Erfahrungsbericht: Praktikum in Shenyang (September

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Erfahrungsbericht: Praktikum in Shenyang (September
Erfahrungsbericht:
Praktikum in Shenyang (September 2013 – Februar 2014)
Einleitung
Nach der Bewerbung mit einem abschließenden Telefoninterview mit meinem zukünftigen
Vorgesetzten habe ich mich über die Zusage für ein studienbegleitendes Praktikum bei
einem bekannten deutschen Automobilhersteller im chinesischen Shenyang in der Provinz
Liaoning sehr gefreut. Als Praktikumsdauer wurde ein Zeitraum von knapp sechs Monaten
vereinbart, in welchem ich mir nicht nur erhoffte viele fachliche Einblicke zu erhalten,
sondern auch Kultur, Sprache, Land und Leute kennenzulernen.
Vorbereitung
Da ich meine Zusage mit einer Vorlaufzeit von ca. sechs Wochen relativ kurzfristig erhalten
hatte, stand zuallererst die Beantragung des Visums für den Aufenthalt in China auf dem
Programm. Der Bewerbungsprozess hierfür wird nicht wie normalerweise üblich über die
Botschaft bzw. (General-)Konsulate abgewickelt, sondern wurde an eine der Botschaft
zuarbeitende Agentur (http://www.visaforchina.org) ausgelagert. Letztlich erhielt ich nach
ca. drei Wochen das für meine Zeit in China benötigte und von meinem Praktikumsgeber
empfohlene Visum des Typs F, sodass der Reise nach Fernost nichts mehr im Weg stand.
Angetreten habe ich diese dann mit einem Direktflug von Frankfurt nach Shenyang, welcher
dreimal pro Woche von der Lufthansa durchgeführt wird. Am Flughafen wurde ich dann
gemeinsam mit anderen Praktikanten, die zufällig den gleichen Flug gebucht hatten, von
einem Mitarbeiter der Housing Agency, die für die internationalen Praktikanten zuständig
ist, abgeholt und zu den Unterkünften für Praktikanten gebracht.
Wohnen
Diese Unterkünfte werden den internationalen Praktikanten vom Arbeitgeber kostenlos zur
Verfügung gestellt. Für das Wohnen fallen also keinerlei Kosten an. Dabei handelt es sich um
Wohngemeinschaften, die aus zwei Mitbewohnern bestehen. Die Wohnungen sind dabei in
mehreren für China typischen und rund um die Uhr bewachten Compounds untergebracht,
die direkt aneinander angrenzen. Aus diesem Grund sind die Wege zwischen
Praktikantenwohnungen kurz, sodass der Weg zwischen den Unterkünften in der Regel zehn
Minuten nicht überschreitet. Die Unterkünfte an sich sind durchaus großzügig geschnitten
und bieten den beiden Bewohnern genug Platz. Man teilt sich den Wohnbereich (inkl. TV mit
internationalen Sendern, DVD-Player, Couch, Esstisch, Regalen, Wasserspender, Garderobe,
Balkon) und Küche (inkl. Gasherd, Kühlschrank, Gefriertruhe, und Waschmaschine). Daneben
verfügt jeder über sein eigenes, voll ausgestattetes Zimmer. Die meisten Wohnungen weisen
zudem ein kleineres Gästezimmer auf. Außerdem gibt es in vielen Wohnungen zwei
Badezimmer. Alles in allem genügen die Wohnungen, die den Praktikanten zur Verfügung
gestellt werden, definitiv westlichen Standards. Allerdings kam es von Zeit zu Zeit vor, dass
es aufgrund von Ausbesserungsarbeiten vorübergehend keinen Strom oder Wasser gab. Dies
wurde in der Regel aber rechtzeitig angekündigt, sodass man sich darauf einstellen konnte.
Praktikumsstelle
Der Automobilhersteller, bei welchem ich mein Praktikum absolviert habe, betreibt im
Großraum Shenyang zwei Werke – in Dadong und Tiexi. Ich selbst war dabei in Tiexi
eingesetzt, welches zu den modernsten Automobilwerken weltweit gehört und noch immer
schrittweise ausgebaut wird. Für den Transport zur Arbeit und zurück wurden vom
Arbeitgeber kostenfreie Shuttlebusse eingesetzt. Morgens fuhr dieser stets pünktlich um
kurz nach sieben Uhr ab. Die Fahrt zum Werk dauert ca. eine Stunde. Dort angekommen
wird, wie es in China für im Grunde alle Mitarbeiter üblich ist, zusammen mit den anderen
Praktikanten gefrühstückt. Der Arbeitsbeginn ist somit für ca. 08.30 Uhr vorgesehen. Der Bus
zurück zu den Compounds verlässt das Werk um 17.20 Uhr. Dort angekommen, wird zumeist
in eines der angrenzenden Restaurants gegangen um gemeinsam zu essen.
Beschäftigt war ich während meines Praktikums in der Logistik. Dabei bearbeitete ich neben
schrittweisen Veränderungen im Bereich der Verpackungsplanung auch projektbezogene
Aufgaben. In diesem Zusammenhang ging es darum, verschiedene Berechnungsmethoden zu
analysieren und zu optimieren. Daneben war ich auch in tagesaktuelle Problemstellungen
eingebunden.
Übergreifend über beide Standorte verfügt meine alte Abteilung über etwa 18 chinesische
Kollegen, die sich relativ ausgeglichen auf beide Werke aufteilen. Hinzu kamen von Zeit zu
Zeit für einige Wochen deutsche Consultants von externen Firmen. Die Zusammenarbeit mit
Chinesen unterscheidet sich doch deutlich von der mit Deutschen. In China spielt sich vieles
auch auf einer persönlichen, d.h. nicht nur professionellen, Ebene ab. Umso wichtiger ist es
zu seinen Kollegen einen guten Draht zu haben. Gibt man sich hierbei Mühe und öffnet sich
seinen chinesischen Kollegen, wird man zügig und ohne weitere Vorbehalte aufgenommen
und integriert. Sicherlich hat das auch damit zu tun, dass es für die Kollegen dieser Firma vor
Ort keine Seltenheit ist mit Deutschen bzw. Ausländern zusammenarbeiten. In China ist es
dabei ganz normal auch nach Feierabend noch etwas mit der Abteilung bzw. Kollegen zu
unternehmen, bspw. gemeinsam Sport zu treiben. Die Kommunikation, die innerhalb der
Firma nur in seltensten Fällen ein Problem darstellt, erfolgt dabei auf Englisch. Letztlich kann
ich zusammenfassen, dass die Zusammenarbeit mit den Chinesen jederzeit von
Freundlichkeit sowie Hilfsbereitschaft geprägt war und aus meiner Sicht eine sehr wertvolle
Erfahrung darstellt. Zu Missverständnissen kam es dabei nicht allzu häufig. Wenn doch, so
konnten diese rasch und unkompliziert ausgeräumt werden.
Alles in allem war das Praktikum auch übergreifend gut organisiert. So gab es für die
international Interns nicht nur eigene Werksführungen, sondern auch allgemeine
Informationsveranstaltungen mit wichtigen Hinweisen zu der Wohnsituation, zur
medizinischen Betreuung und zu vertraglichen Regelungen.
Stadtprofil
In Shenyang leben derzeit etwa acht bis zehn Millionen Menschen. Obwohl die Stadt damit
bereits jetzt deutlich größer ist als europäische Metropolen, wird sie in den nächsten Jahren
noch weiter wachsen. Bereits jetzt werden quasi überall neue noch leerstehende
Wohngebiete, Einkaufszentren und auch Grünanlagen aus dem Boden gestampft. Trotz der
Größe Shenyangs gibt es bisher lediglich zwei U-Bahn-Linien. In den nächsten Jahren sollen
diese aber erweitert werden. Daneben gibt es in Shenyang selbstverständlich auch ein
Straßenbahn- und Busnetz. Im Gegensatz zur U-Bahn sind dort aber sämtliche Informationen
lediglich in chinesischen Schriftzeiten abgedruckt, sodass man eher selten auf diese
Transportmittel zurückgreift und stattdessen die überall verfügbaren Taxis nutzt. Die Preise
sind dabei nicht mit denen in Deutschland vergleichbar und absolut akzeptabel – gerade
wenn man nicht alleine unterwegs ist.
Das Wetter in Shenyang kann mit den Begriffen „heiße Sommer“ und „sehr kalte Winter“
charakterisiert werden. Im Sommer kann das Thermometer durchaus über mehrere Tage
hinweg auf 35 Grad Celsius steigen, während die Temperaturen in der Winterzeit nur selten
auf über null klettern. Minus zwanzig Grad Celsius sind dann keine Seltenheit. Auch tagsüber
wird es nicht deutlich wärmer.
Leider ist in der Industriestadt Shenyang wie vielerorts in China die Luftverschmutzung ein
Thema. Die Smogwerte bewegen sich häufig zumindest im als „ungesund“ einzustufenden
Bereich. Oft auch darüber. Im täglichen Leben riecht man dies beim Verlassen des Hauses
nicht nur, man sieht (geringe Sichtweiten) es auch.
Leben in China
Die Kommunikation in China ist sicherlich die größte Herausforderung. Gerade in Shenyang
konnte man sich außerhalb des Werkes kaum auf Englisch verständigen. Im Supermarkt, im
Taxi oder im Restaurant bleibt demzufolge oft nur die Verständigung mit Händen und Füßen.
Deshalb ist es ratsam, sich zumindest einige Grundkenntnisse der chinesischen Sprache
anzueignen. Diese Möglichkeit wurde innerhalb des Praktikantenkreises auch von nicht
wenigen wahrgenommen: Zumeist in Zweiergruppen wurde einmal wöchentlich mit einer
einheimischen Lehrerin geübt, um sich zumindest im Alltag problemlos zurechtfinden zu
können. Zudem freuen sich die chinesischen Kollegen ungemein, wenn man ihnen ab und an
auf Chinesisch antwortet.
Typisch für chinesische Städte ist, dass es im Gegensatz zu Deutschland noch viele recht
kleine Geschäfte gibt. So können die wöchentlichen Einkäufe ohne Weiteres in einem
kleinen Store um die Ecke erledigt werden. Alternativ haben sich in Shenyang mittlerweile
auch einige von zu Hause bekannte Supermarktketten wie Tesco, Carrefour oder Walmart
niedergelassen. Auch Pizza Hut, Mc Donalds und KFC gehören mittlerweile zum Stadtbild.
Erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass die drei genannten Fastfoodketten einen
Lieferservice via Internetbestellung auf Englisch anbieten.
In China gibt es hauptsächlich zwei große Mobilfunkanbieter: China Unicom und China
Mobile. Zu meiner Zeit in Shenyang war China Unicom wegen der angeblich besseren
Netzabdeckung bei den Praktikanten beliebter. Telefonate zu Anschlüssen des gleichen
Anbieters sind kostenlos. Der Account, von dem monatlich ein Betrag von umgerechnet etwa
fünf Euro abgebucht wird, muss dabei wie bei einer Prepaidkarte regelmäßig aufgeladen
werden.
Die Kultur Chinas ist mit all ihren geschichtlichen Hintergründen, den faszinierenden
Bauwerken und den pulsierenden Metropolen wie Shanghai und Peking beeindruckend und
sehr facettenreich. Sie unterscheidet sich dabei naturgemäß deutlich von dem, was man als
Europäer bzw. Westler gewohnt ist. Umso mehr gilt es die Wochenenden bzw. die
arbeitsfreien Wochen (Golden Week und Chinese New Year) zu nutzen um so viel wie
möglich anzusehen bzw. zu reisen. Glücklicherweise sind Zug- und Flugtickets innerhalb
Chinas einigermaßen erschwinglich, sodass doch der eine oder andere Trip gestartet werden
kann. Auffallend waren dabei vor allem das Interesse der Chinesen an westlichen Ausländern
und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, die einem gerade in ländlicheren Gegenden
entgegengebracht wird.
Der Zahlungsverkehr in China wird ausschließlich über die einheimische Währung Yuan
abgewickelt. Geldautomaten akzeptieren im Grunde alle gängigen Kreditkarten, sodass es
nie ein Problem darstellte an Bargeld zu gelangen. Zudem erhalten die Praktikanten des
Automobilherstellers eine EC-Karte einer chinesischen Bank, mit welcher der monatliche
Lohn abgehoben werden kann. Dieser reicht dabei in etwa, um die monatlichen Ausgaben
(ohne Reisen) zu decken.
Fazit
Neben den fachlichen Einblicken, die ein halbjähriges Praktikum generell bietet, waren aus
meiner Sicht vor allem die Erfahrungen in einen sich deutlich von dem für mich bekannten
unterscheidenden Kulturkreis sehr wertvoll. Durch das Zusammenarbeiten mit chinesischen
Kollegen, die Ausflüge und natürlich das tägliche Leben in Shenyang konnte ich vieles in
China detailreich kennenlernen. Insofern hat sich das halbjährige Praktikum für mich
definitiv gelohnt. Deshalb würde ich es auch ohne zu zögern aufgrund der vielen Erlebnisse
jeglicher Art jederzeit weiterempfehlen.

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