Text - European Choral Association

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Text - European Choral Association
Trauerfeier Ruthild Sondermann
(* 14.12.1954 / † 5.5.2014)
Gracias a la vida, que me ha dado tanto. Danke an das Leben, das mir so viel gegeben hat. (Violeta Parra) Musik: Doris (Orgel) Charlotte (Geige) Marliese (Posaune) Christian (Gitarre und Gesang) Mercedes Sosa für „Gracias a la vida“ Text: Sonja Greiner (Lebenslauf) Marliese und Christian (Geschwister) Jeroen Schrijner (für die European Choral Association – Europa Cantat) 1/8
Gracias a la vida – von Violeta Parra (gesungen von Mercedes Sosa) Deutsche Übersetzung von Heinz Kahlau 1. Ich danke dem Leben, das mir so viel gegeben: Es gab mir zwei Augen, um deutlich zu trennen das Weiße vom Schwarzen, die Welt zu erkennen, den sternklaren Grund überm endlosen Himmel und den, den ich liebe im Menschengewimmel. 2. Ich danke dem Leben, das mir so viel gegeben: Es gab mir zwei Ohren, den Sinn zu erlauschen von Vögeln, Zikaden, vom Regen, vom Rauschen, von Ziegeln, Turbinen, von Hämmern und Bauten, die Zartheit der Stimme, der lange vertrauten. 3. Ich danke dem Leben, das mir so viel gegeben: Es gab mir die Stimme, es gab mir die Laute, so ließ es mich sagen, das Wort, das vertraute, die Mutter, den Freund und den Bruder zu finden, die Seele des Liebsten verstehen und ergründen. 4. Ich danke dem Leben, das mir so viel gegeben: Es gab mir zwei Füße, die Wege zu nützen, sie tragen mich durch Städte und Pfützen, auf Berge, durch Öden, zu klettern, zu schleichen, um dir zu begegnen, um dich zu erreichen. 5. Ich danke dem Leben, das mir so viel gegeben: Es gab mir mein Herz, und das klopft zum Zerspringen, will ich in die Hirne der Menschen eindringen, zu sehen, wie weit ist das Gute vom Bösen, um mich vom dem Grund Deiner Augen zu lösen. 6. Ich danke dem Leben, das mir so viel gegeben: Es gab mir mein Lachen, es gab mir mein Weinen und läßt mich das Glück von dem Leid unterscheiden. Mein Lied ist aus diesen zwei Quellen entsprungen, mein eigenes Lied, das ich für Euch gesungen, mein Lied aus mir selber und für Euch gesungen. 2/8
Lieber Lukas, liebe Geschwister, Neffen und Nichten von Ruthild, liebe Angehörige, Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen von Ruthild – wir sind heute hier zusammen gekommen um uns von Ruthild zu verabschieden. Wir schließen auch diejenigen mit ein, die aus beruflichen Gründen, weil sie krank sind, weil sie es nicht aushalten an einer Trauerfeier teilzunehmen, oder weil sie weit weg wohnen wie Ruthilds Bruder Frieder mit seiner Familie in Japan, heute nicht dabei sein können. Wir wissen, dass sie uns in Gedanken begleiten werden. Und wir erinnern uns bei dieser Gelegenheit auch an die beiden Geschwister, die schon vor Ruthild gegangen sind, Reinhard und Gabriele. Wir haben zum Eingang ein bekanntes südamerikanisches Lied gehört „Gracias a la vida“, „Danke an das Leben“ oder „Ich danke dem Leben“ – ein Lied der chilenischen Musikerin Violeta Parra, das diese ein Jahr vor ihrem Tod geschrieben hat, und das Ruthild gerne gehört – und mit ihrem Bruder Christian im Gesangsunterricht gesungen hat. Wir haben eine von Mercedes Sosa gesungene Version gehört und das Lied erinnert uns auch daran, dass Ruthild die spanische Sprache mochte und Spanisch‐Kurse besucht hat. Anschließend haben wir Ruthilds Schwester Doris an der Orgel und deren Tochter Charlotte an der Geige gehört, und sie werden uns auch weiter musikalisch begleiten. Während ihrer langen Krankheit hat Ruthild sich viele Gedanken über das Sterben und die Trauerfeier gemacht und sie hatte bestimmte Vorstellungen – so hat sie unter anderem mich gebeten, Sie und Euch heute durch diese Feier zu führen. Keine leichte Aufgabe, aber ich habe es ihr versprochen und werde in Absprache mit Lukas und Ruthilds Geschwistern mein Bestes tun – dabei hilft mir, dass einige von uns schon am Montag Abschied nehmen konnten und einige Tränen schon im Laufe der Woche geflossen sind. Auch das Vorbereitungsgespräch mit den Oberkassler Geschwistern und Lukas hat mir sehr geholfen. Ruthild wollte keine religiöse Feier und wir möchten das respektieren – aber da wir wissen dass es für einige wichtig ist für sich selbst ein Gebet sprechen zu können, werden wir gegen Ende ein bisschen Zeit dafür einräumen. Wie schon in der Todesanzeige vermerkt, wollte Ruthild dass wir keine Trauer‐Kleidung tragen, so habe ich heute ein gelbes T‐Shirt an, denn Gelb war eine Farbe die Ruthild liebte und die mich an sie erinnert, dazu einen roten Schal – wie viele andere die heute etwas Rotes tragen, denn das war eine Farbe die Ruthild auch viel trug. Ruthild hat sich viele Lieder gewünscht, zum Teil Lieder die für eine Trauerfeier sicher ungewöhnlich sind, die aber viel über Ruthild und ihre Persönlichkeit aussagen. Und vor allem hat sie sich gewünscht dass alle mitsingen sollen, auch diejenigen die meinen sie könnten nicht singen, oder diejenigen die einen Kloß im Hals haben – sie hat ihrer Schwester Adelheid gesagt: „Singt alle mit, auch wenn Ihr weinen müsste, ich weine dann mit“. So wollen wir jetzt gemeinsam das erste Lied singen, „Es führt über den Main“. 3/8
Dieses Lied erinnert an den Anfang von Ruthilds Leben, denn sie wurde 1954 in Burgsinn in Mainfranken geboren wurde, als neuntes von 12 Kindern eines evangelischen Pfarrers. Da es für mich nur schwer vorstellbar ist, in einer so großen Familie zu leben, habe ich Ruthild öfters gefragt, wie es denn mit so vielen Geschwistern war – für sie war es in vielerlei Hinsicht schön, und gerade auch in schwierigen Zeiten war immer Unterstützung da, aber Ruthild hat auch unter dem Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern gelitten (sie betonte wie wertvoll eine halbe Stunde auf Papas Knien für sie war) – und dem Kampf um Süßigkeiten. Sie hatte auch das Gefühl, dass sie „aus der Reihe tanzen“ musste, nicht in Reih und Glied gehen, um in der Menge der Geschwister nicht unterzugehen. Manchmal wollte sie damit auch dem Namen „Sondermann“ einen Sinn geben. Dazu später noch mehr. Die Familie zog 2 Jahre nach Ruthilds Geburt nach Rheinhausen und dann 1962 hierher nach Oberkassel, wo Ruthild dann auch in die „Volkschule“ ging, wie es damals noch hieß. 1965 starb der Vater, da war sie gerade 11 Jahre alt. Mit 13 drängte es sie raus aus der Familie und sie ging bis zur Mittleren Reife in ein evangelisches Internat in Neuendettelsau in Mittelfranken, das auch schon ihre Mutter besucht hatte. In der Familie erinnert man sich daran dass Ruthild, in dieser Zeit noch minderjährig, bei der Mutter um Erlaubnis fragen musste, um bei ihrem ersten Freund übernachten zu dürfen. Für die Oberstufe kam Ruthild in den Bonner Raum zurück und ging in Königswinter aufs Gymnasium, wo sie 1974 das Abitur machte. Ruthild hat Burgsinn und Neuendettelsau auch später immer wieder besucht, Franken blieb für sie eine Gegend mit besonderem Bezug. Familie war für Ruthild etwas sehr Wichtiges, und ich persönlich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie mich insbesondere in die Oberkassler Familie eingeführt hat – ich durfte an traditionellen Familienessen teilnehmen und so nebenher auch etwas über rheinische Gebräuche lernen (z.B. Kesselsknall / Sankt Martin). Natürlich war auch Lukas immer wieder mal bei uns im Büro – und später zog er zum Studieren in meine Heimatstadt, wo ich ihn auch schon getroffen habe. Aber auch Ruthilds andere Geschwister durfte ich bei Ostefeuern am Rhein (die nicht unbedingt an Ostern stattfinden) oder bei ihrer Verlobung und zuletzt bei ihrem 59. Geburtstag immer wieder treffen und sie erzählte auch viel von ihnen, und von den zahlreichen Familienfeiern, bei denen Musik auch immer eine wichtige Rolle spielt. So hören wir jetzt zwei Instrumental‐Beiträge – zunächst einen von ihrer Schwester Doris mit deren Tochter Charlotte eine Meditation, dann ein Stück mit Posaune von ihrer Schwester Marliese, begleitet von Christian an der Gitarre. Dazwischen wird Marliese stellvertretend für die Familie zu uns sprechen. Beim zweiten Stück, Scarborough Fair, einem berühmten Lied das vor allem durch Simon and Garfunkel berühmt wurde, darf gerne mit‐gesummt werden. 4/8
Scarborough Fair, ein englisches Volkslied, erinnert an die 60er‐Jahre, aber auch an Ruthilds Auslandsaufenthalt – ihr Freiwilliges Soziales Jahr in England (wo sie an einer anthroposophischen Camphill Schule für Kinder mit Behinderungen gearbeitet hat – bereits ein Hinweis auf ihren späteren Werdegang) und Schottland (wo sie in einer sozialen Einrichtigung war. Zurück aus Großbritannien zog sie wieder – wie schon in den letzten Jahren ihrer Schulzeit, in eine WG in der sie mit Herrmann zusammen wohnte, den sie 1981 heiratete und mit dem sie bis 1987 zusammen gewohnt hat bevor sie sich ein paar Jahre später scheiden ließen. Sie teilten sich die WG mit wechselnden Mitbewohnern, unter anderem Adelheid und Christian, und verschiedene Freunde die vermutlich zum Teil auch heute hier sind. Von Mitte der 70er Jahre bis Mitte der 80er Jahre arbeitete Ruthild im Bundessekretariat der Jungsozialisten bei der SPD im Ollenhauerhaus mit, das im SPD‐Jargon auch „die Baracke“ hieß und heißt. Schnell vermischte sich ihr persönliches Engagement mit dem politischen Auftrag der Jusos. Wichtige politische Themen waren damals die Ostpolitik von Willi Brand und der Nato Doppelbeschluss, aber es ging auch intern um den zukünftigen Kurs der Organisation. Ruthild war in der kleinen Geschäftsstelle eine große Mitarbeiterin und arbeitete in der Zeit mit bedeutenden Leuten zusammen wie Gerhard Schröder, dem späteren Bundeskanzler, Klaus Uwe Bennet, Williy Piecyk und Rudolf Hartung aus Bonn. In den 80er Jahre besuchte Ruthild zunächst eine Sekretärinnenschule und sammelte Berufserfahrung beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und beim SPD‐Parteivorstand in Bonn, denn Politik und Meinungsfreiheit waren zwei wichtige Dinge im Leben, die sie stark geprägt haben. Aber sie merkte irgendwann, dass sie mehr wollte, und so entschloss sie sich 1980 zum Studium der Sonderpädagogik für das Lehramt an Sonderschulen. 1983 wurde Lukas, der Sohn von Ruthild und Hermann während der Studienzeit und in der WG geboren. Lukas hat sich einen Auszug aus „Von guten Mächten“ gewünscht, den Ruthilds Bruder Christian jetzt vortragen wird. Anschließend hören wir ein Instrumental‐Solo mit Posaune von Ruthilds Schwester Marliese. Das Lied „Wedding Song“, das wir gerade gehört haben, wurde nicht nur wegen seiner schönen Melodie ausgesucht – dieses Lied hat für die Familie Sondermann eine Bedeutung, weil es bei Hochzeit und bei der Silbernen Hochzeit von Ruthilds Schwester Doris und ihrem Mann Albrecht gesungen wurde. Nach der Referendarszeit in Aachen arbeite Ruthild von 1990 bis 1994 als Lehrerin an Schulen für geistig Behinderte in Duisburg und Bonn. 1994 schied sie aus dem Schuldienst aus und verzichtete auf das Beamtentum – sie hatte in dieser Zeit gesundheitliche Probleme und wollte sich, wie sie es selbst ausdrückte, nicht auf Kosten von anderen „durchfüttern“ lassen. Aber sie hatte an der Schule auch die geistige Anregung vermisst und wollte sich wieder in anderer Richtung orientieren. Nach zweijährige Pause ging sie zurück zur Büroarbeit, zunächst beim Bonner „Jugend für Europa“‐Büro, dann bei einer Zeitarbeitsfirma. 5/8
Wer Ruthild gut kannte weiß ‐ sie war nicht gerne alleine, sie suchte sich Arbeit bei der sie viel mit Menschen zu tun hatte, ihre Familie war ihr sehr wichtig, aber sie konnte und wollte auch nicht auf Dauer alleine leben. So haben sie im Laufe der Jahre nach der Trennung von Herrmann verschiedene Männer eine Zeitlang begleitet. Es waren sehr unterschiedliche Männer, manche sind dann ganz aus ihrem Leben verschwunden, andere sind ihr und der Familie verbunden geblieben, und der letzte, Wolfgang, war für Ruthild bis zum Schluss sehr wichtig. Er brachte sie dazu mit Mitte 50 noch den Motorradführerschein zu machen damit sie ihn nicht nur als Beifahrerin auf seinen Fahrten begleiten konnte, und er schenkte ihr eine eigenen „Maschine“, die Ruthild leider nicht so oft fahren konnte, wie ihnen lieb gewesen wäre. Er schenkte ihr auch einen Zufluchtsort im Grünen, in der Eifel, wo sie viele Wochenenden verbracht hat. Auch in dieser Beziehung gab es, wie in den meisten Beziehungen, Höhen und Tiefen, aber Wolfgang war bis zum Schluss für Ruthild ein wichtiger Haltepunkt im Leben und er hat sie an ihrem letzten Tag auch noch besucht. Zur Zeit ist er mit „ihrer“ Maschine in England unterwegs und nimmt auf seine Weise Abschied von ihr. Wenn man mit verschiedenen Leuten spricht, die Ruthild gut gekannt haben, kommt immer wieder das Bild, dass Ruthild nicht „in Reih und Glied“ gehen wollte, dass sie ihre Prinzipien hatte, die ihr wichtig waren, und dass sie sich nicht in Konventionen zwängen und zwingen lassen wollte. So schrieb sie z.B. grundsätzlich alles nur klein und verstand das auch als prinzipielle Aussage (vielleicht auch eine politische Aussage), sie liebte starke Farben, hatte einen individuellen Kleidungsstil und nähte auch viele Kleider selbst – es gehört zu den Dingen, die sie am Ende nur schwer akzeptieren konnte, dass sie wegen der Gefühllosigkeit in den Fingern seit einiger Zeit nicht mehr nähen konnte. Zu dieser Individualität und diesem Willen, sich nicht grundlos an Konventionen zu halten passt das nächste Lied das wir gemeinsam singen möchten, „Es saß ein klein wild Vögelchen“ das mit dem Text endet „Ich bin ein klein wild Vögelchen und niemand kann mich zwingen“. In Ruthilds Familie war Singen schon immer sehr wichtig – zwölf Geschwister zusammen bilden schon fast einen Chor und es wird bei allen Familienfesten gesungen, zwei von Ruthilds Geschwistern sind Chorleiter geworden, weitere Geschwister singen in Chören. So kannte Ruthild von Erzählungen ihrer Geschwister bereits das EUROPA CANTAT Festival als sie im Frühjahr 2000 die Ausschreibung für die Stelle im Generalsekretariat von Europa Cantat sah. Sie fand sie ideal, bewarb sich, führte mit mir im Bahnhofslokal von Bonn ein unvergessliches Bewerbungsgespräch, und konnte im Juli 2000 ihre Stelle als Büroleiterin antreten. Sie besuchte noch schnell einen Französisch‐Kurs und wurde dann direkt wenige Tage nach Arbeitsbeginn bei einem Festival in Frankreich ins kalte Wasser geworfen. Ich stehe heute hier vor allem als Freundin, aber natürlich auch als „Chefin“ von Ruthild, wie sie mich gerne vorgestellt hat (meist mit beiden Begriffen). Sie hat mich in die Bonner Welt eingeführt, war eine treue Kollegin, die mich durch dick und dünn begleitet hat und immer da war, wenn ich sie gebraucht habe – sie war die lächelnde „Seele“ unseres Büros, auch für unsere Vorstandsmitglieder und andere, die dienstlich mit ihr zu tun hatten, wie wir auch in den zahlreichen Rückmeldungen immer wieder lesen konnten. 6/8
Stellvertretend für unseren Präsidenten Gábor Móczár sowie den jetzigen Vorstand der European Choral Association – Europa Cantat ebenso wie für die früheren Präsidenten und Vorstandsmitglieder – ein weiterer früherer Präsident ist heute auch hier, Sante Fornasier aus Italien), spricht jetzt Jeroen Schrijner, von dem Ruthild sich, wie Marliese schon gesagt hat, eine Rede gewünscht hat, weil er für sie „ihr“ Präsident war, der uns 6 Jahre lang begleitet hat und ihr in Zeiten, in denen ihr die Arbeit zu schwer und zu viel wurde, sehr zur Seite gestanden hat. Jeroen wird seine Rede an einer Stelle unterbrechen, damit wir gemeinsam das Lied „Wach auf, meins Herzens Schöne“ singen können, das aus dem „Europa Cantat“ Repertoire stammt. Unmittelbar nach seiner Rede singen wir dann gemeinsam „Die Nacht“. Wir kommen nun auf dieser Reise durch Ruthilds Leben zum letzten, traurigen Teil. Im Juli 2012, nur wenige Tage bevor sie zu unserem EUROPA CANTAT Festival in Turin fliegen sollte, kam die traurige Diagnose dieser Krebs‐Erkrankung von der man gleich wusste, dass sie nicht operabel und die Heilungschancen sehr schlecht waren. Nach dem ersten großen Elend hat Ruthild dann aber trotzdem gekämpft. Sie wollte nicht aufgeben, und sie ist sehr offen und offensiv mit der Krankheit umgegangen, was viele von uns ungeheuer beeindruckt hat. Sie hat mit Chemotherapie und anderen Mitteln gegen die Krankheit gekämpft und nach einem halben Jahr zunächst auch einen kleinen Sieg errungen – im Februar 2013 wollte sie ihre Arbeit wieder aufnehmen, aber noch in der gleichen Woche kam die Diagnose dass der Tumor wieder gewachsen war. Der Kampf ging weiter, doch im Herbst 2013 hatte Ruthild genug vom ständigen Wechsel zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Auch schien ihr das Leben mit den starken Nebenwirkungen kaum noch lebenswert – sie stelle sich viele Fragen, machte es sich nicht leicht, und beschloss schließlich, die Chemotherapie abzubrechen und sich in einem Hospiz anzumelden, in das sie dann auch schon sehr bald umzog. Das St. Elisabeth Hospiz in Lohmar, bei dem ich mich im Namen der Familie und der engen Freundinnen und Freund ganz herzlich für die liebevolle Pflege und den wunderbaren Umgang mit Gästen und Angehörigen bedanken möchte, hat Ruthild unglaublich gut getan. Mit Hilfe von Sauerstoff und Morphium, regelmäßigen Mahlzeiten und dem liebevollen aber auch humorvollen und offenen Umgang des Personals dort blühte Ruthild förmlich auf und begann viele Pläne zu machen. Ich muss sagen, dass mich das Hospiz sehr beeindruckt hat – ich habe Ruthild wenige Wochen vor dem Umzug ins Hospiz zu Hause besucht und dachte, sie würde es nicht mehr lange aushalten. Als ich sie das erste Mal im Hospiz besuchte, war sie völlig verändert, sie atmete besser, aß und lachte viel – ich hätte mir nie vorgestellt dass man im Hospiz so viel lachen kann, und es wurde ja schon mehrfach gesagt, dass Ruthild viel gelacht hat – aber auch das Personal hat dazu beigetragen. Ruthild war schon immer gerne verreist, hat früher auch viele Reisen in politisch interessante Gebiete gemacht wie z.B. nach Kuba (wo sie eigentlich 2013 noch einmal hin wollte), oder mit Friedrich in den Kaukasus nach Armenien und Georgien. So war ihr das Pläne machen und das Reisen auch am Ende noch sehr wichtig. Ihr Arzt ermunterte sie, sich Wünsche dieser Art zu erfüllen und sie war 2013, wie wir von Marliese gehört haben, noch mit zwei ihrer Schwestern auf Mallorca und vom Hospiz aus mit mir und ihrer Freundin Beate in London und mit ihrem Freund, ihrer Schwester Christa und auch Beate in Holland am Meer. 7/8
Viele hielten diese Reisen für verrückt, hatten Angst sie würden Ruthild unnötig schwächen, aber das Gegenteil war der Fall. Die Planung brachte ein Leuchten in ihre Augen und ein Lächeln auf ihr Gesicht, und sie kam mit neuer Energie und neuem Mut zurück, schaute sich gerne die Bilder an, und plante die nächste Reise oder zumindest einen Ausflug. Manche Wünsche mussten wir dann doch ablehnen (Silvester am Trafalgar Square oder eine Reise nach Istanbul), aber manches konnte eben noch ermöglicht werden. Wir sind sehr dankbar, dass es am Ende alles sehr schnell ging und Ruthild nicht lange leiden musste, und dass in den letzten Tagen und Stunden immer jemand bei ihr war und sie nicht alleine sterben musste. Jetzt kommt der Zeitpunkt an dem wir uns alle, jede/r auf seine/ihre Art, noch einmal schweigend von Ruthild verabschieden können. Wie eine von Ruthilds Schwestern gesagt hat „Zwischen Sprechen und Schweigen passt immer noch ein Lied“, deswegen wollen wir zuerst noch ein Lied singen, das an Ruthilds viele Reisen erinnert, „Über meiner Heimat Frühling“ Danach möchten wir allen die Möglichkeit geben, in einer stillen Minute im Geiste zu beten, oder sich an einen schönen Moment mit Ruthild zu erinnern, auf die eigene Art und Weise schweigend Abschied zu nehmen. Wir möchten diese Trauerfeier mit Musik zu Ende gehen lassen, weshalb ich jetzt noch ein paar Worte zum weiteren Ablauf sagen möchte, bevor wir noch einmal Musik hören und auch selbst singen. Wir werden zunächst noch das Lied „Ermutigung“ von Wolf Biermann hören, das sicher viele auch kennen. Ruthilds Bruder Christian wird dieses Lied zunächst solistisch singen, möchte aber gerne, dass alle die weiteren Strophen gemeinsam singen. Anschließend werden Angehörige den Sarg raus tragen, Lukas und der engste Familienkreis werden folgen und bereits jeweils eine Rose mitnehmen, die uns an Ruthild erinnern soll. Wer möchte kann danach auch nach vorne gehen und sich selbst eine Rose nehmen und vor dem Bild von Ruthild noch einmal Abschied nehmen. Im Anschluss lädt Familie Sondermann zum gemeinsamen Beisammensein im Weinhaus am Rhein ein – dort können wir noch einmal Erinnerungen austauschen, und es darf auch gerne gelacht und geweint werden, das hätte Ruthild so gewollt. Doch nach den vielen Sätzen und Worten kommen jetzt noch einmal die Lieder die uns ermutigen sollen und (noch einmal mit Gracias a la vida) Ruthilds und unsere Dankbarkeit dafür zeigen sollen, wie viel schönes Leben Ruthild geschenkt wurde, auch wenn es viel zu kurz war. 8/8

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