II. Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen

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II. Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen
II. Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen
1.
Wichtige Klauseln in Arbeitsverträgen – besondere Formen
der Vergütung, Direktionsrecht, Probezeit, freiwillige Leistungen
2.
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen
3.
Betriebliche Übung
4.
Gleichbehandlung
Formen der Vergütung
●
●
Lohnzahlungspflicht, § 611 I BGB
¾
Höhe: Regelung in Tarifverträgen üblich
¾
Selten: In Betriebsvereinbarung selten (beachte: § 77 III 2 BetrVG)
¾
Sonst: Arbeitsvertrag oder übliche Vergütung, § 612 II BGB
Lohnarten:
¾
Geldlohn versus Naturallohn
¾
Zeitlohn versus Akkordlohn
¾
Grundlohn
¾
Lohnzuschläge
- Zulagen (Gefahr, Schmutz)
- Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
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Zusätzliche Vergütungen
¾
Prämie
- Vergütung für besonders gute Leistung
- Anwesenheits-, Akkord-, Qualitätsprämie
Formen der Vergütung
●
Gratifikation, Jahressonderzahlung
¾
Zweck: Anerkennung geleisteter Dienste und / oder zukünftige Bindung an den AG
¾
Z.B. 13. Monatsgehalt, Weihnachts-, Jubiläumsgratifikation
¾
Probleme: Stichtags - / Rückzahlungsklausen
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Provisionen
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Tantiemen
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Aktienoptionen oder andere „Equity“-Beteiligungen
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Sachbezüge bis zur Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts
Zahlung der Vergütung
Bruttolohn
Sozialversicherungsbeiträge
RentenPflegeArbeitslosenKrankenversicherung
50% Arbeitgeberanteil
50% Arbeitnehmeranteil
Steuer
Lohnsteuer Staat
Solidaritätszuschlag
Kirchensteuer
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen
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§§ 305 ff. BGB
¾
●
●
●
Anwendbarkeit von Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ab 01.01.2002
(auf Altverträge ab 01.01.2003)
Vertragsbestandteil auch wenn auf AGB
¾
Kein ausdrücklicher Hinweis und
¾
keine Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme, §§ 310 IV 2 i.V.m. § 305 II, III BGB
Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB
¾
Konkurrenzregelung zu AGB
¾
Vorrang auch dann, wenn durch AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche
Abreden unwirksam sind (BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138)
Keine Inhaltskontrolle bei Bestimmungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder
Dienstvereinbarungen, §§ 310 IV 3, 307 III BGB
¾
bei Globalverweisung, da TV, BV oder DV wg. Kampfparität der Richtigkeitsgewähr unterliegt
und daher keine Gefahr der einseitigen Benachteiligung für AN
¾
Hingegen Inhaltskontrolle bei Einzelverweisung (+)
¾
Inhaltskontrolle auch bei Teilverweisung, d.h. Regelungskomplexverweisung (+)
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen (2)
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●
Einbeziehungskontrolle:
¾
Überraschende Klauseln nach „äußerem Erscheinungsbild“ oder „inhaltlich“,
§ 305c I BGB
¾
Unklarheitenregelung: Zweifel gehen zu Lasten des AG, § 305c II BGB
Inhaltskontrolle:
¾
Klauselverbote ohne und mit Wertungsmöglichkeit, §§ 308, 309 BGB
¾
Transparenzgebot: Klauselklarheit und –durchschaubarkeit, § 307 I S. 2 BGB
¾
Generalklausel „unangemessene Benachteiligung“, §§ 307 I, II BGB
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Abweichende Beurteilung aufgrund „arbeitsrechtlicher Besonderheiten“, § 310 IV 2 BGB,
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Rechtsfolge bei Unwirksamkeit, § 306 BGB
¾
bei Teilnichtigkeit AV im Übrigen wirksam, § 306 I BGB
¾
bei Unwirksamkeit gilt Verbot der geltungserhaltenden Reduktion
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen (3): Einzelne Klauseln
§ 1 des Muster-Arbeitsvertrages:
„... (2) Die ersten 6 Monate gelten als Probezeit. Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit
einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden.
(3) Eine Kündigung vor Dienstantritt ist ausgeschlossen. Bei Zuwiderhandlung ist beiderseits eine Vertragsstrafe von 3 Bruttomonatsentgelten fällig und verwirkt.“
●
Vertragsstrafeversprechen bei Nichtantritt des AV
¾
Überhöhte Vertragsstrafe führt zur Unwirksamkeit, §§ 309 Nr. 6 BGB, 307 BGB
(BAG 4.3.2004; a.A. noch LAG Düsseldorf und LAG Baden-Württemberg)
§ 3 des Muster-Arbeitsvertrages:
„Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich ausschließlich der Pausen.
Sofern das Interesse des Unternehmens es erfordert, werden Sie auch über die betriebsinterne
Arbeitszeit hinaus Ihre Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung stellen. Mehrarbeit ist durch die
festgelegte Vergütung abgegolten.“
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Mehrarbeitsabgeltung
¾
Verstoß gegen Transparenzgebot, wenn Umfang, in dem AN Überstunden schuldet, nicht klar
erkennbar, § 307 I 2 BGB
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen (4): Einzelne Klauseln
Beispiel 1:
„Der AN erhält eine Jubiläumszuwendung, d.h. freiwillige Sozialleistung in Höhe von EUR 200.“
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Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen
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Freiwilligkeitsvorbehalt bei laufendem Arbeitsentgelt unzulässig, § 307 I und II BGB
(BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06 – „Leistungszulage“); Freiwilligkeitsvorbehalt bei
Sonderzahlungen (wie Weihnachts- oder Jubiläumszuwendungen), die nicht monatlich gezahlt
werden und nicht ausschließlich im Synallagma stehen, weiterhin zulässig.
¾
Hinweis auf „freiwillige Sozialleistung“ reicht nicht (BAG 23.10.2002-10 AZR 48/02)
Beispiel 2:
„Der AN erhält eine Teamcoach-Zulage, die eine freiwillige Leistung und aus beliebigem Grund bzw. aus
bestimmten sachlichen Gründen frei widerruflich ist.“
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Freiwilligkeitsvorbehalt – Widerrufsvorbehalt
¾
Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt unzulässig, § 307 I BGB
(BAG v. 27.07.2006 - 6 Sa 29/05 – „Teamcoachzulage“)
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen (5): Einzelne Klauseln
Beispiel 3:
„Der Arbeitnehmer erhält einen gewinn- und leistungsabhängigen Bonus. Die Zahlung des Bonus erfolgt in jedem
Falle freiwillig und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft“ oder
„Der Angestellte erhält eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttogehalts. Ein Rechtsanspruch auf eine
Weihnachtsgratifikation besteht nicht. Wird eine solche gewährt, stellt sie eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung
des Arbeitgebers dar.“
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Freiwilligkeitsvorbehalt – Verstoß gegen Transparenzgebot
¾
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Verstoß gegen Transparenzgebot § 307 I S. 2 BGB, wenn arbeitsvertragliche Regelung dem Wortlaut nach
bereits einen Anspruch festlegt („AN erhält bzw. AG gewährt...“) (BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06; BAG v.
30.07.2008 – 10 AZR 606/07; BAG v. 10.12.2008-10AZR 35/08)
Widerrufsvorbehalt
¾
Veränderungsfester „Kernbereich“ mind. 70-80% der Gesamtvergütung; im „Randbereich“ 20-30% der GV
zulässig, § 308 Nr. 4 BGB (BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05)
¾
Widerrufsvorbehalt nur aus sachlichen Gründen (BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04) zulässig.
¾
Sachliche Gründe z.B.:
- wirtschaftliche Notlage des AG
- Gründe im Verhalten / Leistung des AN
- Wegfall des Leistungszwecks
¾
Vertragliche Regelung muss sachliche Gründe anführen
Inhaltskontrolle in Arbeitsverträgen (6): Einzelne Klauseln
§ 10 (4) des Muster-Arbeitsvertrages:
„Im Falle der Freistellung – wozu die GmbH bei Vorlage entsprechender Gründe, wozu insbesondere der
Ausspruch einer Kündigung zählt, berechtigt ist – haben Sie sämtliches Eigentum der GmbH spätestens
am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses unaufgefordert zurückzugeben.“
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Freistellungsvorbehalte z.B. im Kündigungsfall
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Unangemessene Benachteiligung unvereinbar mit Beschäftigungsanspruch, § 307 I 1, II Nr. 1 BGB;
Ausnahme: sachlicher Grund, § 315 BGB
§ 12 (3) des Arbeitsvertrages:
„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer
Frist von 6 Wochen seit ihrer Fälligkeit oder Kenntnis ihres Bestehens, je nachdem was später eintritt, gegenüber
dem jeweils anderen Vertragspartner schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch eine Partei
binnen einer Frist von zwei Monaten einzuklagen; anderenfalls verfallen sie.“
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Ausschlussfristen
¾
Ein- u. zweistufige Ausschlussfrist mit jeweils mind. 3 Monaten Frist zulässig,
§ 307 I 1, II 1 BGB
Betriebliche Übung
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Voraussetzungen der „betrieblichen Übung“:
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Regelmäßige (dreimalige) vorbehaltlose Wiederholung gleichförmiger Verhaltensweisen des AG
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Ableitung eines erkennbaren Verpflichtungswillens des AG auf Fortsetzung in Zukunft
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Keine anderweitige Anspruchsgrundlage
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=> Bindung des AG für die Zukunft, kein einseitiger Widerruf möglich
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Geltungsbereich: „Alte“ AN; bei Neueinstellungen Vorbehalt zulässig
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Beendigung durch gegensätzliche betriebliche Übung
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Beendigung / Anspruchsausschluss durch
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Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt
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Doppelte Schriftformklausel (BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, aber unter Beachtung BAG v. 20.5.2008
– 9 AZR 382/07)
Gleichbehandlung
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Verbot der Schlechterstellung einzelner AN oder Gruppe von AN ohne
sachlichen Grund
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Zulässige Differenzierungskriterien
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Vergleichsgruppenbildung
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Stichtagsregelungen
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Darlegungs- und Beweislast
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Anspruch bei willkürlicher Benachteiligung
¾
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Keine Ungleichbehandlung in gleichliegenden Fällen ohne sachlichen Grund
Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
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Teilzeitbeschäftigte und befristet Beschäftigte, § 4 TzBfG