Keine Stadt ist dynamischer
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Keine Stadt ist dynamischer
28 Beilage zum Stadtjubiläum Mittwoch, 24. Januar 2007 MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG 1933 Mannheim, wo die Nationalsozialisten selbst bei der bereits durch Terror geprägten Reichstagswahl vom 5. März mit 35,5% deutlich in der Minderheit bleiben (SPD 22,1%, KPD 19%, Zentrum 14,4%), wird dennoch „gleichgeschaltet“. Politische Gegner, besonders Kommunisten und Sozialdemokraten, werden aus ihren Ämtern entlassen, verlieren ihre Arbeitsplätze und werden grausam verfolgt. Gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte hetzen die Nationalsozialisten zum Boykott auf. Jüdische Beamte, Lehrer und Richter werden entlassen. Dennoch bleibt die Stadt ein Zentrum des Widerstands, insbesondere der Arbeiterbewegung. Fast 1500 Angehörige der Opposition gegen das NSRegime sind namentlich bekannt, mehr als 50 von ihnen lassen ihr Leben für ihre Überzeugungen. 1938 In der so genannten Reichskristallnacht wird die Synagoge in F 2 verwüstet, weitere Einrichtungen der jüdischen Gemeinde, Wohnungen und Geschäfte von Juden werden zerstört und geplündert. Keine Stadt ist dynamischer Mannheim entwickelt sich besser als alle anderen Kommunen Westdeutschlands Von unserem Redaktionsmitglied Matthias Kros W elche Stadt in den alten Bundesländern hat die größte Wirtschaftsdynamik? Stuttgart, München oder Frankfurt? Alles falsch. Ausgerechnet Mannheim, die Stadt, die noch immer gegen manch hartnäckiges Vorurteil kämpfen muss, liegt auf Platz 1 eines Rankings zum wirtschaftlichen Erfolg der 50 größten deutschen Städte, das die Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft im Jahr 2006 erstellt hatten. Lediglich Dresden entwickelt sich momentan besser als Mannheim. Insbesondere lobten die Autoren der Studie die erhöhte Produktivität und die gestiegene Steuerkraft Mannheims. Von 2000 bis 2004 stiegen diese Kennzahlen um 19,5 bzw. 17,3 Prozent. Im Gesamtranking, für das neben der wirtschaftlichen Dynamik auch Faktoren wie der Wohlstand und der Schuldenstand der Städte berücksichtigt wurden, liegt Mannheim bereits auf Rang 7, vier Plätze besser als im Vorjahr. 1940 Für Wolfgang Miodek, stellvertretender ckar-Raum fühlen, zeigt auch ein Blick auf Fachbereichsleiter der Wirtschaftsförde- neueste Untersuchungsergebnisse: Die besrung der Stadt Mannheim, ist das keine te Werbung ist dabei für Mannheim eine große Überraschung: Klar gelte Mannheim groß angelegte Studie der Unternehmensnach wie vor als industrielastig, aber das beratung Ernst & Young mit dem Titel sei letztlich doch von Vorteil: „Mannheim „Deutsche Großstädte. Zufriedenheit der und die ganze Rhein-Neckar-Region sind Unternehmen mit ihrem Standort 2006“. ein gewachsener Wirtschaftsstandort“, Hierbei wurden in den 20 größten Städten sagt er. „Wir gelten als überdurchschnitt- jeweils 100 Geschäftsführer oder Inhaber von Unternehmen lich industriebefragt. Mannheim freundliche Region, schneidet in den und zudem haben Besonders verlockend: wichtigen Punkten die hier bereits anLagefaktoren, Ungesiedelten Großbedie Fachkräfte in Mannheim ternehmerfreundtriebe eine positive lichkeit, FörderAusstrahlung“, möglichkeiten und führt Miodek aus: „Wir haben hier so klangvolle Namen wie Lebensqualität überdurchschnittlich ab. ABB, BASF oder Freudenberg, die weitere Letztere sind auch die Stärken MannUnternehmen in die Region locken“. heims, die Wirtschaftsförderer Miodek gerBesonders verlockend sei dabei die Aus- ne herausstellt. Besonders betont er dabei sicht auf geeignete Fachkräfte, die von fast die „hervorragende Verkehrsanbindung“ allen der in Mannheim beheimateten Groß- der Stadt. „Mannheim hat den viertgrößten unternehmen kontinuierlich ausgebildet Hafen Deutschlands und ist außerdem beswerden. „Der Wettbewerb um Fachkräfte tens an das deutsche Autobahn- und das ist eine der größten künftigen Herausforde- ICE-Netz angeschlossen“, sagt er. Zudem rungen für die Unternehmen“, erläutert liege der internationale Flughafen FrankMiodek. Dabei böte ihnen das Rhein-Ne- furt nur eine halbe Zugstunde entfernt. ckar-Dreieck auch dank „Außerdem sind bei uns noch freie Geder hervorragenden werbeflächen verfügbar“, sagt Miodek Hochschullandschaft weiter. Das sei keineswegs selbstverständbesonders gute Chancen. lich: „In Stuttgart oder Frankfurt ist das „Und wenn die Leute Finden eines geeigneten Objekts zum Beierst einmal hier sind, spiel viel, viel schwerer“. Und dabei sei das dann bleiben sie auch“. Preisniveau in Mannheim im Vergleich zu Wie wohl sich die den konkurrierenden Regionen auch noch Konzerne im Rhein-Ne- deutlich niedriger. Fast 2000 Mannheimer Juden werden in das Internierungslager Gurs (Frankreich) deportiert. Viele werden von dort in die Vernichtungslager des Ostens verschleppt und ermordet. Insgesamt fordert die nationalsozialistische Judenverfolgung in Mannheim rund 2300 Opfer. DaimlerChrysler und Roche Diagnostics gehören zu den „Global Players“ in Mannheim und sorgen für Dynamik am Arbeitsmarkt. Bilder: zg 1942 Die Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter wird von der Gestapo entdeckt. 19 der Verhafteten werden hingerichtet, drei kommen im Gefängnis um. In Mannheim geboren Heute werden Schildkröt-Puppen in Thüringen produziert Von unserem Redaktionsmitglied Gert Goebel Es war ein trauriger Tag für Mannheim, als am 13. März 1975 die Essener Wasag AG mitteilte, sie werde die Produktion der weltberühmten Schildkröt-Puppen im Stadtteil Neckarau einstellen. Ein bedeutendes Kapitel Mannheimer Industriegeschichte ging damit zu Ende. Immerhin war Schildkröt 80 Jahre lang Deutschlands, zeitweise sogar Europas größte Puppenfabrik. Ein Trost für die Puppen-Liebhaber: Nach der Mannheimer Todesstunde erfolgte 1982 nach vielen Wirren und Irrungen endgültig die Wiedergeburt der Schildkröt-Geschöpfe, heute haben sie in Thüringen in einem Familienunternehmen ein liebevolles Zuhause. Alles fing in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung des Celluloid an. Der Kunststoff galt Veranstalter: Reiter-Verein Mannheim e.V. Infos unter: www.em2007.de als billiger Ersatz für Elfenbein, Hartgummi, Blech, Pappe und Holz. Auch die 1873 in Neckarau gegründete „Rheinische Hartgummi-Waren-Fabrik“, die später als „Rheinische Gummi & Celluloid-Fabrik“ Berühmtheit erlangte, suchte ihr geschäftliches Heil im Celluloid. Ob Kämme, Haarspangen oder Schirmgriffe, alles machte die Rheinische aus Celluloid. 1895 schaffte es Robert Zeller, der „Vater“ der Celluloid-Puppe, mit Hilfe eines neuen Blasverfahrens, Puppenköpfe und -körper billig herzustellen. Ein Jahr später begann der Siegeszug der Mannheimer Puppen, die ab 1899 mit der „Schildkröte“ als Schutzmarke die Hallen in Neckarau verließen. Mannheim war noch bis 1960 ein marktbestimmender Puppen-Produktionsstandort in Europa. Doch bei allen Erfolgen, die Schildkröt-Geschichte war auch stets voller Probleme. 1929 wurde die „Rheinische“ von der IG Farben-Gruppe geschluckt, nach 1945 landeten die Puppen bei der Wasag AG, einem Konzernsammelsurium aus SprengstoffProduktion, Chemie und Bremsbelägefertigung. Unverstanden und ungeliebt wurden die Schildkröt-Puppen hin und her gestoßen, spielten hohe Verluste ein. Nach dem Produktionsende in Mannheim schien die Todesstunde endgültig gekommen. Doch dann gab es ein „Happy end“. Hubertus und Hannelore Biemann aus Kaufbeuren verkauften ihre drei Spiel-Fachhandelsgeschäfte und übernahmen dafür Schildkröt. Sie produzierten die Traditionspuppen zunächst in Bayern, seit 1993 mit Erfolg im thüringischen Rauenstein. Rund 200 000 Geschöpfe erblicken dort jährlich das Licht der Puppenwelt, werden überwiegend von Sammlern und Puppenliebhabern übernommen. Schildkröt lebt also, wenn auch leider nicht mehr in der einstigen Geburtsstadt Mannheim. Kartenvorverkauf: Telefon +49 (0) 621/10 10 11 Der Papst als Schildkröt-Puppe ein besonderer Einfall der Traditionsfirma. Bild: dpa