Nirgendwo kann man schöner abtauchen als auf den Cayman Islands

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Nirgendwo kann man schöner abtauchen als auf den Cayman Islands
CAYMAN ISLANDS
Das
planschbecken
der
FinanzHaie
Neben sehr viel Meer
gibt es auch noch
ein bisschen hässliche
Stadt: George Town,
Zentrum der „Schweiz
der Karibik“
Nirgendwo kann man schöner abtauchen als auf
den Cayman Islands: entweder im klaren Karibikwasser –
oder mit viel Geld. Aber welche Folgen
hat die globale Wirtschaftskrise für das fünftgrößte
Finanzzentrum der Welt? Ein Ortstermin
FOTO: CORBIS
Text Felix Hutt Fotos joshuA KRISTAL
CAYMAN ISLANDS
Z
wei Porsche und ein Jaguar stehen in der Garage.
Vor Paul Harris, 66, liegt ein gemütlicher Nachmittag auf dem Meer. Er gibt seiner Frau einen
Kuss und steigt in den Jaguar. Das Thermometer
zeigt 32 Grad, Tendenz steigend. Auf der Fahrt zu
seiner Jacht „Polaris“, der größten der Insel, beginnt der Pate der Cayman Islands mit seiner Geschichte. Als er im Januar 1967 aus London gekommen sei, erzählt er, da habe es hier noch keine Autos und kein Telefon gegeben, er sei der erste Steuerberater gewesen. Heute könne es sich
keine Bank mehr leisten, nicht in der Steueroase vertreten zu
sein. Mehr als zwei Billionen Dollar lägen auf den Konten der
Caymans. Es habe sich viel verändert über die Jahre, sagt Harris,
zum Guten und zum Schlechten.
Beruhigend zu wissen, dass es Dinge gibt, die überall gleich
bleiben. Guido Westerwelle zum Beispiel. Den gibt es auch auf
den Cayman Islands, nur heißt er hier William McKeeva Bush,
er ist der leader of the opposition. Bush wiegt dreimal so viel wie
sein deutsches Pendant, trägt Schnurrbart und veranstaltet Jazzpartys, aber sonst: nichts als Gemeinsamkeiten. Bush liebt gelbe
Krawatten, wird selten gehört, obwohl er gern redet, und viele
der 55 000 Einwohner halten die Regierung für das kleinere Übel
als seine Partei, die UDP (United Democratic Party). Aber jede
große Krise birgt für eine Opposition auch eine Chance, und deshalb hat Bush an diesem Donnerstagabend ganz spontan in den
Ballroom des Westin-Hotels am puderzuckerweißen Seven Mile
Beach geladen. Sein Thema lautet: Wie können wir unserer
Hedgefonds-Industrie helfen?
„Diese Wirtschaftskrise ist so schlimm wie Hurrikan ,Ivan‘,
der uns 2004 fast auslöschte“, sagt Bush am Anfang seiner Rede,
„wir, die Opposition, reichen der Regierung
die Hand, in diesen schwierigen Zeiten
müssen wir zusammenhalten.“ Von den erwarteten 500 Zuhörern sind nur 30 gekommen, das Wetter ist zu gut für Politik. Die
leeren Stühle werden schnell weggeräumt,
es soll trotzdem voll aussehen, das Fern­
sehen ist auch da. Neben Bush sitzen fünf
Geschäftsmänner, die Auswege aus der Krise aufzeigen wollen. Sie schauen grimmig,
die Meldungen von der Wall Street sind negativ, trotz Milliardenhilfen droht in den
USA eine Rezession, die Cay­mans machen
80 Prozent ihres Geschäfts mit Amerika. An
den Gürteln stecken die Telefone wie Revolver, aber mit der Ballerei ist es erst mal
vorbei, es gilt zu retten, was zu retten ist.
„Die Hedgefonds, liebe Mitbürger, sind das
Öl unserer Finanz­industrie“, sagt Bush,
„wenn es ihnen schlecht geht, dann kommen weniger Buchhalter, Steuerberater und
Anwälte, und damit geht es auch uns schlecht.“ Man müsse den
Firmen jetzt neue Möglichkeiten bieten, um auf den Caymans Geschäfte zu machen. Im Kreieren von Finanzprodukten läge doch
die Kompetenz und der Stolz der Caymans. Ganz wichtig sei auch,
dass man Bürokratie abbaue. In der dritten Reihe sitzt eine elegante Lady und nickt, aus ihrer Chanel-Tasche blinkt ihr Black­
berry, als würden die ankommenden E-Mails mitnicken.
Anwältin Sophia Harris
und ihr Mann Paul,
der Pate der Caymans,
auf der Terrasse ihres
Hauses mit Privatstrand
(o. l.). Die High Society
spürt bislang nichts von
einer Krise: die Freundinnen Pam Hart, Sophia
Harris und Vicki Legge
(o. r.). Bei der DogCharity-Gala gibt es
ebenso viele Küsschen
wie bei der Misswahl.
Im Blumenkleid: die amtierende „Miss
Cayman Islands“ (u.)
D
ie Frau heißt Sophia Solomon Harris, 41, und ist
mit Paul verheiratet, dem Steuerberater. Sie ist
auf den Cayman Islands geboren, hat hier studiert und sich vom Job der Rezeptionistin einer
Anwaltskanzlei nach oben gearbeitet. Wenn die
Hedgefonds das Öl der Cay­man Islands sind,
dann zählt Sophia Harris zu den Motoren. Ihre
Kanzlei Solomon Harris beschäftigt 15 Anwälte in George Town,
der einzigen Stadt auf der Insel, und in Zürich, wo sie kürzlich
eine Dependance aufgemacht hat. Wer auf den Cay­mans Geschäfte machen will, kommt an einer der ansässigen Kanzleien
nicht vorbei. Harris sagt, dass vier von fünf Hedgefonds weltweit auf den Cayman Islands registriert seien, weil es hier die
Oppositionschef Bush (l.) arbeitet
schwer an Lösungen für die Krise
Was die Männer von
Scotland Yard hier
suchen, will keiner so
genau wissen
Immobilienhändler
Guillermo Freytag
bringt seine Luxusvillen weiter
an den Mann
einfachsten Regulierungen gebe. Aber nicht nur Fonds, auch
Firmen, die in verschiedenen Ländern Geld verdienen, führten
auf den Cayman Islands ihr Kapital zusammen. Denn hier würden keine Steuern erhoben, weder auf Einkommen noch auf
Gewinne. Zudem habe man eine stabile Regierung und mittlerweile auch strenge Anti-Geldwäsche-Gesetze. Von einer Krise
merke sie nichts, Freitagabend solle man ins Ritz-Carlton kommen, da fände ein Charity-Event für Hunde statt, das könnte
witzig werden.
Ihr Mann Paul Harris steuert die „Polaris“ langsam durch
einen Kanal aufs Meer, vorbei an Villen mit Tennisplätzen und
Bootsanlegern. Auf dem Meer lässt er den großen Motor an, der
Bug der Jacht prescht durch das klare Wasser. „Am 31. Dezember
2008 werden wir wissen, wie hart uns die Krise trifft“, erklärt er,
„weil zum Quartalsende viele ihr Geld abziehen werden, sich
das, was übrig geblieben ist, auszahlen lassen wollen. Deswegen
arbeiten die Banken gerade auf Hochtouren, um ihren Investoren neue Pakete anzubieten.“
Nicht nur die Opposition um William McKeeva Bush, auch
die Regierung brütet über Lösungen für die Krise. Die Cayman
Islands sind britisches Überseegebiet, alle drei Jahre schickt die
Queen einen neuen Gouverneur, und seit einem Jahr schickt
Scotland Yard auch fleißig Agenten. Offiziell geht es um Unstimmigkeiten bei der Polizei, inoffiziell heißt es, es gehe um
Größeres. Es ist Freitagnachmittag, die Sonne knallt auf die
Glasfenster des Regierungsgebäudes in George Town, und Deborah Drummond will weder etwas von Scotland Yard hören
noch von Geldwäsche, Drogengeldern und Terroristenkonten.
„Lassen Sie mich bitte mit diesen Legenden in Ruhe, mit den
bösen Caymans, wo Drogendealer und Terroristen ihr Geld
deponieren. Und kommen Sie mir bitte nicht mit Grishams ,Die
Firma‘, der hier gedreht wurde, das ist ein ganz miserabler
Film“, sagt sie. Drummond hat Ringe unter den Augen, als
Staatssekretärin für Wirtschaft und Finanzen ist sie für die
wichtigste Ressource der Caymans verantwortlich, das Geld.
Nebenbei leitet sie noch die PR-Abteilung, beides keine angenehmen Jobs dieser Tage. Im August durfte sie noch feierlich
C ayman isL ands
Die Staatssekretärin
weiß: „Wo
Geld ist, ist immer
auch Gier“
Die Cayman Islands Stock Exchange, die
Drummond erwähnte, stellt sich als ein
leerer Flur heraus. Die Frau an der Rezeption antwortet auf die Frage, wer hier mit
welchen Aktien handele, dass sie nichts
sagen dürfe, hier laufe alles elektronisch
ab. Auch mit der Transparenz der Anwaltskanzleien ist es nicht so weit her. Vor
dem Ugland House, nicht weit vom
Hafen, wo die Kreuzfahrttouristen Muschelketten kaufen, parkt eine schwarze SKlasse, darin sitzen zwei Security-Guards
mit dunklen Sonnenbrillen. Drinnen residiert die größte Kanzlei der Cay­man Islands, Maples and Calder, insgesamt sind
in dem dreistöckigen Gebäude mehr als
18 000 Firmen gemeldet. Die Rezeption ist
aus Mahagoni, die Empfangsdame bittet
um Geduld, man werde bald nach oben
gebeten. Ein paar Minuten später fragt sie
nach der Telefon­nummer, und wiederum
etwas später bekommt man einen Anruf
den 10 000. registrierten Hedgefonds be- Für eine Villa am Meer
wie diese in der Anlage
kannt geben – und jetzt dieses Desaster.
„Vista del Mar“ (o.)
D
werden zwei Millionen
ie Leute sehen Filme wie Euro verlangt – und ohne
Wimpernzucken gezahlt.
,Die Firma‘, kennen nur die Die örtliche Börse, von
Klischees, wissen nicht, wie Staatssekretärin Deborah
Drummond (u.) gegrünwir hier wirklich arbeiten“, det, ist dagegen lediglich
klagt Drummond, „Schuld ein verwaister Flur
an dem Zusammenbruch
der Märkte sind die Banken
in New York, London, Tokio und was
weiß ich noch wo, die sich verspekuliert
haben. Wir stellen nur einen erstklassigen
Finanzplatz zur Verfügung, mehr nicht.“
Höfli­che Nachfrage: „Aber sind nicht
die Hedgefonds, die einen Großteil des
Geschäfts der Caymans ausmachen, die
Speerspitze der Gier, die das alles verur­
sacht hat, die kaufen und verkaufen des
reinen Profits willen, ohne Rücksicht auf
Verluste?“ Drummond antwortet: „Ich frage Sie: Wenn ich einen BMW baue, der in der Lage ist, 300 Stundenkilometer zu fahren, und Sie fahren damit schneller als
erlaubt und verletzen oder töten jemanden, wer ist schuld? Ich,
weil ich Ihnen den Wagen verkauft habe, oder Sie, der Fahrer?“
Der Unterschied zum Verkehr sei, dass die Regeln, die auf dem
Finanzmarkt gebrochen wurden, noch gar nicht existieren. Die
Cayman Islands seien nur ein Glied in der Kette. Sie würde sich
wünschen, dass man die Fortschritte der Caymans beachte – sie
habe zum Beispiel den Cayman Islands Stock Exchange gegründet, ein tolles Angebot für Investoren, auch die Anwaltskanzleien seien jetzt viel transparenter. „Aber eines ist auch klar“,
sagt Drummond, bevor sie ins nächste Meeting muss, „wo Geld
ist, ist immer auch Gier.“
aus New York. Ein PR-Berater ist dran: Die
An­wälte seien zurzeit etwas nervös, Journalisten nicht gern gesehen, man solle das
Haus verlassen und die Fragen schriftlich
einreichen. Als man das macht, kommt am
nächsten Morgen die Antwort: Man wird
keine Fragen beantworten.
Rum Point ist in Sichtweite, das Ziel des Ausflugs. Paul Harris
sagt, dass hier früher die Piraten ausgetüftelt hätten, welches
Schiff sie als nächstes kapern würden, auf dem Meeresboden sollen noch Schätze liegen. Und er wäre manchmal mit Bill Walker,
einem Anwalt der ersten Stunde, am Strand gesessen und hätte
sich neue Fonds ausgedacht, die sie dann auf den Markt geworfen hätten. Er hätte Ernest & Young auf den Caymans
gegründet, überall hätte es Möglichkeiten gegeben, viel Geld
zu verdienen, sogar Hollywood hätte sie eingeladen, weil die
Studios wissen wollten, wie das geht, mit dem Investieren auf
den Caymans. Irgendwann seien dann die bösen Buben auch
darauf gekommen, die man heute zum Glück wieder los sei, aber
man solle sich bloß nicht einbilden, dass auf den Konten der
C ayman IsL ands
Name
großen Banken keine verdächtigen Milli­
onen lägen. An der Küste parken Boote,
auf denen Lautsprecher montiert sind, die
Soca-Beats schallen bis auf die „Polaris“,
und im Wasser feiern Einheimische eine
Fiesta, als wären sie Teil eines Musik­
videos von Jay-Z. Die Krise sei einfach
erträglicher, wenn man sie von der Karibik aus betrachtet, sagt Harris. Vielleicht
wirke sie ja bereinigend, es habe sich in
den letzten paar Jahren sehr aufgeheizt,
zu viele Leute hätten wie Investmentbanker agiert, ohne Ahnung vom Geschäft.
Vor dem Valet-Parking des Ritz-Carlton stauen sich Luxuskarossen. Die So­
ciety-Frauen der Caymans probieren
Schmuck, doch der Catwalk ist für diesen
Abend ein Dogwalk: Wer einen der Hunde
adoptiert, bekommt die Hunde-TiffanyFliege gratis dazu. Sophia Harris trägt Diane von Furstenberg, die Juweliere auf der
Insel seien hervorragend, sagt sie, für das
restliche Shopping fliege sie nach Miami,
in die Bel Harbour Mall. Ihre Freundin
Pam Hart veranstaltet den Abend, deren
Mann Hugh arbeitet als Anwalt auf der
Wer mag an solchen
Abenden daran denken,
dass außer der Sonne
auch Vermögen untergehen könnten? Jedenfalls
nicht Paul Harris, stolzer
Eigner der „Polaris“ (u.)
A
uf den bunten Bänken der Beachbar am Rum
Point wird frischer Fisch serviert, Paul Harris bestellt eine Runde Mudslide, einen Cocktail aus
Wodka, Baileys und Rum, den man hier gern
trinkt. Harris doziert über den Sozialismus, der
sich jetzt wieder einschleicht, heimlich, durch die
Hintertüren der Banken, und er spricht von den
Einwohnern der Caymans, die nicht verstehen würden, dass sie
einen Teil von dem, was sie verdienen, abgeben sollen. Jeder sorge für sich, so gut er kann, so wäre das Prinzip Steueroase entstanden, sagt Harris, aber wie so viele Ideen, die ursprünglich
gut gewesen seien, sei auch diese irgendwann missbraucht worden. Auf die Frage, wie viele Millionen er in den letzten Tagen
verloren habe, antwortet er: „Keine, ich zocke nicht.“ Als er in
den ersten Jahren einen Angestellten suchte, der für ihn Boot
und Haus bestellt, da habe er immer nur einen Mann finden
können, der drei Tage die Woche arbeitete. Nach drei Tagen habe
der ihm dann gesagt, dass er genug verdient habe und jetzt zum
Strand gehe oder mit seiner Frau Liebe mache oder beides. Er,
Harris, hingegen arbeite bis heute sieben Tage die Woche und sei
dadurch vermögend geworden. Aber welches Leben das bessere
sei, das habe er noch nicht herausgefunden._____
fotos: fan, travelstock
Eine Krise
ist viel erträglicher,
wenn man
sie von der Karibik
aus betrachtet,
heißt es hier
Nachbarinsel Jamaika und hat eine Cessna, die sich die Frauen
von Zeit zu Zeit samt Pilot ausleihen. Vicki Legge fliegt auch
manchmal mit; mit ihrem Mann David gibt sie das Luxusmagazin Grand Cayman heraus. David Legge erfand die Style-Seiten
der Washington Post, er ist ein Mann tiefer Überzeugungen:
Seine Samtschuhe könne man nur in Palm Beach kaufen, sagt
er, und Sophia Harris beteuert, dass sie sich keine Illusionen
mache, die Krise werde auch sie treffen, bis jetzt kämen weiterhin viele Aufträge für Hedgefondsabwicklungen herein. Es liege
aber in der Natur dieser Investitionsform, dass sich neue bilden,
wenn alte den Bach runtergehen. Auch Guillermo Freytag, ein
mexikanischer Immobilientycoon, der Enkel des Tequila-Barons
José Cuervo, spürt nichts von der Krise. Gerade habe ein UBSBanker ein großes Anwesen an der Küste gekauft, sagt er, ein
Geschäftsmann aus Südamerika habe sich eines am Jachtclub
reservieren lassen.

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