Pussy Riot: Feuchte Träume
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Pussy Riot: Feuchte Träume
ef 126: Pussy Riot. Beschneidung. Bayern unabhängig? Verfassungsbruch in Europa. Bettina Wulff im Ford Escort? Italien: Ohne Bargeld? Fußball: Mit Benno! Oktober 2012 15. Jg. Nr. 126 EUR 8,50 ISSN 1617-5336 www.ef-magazin.de 26 eigentümlich frei 4 195473 508507 Pussy Riot: Feuchte Träume Wie deutsche Journalisten in den kalten Kulturkrieg ziehen Gegen das Kindesopfer Schlechte Verfassung Die Unsagbare Baldige Staatengeburten Vom Ursprung der Beschneidungsdebatte Fuhr Bettina Wulff einen Ford Escort? Europa unter der Herrschaft von EZB und ESM Erste Hebammen sichten Bayern und Katalonien PDF processed with CutePDF evaluation edition www.CutePDF.com Wenn die Demokratie zusammenbricht Ein Kandidat für alle Fälle Grundsätzliches nach der Wahl in den Niederlanden vom 12. September Interview mit Frank Karsten Das Interview für ef führten André F. Lichtschlag und Ulrich Wille. Übersetzung aus dem Englischen von Ulrich Wille. Foto (Karsten) von Frank Karsten; Abbildung (Buch) von Finanzbuchverlag; Logo (LP) von Libertarische Partij; Graphik (Wahlkampf) von Libertarische Partij; Foto (Zentralbank) von Libertarische Partij; Foto (Wilders) von PVV Frank Karsten ist Leiter der niederländischen Stiftung für mehr Freiheit und Mitautor des gerade auf Deutsch erschienenen Buches „Wenn die Demokratie zusammenbricht“. Am 12. September kandidierte er auf dem letzten Listenplatz für die Libertarische Partij zur Parlamentswahl. eigentümlich frei fragte nach. Netter Staatsfeind: Frank Karsten 20 ef: Herr Karsten, was hat Sie und Ihren Mitautor Karel Beckman motiviert, ein Buch über die Demokratie zu schreiben? Karsten: Wir hatten herausgefunden, dass es bislang kein leicht zu lesendes, strukturiertes und kurz gefasstes Buch über die angeborenen Schwächen der Demokratie gab. Natürlich gibt es das Standardwerk von Hans-Hermann Hoppe: „Demokratie: Der Gott, der keiner ist“. Aber dieses Buch ist eine Sammlung akademischer Aufsätze und behandelt auch Dinge, mit denen wir uns nicht beschäftigen wollten. Unser Buch ist für Durchschnittsmenschen geschrieben, von denen immer noch allzu viele glauben, Demokratie sei gleichbedeutend mit Freiheit. ef: Das muss Sie als libertären Freiheitsfreund besonders wurmen! Karsten: Tatsächlich glauben auch viele Libertäre immer noch, dass der richtige Weg zu mehr Freiheit über den demokratischen Prozess führt. Tatsächlich ist Demokratie das Gegenteil von Freiheit. Und es gehört fast zum Wesen des demokratischen Prozesses, dass er zu weniger Freiheit führt. ef: Die meisten Menschen wissen, dass es Probleme gibt, glauben aber, dass man diese im demokratischen Prozess reparieren könne. Karsten: Die Demokratie ist ihrem Wesen nach defekt, genau wie der Sozialismus. Die einzige Möglichkeit, sie zu reparieren, ist, sie abzuschaffen. Man kann nicht den Sozialismus reparieren, indem man Lenin durch Trotzki ersetzt oder die Russen durch Kubaner. Und man kann nicht die Demokratie reparieren, indem man Zahlungen an Präsidentschaftskandidaten gesetzlich einschränkt, Straftäter von Wahlen ausschließt, das Wahlalter ändert oder Bush durch Obama ersetzt. ef: Wird man als Demokratieskeptiker geboren? Karsten: Nein. Das war übrigens auch ein weiterer Grund, warum wir das Buch verfasst haben: Schreiben strukturiert die Gedanken und bringt einen dadurch zu neuen Einsichten. Vor 15 Jahren war ich ein unwissender Befürworter der Demokratie. Vor zehn Jahren dachte ich, dass sie ernstzunehmende Nachteile hat. Und nachdem ich das Buch geschrieben habe, weiß ich, dass alles noch viel schlimmer ist. Ich sollte an der Stelle aber hinzufügen, dass wir dennoch nicht behaupten, Demokratie sei schlechter oder besser als Diktatur. Die Probleeigentümlich frei Nr. 126 me, die wir im Buch beschreiben, sind oft auch nicht auf die Demokratie beschränkt. ef: Sie meinen, dass das eigentliche Problem die Politik an sich ist? Warum haben Sie dann ein Buch gegen die Demokratie geschrieben? Karsten: Der Ökonom Hans-Hermann Hoppe vertritt die Auffassung, dass die Monarchie der Demokratie in einigen Belangen überlegen ist. In unserem Buch behandeln wir diesen Vergleich nicht. Da die meisten Menschen Politik heutzutage mit Demokratie gleichsetzen und die meisten Länder der Welt behaupten, Demokratien zu sein, haben wir beschlossen, uns auf das Verständnis von Demokratie zu konzentrieren. ef: Sie selbst schlagen in Ihrem Buch einen „Markt für Regierungsstile“ als Alternative zum demokratischen Staat vor. Können Sie das erläutern? Karsten: Genauso wie ich keinen Schimmer davon habe, wie man eine Autofabrik betreibt, weiß ich nicht, wie man ein Land regiert. Um herauszufinden, was am besten funktioniert, sollten Länder miteinander konkurrieren. Man müsste die Erzeugung von Startup-Staaten zulassen, die neue Regierungsformen ausprobieren. So wie es bei Autofabriken der Fall ist: Es steht jedem frei, eine solche zu gründen. Genau das hat Autos erschwinglich, sicher, sauef Oktober 2012 ber und bequem gemacht. Auf dem Markt stimmen die Menschen mit ihren Füßen ab statt mit einem Bleistift in der Wahlkabine. Wer das Brot nicht mag, das der Bäcker anbietet, fängt nicht an, anderes Brot zu beantragen. Er geht einfach zu einem anderen Bäcker. Auf dem Markt herrscht Frieden. Denn die Leute, die Produkt A mögen, zwingen nicht andere, es ebenfalls zu kaufen. In der Demokratie zwingt die Mehrheit dem Rest ihre Wahl auf. Außerdem ist der Markt sehr viel dynamischer als die Demokratie, weil die Konsumenten jeden Tag rund um die Uhr abstimmen können, die Wähler jedoch nur alle vier Jahre. ef: Ist das auch eine Frage der Größe der jeweiligen wirtschaftlichen oder politischen Einheiten? Karsten: Richtig, gegenwärtige Demokratien sind oft so groß, dass es für die Bürger nicht leicht ist, dem Willen der Mehrheit zu entkommen. Wenn man den nicht mag, kann man nur durch Auswanderung fliehen, was eine enorme Barriere darstellt. Ganz zu schweigen davon, dass man sich anschließend wahrscheinlich in einer weiteren Demokratie wiederfindet. Um die Auswahlmöglichkeiten zu vermehren wäre es sehr viel besser, Tausende von Ländern in der Welt zu haben, die alle um Unternehmen, Arbeitnehmer, Touristen und Einwohner konkurrieren. Das Seine Waffe: Das Wort heutige Deutschland würde dann zum Beispiel aus Dutzenden oder sogar Hunderten von kleineren Verwaltungseinheiten bestehen, aus denen man auswählen könnte. Höchstwahrscheinlich würden Regulierungen und Steuern durch mehr Konkurrenz dramatisch abnehmen. Auch gesellschaftliche und internationale Spannungen würden zurückgehen, da die Menschen das Leben führen könnten, das sie bevorzugen, in einer Umgebung, in der sie sich wohlfühlen, wie auch immer diese aussehen mag – öko-hippieartig, konservativ, progressiv, religiös oder wie auch immer. Das Marktprinzip des Leben-und-Lebenlassen würde die unversöhnlichen Kämpfe demokratischer Politik ersetzen. Damit dies geschehen kann, müssen wir das Recht auf Sezession zulassen. ef: Diese Vorstellung ist immer noch sehr unpopulär. Karsten: Aber gerade sie muss kompromisslos verbreitet werden. Oft glauben Menschen, „big is beautiful“. Und dass wir Teil eines großen Blocks wie der EU sein müssen. Aber kleine Länder sind im Allgemeinen recht erfolgreich. Singapur, Hongkong und Liechtenstein zum Beispiel sind klein, 21