Versuch 3.1 Verweilzeitverhalten
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Versuch 3.1 Verweilzeitverhalten
VERWEILZEITVERHALTEN Versuch 3.1 Verweilzeitverhalten VERWEILZEITVERHALTEN 3.1 Verweilzeitverhalten von Reaktoren 3.1.1 Verzeichnis der verwendeten Symbole c0 Anfangskonzentration c Konzentration Dax axialer Diffusionskoeffizient E(t) Verweilzeitspektrum H(t) Häufigkeitsverteilung k (kinetische) Geschwindigkeitskonstante n Anzahl der Rührkessel n Reaktionsordnung Re Reynolds-Zahl (Re = u · d · /) st2 Varianz der Verweilzeitverteilung t Zeit ta Anfangszeit der Transmission tb Endzeit der Transmission tR Raumzeit ttot Reaktortotzeit tv mittlere Verweilzeit tw wahrscheinlichste Verweilzeit U Umsatz V̇ Volumenstrom VR Reaktorvolumen Versuch 3.1 – Seite 1 VERWEILZEITVERHALTEN 3.1.2 Einleitung Eine Vielzahl von Verfahren der chemischen Industrie werden in kontinuierlich arbeitenden Reaktoren durchgeführt. Als Beispiele seien die Umsetzung von Ethylenoxid mit Wasser zu Ethylenglykol (Grundstoffzur Polyesterherstellung) in einem kontinuierlich arbeitenden Strömungsrohr und die Polymerisation von 1,4-Butadien mit Ziegler-Natta-Katalysatoren (Kautschukherstellung) in einer kontinuierlich betriebenen Rührkesselkaskade genannt. Im Gegensatz zur diskontinuierlichen Reaktionsführung sind bei der kontinuierlichen Reaktionsführung einige Besonderheiten bezüglich des zu erwartenden Umsatzes (U = cein − caus /cein ) für einen beliebigen Ausgangsstoffzu beachten. Bei Synthesen im Laborkolben, der als diskontinuierlichen Reaktor bezeichnet werden kann (alle Reaktionspartner werden zur gleichen Zeit in den Reaktor gegeben und auch zur gleichen Zeit wieder entfernt), bestimmen die Einflussgrößen Konzentration, Temperatur, Druck und Reaktionszeit den Umsatz. Es gelten die bekannten kinetischen Beziehungen (dc/dt = k · cn ) für die Berechnung der Austrittskonzentration und schließlich des Umsatzes. Diese Kinetik für Reaktionen im molekularen Bereich wird auch Mikrokinetik genannt. Beim Übergang von der diskontinuierlichen zur kontinuierlichen Reaktionsführung wird die Kinetik der Reaktion nicht nur durch die Mikrokinetik sondern auch in erheblichem Maße durch Stofftransportprozesse im Reaktor beeinflusst. Dadurch stellen auch Strömungsgeschwindigkeit, Mischgeschwindigkeit, Bauart und Größe des Reaktors bestimmende Größen für den Umsatz dar. Die Summe aus Mikrokinetik und Stofftransportprozessen wird Makrokinetik genannt. Während des Reaktionsablaufes im kontinuierlich arbeitenden Reaktor werden beispielsweise das Edukt nicht nur durch chemische Reaktion umgesetzt, sondern auch mehr oder weniger zufällig durch die Strömung aus dem Reaktor ausgetragen, ohne reagiert zu haben. Dieser „Verlust an Ausgangsstoff“, der nicht durch chemische Reaktion hervorgerufen wird, trägt ebenfalls, wenn auch im negativen Sinne, zum Umsatz bei. Es wird verständlich, dass die Kenntnis über die wahre Reaktionszeit, die die Teilchen im Reaktor verweilen, die entscheidende Größe für eine Vorausberechnung des Umsatzes ist. Weiterhin wird deutlich, dass nicht alle Teilchen, die zu einer bestimmten Zeit in den Reaktor eintreten, den Reaktor zur gleichen Zeit wieder verlassen. Es wird eine Verteilung der Verweilzeit der Teilchen zu beobachten sein (Verweilzeitverteilung). Dies wird durch das Verweilzeitverhalten ausgedrückt, das für jeden kontinuierlich arbeitenden Reaktor verschieden ist. Aus diesen Kurven werden bestimmte Parameter, wie z.B. die mittlere Verweilzeit entnommen, die dann für die Berechnung des zu erwartenden Umsatzes herangezogen werden. Um die Berechnung des Umsatzes in kontinuierlich arbeitenden Reaktoren mathematisch zu vereinfachen, wurden drei Grundtypen von Reaktoren eingeführt, auf die jeder beliebige Re- Versuch 3.1 – Seite 2 VERWEILZEITVERHALTEN c c t=0 t1/2 t=t1/2 tE t=tE t x Abbildung 3.1: Zeitliche und örtliche Konzentrationsveränderungen in einem idealen diskontinuierlichen Rührkessel. Dieser Reaktortyp weist ein instationäres und ein homogenes Verhalten auf. aktor zurückgeführt werden kann. Diese sog. Idealreaktoren sind mathematische Modelle mit zahlreichen Vereinfachungen, die in der Praxis nicht auftreten. Die drei Grundtypen sind: • der ideale diskontinuierliche Rührkessel, • der ideale kontinuierliche Rührkessel und • das ideale Strömungsrohr. Für den idealen diskontinuierlichen Rührkessel wird eine sofortige Durchmischung der Reaktanten angenommen. Entsprechend der Reaktionskinetik ändert sich die Konzentration der Reaktanten mit der Zeit gleichmäßig im ganzen Reaktor, die Rückvermischung ist maximal. Die Konzentration ist örtlich konstant, verändert sich aber zeitlich. Dieses Verhalten wird als homogen und instationär bezeichnet. In Abbildung 3.1 ist dies verdeutlicht. Beim kontinuierlichen Betrieb eines idealen Rührkessels wird ebenso von einer sofortigen Durchmischung der eintretenden Stoffe mit der Lösung im Reaktor ausgegangen. Durch den kontinuierlichen Betrieb stellt sich im Reaktor allerdings eine (zeitlich) konstante Konzentration ein, es herrscht damit auch in diesem Reaktor eine vollständige Rückvermischung. Im Vergleich zum diskontinuierlichen Betrieb ist die Konzentration zeitlich und örtlich konstant (homogen und stationär; s. Abb. 3.2). Für das ideale Strömungsrohr gilt, dass keine Rückvermischung, aber eine vollständige Quervermischung vorhanden ist. Es bildet sich eine sogenannte Propfenströmung aus. Damit ist die Konzentration zwar zeitlich konstant, variiert aber örtlich. Abbildung 3.3 veranschaulicht dies. Mit diesen Vereinfachungen sind einfache Gleichungen für die Berechnung des Umsatzes ableitbar. Als wesentliche Größe in diesen Gleichungen tritt die mittlere Verweilzeit als „mittlere“ Reaktionszeit auf, die für 2 Grundtypen von Idealreaktoren und einer Rührkesselkaskade in diesem Praktikumsversuch bestimmt werden sollen. Obwohl für die Idealtypen von Reaktoren mathematische Modelle mit zahlreichen Randbedingungen existieren, spiegeln diese Versuch 3.1 – Seite 3 VERWEILZEITVERHALTEN c c t x Abbildung 3.2: Zeitliche und örtliche Konzentrationsveränderungen in einem idealen kontinuierlichen Rührkessel. Dieser Reaktortyp weist ein stationäres und ein homogenes Verhalten auf. c c x=0 0,5 x=0,5 x=1 1 t x Abbildung 3.3: Zeitliche und örtliche Konzentrationsveränderungen in einem idealen Rohrreaktor. Dieser Reaktortyp weist ein stationäres und ein inhomogenes Verhalten auf. selten die wahren Verhältnisse wieder. Deshalb ist die experimentelle Ermittlung der Verweilzeitkurven, aus denen wichtige Informationen zur Reaktionszeit entnommen werden können, unumgänglich. 3.1.3 Theoretische Grundlagen Im diskontinuierlichen Betrieb entspricht die Verweilzeit der Reaktionszeit. Häufig wird der Quotient von Reaktorvolumen VR und Volumenstrom V̇ als „Verweilzeit“ bezeichnet. Allerdings entspricht diese Zeit nur bei diskontinuierlichem Betrieb der realen (mittleren) Verweilzeit. Genau genommen handelt es sich um die Zeit, die zum Füllen des Reaktors benötigt wird. Sie wird als Raumzeit tR bezeichnet. tR = VR V̇ (3.1.1) Für reale Reaktoren ist die mittlere Verweilzeit tv abhängig von den zufälligen Randbedingungen kürzer oder länger als die Raumzeit. Die mittlere Verweilzeit ist bei gleicher Zulaufgeschwindigkeit und großer Teilchenzahl für einen spezifischen Reaktor konstant. Zur experimentellen Bestimmung des Verweilzeitverhaltens eines Reaktors existieren ver- Versuch 3.1 – Seite 4 VERWEILZEITVERHALTEN schiedene Methoden. Generell werden Indikatormoleküle über einen bestimmten Zeitraum in den Reaktor eingespeist und anschließend die Zeit des Austritts aus dem Reaktor registriert. Durch Auftragen der Häufigkeit, mit der die Indikatormoleküle den Reaktor verlassen, in Abhängigkeit von der Zeit wird das Verweilzeitspektrum (E(t)) erhalten. Die Indikatorteilchen (z.B. Farbstoff, radioaktives Material, Elektrolyt, Säure/Basen) müssen dabei einige Anforderungen erfüllen. Zum einen müssen sie repräsentativ, physikalisch und chemisch inert (d.h. keine Reaktion, Adsorption, Sedimentation etc.) und gut analytisch registrierbar (auch bei sehr großer Verdünnung) sein. Zum anderen dürfen sie die Strömungsverhältnisse nicht stören, um das zu untersuchende System nicht zu verändern. Die als Funktion der Zeit variierte Konzentration des Indikators am Eingang wird als Eingangssignal, bezeichnet, die zeitliche Veränderung der Konzentration am Ausgang dem entsprechend als Ausgangssignal. Das Eingangssignal kann zeitlich unterschiedlich moduliert werden. Zwei ausgewählte Methoden der Modellierung des Eingangssignals sollen im Folgenden näher erläutert werden. Zum einen kann der zeitliche Verlauf einer Sprungfunktion folgen, d.h. die Konzentration des Indikators ist für t < 0 null und für t ≥ 0 besitzt sie einen konstanten Wert. Zum anderen kann eine Impulsmarkierung genutzt werden. Bei dieser Methode wird der Indikator nur für einen kurzen Zeitraum ∆t zugegeben. Damit gilt für t ≤ 0 und t > ∆t, dass die Konzentration 0 ist und für den Zeitraum ∆t, dass die Konzentration maximal ist. Im Allgemeinen wird die Konzentration der Moleküle registriert. Da die Konzentration der Quotient aus Teilchenzahl und Volumen ist, sind die registrierten c-t-Kurven der Verweilzeitverteilung direkt proportional. Neben der mittleren Verweilzeit ist zur Charakterisierung der Verweilzeitverteilung noch die wahrscheinlichste Verweilzeit tw erforderlich. Die wahrscheinlichste Verweilzeit ist die Zeit, die dem Maximum der Verweilzeitverteilung entspricht (gilt nur für Rührkesselkaskade und reales Strömungsrohr). Eine weitere charakteristische Größe zur Beschreibung von Reaktoren ist die Reaktortotzeit ttot . Sie entspricht der Zeit, bis die ersten Indikatormoleküle am Ausgang detektiert werden. 3.1.3.1 Idealer Rührkessel Nach Injektion des Indikators in den Reaktor verteilt sich dieser augenblicklich auf das ganze Reaktorvolumen (s. Modell idealer Rührkessel). Anschließend nimmt die Indikatorkonzentration im Kessel stetig ab, da über den Reaktoraustrag ständig Reaktionsmasse mit Indikator abgeführt wird. Die zeitliche Änderung der Indikatorkonzentration am Reaktorausgang ist durch ein Zeitgesetz für Reaktionen 1.Ordnung beschreibbar (s. Abb. 3.4): Versuch 3.1 – Seite 5 VERWEILZEITVERHALTEN c t Abbildung 3.4: Zeitliche Änderung der Indikatorkonzentration beim idealen Rührkessel dc 1 dn V̇ = =− c dt VR dt VR (3.1.2) Nach Integration in den Grenzen von c0 bis c bzw. t = 0 bis t ergibt sich: ( ) c V̇ · t ln =− c0 VR (3.1.3) Für den idealen Rührkessel gilt, dass die Raumzeit der mittleren Verweilzeit entspricht: tR = tV = VR V̇ (3.1.4) Durch einsetzen von Gleichung 3.1.4 in Gleichung 3.1.3 resultiert schließlich: lg c = lg c0 − 0, 434 ·t tV (3.1.5) Durch Auftragen des dekadischen Logarithmus der Indikatorkonzentration im Kesselaustrag gegen die zugehörige Zeit, ergibt sich eine Gerade mit dem Anstieg −0, 434/tv . Mit dieser Darstellung kann leicht überprüft werden, ob sich ein gegebener Reaktor wie ein Idealkessel verhält oder nicht (stimmen berechnete tR und experimentell ermittelte Verweilzeit tv überein?). 3.1.3.2 Rührkesselkaskade Für eine Rührkesselkaskade gilt, dass die Austrittskonzentration des i-ten Kessels gleich der Eintrittskonzentration des i+1-ten Kessels ist. Mit zunehmender Zahl von Rührkesseln mit VR /n (n = Anzahl der Rührkessel) in der Kaskade werden immer engere Verweilzeitverteilungen erhalten (s. Abb. 3.5). Im Grenzfall von unendlich vielen Kesseln ergibt sich die Verweilzeitverteilung des idealen Strömungsrohres. Zur Berechnung von Kaskaden können nur Versuch 3.1 – Seite 6 VERWEILZEITVERHALTEN c 1 2 3 t Abbildung 3.5: Zeitliche Änderung der Indikatorkonzentration bei n-Rührkesseln in einigen wenigen Fällen exakte mathematische Gleichungen abgeleitet werden. In der Praxis können im Allgemeinen nur Näherungsverfahren genutzt werden und es müssen experimentell ermittelte Verweilzeitkurven genutzt werden. Zur Berechnung der mittleren Verweilzeit tv mit Hilfe der experimentell ermittelten Indikatorkonzentration-Zeit-Kurven wird die allgemein gültige Gleichung zur Bildung von „Mittelwerten“ von Häufigkeitsverteilungen genutzt: ∫ ∞ tV = t H(t) dt (3.1.6) 0 Die Häufigkeitsverteilung ist dabei wie folgt definiert: c(t) H(t) = ∫ ∞ c(t)d t 0 Damit ergibt sich: (3.1.7) ∫∞ tcdt tV = ∫0 ∞ cdt 0 (3.1.8) ∫∞ Die Fläche 0 c(t)dt unter der Verweilzeitkurve, die c0 · ∆tv entspricht, kann mit Hilfe der c-t-Wertepaare numerisch integriert werden und daraus letztendlich tv durch Gleichung 3.1.6 errechnet werden. Mit Hilfe der Varianz s2t ist eine Aussage über die Verweilzeitverbreiterung möglich. Es ist damit ein Wert zugänglich, der die Verteilung der Ergbnisse um die mittlere Verweilzeit charakterisiert. Versuch 3.1 – Seite 7 VERWEILZEITVERHALTEN ∫ s2t ∞ = (t − tV )2 H (t) d t (3.1.9) (t − tV )2 c (t) ∫∞ dt c d t 0 (3.1.10) 0 ∫ s2t ∞ = 0 3.1.3.3 Rohrreaktor Während im Idealkessel jedes zufließende Volumenelement sich unmittelbar auf das gesamte Reaktionsvolumen verteilt, ist die innere Vermischung im Rohrreaktor stark herabgesetzt. Bei idealer Pfropfenströmung tritt keinerlei Rückvermischung auf (keine Verweilzeitverteilung!). Laminare Strömung führt zu einer parabolischen Geschwindigkeitsverteilung über den Rohrquerschnitt, woraus eine breite Verweilzeitverteilung resultiert. Dies ist in der Praxis unerwünscht. Turbulente Strömung tritt auf, wenn der kritische Wert der Reynolds-Zahl für Rohrströmungen Re = 2320 überschritten wird. Die Verweilzeitverteilung ist hier enger als bei laminarer Strömung. c ideal t c turbulent t c laminar t Abbildung 3.6: Zeitliche Änderung der Indikatorkonzentration bei Rohrreaktoren Versuch 3.1 – Seite 8 VERWEILZEITVERHALTEN 3.1.3.4 Verweilzeitmodelle Zur Beschreibung von Reaktoren existieren verschiedene (analytische) Modelle. Im Rahmen des Praktikums sollen das Dispersions- und das Rührstufenmodell erwähnt werden. Das Dispersionsmodell geht davon aus, dass die Verweilzeitverteilung eines realen Strömungsrohres/Reaktors als eine Überlagerung der idealen Pfropfenströmung durch diffusionsartige Durchmischung senkrecht zur Strömungsrichtung (axiale Durchmischung) beschrieben werden kann. Der eigentliche Modellparameter ist ein axialer Durchmischungskoeffizient Dax , welcher dieselbe Dimension wie der molekulare Diffusionskoeffient besitzt. Im axialen Durchmischungskoeffizient werden alle Effekte zusammengefasst, die sich aus der Konvektion, der Verweilzeitverteilung und der molekularen Diffusion ergeben. Durch das Rührstufenmodell wird der Reaktor mathematisch als eine (ideale) Rührkesselkaskade mit n Rührkesseln beschrieben. Der einzige Anpassungsparameter dieses Modells ist dementsprechend die Anzahl der Rührkessel n, die im Modell benötigt werden, um das reale Verweilzeitverhalten abzubilden. Dieser Parameter wird auch als Äquivalentrührstufenzahl bezeichnet. Zur Ermittlung der Äquivalentrührstufenzahl n ist die Kenntnis der Varianz der Verteilungsfunktion notwendig. Ohne Herleitung ergibt sich folgender mathematische Zusammenhang zwischen s2t , tv und n: s2t tV2 1 = bzw. s2t = n n (3.1.11) Die Äquivalentrührstufenzahl n, die den Grad der Rückvermischung in Reaktoren beschreibt, ist im übertragenen Sinne vergleichbar mit der Bodenzahl von Destillationskolonnen oder Extraktionsapparaten. Sie ist eine universell anwendbare Größe für die Auslegung von Reaktoren und beschreibt sowohl Systeme mit totaler Durchmischung (idealer Rührkessel; n = 1) als auch mit solche, bei denen eine hohe Quervermischung, aber keine Längsvermischung vorliegt (ideales Strömungsrohr; n → ∞). Zwischen mittlerer und wahrscheinlicher Verweilzeit besteht der Zusammenhang: n · tW (3.1.12) tV = n−1 Für die (mittlere) Raumzeit einer jeden Rührstufe gilt entsprechend dem (idealen) kontinuierlichen Rührkessel mit dem Reaktionsvolumen VR /n: tR = VR n · V̇ (3.1.13) Die Berechnung von tv , s2t und n aus den experimentell ermittelten Verweilzeitkurven wird Versuch 3.1 – Seite 9 VERWEILZEITVERHALTEN üblicherweise mit Rechenprogrammen durchgeführt. Dies gilt auch für die Auswertung diesesVersuchs (s. Arbeitsplatzanweisung). 3.1.4 Aufgabenstellung Mit Hilfe einer Impulsmarkierung durch eine Farbstofflösung ist von folgenden Reaktoren die Verweilzeitverteilung zu bestimmen und graphisch darzustellen: kontinuierlicher Rührkessel Rührkesselkaskade Rohrreaktor. Folgende Parameter sind zu berechnen und aus den Verweilzeitkurven zu bestimmen: Volumenstrom Vi Volumen der einzelnen Reaktoren (Gesamt- und Teilvolumina) tR Raumzeit (für die Gesamt- und Teilanlage) tv mittlere Verweilzeit tw wahrscheinlichste Verweilzeit (graphisch und mathematisch mit Hilfe der vom Computerprogramm berechneten Werte für tv und n) n Äquivalentrührstufenzahl (erwartet und berechnet) ttot Reaktortotzeit(entspricht dem Pfropfenströmungsanteil und ist Bestandteil der tv !) Berechnung von Re für einen Rohrreaktor mit einem Rohrinnendurchmesser von 2 mm Tabellarischer Vergleich der Werte Ausführliche Diskussion Diskussion der einzelnen Verweilzeitspektren mit Bezug zu den Kennwerten aus Modell und Experiment (dimensionslose Kennzahlen beachten!) Vergleich der Spektren der einzelnen Reaktoren untereinander Vergleich empirischer Werte mit Modellwerten. Diskussion der Unterschiede (Modellannahmen, reale Verhältnisse etc.) Die mittlere Verweilzeit ist der Raumzeit gegenüberzustellen In der Diskussion sind Abweichungen vom Idealverhalten zu erfassen und im Hinblick auf das Verhalten industrieller Anlagen einzuschätzen. 3.1.5 V Versuchsdurchführung Abb.4 zeigt die Versuchsanordnung. Die Reaktoren werden von destilliertem Wasser aus einem Vorratsbehälter durchflossen. Das Wasser wird mit einer perestaltischen Pumpe ISMATEC gefördert. Zuerst wird der Volumenstrom bestimmt, indem am Ausgang des Rohrreaktors die Zeit gestoppt wird, die benötigt wird um einen 10 ml Messzylinder zu füllen. Das Markieren mit einer 0.2 %-igen Methylenblaulösung erfolgt in den Rührreaktoren durch eine Injektionsspritze gegen den Zulauf des Reaktors. Der Rohrreaktor wird markiert, indem der Wasserstrom über eine mit 0.2 %-iger Methylenblaulösung gefüllte Probeschleife geführt wird. Die Farbstoffintensität im Austrag der Reaktoren wird mit einem UV-vis Spektrometer ISIS 6000 Dr. Lange gemessen (Messwellenlänge = 650 nm). Die Intensität I des durchtretenden Lichts wird über ein Fotoelement in eine Spannung transformiert und im Messgerät registriert. Versuch 3.1 – Seite 10 VERWEILZEITVERHALTEN Ablauf 6 1 7 2 3 5 4 10 8 1 Vorratsbehälter für dest. H2O 4 Rührreaktorkaskade 7 Markierungsschleife 10 Schreiber 2 Dosierpumpe 5 Rohrreaktor 8 Netzgerät 11 Rühreinrichtung 9 3 Rührreaktor 6 Farbstoffvorrat 9 UV-vis-Spektrometer Abbildung 3.7: Apparatur zur Bestimmung der Verweilzeitverteilung verschiedener Reaktortypen 3.1.5. Versuchsauswertung Für alle drei untersuchten Reaktoren werden, mit Hilfe des beim Versuch ausgeteilten Auswertprogramms, die mittlere Verweilzeit, die Äquivalentrührstufenzahl und die Varianz berechnet. Kontinuierlicher Rührkessel Die mittlere Verweilzeit wird für den Rührkessel weiterhin bestimmt, indem in EXCEL oder auf Millimeterpapier lg(E)= f (t) aufgetragen wird. Die nicht linearen Kurventeile bleiben unberücksichtigt. Der lineare Bereich wird über eine Ausgleichsgerade ausgewertet und tv über den Anstieg berechnet. Rührkesselkaskade bzw. Rohrreaktor Abbildung 3.8: Exemplarische Verweilzeitverteilung mit eingetragenen Zeitwerten. Versuch 3.1 – Seite 11 VERWEILZEITVERHALTEN Für den Fall, dass zu viel Indikator injiziert wurde, kann es zu einer sehr flachen, breiten Verweilzeitverteilung kommen. Bei solchen flachen Maxima (und nur dann) ist die wahrscheinlichste Verweilzeit nicht graphisch, sondern nach folgender Interpolationsgleichung zu bestimmen: tw 3.1.6. tb t a ln tb / ta (3.1.14) Literatur Autorenkollektiv: Lehrbuch der Technischen Chemie, 2. Aufl. 1974, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig Autorenkollektiv: Technisch-chemisches Praktikum, 1. Aufl. 1977, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig Autorenkollektiv: Modellierung und Optimierung chemischer Prozesse, 1. Aufl. 1973, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig, S. 66 Kripylo u.a.: Aufgaben zur technischen Chemie, 2. Aufl. 1976, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig Hagen: Chemische Reaktionstechnik, 1. Aufl. 1993, VCH Weinheim, New York, Basel, Cambridge Ingham, Dunn, Heinzle, Prenosil: Chemical Engineering Dynamics,1 st Ed. 1996, VCH Weinheim, New York, Basel, Cambridge, Tokyo Schuler: Prozeßführung, 1. Aufl. 1999, R. Oldenbourg-Verlag München, Wien Emig, Klemm: Technische Chemie. Eine Einführung in die Chemische Reaktionstechnik, 2005, Springer-Lehrbuch Baerns, Behr, Brehm, Gmehling, Hofmann, Onken: Technische Chemie: Lehrbuch, 1. Auflage. 2006, Wiley-VCH Versuch 3.1 – Seite 12