte
regelt zudem, dass die zu prüfenden Anforderungen
Abteilungsleiterin Chemische Analyse und Forschung
und Grenzwerte in harmonisierten Normen festgelegt
Telefon: +49 (0)6331 2490 33
werden. Die harmonisierten Normen der Normenrei-
E-Mail:[email protected]
he DIN EN 71 „Sicherheit von Spielzeug“ spezifizieren
die allgemein gefassten Anforderungen der Spielzeugrichtlinie und beinhalten die technische Umsetzung sowie die Analyseverfahren.
21
Newsletter
B I O T e C H N OLO G I E
Forschungsprojekt: Neue Option für Biomethananlagen
Abgasreinigung mit Mikroorganismen
Die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen und der
Das Problem vieler Biogasanlagen mit Blockheizkraft-
Ausbau erneuerbarer Energien stehen seit Jahren auf
werken besteht in der sehr unzureichenden Wärme-
Deutschlands politischer Agenda. Bereits 2020 sollen
nutzung. Biogasanlagen liegen meist außerhalb der
rund 18 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus
Ortschaften, so dass der Anschluss potentieller Wär-
erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Bioener-
meabnehmer über Nahwärmenetze häufig nicht wirt-
gie wird hierzu einen signifikanten Beitrag leisten
schaftlich ist. Zudem schwankt der Wärmebedarf mög-
müssen. Ein Schwerpunkt der Energiepolitik ist die
licher Abnehmer oft stark, während die Wärme in den
Substitution von Erdgas durch Biomethan. Der Neu-
Anlagen kontinuierlich anfällt. So wird der theoretisch
bau von Biomethananlagen bleibt allerdings bislang
sehr hohe Wirkungsgrad der Blockheizkraftwerke von
deutlich hinter den Plänen zurück, nicht zuletzt auf-
über 85 Prozent (Summe aus elektrischem und thermi-
grund der teuren Gasaufbereitung und der aufwändi-
schem Wirkungsgrad) in der Praxis nur unzureichend
gen Nachbehandlung des Abgases, die zudem erheb-
genutzt. Die Aufbereitung des produzierten Biogases
liche Energieverluste verursacht. Diese Problematik
bietet hier insbesondere den Vorteil, die Energie sehr
geht die PFI Biotechnologie zusammen mit dem Insti-
viel variabler und damit verbrauchsorientierter und
tut für Mikrobiologie der Universität Mainz in einem
effizienter einzusetzen. Zusätzlich besteht die Option,
Forschungsprojekt an. Ziel ist eine biologische Abgas-
Biomethan als Kraftstoff für Erdgasfahrzeuge zu nut-
reinigung, die Kosten und Energieverluste reduziert.
zen. Im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen, insbesondere Biodiesel und Bioethanol, bietet Biomethan
Bis 2020 sollen in Deutschland pro Jahr rund 6 Mrd. m3 Bio-
das größte Potential und die effizienteste Nutzung
methan produziert werden. Bis 2030 soll eine weitere
landwirtschaftlicher Flächen.
Steigerung auf 10 Mrd. m3 erreicht
werden. Hintergrund dieser ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung
sind die Vorteile, welche die Aufbereitung von Biogas auf Ergasqualität und eine nachfolgende Einspeisung in das Erdgasnetz gegenüber
der derzeit verbreitenden direkten
Verstromung vor Ort bietet.
22
02.2011
A bgasreinigung
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Nachbehandlung des Abgases nötig, um Methanschlupf zu reduzieren
In Anbetracht der aktuellen Situation erscheinen
die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Biomethanproduktion sehr ambitioniert. Ende 2010 waren deutschlandweit nur rund 50 Anlagen in Betrieb.
Bis Ende 2011 werden lediglich 30 neue Anlagen dazukommen. Nach Berechnungen der Deutschen Energie-Agentur (dena) wird bei einer Fortschreibung des
aktuellen Wachstums die von der Regierung gesetzte
Zielmarke für 2020 um mehr als 50 Prozent verfehlt
werden. Hierbei spielen die hohen Investitionen für
die Gasaufbereitung und die Abgasbehandlung eine
Rolle. Die Nachbehandlung des Abgases ist nötig, um
den im Abgas enthaltenen Methanschlupf zu reduzieren. Nach den derzeit geltenden Vorschriften muss der
Methangehalt im Abgas von Biomethananlagen auf
unter 0,5 Prozent begrenzt werden. Ab 2012 tritt eine
weitere Verschärfung mit dem dann gültigen Grenzwert von 0,2 Prozent in Kraft. Die meisten Biomethananlagen müssen daher mit technisch aufwändigen und
teuren Modulen zur katalytischen oder thermischen
Nachverbrennung des Abgases ausgestattet werden.
Die Etablierung kostengünstiger Module zur Gasbehandlung und die damit verbundene Absenkung der
spezifischen Investitionskosten würden einen wichtigen Beitrag zur verbesserten Wirtschaftlichkeit von
Biomethananlagen leisten. Dies gilt insbesondere in
der Leistungsklasse von unter 500 m3/h, da hier die
Wirtschaftlichkeit durch die hohen Netzanschlusskosten zusätzlich belastet wird.
Biogasanlage mit Biomethaneinspeisung (Bild: Ökobit GmbH)
23
Newsletter
B I O T e C H N OLO G I E
Forschungsprojekt: Neue Option für Biomethananlagen
Abgasreinigung mit Mikroorganismen
Einsatz von Bakterien zum Abbau von Methan
PFI und Uni Mainz verfolgen in ihrem Verbundprojekt
Methanotrophe Bakterien spielen für den globalen
daher das Ziel, ein alternatives Verfahren zur biologi-
Kohlenstoffkreislauf eine wichtige Rolle, da sie Me-
schen Abgasreinigung zu entwickeln. Das Projekt wird
than aus natürlichen Quellen in CO2 und Biomasse
von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)
überführen. Die Organismen sind daher auch unter
gefördert. Ziel ist es, die Fähigkeit einer bestimmten
klimatischen Gesichtspunkten von erheblicher Bedeu-
Gruppe von Bakterien zu nutzen, welche in der Lage
tung, da ohne ihre Aktivität große Mengen des star-
sind, Methan abzubauen. Die Besonderheit, Methan
ken Treibhausgases Methan in die Atmosphäre gelan-
als Wachstumssubstrat nutzen zu können, ist den so-
gen würden.
genannten methanotrophen Bakterien vorbehalten.
Diese Mikroorganismen verfügen über ein spezielles
Enzymsystem, die Methan-Monooxygenase (MMO),
mit der Methan zunächst zu Methanol und im Anschluss weiter über Formaldehyd und Formiat bis zum
Kohlendioxid oxidiert wird. Das natürliche Habitat
dieser methanotrophen Bakterien findet sich typischerweise dort, wo Methan aus anaeroben Bereichen
aufsteigt und auf Sauerstoff der aeroben Zone trifft,
beispielsweise in limnischen Sedimenten, Tundren,
Feuchtgebieten oder auch in Reisfeldern.
Biomethananlage in Semd (Bild: Ökobit GmbH)
24
02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Neuer Reaktortyp
Im Rahmen des Forschungsvorhabens gilt es zunächst,
In der zweiten Phase des Projekts soll ein Reaktor zur
besonders leistungsfähige methanotrophe Bakterien
biologischen Entmethanisierung von Abgasen der
zu identifizieren, welche für das anvisierte Verfahren
Gasaufbereitung entwickelt werden. Vorgesehen ist
geeignet sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt wird die
ein Reaktor nach dem Prinzip des Rieselstrom-Verfah-
Optimierung der Fermentationsbedingungen sein.
rens in einem Technikumsmaßstab mit rund 250 l Re-
Ziel ist, dass die eingesetzten Bakterien im Zuge des
aktorvolumen. Der Reaktor ist mit einen porösen Trä-
Methanabbaus in einem größeren Umfang das Stoff-
germaterial gefüllt, das als Besiedlungsfläche für die
wechselzwischenprodukt Ameisensäure produzieren.
Mikroorganismen dient. Das methanhaltige Abgas soll
Diese Säure kann in den Biogasfermenter zurückge-
von unten in den mit dem Trägermaterial gefüllten
führt und erneut zu Methan umgesetzt werden. Auf
Reaktionsraum des Reaktors einströmen. In Abhängig-
diese Weise können größere Energieverluste im Zuge
keit vom Methangehalt des Abgases wird die benötig-
der Abgasreinigung vermieden werden.
te Menge Luft zugeströmt (zur Oxidation des Methans
benötigen die methanotrophen Bakterien ein Molekül O2 je Molekül CH4 bzw. ein Luft/Methan-Verhältnis
von ca. 4:1). Von oben wird Wasser im Gegenstrom
eingerieselt. Das Gegenstromprinzip ermöglicht kurze Stoffübergangswege und hohe Raumabbauleistungen. Im unteren Bereich des Reaktors gelangt das
Wasser durch ein Trennsieb in ein Auffangbecken, von
wo es je nach organischer Beladung rezirkuliert oder
abgezogen und dem Biogasreaktor zugeführt werden
kann. Die vom Methan gereinigte Abluft wird oben
aus dem Reaktor entlassen. Die Leistungsfähigkeit des
Verfahrens soll zunächst in einem Versuchsreaktor unter praxisnahen Bedingungen überprüft werden, um
technologische Anpassungen vor der Überführung des
Verfahrens in den Praxismaßstab machen zu können.
Auf dieser Basis erfolgt eine Machbarkeitsanalyse eines Reaktormoduls im Praxismaßstab unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten.
Weitere Informationen:
Dr. Stefan Dröge
PFI - Abteilung Biotechnologie
Telefon: +49 (0)6331 2490 840
E-Mail:[email protected]
25
Newsletter
B I O T e C H N OLO G I E
Neuer Forschungsschwerpunkt Textil
Flachsanbau bald wieder interessant?
1957 war der Flachsanbau aus den offiziellen deut-
Ziel des neuen Projekts der PFI Biotechnologie ist es,
schen Landwirtschaftsstatistiken verschwunden, weil
aus Flachsstroh Kurzfasern (Flockenbast) zu gewinnen,
er zu marginal geworden war. In den 80er Jahren er-
die aus Elementarfasern oder Gruppen von Elementar-
lebte Flachs unter dem Gesichtspunkt des ökologisch
fasern bestehen. Diese fein aufgeschlossenen Fasern
verträglichen Pflanzenanbaus ein Revival. Bis in die
mit einer Länge von 30 bis 40 mm können auf Baum-
90er Jahre unternahmen verschiedene EU-Länder, dar-
wollspinnmaschinen verarbeitet werden. Sie sollen in
unter Spanien, Portugal, Großbritannien und Deutsch-
ihren Eigenschaften und ihrer Haptik zwischen Leinen
land, erhebliche Anstrengungen, um Flachsanbau und
und Baumwolle liegen. Durch den kontrolliert ablau-
Leinenproduktion wiederzubeleben. Ziel war, tech-
fenden Prozess ergeben sich weitere Vorteile.
nisch nutzbare Kurzfasern zu gewinnen, wie sie in
Verbundwerkstoffen oder Dämmstoffen Verwendung
finden. Die Bemühungen scheiterten, weil technische
und ökonomische Aspekte sowie Vermarktungsprobleme deutlich unterschätzt wurden. Nun könnte ein
Prozessinnovationen und erhöhter Ertrag
neues Faseraufschlussverfahren, welches das PFI zu-
Die neue Methode verringert das Anbaurisiko für Lei-
sammen mit den Projektpartnern Hess Natur-Textilien
nen wesentlich, da die Witterungsgefahren durch die
GmbH sowie der FH Kaiserslautern und der TU Dres-
Feldröste wegfallen (siehe Kasten „Traditionelle Flachs-
den entwickelt hat, zum Durchbruch verhelfen.
fasergewinnung“). Im Vergleich zur traditionellen Fasergewinnung fallen Bearbeitungsschritte wie beispielsweise das Schwingen weg. Dadurch können Frachtwege,
Transport- und Bearbeitungskosten eingespart werden.
Die Ausbeute aus dem Stroh wird erheblich verbessert,
da nicht mehr nach Lang- und Kurzfasern unterschieden
wird. Eine höhere Faserausbeute erhöht den Ertrag pro
Hektar Anbaufläche für die Landwirte und macht den
Flachsanbau in Deutschland wieder um einiges interessanter. Die neu entwickelte Faser wird voraussichtlich
preiswerter als Leinen sein und lässt daher ein sehr gutes
Nachfragepotential erwarten. Da die Baumwollpreise
sich im Laufe der letzten Jahre verdreifacht haben, wird
die neue Faser zunehmend kommerziell interessant.
Durch das neue Aufschlussverfahren wird man eine Faser erhalten, die nicht im traditionellen Nassspinnverfahren weiterverarbeitet werden muss. Daher kann auf
Auftrennung von Schäben und Fasern nach dem hydro-
thermalen Aufschluss von Flachsstroh
trockene und daher kostengünstigere Spinntechnologien ausgewichen werden. Auf Chemikalien (konventionelles Leinen benötigt fast immer einen Bleichvorgang
vor allen weiteren Verarbeitungsschritten) wird ebenfalls verzichtet werden können. Darüber hinaus können
die bei der Fasergewinnung anfallenden biologischen
Reststoffe zur Biogasgewinnung genutzt werden.
26
02.2011
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Prozessschritte
Massenströme
1. Angepasste
Erntetechnik
Verfahrensschritte Brechen und zu
Ballen pressen
Prozessvorteile
Leinsamen 5%
Bessere
Transport- und
Lagerfähigkeit
Flachsstroh
95 %
winnung. Aus dem Flockenbast sollen
Flächentextilien hergestellt und zu einem Endprodukt verarbeitet werden.
Anschließend plant das PFI in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern von
2.Aufschlußtechnik des PFI
HTA*-Behandlung
bei 140 °C mit
wenig Chemicalien
Xylose 10%
Nutzung der Abgaswärme des BHKW*
Grundlage für
Xylitolproduktion
HTA-Rest
85 %
der FH Kaiserlautern und TU Dresden,
die textilen Flächengebilde umweltschonend zu färben und auszurüsten.
Die neue Faser eignet sich zum Einsatz
in hochwertiger Bekleidung, für Heim-
3. Nachbehandlung
Entwässerung und
Grobreinigung
Schäben 55%
Ganzjähriges
Substrat
für Biogasanlage
textilien, im Nonwoven-Bereich oder
als Füllmaterial in Bettdecken.
Nassfaser
30 %
Trocknen und
Kardieren
Textilfaser
25 %
4. Textile
Verarbeitung
Kurzfaser 5%
Nutzung der Niedertemperaturabwärme
der Anlage
Herstellung von
Nonwoven
Traditionelle Flachsfasergewinnung
Die Flachsfasern sind im Stängel in
der äußeren Rindenschicht eingebettet. Pektine und andere Kitt-
verspinnen, weben,
konfektionieren
Substanzen verbinden die Einzelfasern zu Faserbündeln. Üblicherweise
Textilien
wird der erntereife Flachs gerauft
und
4. Textilveredelung
Garn und
Flächentextilien
Färben, Endausrüstung, Überprüfung
der Gebrauchseigenschaften
Ökologische und
ökonomische Textil
veredelung
*BHKW = Blockheizkraftwerk, ** HTA = Hydrothermaler Aufschluß
Verfahrenstechnischer Ansatz zur innovativen Flachsfasergewinnung
zur
mehrwöchigen
Taurös-
te parallel auf dem Feld abgelegt.
Unter Rösten wird jedes Verfahren
verstanden, bei dem eine Trennung
der Faserlage vom Holzzylinder auf
biologischem Wege durch Mikroorganismen stattfindet. Dieser Vorgang ist extrem zeitaufwändig und
zudem wetterabhängig. Ungünstige
Nach erfolgreichen Vorversuchen werden nun Ver-
Wetterbedingungen können eine
tragsbauern des PFI-Projektpartners, der Hess Natur-
Einbuße des Ertrags durch Überröste
Textilien GmbH, den Flachs für dieses Forschungs-
hervorrufen. Nach der Röste erfolgt
projekt anbauen. Das Flachsstroh soll ohne Röste
eine mechanische Aufbereitung der
geerntet, gedroschen, gebrochen und dann zu Ballen
Stängel. Durch Knicken und Schwin-
gepresst werden. Im Energiepark Pirmasens ist eine
gen werden die verholzten Anteile
großtechnische Anlage geplant, die es ermöglicht, die
herausgelöst, um die Fasern zu ge-
Faseraufschlüsse vom Labormaßstab in den großtech-
winnen. Die so gewonnenen Fasern
nischen Maßstab zu überführen. Nach dem Aufschluss
liegen im Bündel vor und haben eine
müssen faserschonende Reinigungsprozesse ange-
Länge von ca. 450 mm.
wandt werden, um die Fasern von den Schäben (das
sind die holzigen Reste, die bei der Flachserzeugung
Weitere Informationen:
nach der Entholzung des Pflanzenstängels anfallen) zu
Dipl. Ing. (FH) Israel Schmitt
trennen. Die Schäben sind wichtig für die Gewinnung
PFI - Abteilung Biotechnologie
von Nebenprodukten (z. B. Xylitol) und zur Biogasge-
Telefon: +49 (0)6331 2490 840
E-Mail: [email protected]
27
Newsletter
PHYSIK
PFI entwickelt neue Produktprüfung und Prüfgerät
Schnittschutz für Hände und Füße
Handverletzungen machen einen Großteil der Arbeits-
Das neue Prüfgerät ist in der Lage, die Schnittfestig-
unfälle in der Industrie aus. Jeder zweite dieser Unfäl-
keit von Schutzhandschuhen gemäß DIN EN 388 und
le geht mit Schnittwunden einher. Aber nicht nur die
den Schnittschutz (CR) von Sicherheitsschuhen gemäß
Hände, sondern auch die Füße müssen in gefährde-
DIN EN ISO 20344 zu überprüfen.
ten Berufen, wie zum Beispiel bei Forstarbeitern, vor
Schnittverletzungen geschützt werden. Schnittfestes
Bei der Prüfung werden Prüfmuster mit einer kreis-
Schuhwerk minimiert das Risiko. Zur Überprüfung der
förmig rotierenden Klinge geschnitten. Die Klinge
Wirksamkeit von Schuhen und Handschuhen, die vor
bewegt sich unter einer festgelegten Belastung auf
Schnittverletzungen schützen sollen, hat das PFI die
dem Prüfmuster hin und her und dreht sich zusätzlich
Schnittfestigkeitsprüfmaschine SFH 3136 entwickelt.
entgegen dieser Bewegung. Eine Akkreditierung des
Verfahrens wird schnellstmöglich angestrebt.
Das PFI bietet nicht nur die Durchführung der Prüfung
an, sondern das Prüfgerät wurde auch in den PFI-Prüfgerätekatalog aufgenommen und kann somit über
das PFI bezogen werden.
Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. (FH) Liselotte Vijselaar
Abteilungsleiterin Physikalische Prüfung
und Forschung
Telefon: +49 (0)6331 2490 12
E-Mail:[email protected]
PFI-Schnittfestigkeitsprüfmaschine
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02.2011
N ews
Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Unterscheidung von Leder und Synthetik-Materialien
Ist es Leder?
Selbst für Experten ist es mittlerweile eine echte Herausforderung, Leder auf den ersten Blick von Synthetik-Materialien zu unterscheiden. Früher konnte Leder
anhand von Indikatoren wie Haptik, Schnittkanten
und Geruch erkannt werden. Zur Prüfung musste das
Produkt nicht zerstört werden. Heute reicht dies meist
Hier handelt es sich um beschichtetes Leder (Beschichtung 0,37 mm, Gesamtstärke 2,43 mm)
nicht mehr aus, weil die Technologien zur Herstellung
synthetischer Materialien inzwischen sehr hoch ent-
Nur Leder mit einer maximalen Beschichtungsstärke
wickelt sind. Ob Mikrofasermaterial mit Veloursle-
von weniger als 0,15 mm dürfen mit dem Begriff „Le-
dercharakter oder Synthetics mit geprägten Narben-
der“ gekennzeichnet werden. Beträgt die Beschich-
bildern – Imitationen gibt es in unendlicher Vielfalt,
tungsdicke mehr als 0,15 mm, jedoch weniger als ein
und sie sind dem Original teilweise zum Verwechseln
Drittel der Gesamtmaterialstärke, dann muss das Ma-
ähnlich.
terial als „beschichtetes Leder“ oder „Leder mit Beschichtung“ bezeichnet werden. Ist eine Beschichtung
Schwierig kann es aber auch bei vermeintlich beschich-
stärker als 0,15 mm und überschreitet die Beschich-
teten Ledern werden: Oft ist die Beschichtungsstärke
tungsdicke ein Drittel der Gesamtstärke, handelt es
zu hoch und das eigentliche Leder viel zu dünn, als
sich um ein so genanntes „sonstiges Material“.
dass das Material nach den einschlägigen Richtlinien
noch als „Leder“ oder „beschichtetes Leder“ bezeich-
Bei der Überprüfung der Beschichtungsstärke werden
net werden dürfte. Das Leder hat bei starker Beschich-
je nach Prüfmuster mindestens drei Proben senkrecht
tung lediglich die Funktion eines Trägermaterials.
zur Deckschicht entnommen. Die Dicke der Oberflä-
Seine charakteristischen Merkmale wie Feuchtigkeits-
chendeckschicht wird mit einem Lichtmikroskop be-
aufnahme und Flexibilität gehen dann fast vollständig
stimmt und sowohl als Dicke als auch als prozentualer
verloren.
Anteil der Gesamtdicke angegeben.
Quellen
DIN EN ISO 17186 Leder – Bestimmung der Dicke der Oberflächendeckschicht
RAL 060 A2 – Abgrenzung des Begriffes Leder gegenüber anderen Materialien
Bedarfsgegenständeverordnung § 10a Kennzeichnung von Schuherzeugnissen
94/11/EG
Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. (FH) Liselotte Vijselaar
Dies hier ist Leder, denn die Beschichtung ist dünner als
0,15 mm bei einer Gesamtmaterialstärke von 1,71 mm
Abteilungsleiterin Physikalische Prüfung
und Forschung
Telefon: +49 (0)6331 2490 12
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Newsletter
F o rschung
Forschungsprojekt zur Verbesserung des Schuhklimas
Der »Lüfterschuh«
Seit seiner Gründung vor über 60 Jahren befasst sich
Die wesentlichen Materialeigenschaften, welche Tra-
das PFI mit der Tragehygiene von Schuhen. Eine gute
gekomfort und Tragehygiene beeinflussen, sind Was-
Tragehygiene steigert den Komfort, den der Träger
serdampfdurchlässigkeit und thermische Leitfähigkeit
empfindet, hilft gegen stark schwitzende Füße und
der verwendeten Schuhwerkstoffe. Bei körperlicher
den damit einhergehenden Geruch, und beugt Er-
Aktivität, aber auch bei psychischer Belastung entwi-
krankungen wie Fußpilz vor. Der „Lüfterschuh“ ist das
ckelt der Körper aufgrund des beschleunigten Stoff-
Ergebnis eines PFI-Forschungsprojekts, das die Ver-
wechsels verstärkt Wärme und sondert vermehrt
besserung der Belüftung im Schuh zum Ziel hatte. Er
Schweiß ab. Die natürliche Funktion des Schweißes,
ist mit einem energie-autarken Belüftungssystem aus-
nämlich den Fuß durch Verdunstung zu kühlen, ist
gestattet, das über die menschliche Muskelkraft beim
bei dem mit einem Schuh umhüllten Fuß nur einge-
Gehen gespeist wird.
schränkt möglich. Der Fuß im Schuh kann nur gekühlt
werden, wenn Wärme und Feuchtigkeit durch das
Schuhmaterial nach außen abgeleitet werden.
Tragehygiene – ein wichtiges Verkaufsargument
Optimale Tragehygiene von Schuhen ist ein Verkaufsargument und wird daher von vielen Schuhherstellern
angestrebt. Sie investieren erhebliche Summen, um die
Traghygiene ihrer Schuhe zu verbessern – leider nicht
immer mit Erfolg. Dass eine vernünftige Ventilation
im Schuh das Fußklima positiv beeinflusst, ist
bekannt. Die große Zahl von Patentanmeldungen im Bereich der Erzeugung von
Belüftung im Schuh, über Pumpen und
ähnliches, zeigen, dass sich auf diesem
Gebiet zahlreiche Tüftler und Erfinder
betätigen. Sehr häufig, und das bestätigen Untersuchungen solcher Systeme am
PFI, werden dabei jedoch physikalische Gesetze ignoriert oder mechanische und konstrukIm Rahmen des AIF-Projekts entwickelter „Lüfterschuh“
mit Datenlogger und Handy-Akku
tive Aspekte außen vor gelassen, so dass die Systeme
letztlich keine messbare Verbesserung der Tragehygiene erreichen.
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Magazin des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens e. V.
Gesucht: Energie-autarkes Belüftungssystem
Im Rahmen eines bereits abgeschlossenen AiF-Projek-
Unter den verschiedenen Möglichkeiten, den Fuß tro-
tes mit dem Titel “Wohlfühlklima im Arbeitsschuh“
cken zu halten, stellt der Abtransport der Feuchtigkeit
wurden die wesentlichen Mechanismen, welche die
durch Luftströmung über die Nutzung des Kühleffekts
Tragehygiene beeinflussen, untersucht. Dann wurde
durch verdunstenden Fußschweiß die wirksamste
das Optimierungspotenzial in den Feldern Material,
Methode dar. Diese Erfahrung hat sich auch in dem
Konstruktion und Mikrosysteme systematisch analy-
erwähnten Projekt bestätigt. Die besten Ergebnisse
siert. Hierbei zeigte sich, dass die Hauptaufgabe darin
erzielte ein modifizierter Sicherheitsschuh mit einge-
besteht, Feuchtigkeit vom Fuß weg zu transportieren
bautem CPU-Lüfter, der über einen Handy-Akku ge-
und die Hauttemperatur im angenehmen Bereich, um
speist wurde.
die 30 °C, zu halten.
Ein derartiges Lüftungssystem mit einer elektrischen
Energieversorgung erfordert jedoch ein regelmäßiges Aufladen des Energiespeichers an einer externen
Stromquelle. Da dieser Umstand die Benutzerfreundlichkeit einschränkt, hat sich das PFI in einem weiteren
Forschungsprojekt gezielt mit dem Thema „Lüftung
im Schuh“ und der technischen Realisierung der Erzeugung signifikanter, messbarer Luftströme im Schuh
befasst. Das Ziel war, ein durch Muskelkraft gespeistes,
funktionsfähiges Lüftersystem zu entwickeln, welches
völlig autark, das heißt ohne Fremdenergie in Form
von auszuwechselnden Batterien beziehungsweise exIm Projekt entwickeltes Funktionsmodell
des „Lüfterschuhs"
tern aufzuladenden Akkus, eine mess- und spürbare
Lüftungswirkung im Schuh generiert.
Das Projekt gliederte sich hauptsächlich in zwei Forschungsbereiche, und zwar „Technische Umsetzung
der Klimatisierung im Schuh“ und – damit eng verbunden – „Energiegewinnung im/am Schuh“.
31
Newsletter
F o rschung
Forschungsprojekt zur Verbesserung des Schuhklimas
Der »Lüfterschuh«
Die Entwicklung eines energieautarken Lüftersystems
Der menschliche Gang ist das komplexe Zusammen-
setzt die Wahl eines entsprechenden Energiewand-
wirken vieler einzelner Bewegungen. Um einen Teil
lungssystems voraus. Die Untersuchung möglicher
der beim Gehen aufgewendeten Bewegungsenergie
Wandlungsprinzipien zeigte, dass ein potentieller Lüf-
in elektrische Energie zu wandeln, eignen sich beson-
ter am besten elektronisch betrieben werden sollte.
ders zwei Gangphasen: Fersenauftritt und Fersenab-
Die untersuchten Energiewandlungsarten sind in der
hub bzw. die damit einhergehende Abrollbewegung.
folgenden Tabelle dargestellt.
In einem Schrittzyklus sind dies die Ereignisse mit den
höchsten relativen Kraftaufkommen. Die Gewinnung
Energiequelle WandlungsprinzipWandler
von Energie aus der Gehbewegung erfolgt dabei nicht
gleichmäßig, sondern – abhängig von der Gangart des
rein mechanisch
Getriebe
elektrisch
Piezoelektrische
Trägers – intervallförmig. Bei zügigem Gehen beträgt
Materialien
die Schrittfrequenz einer erwachsenen Person etwa
Dielektrische
1Hz, was einem Schritt pro Sekunde entspricht. Ausge-
Elastomere
hend von diesem Wert wurden zwei unterschiedliche
Muskelbewegungelektromagnetisch Generator
Systeme entwickelt, welche es dem Träger ermögli-
chen, beim Gehen ausreichend Energie für den Betrieb
(Dynamo)
hydraulisch/
Turbine
eines kleinen elektrischen Lüfters zu erzeugen.
pneumatisch
Zahnradpumpe
Wandlung der Bewegungsrichtung
Funktionsmodell „Lüfterschuh“
W
andlung der Energieform
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde das FunktiÜberblick über die untersuchten Energiewandlungsarten
onsmodell des so genannten „Lüfterschuhs“ gefertigt.
Dieser Schuh verfügt über ein energie-autarkes Belüftungssystem, bestehend aus einem kleinen elektrischen Lüfter im Vorfußbereich und einem System zur
Energiegewinnung im Fersenbereich. Sowohl objektive Messungen als auch subjektive Beurteilungen von
Probanden bestätigten die Wirksamkeit des Lüftungssystems. Das Diagramm rechts stellt den ermittelten
Temperaturverlauf in einem Schuh mit und in einem
baugleichen Schuh ohne Belüftungssystem während
einer zweistündigen Tragebeanspruchung dar.
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Temperatur [°C]
Mittlere Temperaturen
35
34
33
32
31
30
29
28
27
26
25
0 1530 45 607590125
120
Zeit [min]
Temperaturverläufe im Schuh mit (rot) und ohne (blau) Belüftung
Nächster Schritt: Tragbares Schuhmodell entwickeln
Um zu einer alltagstauglichen Lösung zu kommen,
Das IGF-Vorhaben 15743 N wurde über die AiF im Rah-
sind weitere Optimierungsschritte erforderlich: Ers-
men des Programms zur Förderung der industriellen
tens sollten die systemrelevanten Bauteile so klein
Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom
wie möglich sein, und zweitens sollten die funktiona-
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
len Komponenten bestmöglich in den Schuh integriert
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundesta-
werden, um eine optische Verschmelzung zu erreichen.
ges gefördert.
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei zügigem Ge-
Unser Dank geht an alle, die dieses Projekt ermöglicht
hen mit dem auf Seite 31 dargestellten Funktionsmo-
haben. Der Forschungsbericht sowie weitere Informa-
dell mehr Energie gewonnen wird als der Lüfter be-
tionen sind erhältlich bei
nötigt. Diese überschüssige elektrische Energie könnte
für weitere Entwicklung genutzt werden, zum Beispiel
für eine sensorunterstützte Lüftersteuerung. Die Idee
ist, den Schuh mit Temperatur- und Feuchtesensoren
Dipl.-Ing. Peter Schultheis
auszustatten, die es ermöglichen, die klimatischen
PFI Prüf- und Forschungsinstitut
Verhältnisse im Schuhinneren zu messen. Ein Mikro-
Leiter Forschung und Entwicklung / Schuhtechnik
controller könnte den Lüfter automatisch steuern und
Telefon: +49 (0)6331 2490 40
die Schuhinnentemperatur in einem definierten Wohl-
E-Mail:[email protected]
fühlbereich halten.
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Newsletter
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