Keine krummen Touren mehr …

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Keine krummen Touren mehr …
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Blick in den Motorraum
CHARISMATIK
Ich kenne nicht die Namen aller
Personen, die für dieses Projekt Opfer
gebracht haben, aber ich sage allen,
dass wir sehr dankbar sind für das, was
sie getan haben und wir sind gewiss,
dass das unsere Verantwortung umso
größer macht als Verwalter der Mittel, die der Herr in unsere Hände legt.
Viele Brüder und Schwestern hier
haben sich sehr gefreut, die Erhörung
unserer Gebete zu erleben.
Auch der Druck von „Wenn Gott
wirklich wäre“ in spanischer Sprache,
das wir im Februar erstmals hier in Kuba in Auftrag gegeben haben, ist sehr gut geworden.
Ich glaube, dass das eine gute Möglichkeit
ist, gute Literatur zu verbreiten, wir sind sehr
dankbar für Eure Sorge und Fürsorge angesichts
unserer Bedürfnisse.
Von dem für das Auto geschickte Geld
(15.250€ für das Auto selbst, 100€ für die Zulassung, 850€ für Ersatzteile) ist genug übriggeblieben, um eine Garage zu bauen. Das ist sehr
Keine krummen
Touren mehr …
wichtig, wenn der gute Zustand erhalten bleiben
soll. In einigen Tagen werden wir mit dem Bau
beginnen.
In der ersten Maiwoche möchte ich nach
Santa Clara reisen, dort wollen wir – wenn der
Herr es erlaubt – mithelfen, eine neue Gemeinde
zu gründen. Ich werde später darüber mehr
berichten.
Das Seminar, das wir gestern beendet haben,
hat sehr gute Resultate hinterlassen. Alois Wagner und ich möchten im nächsten Dezember
zusammen im Osten arbeiten. Ich glaube, das
wird für die Brüder dort sehr gut sein. Sie haben
mich gebeten, Euch viele Grüße zu schicken.
Liebe Geschwister, einen herzlichen Gruß
von mir, und nochmals vielen Dank für Eure
Großherzigkeit!
Euer Bruder und Mitknecht,
Jorge Luis Rodriguez Acosta
(El Gabriel, Havanna, Kuba)
Georg Walter
„Manchmal kam es bei Personen im Metropolitan Tabernacle (Gemeinde von C.H. Spurgeon)
zum Abfall vom Glauben. Wenn sich so etwas ereignete, reagierte die Gemeinde schnell und übte
Gemeindezucht. Aber es war wichtig, dass Gemeindezucht immer erlösenden Charakter hatte.
Die Person, welche ermahnt werden musste, wurde nicht einfach ausgeschlossen. Stets wurde
Wiederherstellung angestrebt. Die Ältesten wurden zu der Person gesandt, um sie zur Umkehr zu
bewegen. Jegliche Gemeindezucht gründete sich auf 1. Korinther 5. Für Spurgeon hatte die Herrlichkeit Christi und seines Königreiches die oberste Priorität. Die Wiederherstellung eines Sünders
war wichtig, aber sie spielte nur eine untergeordnete Rolle gegenüber der Herrlichkeit Christi.
Wenn ein Sünder sich weigerte, mit Gott und der Gemeinde versöhnt zu werden, endete seine Mitgliedschaft. Die Gemeinde folgte den biblischen Regeln von Gemeindezucht äußerst sorgfältig.“1
(Lewis Drummond)
Die inner-charismatische Auseinandersetzung um Gemeindezucht
Für Spurgeon
hatte die
Herrlichkeit
Christi oberste
Priorität
Die in der pfingstlich-charismatischen Bewegung unter dem Namen „Lakeland-Erweckung“
bekannt gewordenen Ereignisse begannen am
2. April 2008 in Lakeland, im US-Bundesstaat
Florida, unter dem kanadischen Charismatiker Todd Bentley und zogen in kürzester Zeit
mithilfe des charismatischen Senders GodTV
und des Internet weltweit über eine Million
Zuschauer in den Bann. Nachdem sowohl die
Alkoholprobleme Bentleys als auch seine außereheliche Beziehung zu Jessa Hasbrook bekannt
wurde, fand dieses charismatische Spektakel am
12. August 2008 abrupt sein Ende. Niemand hatte
bis dahin auch nur im Traum daran gedacht, dass
eine Erweckung, die von so vielen Charismatikern euphorisch als die letzte globale EndzeitErweckung und Geistesausgießung begrüßt und
von führenden charismatischen „Propheten“
wie Paul Cain und Bob Jones als „Erfüllung“ ihrer
CHARISMATIK
eigenen Prophetien angesehen worden war, auf
diese Weise enden könnte.
Noch am 23. Juni 2008 wurde unter der
Leitung von „Apostel“ C. Peter Wagner eine
Ordinations-Zeremonie vor laufender Kamera
organisiert, welche der Charismatiker und Chefredakteur des US-amerikanischen Charisma
Magazins, J. Lee Grady, mit der zu voreiligen und
völlig überzogenen „Krönungszeremonie eines
Königs“ verglich2. Das vierteilige Video dieser
völlig verfrühten Zeremonie ist im Internet einzusehen3. Neben C. Peter Wagner, Che Ahn und
John Arnott waren auch Rick Joyner, Wesley
und Stacey Campbell (mit einer ekstatischen
Prophetie über Bentley), Bill Johnson und andere
führende charismatische Leiter anwesend. Chuck
Pierce konnte nicht zugegen sein und sandte
stattdessen eine Flasche mit „speziellem Salböl“
für die Zeremonie. Peter Wagner wies in seiner
Einsetzungspredigt darauf hin, dass Che Ahn, Bill
Johnson und John Arnott über Jahre Todd Bentleys „geistliche Väter“ gewesen waren.
Von Beginn an wurde die Lakeland-Erweckung unter den renommiertesten charismatischen Leitern kontrovers diskutiert. Während
Peter Wagner, Haupt der Neuen Apostolischen
Reformation (einer von ihm gegründeten Apostel-Vereinigung), und seine „Apostel“ und
„Propheten“ fast durchweg positiv eingestellt
waren, gehörte der Charismatiker J. Lee Grady
von Anfang an zu den Kritikern Bentleys. Später
sollte sich der bekannte Charismatiker und „Prophet“ Dutch Sheets mit einer äußerst scharfen
Verurteilung anderen Pfingstlern und Charismatikern anschließen, welche von Anfang an in
Lakeland nichts als „Arroganz, Selbstdarstellung
und ein substanzloses reißerisches Spektakel“
sahen.4
„Größte Erweckung“ oder „größte
Schande“?
Dutch Sheets hielt sich bis zum Bekanntwerden
des Skandals zurück, was seine Beurteilung Todd
Bentleys anging. Dann aber wartete er mit einer
Stellungnahme von einer solchen Schärfe auf, die
selbst Charismatiker nicht erwartet hatten. Am
21. August 2008 veröffentlichte er seine „Stellungnahme und Aufruf bezüglich Lakeland“5.
Dutch Sheets schreibt darin, dass die „Erweckung“ in Lakeland – als größte Erweckung seit
der Azusa Street (Beginn der amerikanischen
Pfingstbewegung 1906) angekündigt – sich nun
vielleicht als „größte Schande“ erweisen könnte.
Er kritisiert die fragwürdigen Lehren und
Erfahrungen, die Übertreibungen und die Sensationsgier, die jugendliche Überheblichkeit und
Charakterschwäche Todd Bentleys ebenso wie
die Einsetzungs-Zeremonie mit „Proklamationen“ und „Prophetien“ über Todd Bentleys welt-
weiten Einfluss und einer weltweiten Erweckung
unter seiner Leitung durch führende Charismatiker. Er bescheinigte seiner eigenen Bewegung
ein Tiefstmaß an Unterscheidungsvermögen
und bemängelte, dass unbeschreiblich leichtgläubige Leiter leichtgläubige Schafe hervorgebracht hätten.
Mit jenen Leitern (John Arnott, Che Ahn, Phil
Johnson – die „geistlichen Väter“ Bentleys),
die seit längerem von den Ehe- und Alkoholproblemen Todd Bentleys wussten und ihn
dennoch gewähren ließen, geht er besonders
hart ins Gericht und bezeichnet ihr Handeln als
gewissenlos, dumm und unverantwortlich. Er
bezeichnete es als eine Lüge, wenn unter Charismatikern jegliche Kritik an gefallenen Leitern
als ein „Schießen auf Verwundete“ bezeichnet
wird und sieht den moralischen Verfall unter
Charismatikern als eine Epidemie an.
Dutch Sheets benennt schonungslos die
schlechten Früchte und Tendenzen einer Bewegung, der er selbst seit Jahrzehnten angehört
und mit welcher er durch und durch vertraut ist:
• Oberflächlichkeit
• zu junge, unreife und unbewährte Leiter
• Mangel an biblischer Lehre
• Dienste und Gemeinden, die Menschen, statt
Christus in den Mittelpunkt stellen
• humanistische, selbstsüchtige Christen, ohne
Hingabe und Opferbereitschaft
• Christen ohne Unterscheidungsvermögen
• Menschenkult um christliche Superstars
• ein pervertiertes und kraftloses Evangelium
• gebetslose und schwache Christen
• Menschenfurcht statt Gottesfurcht
J. Lee Grady kommentierte die Vorgänge in
Lakeland in ähnlicher Weise und ging unter anderem auf den Mangel an Unterscheidungsvermögen und die in vielen charismatischen Kreisen
so üblich gewordene Haltung ein, andere nicht
kritisieren zu dürfen: „Um es offen zu sagen: Wir
sind einfach total leichtgläubig … Die Botschaft
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Todd Bentley
Er bescheinigte
seiner eigenen
Bewegung ein
Tiefstmaß an
Unterscheidungsvermögen und
bemängelte,
dass unbeschreiblich
leichtgläubige
Leiter leichtgläubige Schafe
hervorgebracht
hätten
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Sind wir
Pharisäer,
wenn wir
fordern, dass
geistliche Leiter
für eine Zeit
in den Hintergrund treten,
um ihr Fehlverhalten zu
verarbeiten und
charakterlich
wieder
gefestigt zu
werden?
CHARISMATIK
war klar: ‚Das ist Gott. Stelle keine Fragen.‘ …
Tatsächlich wurde auch die Warnung ausgesprochen, dass jeder, der auf Kritik an Bentley
hören würde, seine Heilung verlieren könne. Dies
ist sektiererische Manipulation in schlimmster
Form … Es ist uns geboten, die Geister zu prüfen.
Jesus will, dass wir Ihn mit unserem Herz und
unserem Verstand lieben …“6
Der Skandal einer „billigen Gnade“
Nachdem es um Todd Bentley nach seinem
moralischen Fall schlagartig ruhig geworden
war, wurde nach Wochen bekannt, dass er sich
unter Leitung von Rick Joyner in einem seelsorgerlichen Wiederherstellungsprozess befand.
Monatelang hörte man nichts mehr. Als im März
2009 erste Gerüchte durchsickerten, Bentley
habe sich endgültig von seiner Frau und den drei
Kindern getrennt und die Scheidung eingereicht,
stellten viele Charismatiker die Frage, was hier
vor sich ging. Sie waren der Ansicht, dass die
seelsorgerliche „Wiederherstellung“ auf eine
Heilung der Ehe der Bentleys und nicht auf eine
Scheidung hinauslaufen würde.
Noch im März 2009 bestätigten sich nicht
nur die Gerüchte einer endgültigen Scheidung
Bentleys, sondern es wurde überdies bekannt,
dass Bentley erneut geheiratet hatte; seine
zweite Frau war Jessa Hasbrook, jene Mitarbeiterin in seinem Team, mit der er bereits
während der „Erweckung“ ein Verhältnis hatte.
Im März 2009 wurde ebenfalls bekannt, dass
Rick Joyner erste Spendengelder sammelte, die
Bentley den Wiedereinstieg in seinen „Dienst“
ermöglichen sollten; die Diskussion um Bentleys
Person flammte erneut auf. Der Charismatiker
Jerrell Miller hierzu: „Viele würden Todd wieder
im Dienst akzeptieren, genau so wie er ist. Wenn
er ein Zelt aufstellen würde, würden Tausende
wieder erscheinen, aber es wäre falsch. Gott
schuf zuerst die Familie, bevor er die Gemeinde
ins Leben rief. Wenn wir Todds Fehler einfach
übersehen, wird das all jenen die Freiheit geben,
ihre Ehefrau zu verlassen, wenn sie sich mit ihr
nicht mehr verstehen. Die Ehe ist ein Bund, und
zerbricht eine Ehe wird dies Auswirkungen auf
drei Generationen haben. Gott will Erweckung,
aber er will eine heilige Erweckung.“7
Auch J. Lee Grady meldete sich zu Wort,
nachdem das Comeback und die Wiederverheiratung Bentleys nach über einem halben Jahr
Stille plötzlich in die Öffentlichkeit getragen
wurde. In einem Artikel vom 11. März 2009 „Der
tragische Skandal einer billigen Gnade“ stellte
er die Praxis der „Wiederherstellung“ in diesem
Fall in Frage und sprach von „fundamentalen
Schwächen“ in diesem Prozess. In dem Vorgehen
bezüglich Bentleys sah Grady einen Missbrauch
von Gnade – „billige Gnade“ (greasy grace).
Überdies brachte er zum Ausdruck, dass er keine
Anzeichen wahrer Reue bei Bentley sah. Und
schließlich wies er in seinem Artikel darauf hin,
dass Shonnah Bentley, die erste Ehefrau Bentleys, überhaupt nicht angesprochen wurde.8
Rick Joyner schrieb seinerseits einen Brief
an J. Lee Grady und griff ihn sowie alle Kritiker
von Bentley scharf an. In diversen Videos sind
Joyners immer hitziger werdenden und oftmals
unbiblischen Aussagen dokumentiert (im Internet unter youtube.com oder auf der Webseite
von Rick Joyner9 abrufbar). Unter anderem sagte
er, es sei besser, „ein falscher Prophet als ein
harter Richter zu sein“10. In Rick Joyners fünftem
Video zur Wiederherstellung von Todd Bentley,
welches am 21. März 2009 auf seiner Webseite
veröffentlicht wurde, war Bill Johnson zu Gast11.
In diesem Video wurden die Kritiker Bentleys als
gnadenlose Pharisäer und Bentley als ein armes
Opfer seiner gescheiterten Ehe dargestellt.
Am 18. März 2009 veröffentlichte Grady in
seiner wöchentlich erscheinenden Kolumne ‚Fire
in my Bones‘ seinen Artikel „Keine krummen
Touren mehr im Dienst des Herrn“, in welchem
er zwar nicht namentlich auf Bentley einging,
J. Lee Grady
CHARISMATIK
aber dennoch ein klares Bekenntnis zu einer
biblischen Gemeindezucht verfasste. Hier einige
Auszüge:
„Die vielen moralischen Verfehlungen von
heute lassen verwirrte Christen zurück. Gibt es
überhaupt einen Grund, einen geistlichen Leiter abzusetzen? Sind wir Pharisäer, wenn wir
fordern, dass geistliche Leiter für eine Zeit in
den Hintergrund treten, um ihr Fehlverhalten zu
verarbeiten und charakterlich wieder gefestigt
zu werden? Es ist an der Zeit, auf einige selbstverständliche Regeln erneut aufmerksam zu
machen:
1. Es gibt eindeutige Maßstäbe für christliche
Leiter. Der Apostel Paulus machte deutlich,
dass es eine Bewährungsprobe für neutestamentliche Leiter gibt. In 1Tim 3,2-7 sagt
er, dass ein Leiter 1. untadelig, 2. Mann einer
Frau, 3. nüchtern, 4. besonnen, 5. sittsam,
6. gastfrei, 7. lehrfähig sein muss, 8. dem eigenen Haus gut vorsteht, 9. ein gutes Zeugnis
draußen hat und 10. kein Neubekehrter ist.
In seinem Brief an Titus führt Paulus eine
ähnliche Liste auf und fügt weitere Maßstäbe
an; er darf 1. nicht eigenwillig und 2. nicht
streitsüchtig sein und 3. nicht schändlichem
Gewinn nachgehen.
Es fällt auf, dass lediglich eine dieser Eigenschaften („lehrfähig“) etwas mit der Salbung
zu tun hat. Paulus sagt nirgends, dass ein
Leiter folgende Merkmale aufweisen muss:
prophezeien, die Kranken heilen, Visionen
sehen, mit Engeln sprechen, Spendengelder
mobilisieren … oder die Zuhörerschaft in Verzückung bringen. Ferner führt er auch keine
akademischen Voraussetzungen an. Alleine
der Charakter ist entscheidend … Geistliche
Leiter mussten in sexueller Reinheit wandeln.
Sie mussten sich an die biblische Definition
von Ehe halten und in diesem Zusammenhang treu sein.
2. Jene Leiter, welche diese Maßstäbe nicht
erfüllten, wurden aus ihrem Amt entfernt.
Wenn Paulus von seinen Leitern Charakter
einforderte, dann folgt daraus, dass sie ihr
Amt niederlegen mussten, wenn sie sich auf
einem dieser Gebiete schuldig machten –
zumindest solange, bis sie nach einer Zeit
der Rehabilitation charakterlich wiederhergestellt waren. Wenn Leiter fielen, ermahnte
Paulus die Gemeinden, dass man „sie vor allen
zurechtweist, damit auch die übrigen Furcht
haben“ (1Tim 5,20 Rev. Elb., nach der NASB:
„Furcht haben, zu sündigen“). Ihre Sünde
wurde nie klein geredet, entschuldigt oder
unter den Teppich gekehrt.
Diese strikte Vorgehensweise war keine
Option – und Paulus warnte Timotheus davor,
parteiisch zu sein. Er sagte ihm: „Befolge diese
Dinge ohne Vorurteil“ (1Tim 5,21). Biblische
Gemeindezucht darf nicht nachlässig geübt
werden. Wir können nicht den einen Leiter
wegen Ehebruch absetzen und den anderen
mit Samthandschuhen anfassen, nur weil er
unser Freund ist. So schmerzlich es sein mag,
einen begabten Leiter absetzen zu müssen,
so muss es dennoch getan werden, um die
Ehrfurcht vor Gott zu wahren.
3. Die Gemeinde wird nicht gedeihen, wenn
es keine Gemeindezucht unter Leitern gibt.
Paulus warnte Timotheus eindringlich,
irgendeinen Leiter zu früh einzusetzen. Er
schrieb: „Die Hände lege niemand schnell auf,
und habe nicht teil an fremden Sünden“ (1Tim
5,22). Mit anderen Worten, Leiter ziehen das
Gericht Gottes auf sich, wenn sie einen Leiter ordinieren, der die biblischen Maßstäbe
nicht erfüllt. Wenn es zur Sitte wird, dass man
unbewährte Leiter in den Dienst einsetzt,
wird Verderben in der Gemeinde Wurzel fassen, und wir werden letztlich Gottes zurechtbringendes Gericht erfahren …
Wir können nicht unsere eigenen Regeln
aufstellen. Ich bete, dass die geistlichen Leiter
der unabhängigen Gemeinden von heute mit
ihren krummen Touren aufhören und die biblische Ordnung wiederherstellen.“12
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So schmerzlich
es sein mag,
einen begabten
Leiter absetzen
zu müssen, so
muss es
dennoch getan
werden, um die
Ehrfurcht vor
Gott zu
wahren
Charakter ist wichtiger als Charisma!
J. Lee Grady ist unumwunden zuzustimmen,
wenn er sagt, dass Charakter wichtiger ist als
Charisma und dass die „biblische Ordnung wiederhergestellt“ werden muss. Doch kann es der
charismatischen Bewegung noch gelingen, sich
dieser „Epidemie moralischen Verfalls“ (Sheets)
oder der „vielen moralischen Verfehlungen“
(Grady) zu entledigen? Von jeher war die charismatische Bewegung anfälliger für Sensationsgier, Wundersucht und Personenkult als nichtcharismatische Bewegungen. Letztlich geht es
um die grundsätzliche Frage, ob nicht die Charismatik an sich (einschließlich der gemäßigten
Strömungen) das charismatische Element zu
sehr in den Mittelpunkt gestellt hat und damit
immer gefährdet ist, eine Dynamik auszulösen,
die sehr leicht aus dem Ruder laufen kann?
Wenn die Charismen des Herrn in einer derartigen Bewegung wichtiger geworden sind als der
Herr der Charismen, müssen zuerst die Ursachen
(falsche charismatische Ausrichtung) erkannt
und bekämpft werden, ehe man der Symptome,
wie sie Sheets und Grady so zutreffend beschrieben haben, Herr werden kann. Keine Bewegung
ist frei von Sünden und Verfehlungen, aber keine
Bewegung der evangelikalen Geschichte hat
einen derartigen moralischen Niedergang erlebt
wie die charismatische Bewegung. Appelle oder
der Ruf zur Buße und Heiligung von führenden
Wenn es
zur Sitte wird,
dass man
unbewährte
Leiter in den
Dienst einsetzt,
wird Verderben
in der
Gemeinde
Wurzel fassen
charismatischen Leitern, wie ernsthaft sie auch
gemeint waren, vermochten weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart eine Trendwende einzuleiten.
Fazit
Viele geistliche
Leiter genießen
schon jetzt eine
Art „geistliche
Immunität“,
die es ihnen
erlaubt, sich
in jede nur
erdenkliche
moralische
Verirrung
zu begeben,
ohne dass dies
schwer
wiegendere
Konsequenzen
für sie hat
Die Lakeland-Erweckung zog eine Debatte
innerhalb der charismatischen Bewegung nach
sich, welche sich unter anderem mit dem Thema
der Gemeindezucht (insbesondere unter geistlichen Leitern) auseinandersetzte. Diese Diskussion ließ die tiefen Gräben offenbar werden, die
in den charismatischen Gruppierungen vorhanden sind. Die Unversöhnlichkeit von zwei sich so
widersprechenden Positionen, welche von völliger Kritiklosigkeit und der Ablehnung möglicher
Konsequenzen für die Ausübung des geistlichen
Dienstes im Falle moralischer Verfehlungen bis
hin zu dem Ruf nach biblischer Beurteilung und
dem (befristeten oder völligen) Ausscheiden aus
dem geistlichen Dienst reichen, hat lediglich die
innercharismatische Spaltung in dieser Frage
deutlich gemacht und lässt für die Zukunft
erwarten, dass diese Gräben noch offenkundiger
werden.
Erschreckend ist, dass C. Peter Wagner und
Rick Joyner, welche äußerst populär sind, derartig viele Anhänger um sich scharen, auf welche
die von Grady und Sheets beschriebene Leichtgläubigkeit und mangelnde Gründung in Gottes
Wort zutreffen. Mit der charismatischen Leichtgläubigkeit geht allzu oft die (Sehn-)Sucht nach
dem „Übernatürlichen“ und nach „geistlichen“
Erfahrungen einher. Wer die Entwicklung der
charismatischen Bewegung im letzten Jahrzehnt aufmerksam verfolgt hat, muss leider zu
dem Schluss kommen, dass sich diese Tendenzen auch weiterhin verfestigen und ausweiten
werden.
Viele geistliche Leiter unter Charismatikern,
die bereit sind, ihren Zuhörern übernatürliche
Manifestationen und (pseudo-)geistliche Erfahrungen zu bieten, genießen schon jetzt eine
Art „geistliche Immunität“ (zumindest in den
Augen der Menschen, nicht jedoch in den Augen
Gottes!), die es ihnen erlaubt, sich in jede nur
erdenkliche moralische Verirrung zu begeben,
ohne dass dies schwerwiegendere Konsequenzen für sie hat. Sie haben eine „Form der Gottseligkeit“ und sind dennoch „im Blick auf den
Glauben unbewährt“ (2Tim 3,5,8).
Deren Anhänger sind es, welche „die gesunde
Lehre nicht ertragen, und nach ihren eigenen
Lüsten sich selbst Lehrer anhäufen werden,
weil es in ihren Ohren kitzelt, und sie werden die
Ohren von der Wahrheit abkehren …“ (2Tim 4,34, s. auch 1Tim 4,1-6; 2Tim 3,1-9)). Angesichts
der Entwicklung der charismatischen Bewegung
muss man ernsthaft die Möglichkeit in Erwägung
ziehen, ob die zahlreichen Paulus-Worte bezüglich der Endzeit (2Thess 2,7-12; 1Tim 4; 2Tim 3-4)
nicht auch in dieser Bewegung ihre Erfüllung
finden.
Dutch Sheets kritische – obgleich moderatere – Charakterisierung der charismatischen
Bewegung im Jahre 1998 in seinem Buch The
River of God (dt. Ausgabe Der Strom Gottes:
Asaph Verlag, 1999, insbesondere Kapitel 7 & 8,
S. 131-172) benannte schon vor über zehn Jahren
die gleichen Probleme,13 die wir heute in dieser
Strömung in verschärfter Form beobachten. Vor
mehr als einem Jahrzehnt glaubte Dutch Sheets,
Anzeichen für eine beginnende Umkehr und
Heiligung unter Charismatikern zu erkennen;
diese Annahme hat sich als trügerisch erwiesen.
Berücksichtigt man die Schärfe der Erklärung
Sheets zu Lakeland, wird ersichtlich, wie betroffen er über den geistlichen und moralischen
Tiefstand der charismatischen Bewegung sein
muss – ein mehr als deutliches Zeichen für den
Zustand dieser Bewegung.
Es bleibt zu befürchten, dass auch J. Lee
Gradys mutige und klare Worte nicht verhindern werden, dass es auch in Zukunft zu viele
„krumme Touren im Dienst des Herrn“ geben
wird.
„Die aber auf ihre krummen Wege abbiegen, die
wird der HERR dahinfahren lassen …“ (Ps 125,5)
QUELLENANGABEN
1 Lewis Drummond, Spurgeon – Prince of Preachers, Kregel Publications,
Grand Rapids, 1992, S.366.
2 J. Lee Grady, Life after Lakeland – Sorting out the Confusion, 13. August
2008. URL:http://fireinmybones.com/index.php?col=081308~Life+After+La
keland%3A+Sorting+Out+the+Confusion.
3 Die Ordinationszeremonie ist im Internet auf YouTube in einer vierteiligen
Dokumentation unter folgenden Web-Adressen (in englischer Sprache) einzusehen:
1) http://www.de.youtube.com/watch?v=nVdY9ufJmz8&feature=related.
2) http:// www.de.youtube.com/watch?v=-A05WQYi7aQ&feature=related.
3) http:// www.de.youtube.com/watch?v=Gjl5wKso9eU&feature=related.
4) http:// www.de.youtube.com/watch?v=jAnNSiZfgvI&feature=related.
4 J. Lee Grady, Life after Lakeland – Sorting out the Confusion, 13. August
2008. URL:http:// www.fireinmybones.com/index.php?col=081308~Life+Aft
er+Lakeland%3A+Sorting+Out+the+Confusion.
5 Dutch Sheets, A Statement and Appeal Regarding Lakeland. 21.August, 2008.
URL: http://www.etpv.org/2008/asaarl.html.
6 J. Lee Grady, Life after Lakeland – Sorting out the Confusion, 13. August
2008. URL:http://www.fireinmybones.com/index.php?col=081308~Life+Aft
er+Lakeland%3A+Sorting+Out+the+Confusion.
7 Jerrell Miller, The 100 Day Revival. In: The Remnant International, März 2009,
S.15.
8 J. Lee Grady, The Tragic Scandal of Greasy Grace. URL:http://www.charismamag.com/index.php/fire-in-my-bones/20005-the-tragic-scandal-ofgreasy-grace.
9 URL:http://www.morningstarministries.org/.
10 URL:http://www.youtube.com/watch?v=rLe2ojhUIr0&feature=related.
11 URL: http://www.morningstarministries.org/Groups/1000040651/MorningStar_Ministries/Media/VIDEO_Todd_ Bentleys/ VIDEO_Todd _Bentleys.
aspx.
12 J. Lee Grady, No more Monkey Business in the Ministry. URL:http://charismamag.com/index.php/fire-in-my-bones/20080-no-more-monkeybusiness-in-the-ministry.
13 Dutch Sheets, Der Strom Gottes, Asaph Verlag, 1999.
BILDNACHWEIS
1
S.17 o.re.: http://blatzkrieg.files.wordpress.com/2008/08/todd-bentleylakeland.jpg
2 S.18 o.li.: http://media.thedaily.com.au/img/photos/2008/07/18/revivalmain_t350.jpgw
3 S.18 u.re.: http://faculty.leeu.edu/~drc/E-Newsletter/Articles_Vol2_Issue1/
Grady-Lee.jpg

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