State of the Art der Forschung zur Rolle des Abschlussprüfers im

Transcription

State of the Art der Forschung zur Rolle des Abschlussprüfers im
Lehrstuhl für BWL, Wirtschaftsprüfungs‐ und Beratungswesen State of the Art der Forschung zur Rolle des Abschlussprüfers im Rahmen der Kapitalmarktregulierung
Schmalenbach‐Tagung
Köln
14. April 2011
Hansrudi Lenz
Agenda
1. Grundsätzliches zu Regulierung und Abschlussprüfung
2. Regulierung Prüfung bei PIE vs. Non‐PIE
3. Prüfungsqualität Big Four:„Big 4 Bias“?
4. Externe Pflichtrotation?
5. Totales Verbot von Nicht‐Prüfungsleistungen?
6. Konzentration und Marktstruktur? 7. Fazit
H. Lenz
2
1 Evidenz‐basierte Regulierung?
Romano (2005) für die USA: The Sarbanes‐Oxley Act and the Making of Quack Corporate Governance.
Æ„Politische Entrepreneure“ haben die Gunst der Stunde genutzt, um empirisch nicht begründbare Regelungen (z.B. Beschränkung der Beratungstätigkeit von Prüfern) durchzusetzen. ÆWissenschaft hat in diesem Prozess keine Rolle gespielt.
ÆDeFond/Franics (2005): „In summary, we believe that the SOX provision that bans most nonaudit services is at best misguided, and at worst politically‐
motivated retribution.“ Kritisch zu SOX auch Hart (2010).
Fearnley & Beattie (2004) für GB: The Reform of the UK‘s Auditor Independence Framework after the Enron Collapse: An Example of Evidence‐based Policy Making.
ÆViele wissenschaftliche Studien wurden explizit in Auftrag gegeben und haben den Gesetzgebungsprozess vorbereitet und begleitet.
ÆDeren Erkenntnisse wurden berücksichtigt: Evidence‐based Policy Making.
H. Lenz
3
1 Bewertung regulatorischer Optionen?
(Private) markt‐basierte Lösungen (private Prüfungsverträge) versus staatliche Regulierung der Abschlussprüfung?
Bedingungen für Regulierung:
(i) Evidenz für Marktversagen (z.B. asym. Information i.V.m. begrenzter Rationalität; Informationsexternalitäten; Hart 2010);
(ii) Kosten(Regulierung) < Kosten (Marktversagen); While markets may be imperfect, so is government! (Bushman/Landsman
2010);
(iii) Wahl der (vermutlich) effizientesten regulatorischen Option.
Europäische Kommission liefert nicht einmal ansatzweise Hinweise für (i) bis (iii) im Grünbuch. Vorhandene Evidenz zu Teilaspekten wird nicht beachtet.
Æ Gefahr der Überregulierung!
H. Lenz
4
2 Regulierung Prüfung PIE vs. Non‐PIE
Kritik Grünbuch zu „gesellschaftliche Funktion Prüfung“:
Keine hinreichende Differenzierung zwischen Public Interest Entities (PIE Æ Marktversagen wahrscheinlicher) und Non‐PIE.
Falscher Ansatz (Æ Tendenz zu Überregulierung) schon in Prüfer‐RL vom Mai 2006 erkennbar:
Erwägungsgrund 13:
„Für alle nach Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Abschlussprüfungen sollte eine gleich bleibend hohe Qualität gewährleistet werden. Alle Abschlussprüfungen sollten deshalb nach internationalen Prüfungsstandards durchgeführt werden.“
H. Lenz
5
2 Regulierung Prüfung PIE vs. Non‐PIE
Einheitliche Prüfungsqualität in Europa?
Widerspricht fundamentalen ökonomischen Überlegungen:
Prüferwahl und ‐wechsel erfolgt nach Kosten‐Nutzen‐
Überlegungen: Æ qualitätsdifferenzierte Prüferwahl, nicht „one size (= audit quality) fits all“.
Hierfür gibt es zahlreiche, konsistente und überzeugende empirische Belege in der Prüfungsforschung. vgl. m.w.N. Francis (2004); Watkins et al. (2004); DeFond/Francis (2005); Stefaniak et al. (2009); Lin/Hwang (2010); Lawrence et al. (2011).
Prüfungspflicht für nicht kleine Non‐PIE in Europa ist fraglich. Damit auch ISA‐Übernahme für diese UN?
Privatvertragliche Vereinbarungen sind möglich: Freiwillige Prüfung als glaubwürdiges Signal. Vgl. Lennox/Pittmann (2010) für GB.
H. Lenz
6
3 „Big Four Bias“?
¾ Qualitätsdifferenzierung ‐ Big N versus Non‐Big N:
Im ∅ ist (relative) Prüfungsqualität der Big N mit N = {8,6,5,4} höher. Ceteris paribus gilt: Big N
‐ realisieren Preisprämie,
‐ begrenzen Bilanzpolitik und erhöhen Qualität des Anhangs,
‐ beschränken Underpricing bei IPOs,
‐ werden weniger verklagt und weniger sanktioniert,
‐ modifizieren häufiger den Bestätigungsvermerk,
‐ senken (z.T.) die EK‐ und FK‐Kosten, verbessern das Rating.
Innerhalb der Big N Qualitätsdifferenzierung nach Branchenerfahrung (Spezialisierung) und Größe der NL (office size). ¾ „In sum … the collective evidence is strongly supportive that audits of large (Big N) accounting firms are of higher quality“ (Francis 2004). Siehe auch DeFond/Francis (2005); Lin/Hwang (2010).
H. Lenz
7
3 „Big Four Bias“?
Aktuelle Studie:
¾Lennox/Pittman (2010): Big Five Audits and Accounting Fraud?
¾1.109 fehlerhafte Abschlüsse (SEC AAER) im Zeitraum 1981‐
2001; Kontrollgruppe 162.804 fehlerfreie Abschlüsse; US‐Studie.
¾Uni‐ und multivariate Analysen belegen: Betrüg. Bilanzmanipulationen sind bei Big 5‐Mandanten signifikant niedriger (auch bei Andersen!).
Einschränkungen zu Big4‐Qualitätsstudien:
¾Eilifsen/Willekens (2008): Æ Generalisierbarkeit von US‐
Ergebnissen für Europa ist fraglich.
H. Lenz
8
4 Externe Rotation?
H. Lenz
9
5 Verbot von NPL?
Totales Verbot von NPL durch AP?
Contra:
Weder theoretisch noch empirisch kann ein (totales) Verbot von Abschlussprüfung und Beratung beim gleichen Mandanten begründet werden (vgl. Ewert 2003; Francis, 2004, 2006; Quick 2006; Lenz et al. 2006; Schneider/Church/Ely 2006; Pott et al. 2008).
Keine überzeugende empirische Evidenz, dass (zulässige) NPL die (tatsächliche) Prüfungsqualität wesentlich beeinträchtigen. „ … no ‚smoking gun‘ evidence linking the provision of NAS with audit failures“ (Francis 2006).
Pro:
Negativer Einfluss von Beratungsleistungen auf die wahrgenommene
Unabhängigkeit (Pott et al. 2008; Meuwissen/Quick 2009 für Wahrnehmung deutscher AR).
H. Lenz
10
6 Konzentration und Marktstruktur
Studie
Marktsegment
Jahr
Lenz/Ostrowski (1999)
585 bn AG;
(ohne Banken u. Vers.)
1996
Grothe (2005)
2.315 Unt. mit 1996,1998 und BAnz‐
2000
Publizität
Möller/Höllbacher
(2009)
DAX‐Unt. (zw. 100 u. 200)
1997 bis 2007
Köhler u.a. (2010)
433 bn AG;
(ohne Banken u. Vers.)
2005 bis 2007
WPK (2010)
612 Unt. (KA) § 319a HGB 2009
Quick/Sattler (2010)
149 AG Prime Standard
2005 bis 2007
H. Lenz
Hochgradige
Konzentration
auf Prüfungs‐
markt.
11
6 Konzentration und Marktstruktur
Ergebnisse aktueller deutscher Studien:
Wild (2010): PW zu Big4 Æ sign. Honorarrückgang; PW zu Non‐Big4 Æ kein Honorarrückgang.
Alle Big4 Æ Honorarprämien (11 % bis 31%) im OLS‐Modell; nur PwC (34 %) im FE‐Modell.
„Da kleine WP kein Fee Cutting betreiben (können), sind diese im Wettbewerb um neue Prüfungsmandate … benachteiligt (S. 524).“ Æ
weitere Konzentration.
Quick/Sattler (2010): 15%‐Umsatzgrenze § 319a Abs. 1 Nr. 1 fördert Unabhängigkeit, aber ggf. auch Konzentration.
Umsatzanteil APr (=Indikator Abhängigkeit) Æ kein Einfluss Bilanzpolitik.
Indiz für Wirksamkeit Umsatzgrenzen?
Lenz/Eckhof (2010): Umsatzabh. von Kleinst‐Praxen (U ≤ 2 Mio. €) in 2008
19 von 49 Praxen realisieren mehr als 15 % und 10 mehr als 30 % ihres Gesamtumsatzes von einem einzelnen § 319a HGB‐Mandat.
H. Lenz
12
6 Konzentration und Marktstruktur
Konzentration und Prüfungsqualität?
Francis et al. (2010): Big Four Audit Market Concentration and Client Earnings Quality Around the World.
41 Länder, 1999‐2004, 37.865 Beobachtungen.
Zentrale Variablen: Big4‐Marktanteil je Land, Konz. innerhalb Big4. Kontrollvariablen: Länder‐ und unternehmensspezifisch.
Höherer Big4‐Marktanteil (=höhere Konz.) verbessert Qualität der RL.
Höhere Konzentration innerhalb Big4 reduziert hingegen Qualität der RL.
H. Lenz
13
6 Konzentration und Marktstruktur
EU‐Kommission: Zu hohe Konzentration in einigen Segmenten; keine Auswahl für Mandanten; „Marktverzerrung durch Big Four“.
Fazit: Warum „Marktverzerrung“? Hohe Konzentration Æ Ergebnis von Marktprozessen (Zusammenschlüsse auf Seiten der Anbieter, economies of scale/scope; vgl. Lenz/James 2007).
Keine empirische Evidenz für mangelnden Wettbewerb zwischen Big 4. Marktprozesse i.V.m. Unabhängigkeitsregelungen führen dazu, dass neben Big4 nur begrenzte Anzahl sog. „Mid‐Tier Firms“ im Prüfungsmarkt für PIE verbleiben. H. Lenz
14
6 Konzentration und Marktstruktur
EU‐Kommission: Pflicht zu Joint Audits?
Modell: Frankreich; Dänemark (Æ Aufgabe 2005).
Bewertung:
Joint Audits Æ geringere Konzentration; aber höhere Prüfungskosten André et al. (2010) i.Vgl. zu UK; Piot/Schatt (2010) m.w.N. für Frankreich.
Höhere Abschlussqualität (= weniger Bilanzpolitik) durch Joint Audits? Vgl. Maijoor/Vanstraelen (2007 ): FR > GB > DE.
Francis et al. (2009) für FR: Bilanzpolitik Æ Zwei Big 4 > Ein Big 4 (+ Non‐Big 4) > Zwei Non‐Big 4.
Aber: Int. Studien zu Abschlussqualität Æ FR (und DE) nur im „Mittelfeld“
(Leuz 2010). Kein zwingendes Argument für Joint Audits für alle Länder.
H. Lenz
15
Fazit
Viele Vorschläge des Grünbuchs sind aus wissenschaftlicher Sicht m.E. nicht begründbar, z.B. externe Pflichtrotation, totales Verbot von Beratungsleistungen, einheitliche Prüfungsqualität für alle prüfungspflichtigen Gesellschaften.
Falls man die hohe Konzentration auf dem Prüfungsmarkt bei PIE negativ beurteilt, könnte man direkt eingreifen (Æ Verordnung von Joint Audits). Aber: Negative Wirkungen hoher Konzentration bislang fraglich! (vgl. Francis et al. 2010).
Alternative: Erhöhung der Prüfungsqualität durch Sonderuntersuchungen und erhöhte Transparenz der Resultate zur besseren Qualitätseinschätzung der Prüfer.
H. Lenz
16

Documents pareils