Spitzenreiter Zehdenick

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Spitzenreiter Zehdenick
BERLINER MORGENPOST | FREITAG, 23. AUGUST 2013
BERLIN & BRANDENBURG
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Spitzenreiter Zehdenick
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Stippvisite im neuen Landtag
T VON KATRIN STARKE
POTSDAM – Das Wohnen in Brandenburg
wird von Jahr zu Jahr teurer. Als Hauptkostentreiber hat der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) die deutlich steigenden
Strompreise in der Mark ausgemacht.
Und: Ein Ende der Entwicklung sei vorerst nicht in Sicht, konstatierte BBUVorstand Maren Kern bei der Vorstellung der BBU-Preisdatenbank 2013. Für
ein 30-Parteien-Mehrfamilienhaus im
Land Brandenburg müssten aktuell
70.320 Euro für Fernwärme, Wasserverund -entsorgung sowie Strom der Haushalte einkalkuliert werden. „4.240 Euro
oder etwa 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr“, rechnet Kern vor. Während Fernwärme um vier Prozent teurer wurde
und die Wasserpreise nahezu unverändert blieben, seien die Strompreise rasant in die Höhe geschossen.
Am kräftigsten bei den vom BBU ausgewerteten 62 brandenburgischen Orten
kletterten die Strompreise in Zehdenick
(Oberhavel) nach oben – um 19 Prozent
auf 32 Cent pro Kilowattstunde, gefolgt
von Forst (Lausitz) mit einem Anstieg
um knapp 16 Prozent. Mit 34 Cent müssen die Forster nun am tiefsten für ihren
Strom in die Tasche greifen. In Eisenhüttenstadt kostet die Kilowattstunde
nur 29 Cent, und landesweit am günstigsten ist sie in Strausberg mit 26 Cent.
Im BBU-Modellhaus wären die Mieter
beim teuersten Stromanbieter im Land
Brandenburg damit um 7,62 Cent je Kilowattstunde stärker belastet als beim
günstigsten Anbieter – eine Differenz
von 29 Prozent. Laut Vergleichsportal
Verivox gehören die Strompreise in
Brandenburg zu den höchsten in
Deutschland. Ursache: die hohen Netzkosten, die fast ein Viertel des gesamten
Preises ausmachten, erläutert Jan Lengerke, Mitglied der Verivox-Geschäftsleitung. Regionale Unterschiede erklärten
sich in erster Linie aus der Bevölkerungsdichte und geografischen Gegebenheiten. Aber auch der Ausbau erneuerbarer Energien spiele eine Rolle.
Thema bei Schuldnerberatern
Dringend notwendig sei eine Reform des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes, fordert
Wirtschaftsminister Ralf Christoffers
(Linke). Zur Gestaltung der Energiewende sei ein Gesamtfinanzierungskonzept
überfällig, um Kosten in wirtschaftliche
und sozialverträgliche Bahnen zu lenken. Sein Vorschlag: die Stromsteuer für
einen klar abgesteckten Zeitraum auf europäisches Niveau senken. Die gestiegenen Kosten hätten längst extreme Löcher ins sowieso schon schmale Haushaltsbudget von Sozialhilfeempfängern
oder Menschen mit geringem Einkommen gerissen, stellen Schuldnerberatungen im Land fest. „Die Energiekosten
len ihre Mitarbeiter gut unterbringen.“
An vielen Stellen würde sich Brandenburg hier Chancen vergeben. Zumindest
beim Thema Wohnen, betont Höhne.
Und sieht sich bestätigt. Die Stadtverordneten sollen aktuell über die Anhebung der Grundsteuer A und B entscheiden. „Ein falsches Signal für mögliche
Arbeitgeber in der Region. Dass wir in
Frankfurt fürs Wasser doppelt so viel
zahlen wie in München, ist unfassbar.“
Wenn auch die Kosten fürs Wasser
fast unverändert blieben: Auffällig sind
extreme Preis- und Gebührenunterschiede. Der Kubikmeter Trink-, Ab- und
Niederschlagswasser kostete zu Jahresbeginn in Brandenburg im Schnitt fünf
Euro. Am meisten müssen die Spremberger fürs Nass bezahlen: 7,47 Euro. Bad
Liebenwerda mit 6,53 Euro und Elsterwerda mit 6,51 Euro schlossen nach Erhöhungen in die Spitzengruppe auf.
Deutlich preiswerter wäre die Wasserversorgung für den BBU-Musterhaushalt
in Erkner und Neuenhagen mit je 3,95
Euro. Am unteren Ende der Skala: Fürstenwalde mit 3,73 Euro. Preisspanne zwischen teuerstem und günstigem Anbieter: bis zu 100 Prozent.
sind immer häufiger ein Thema“, bestätigt Ingrid Trankat, Schuldner- und Insolvenzberaterin vom Diakonischen
Werk Potsdam. Ähnliche Erfahrungen
hat Schuldnerberater Christian Galanski
aus Nauen gemacht: „Die Zahl der Hilfesuchenden ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Wenn jemand bereits auf Hartz IV-Niveau lebt, bedeuten
wachsende Strompreise eine extreme
Belastung.“
Mieter hätten allerdings nur wenige
Möglichkeiten, dagegen vorzugehen,
weiß Hartmut Höhne, Leiter der Geschäftsstelle des Mietervereins in Frankfurt (Oder). „Nur bei einer Preisübererhöhung, bei der Unwirtschaftlichkeit
nachgewiesen werden kann, kann dem
ein Riegel vorgeschoben werden“, kritisiert er. Was bleibt, sei, den Vermieter
anzustacheln, sich gegen die Anbieter
aufzulehnen. Der Frankfurter zählt zu
den Gründungsmitgliedern des Vereins.
„Auf uns kommen jetzt die Generationen zu, die fünf oder gar 15 Jahre arbeitslos waren, kaum Rente zu erwarten haben.“ Problematisch: In Brandenburger
Städten wie Frankfurt mangele es an bezahlbarem, altersgerechtem Wohnraum.
Folge einer fehlgeleiteten Politik, wie
Höhne betont. „8000 Wohnungen wurden abgerissen.“ Das habe auch Auswirkungen auf potenzielle Investoren. Die
sucht die Stadt händeringend. „Aber die
haben auch ein Blick aufs Umfeld, wol-
Kommunen übervorteilt
Spitzenreiter bei der Fernwärme bleibt
Beeskow. Fürs BBU-Modellhaus wurden
hier im Januar 142,27 Euro für die Megawattstunde fällig, 128,53 Euro waren es
in Ludwigsfelde und 128,52 Euro in Luckenwalde. In Potsdam dagegen sind es
84,29 Euro, in Angermünde ermittelte
der BBU 82,41 Euro. Die Differenz liege
bei mehr als 50 Prozent, hat der BBU errechnet. Über die Ursachen kann Siegfried Rehberg, Technischer Leiter beim
BBU, nur spekulieren. „Das Alter der
verwendeten Netze, die Länge von Zuwegungen, auch die Höhe der eingekauften Menge und damit verbundene Rabattierungen haben Einfluss auf die Kosten.“ In der Vergangenheit hätten zudem
kurz nach der Wende abgeschlossene
Verträge mit Laufzeiten von bis zu 20
Jahren Kommunen erheblich eingeengt.
„Die Fristen enden derzeit vielfach“, sagt
Kern. Aufatmen für manche Ortschaft.
„Vielen ist ihre anfängliche Unkenntnis
auf die Füße gefallen, Kommunen wurden regelrecht über den Tisch gezogen.“
Um drei Prozentpunkte nach oben geklettert sind im Vergleich zum Vorjahr
auch die Grundsteuerhebesätze. Spitzenreiter hier weiterhin: Potsdam mit
493 Prozentpunkten vor Frankfurt
(Oder) mit 460 und der Stadt Brandenburg mit 458 Punkten. Nach wie vor stelle Berlin aber die märkischen Ergebnisse
in den Schatten. „Die Betriebskosten für
Grundsteuer betrugen 2011 in Berlin
0,26 Euro je Quadratmeter Wohnfläche
im Monat, in Potsdam dagegen mit 0,13
Euro je Quadratmeter exakt die Hälfte.“
Preise
im Vergleich
Verband Der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen
(BBU) vertritt 355 Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften der
Länder Berlin und Brandenburg. Diese
halten zusammen 1,1 Millionen Wohneinheiten. Das sind 29 Prozent des Bestandes in Brandenburg und 35 Prozent
der Berliner Wohnungen.
Datenbank Die Preisdatenbank des BBU
listet für Berlin und Brandenburg Preise
für Ver- und Entsorgungsdienstleistungen sowie die Grundsteuerhebesätze
in kreisfreien Städten, Kreisstädten und
mittelgroßen Städten im Land jeweils zu
einem Stichtag auf. Zum Zwecke der
Vergleichbarkeit werden die Preise jeweils für ein Modell-Mehrfamilienhaus
mit 30 Zwei-Personen-Wohnungen
berechnet. Dazu werden die prozentualen Veränderungen zu den Vergleichsdaten aus dem Vorjahr aufgezeigt. Als
Grundlage dienen Angaben der Mitgliedsunternehmen sowie der Ver- und
Entsorger und der Kommunen. Jährlich
wird die Datenbank aktualisiert. che
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DPA/BERND SETTNIK (2), RALF HIRSCHBERGER
Kosten für Energie steigen in Brandenburg rasant. Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht
Einblick Der Innenhof ist bereits mit Grünflächen und Bänken gestaltet
Empfangsbereit Der Plenarsaal des neuen Landtages im Stadtschloss ist fertig
Neuer Platz Matthias Platzeck (SPD) wird als Abgeordneter in das Haus einziehen
POTSDAM – Fünf Monate vor der offiziellen Eröffnung des neuen Brandenbur-
ger Parlaments haben sich die künftigen Hausherren am Donnerstag über den
Stand der Arbeiten informiert. „Wir sind noch auf einer Baustelle“, sagte Architekt Peter Kulka. Im Januar 2014 soll der Landtag im wieder aufgebauten
Potsdamer Stadtschloss eröffnet werden. Im Plenarsaal mit 183 Plätzen ist alles nahezu fertig: Heller Holzboden, weiße Tische und Wände und ein zum
Himmel geöffnetes riesiges Oberlicht. Einzige Farbpunkte sind die roten
Drehstühle. Am 2. September wird das Haus an das Finanzministerium als
Bauherren übergeben. Der Probebetrieb läuft an und die Landtagsverwaltung
erhält die Schlüssel. Am 21. Januar 2014 ist dann die offizielle Eröffnung vorgesehen. Die erste Plenarsitzung ist am 22. Januar. dpa