BerlinerAnstoß
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Berliner Anstoß Monatszeitung der Bezirksorganisation Berlin der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) Ausgabe April 2007 Spende 50 Cent Berliner Ostermarsch 2007 Atomw af eltw eit a bsc haf Atomwaf afffen w weltw eltweit absc bschaf hafffen – bei uns anfangen! Bundes wehr einsätz e im Ausland beenden! Bundesw ehreinsätz einsätze Abr üstung sta tt So ziala bbau! Abrüstung statt Soziala zialab Atomwaffen abschaffen – Gegen die Lagerung von A-Waffen auf deutschem Boden Statt die Atomwaffen endlich weltweit abzuschaffen, sind die Arsenale – so auch die Lager der US-Armee im Hunsrück – mit ihnen gefüllt und es werden immer noch neue Typen erforscht. Gleichzeitig streben immer mehr Staaten nach Atomwaffen, um nicht militärisch angegriffen zu werden. Damit wächst die Gefahr des Einsatzes dieser Waffen, statt den Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nachzukommen. Für Deutschland als weltweit geachtete Friedensmacht – Gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an Angriffskriegen Deutschland ist nicht nur eine logistische Drehscheibe der weltweiten von den USA geführten Kriege. Durch die US-Militärbasen (Ramstein u.a.) und die Kommandozentralen für die NATO (Geltow) einschließlich des Mißbrauches des Flughafens Leipzig für Truppentransporte ist es direkt an dieser Kriegspolitik beteiligt. Deutsche Truppen als Besatzer (z.B. Afghanistan, Kosovo), geheime KSK-Aktionen und aktive Kampfeinsätze sind schon jetzt Realität. Für eine Weltfriedensordnung – Gegen die neuen Weltordnungskriege Seit mehr als fünf Jahren findet unter offizieller Führung der US-Regierung ein „Krieg gegen den Terror“ statt. Die Begründungen für die damit verbundenen Kriege gegen Afghanistan und Irak waren und sind vorgeschoben. Ziel war nicht die Demokratisierung der betroffenen Länder. Ziel war vielmehr die Beherrschung strategisch und wirtschaft- lich bedeutender Regionen. Das Ergebnis ist die Barbarisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit täglichem Leiden der Bevölkerungen. Gegen Staaten, die sich nicht der neoliberalen Globalisierung unterwerfen, wird ein permanenter Krieg geführt. Durch Druck auf die UNO, mit Hilfe der G-8-Gipfel und anderer formeller und informeller Treffen wird versucht, diese Strategie durchzusetzen. Mit Hilfe der UNO-Reformen sollen völkerrechtswidrige Angriffskriege legitimiert werden. Für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung im Interesse der Menschen, die in diesem Lande leben – Gegen Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und eine Hartz–Gesellschaft Gegen die breite Ablehnung der Bevölkerung in Deutschland für Kriegseinsätze strebt die Regierung eine umfassende Kriegsteilnahme in allen Regionen der Welt an. Im „Weißbuch der Bundeswehr 2006“ hat sich die Bundesregierung bereits verpflichtet, den „ungehinderten Warenaustausch“ und die Sicherung der „Rohstoffzufuhr“ weltweit militärisch durchzusetzen und die Bundeswehr entsprechend aufzurüsten. Die militärische Hochrüstung geht einher mit sozialer Abrüstung (Lohndumping, soziale Ausgrenzung immer größerer Teile der Bevölkerung, massiver Abbau von Sozialleistungen und Demokratie einschließlich gewerkschaftlicher Grundrechte). Für aktive Demokratie, die von Allen gestaltet wird – Gegen Abbau von Demokratie und unkontrollierbare und unkontrollierte Geheimdienste Systematisch geschürte Islamophobie und Antiterror-Hysterie gehen Hand in Hand mit Einschränkungen durch die Beschneidung fast aller demokratischer Grundrechte. Die angestrebte vollständige Überwachung des Internets und Telefons, die Erfassung des genetischen Fingerabdrucks verbunden mit der Kriminalisierung bloßen Denkens bei gleichzeitiger Abschaffung eines ernsthaften Rechtsschutzes dient der Unterbindung sozialen Widerstandes. Mit der Verbreitung der Ideologie angeblicher „nationaler“ und „religiöser“ Unterschiede wird nicht nur eine Herausbildung von „Parallelgesellschaften“ gefördert. Sie dienen der Begründung noch umfangreicherer Repressionsmaßnahmen. Dadurch wird auch die Wahrnehmung der sozialen Spaltung und die Ausgrenzung weiterer Teile der Gesellschaft verdrängt. Es gibt eine geschichtliche und menschenrechtliche Verantwortung, sich diesen Tendenzen zu einer antidemokratischen, die Zivilisation verneinenden und vernichtenden Entwicklung entgegenzustellen! Tun wir dies! Aus dem Inhalt Seite Was ist los mit der Friedensbewegung? 2-3 VOZ ist die Wahrheit des Volkes 4 Auf nach Dortmund! 5 Geschäfte mit demAlter 6 Neues aus der BVV 7 „Gemeinschaftsschule“ 8 Nazis und Kinderarmut 9 Parteileben 10-11 Kalenderblatt 12 P. P. Pasolini 13 Seite 2 Krieg und Frieden Anstoß April 2007 Was ist los mit der F riedensbe wegung? Friedensbe riedensbew Der Einfluß der Friedensbewegung auf politische Entscheidungen in Deutschland ist, zurückhaltend formuliert, nicht groß. Der jüngste Fall, der Beschluß des Bundestages vom 9. März zum Einsatz von 8 Tornado-Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan, scheint den Befund zu bestätigen. Umfeld in der Bevölkerung für AntiKriegsaktivitäten eher günstig Dabei sind die äußeren gesellschaftlichen Voraussetzungen für wirkungsvolles antimilitaristisches Eingreifen nicht so ungünstig, wie Defätisten meinen. Eine ForsaUmfrage Anfang diesen Jahres ergibt, daß 77% der Bevölkerung die Tornados ablehnen. Das macht bei über 80 Millionen Einwohnern immerhin stolze 61 Millionen Menschen. Der Bundeswehr-Oberstleutnant Jürgen Rose, der auch als Publizist tätig ist, gehorcht seiner Pflicht als „Staatsbürger in Uniform“: Er beantragt seine Freistellung von der Teilnahme am Krieg gegen das afghanische Volk, der ein schwerer Verstoß gegen Verfassung und Völkerrecht ist. Im Bundestag stimmen immerhin 157 Abgeordnete gegen den Tornadoeinsatz. Die Abgeordneten Willy Wimmer (CDU) und Peter Gauweiler (CSU) zogen vor das Bundesverfassungsgericht. Nach ihre Abweisung wegen mangelnder Antragsberechtigung von nur zwei Abgeordneten wird die Beschwerde von der antragsberechtigten Linksfraktion übernommen. Ein internationaler Aktionstag ist zum vierten Jahrestag des Beginns der Besatzungskatastrophe im Irak angesagt. In den USA schafft es ein Netzwerk von Friedensorganisationen, am 17. März mit Zehntausenden, darunter Jane Fonda und Cindy Ostermontag 9.April 2007 Auftaktkundgebung: 12.00Uhr Unter den Linden/ Neustädtische Kirchstraße (nahe US-Botschaft) Abschlußkundgebung: gegen 14 Uhr vordemKinoBabylonMitte (nahe Volksbühne) Anschließend im Babylon Mitte 15.00 Uhr „In der Sünder schamvollem Gewimmel“ Eine Rockband erinnert sich an Brecht Sheehan, bei eisigem Wetter vor das Pentagon zu ziehen. Und dies, obgleich eine Mehrheit der US-Bürger immer noch von der Notwendigkeit des „Krieges gegen den Terrorismus“ überzeugt ist. In Spanien sind es sogar 400.000 Demonstranten. Strategische Mobilisierung unzureichend bis nicht vorhanden Und was passiert in Deutschland? Der Kasseler Friedensratschlag veröffentlicht vernünftig argumentierende, überzeugen wollende Stellungnahmen gegen die Tornados. Der „Aachener Friedenspreis e.V.“ fordert alle Abgeordneten des Bundestages am 8. März 2007 per E-Mail auf, dem Militäreinsatz in Afghanistan ein Ende zu setzen. In nahezu allen Städten gibt es friedensaktive Zirkel. Sporadisch kommt es vor Ort ebenfalls zu klugen Aufrufen und Kundgebungen, Mahnwachen, Infotischen etc. Allerdings ist man vielerorts wie alle Jahre wieder vorzugsweise damit beschäftigt, die altehrwürdige Tradition der Ostermärsche zu pflegen (7.-9. April). Die einzelnen Aktionen der österlichen Bekundung von Friedenswillen werden mit Akribie auf der Webseite vom Netzwerk Friedenskooperative verzeichnet. Sie sind nicht an der Notwendigkeit termingerechter Mobilisierung zur Beeinflussung von Entscheidungen orientiert. Hier geht es um einen Termin des pazifistischen Jahreskalenders. Der nächste ist am 1. September, dem Anti-Kriegstag. Vorher steht noch der G8-Gipfel ins Haus, der am 6.-8. Juni in Heiligendamm stattfindet. Klimaschutz soll das Hauptthema werden, zweifellos ein sehr ernstes Thema. Aber nach dem Willen von Kanzlerin Merkel soll es dazu mißbraucht werden, bei der Gipfelveranstaltung von der mörderischen Politik der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands abzulenken, deren Opfer Irak, Palästina, Afghanistan, Libanon und demnächst vielleicht auch der Iran sind. Schon haben G8-Initiativgruppen und Netzwerke mit der Vorbereitung der notwendigen Proteste gegen die Gipfel-Schau begonnen. Auch Friedensaktivisten beteiligen sich natürlich. Doch wie bei ähnlichen Events diverser Sozialforen versprechen solche Proteste wieder einmal nur, ein großer Gemischtwarenladen progressiver Anliegen zu werden. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Nicht die Vielfalt der politischen Orientierungen der Demonstranten und ihrer Anliegen ist das Problem. Pluralität entspricht den gesellschaftlichen Gegebenheiten. Bunte Vielfalt ist ein Faktor großer Stärke, wenn sie sich in einer konkreten gemeinsamen Aktion vereint. Wo beklagt wird, daß man keine gemeinsame politische Überzeugung habe, ist gesundes Mißtrauen am Platz, ob da nicht manipuliert werden soll, um den Protest in reformistische Bahnen zu lenken. Probleme gibt es, wenn Meinungsvielfalt von oft bemerkenswert gut ausgestatteten, in den Foren aktiven Organisationen eingeschränkt wird, um die Protestbewegung so zu beeinflussen, daß sie für imperialistische Bündnisse kompatibel ist. Die Kriegs- und Rüstungsgegner müssen es inmitten des Allerlei von Vorschlägen für eine „bessere Welt“ schaffen, ihre Kritik an der aggressiven Rolle Deutschlands in NATO und EU Positionen so zu vertreten, daß wenigsten ein Quentchen Druck auf die deutsche Politik herauskommt. Die Lage ist ernst. Deutschland schliddert zusehends mehr in den weltweiten Krieg, der nach den Anschlägen vom September 2001 vom Westen gegen den „Rest der Welt“ entfesselt wurde. Wo aber bleibt die strategische Mobilisierung aller in der Friedensbewegung steckenden Potentiale gegen diesen verantwortungslosen Kurs der Machtelite? Impulse aus den örtlichen Friedensgruppen Die Friedensbewegung ist am lebendigsten in den Städten vor Ort. Daher kommen in diesen Tagen einige interessante Ideen. In einem offenen Brief an die Friedensbewegung fordert die Hamburger „Friedensinitiative Wilhelmsburg“ dazu auf, sich stärker auf bestimmte Fragen zu konzentrieren. Und sie schlägt vor, die Forderung „Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und dem Nahen und Mittleren Osten“ in den Mittelpunkt der Aktivitäten zu rücken. Komme es doch vor allem auf das „Handeln gegen die Politik der jeweils eigenen Regierung“ an. „Wir sollten in der BRD unseren Teil beitragen und uns an die Seite der Friedenskräfte in aller Welt stellen,“ meint Inge Humburg, Mitglied der Gruppe. Sie lobt die gute Zusammenarbeit mit Migrantinnen und Migranten, vor allem türkischen, in ihrem Stadtteil. Und sie sieht eine Chance, das Parlament zur Tribüne zu machen. Die Linkspartei.PDS leiste im Bundestag gute Arbeit. „Mit einer Kampagne der Friedensbewegung würde diese auch auf der Straße stärker wahrgenommen werden.“ (http://www.jungewelt.de/2007/03-08/029.php) Ein Mitglied vom „Friedenskreis Deutschland“, Christoph R. Hörstel, (Fortsetzung auf Seite 3) Anstoß April 2007 Krieg und Frieden Seite 3 (Fortsetzung von Seite 2) schreibt in einemArtikel ( http://www.0815info.de/archiv/2007/maerz/030712.php) : „Unsere Bundesregierung gefährdet unsere Sicherheit und handelt grundgesetzwidrig, wenn sie Israel jetzt immer wieder ihre Sympathie und Unterstützung zeigt. Über 60 Jahre nach dem schrecklichen Holocaust an Juden beteiligen wir uns am Völkermord an Muslimen. Wann lernt Deutschland wirklich? Wollen wir Sonntags-Gedenkreden halten – und montags weiter morden (helfen)? Der einzige Maßstab: das Völkerrecht. Jetzt umsetzen!“ Er warnt vor bestimmten iranischen Migranten. „Sie verfügen offenbar über frische Unterstützung bei Finanzen und Personal, sie drucken aufwendige Prospekte, stützen Regimekritiker, Inhaftierte, Dissidentengruppen im Iran und außerhalb.“ Derartige Gruppen könnten nicht unterstützt werden, „weil ihr Auftreten in vielen Fällen ganz offensichtlich den Regierungsinteressen der USA und Israels in die Hände spielt.“ Das erinnert stark an den Vorabend des Irak-Krieges 2003, als irakische „Kommunisten“ der Friedensbewegung kriegsfeindlich garnierte Hetze gegen die Regierung des bedrohten Landes unterzujubeln versuchten, und dies auch noch mit Unterstützung von Teilen der DKP. Die Hetze gegen Serbien und Milosevic vor und während des Krieges gegen Jugoslawien hat bis in die Friedensbewegung zu Desinformation und damit Desorientierung geführt, die bis heute weiter wirkt. Und selbstverständlich soll auch die gegenwärtig anschwellende Hetze gegen den Islam im allgemeinen und gegen den Iran im besonderen auf verschiedenen Wegen in die Linke eingeschmuggelt werden. Etwas besonders Originelles hat sich ein „Zentralrat der ExMuslime“ ausgedacht. Er will im Ausland die Menschenrechte durchsetzen lassen und im Inland Grundrechte suspendieren. So der Kommentar von Klaus Hartmann in der Tageszeitung „junge Welt“ (v. 15.03.07). Indem Hartmann analysiert, wie dieser merkwürdige Spezialverein unter dem Vorwand des Laizismus und der Religionskritik in Wirklichkeit zur Stimmungsmache gegen muslimische Länder beiträgt, leistet der Bundesvorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes einen wichtigen ideologischen Beitrag zum Kampf gegen militärische Gewalt und positioniert sich – der eigenen Verbandstradition entsprechend – als ein Mitstreiter in der Anti-Kriegsbewegung. (http:// w w w. j u n g e w e l t . d e / 2 0 0 7 / 0 3 - 1 5 / 053.php?sstr=islam) In Duisburg demonstrierte am 17. März ein Bündnis von 12 Organisationen. Betont wurde gerade die politische Verbunden- heit mit den irakischen, palästinensischen und libanesischen Volksbewegungen. Im Mittelpunkt stand die Forderung nach uneingeschränkter Selbstbestimmung der Völker, auf deren Grundlage allein Frieden in der Region geschaffen werden kann. Verurteilt wurde der hierzulande grassierende Antiislamismus als die schärfste Waffe der Kriegstreiber. Eine der beteiligten Gruppen, Initiativ e.V., forderte, daß Deutschland aus der NATO sowie aus allen EU-Militärstrukturen austritt. Diese Forderung, mit der die in der Friedensbewegung einhellig geübte Kritik an der Militarisierung der deutschen Außenpolitik konsequent weiter gedacht wird, hatte auch die Zustimmung der Teilnehmer eines Nahost-Seminars am 24. Februar in Berlin gefunden. Das Freiburger Friedensforum fordert „Freiheit für Christian Klar!“ Man stutzt zunächst, bis einem an diesem Beispiel konkret bewußt wird, daß auch der Kampf für politische und Menschenrechte im eigenen Lande ein unverzichtbarer Bestandteil des Friedenskampfes ist. Die Freiburger verurteilen die harte Haltung von Konservativen gegen die mögliche Begnadigung des ehemaligen RAF-Mitglieds. Dieser hat in einem Schreiben an die RosaLuxemburg-Konferenz in Berlin im Januar 2007 Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem geübt. Er habe eine Meinung wiedergegeben, „die von vielen Menschen im Lande geteilt werde, die das herrschende Wirtschaftssystem für ungerecht hielten.“ Davon sei auch sein langjähriger Seelsorger in der Haftanstalt überzeugt. Die Freiburger sahen sich veranlaßt, zu dem bundesweiten Streit Stellung zu nehmen, „weil dieser Streit verfassungsgemäße Rechte und die Menschenrechte betrifft. Diese Rechte haben Geltung auch für einen Menschen, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.“ Die Verteidigung dieser durch die Verfassung geschützten Recht sei „notwendig, da Kritik am ungerechten Wirtschaftssystem und an ungerechten Verhältnissen die Voraussetzung für positive Veränderung ist.“ Internationalisten in der Friedensbewegung gebraucht Die hier beispielhaft genannten interessanten Ansätze und Ideen dürften nicht ohne weiteres in der Breite der Friedensbewegung konsensfähig sein. Aber sie sollten von der antiimperialistischen Strömung in der Friedensbewegung aufgegriffen werden. Einige ausländische kommunistische und Arbeiterparteien trafen sich nach dem Libanon-Krieg am 19./20. August 2006 in Athen zu einer außerordentlichen Konferenz. Die Ergebnisse bieten eine Menge Anregung und Orientierung für Kommunisten in der deutschen Friedensbewegung. So wird in der Pressemitteilung der Konferenz beispielsweise als Initiative vorgeschlagen: „die Entfaltung von Druck auf jede Regierung, die den israelischen Angriff nicht verurteilt“. Von einem solchen Druck war leider gerade in Deutschland nichts zu spüren. Hat doch Kanzlerin Merkel das „Existenzrecht Israels“ zur „Staatsraison“ Deutschlands erklärt, womit in Wirklichkeit eine moralische Zustimmung zur Politik Israels verlangt wird. Nicht wenige Linke sind leider auf diese Täuschung bezweckende diplomatische Formel hereingefallen. Dabei sollte es doch nicht so schwer zu begreifen sein, daß gerade die internationale Solidarität mit den werktätigen Klassen Israels von Kommunisten und Sozialisten verlangt, sich von der Gewaltpolitik der bürgerlichen israelischen Führung zu distanzieren, gerade weil diese nicht geeignet ist, die Zukunft Israels zu sichern. Die Anti-Imperialisten in der Friedensbewegung sollten sich des Kontaktes zu den diversen Solidaritätsgruppen und -Bündnissen mit einzelnen Ländern von Irak über Jugoslawien bis Kuba annehmen. Das in der Solidaritätsarbeit oft beziehungslose Nebeneinander kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß dabei selbstverständlich ein großes Maß an Sachkenntnis und daher Konzentration auf einzelne Länder erforderlich ist. Eine weitere Aufgabe ist die Aktionseinheit mit Migrantinnen und Migranten, vor allem aus den vom Imperialismus unterdrückten, angegriffenen und ausgebeuteten Ländern. All diese praktischen Aufgaben verlangen dringend nach elastischen organisatorischen Formen, in denen die Anti-Imperialisten koordiniert in der Friedensbewegung zusammenarbeiten. Friedenskampf ist mehr als Abrüstung und Gewaltfreiheit. Er ist ein umfassender Kampf für eine nationale Außenpolitik, die das Selbstbestimmungsrecht aller Nationen respektiert und sich an internationales Recht hält. Insbesondere die deutsche Einmischung in andere Länder unter dem Deckmantel von UNO, NATO und EU muß durchleuchtet und im Parlament wie in außerparlamentarischen Aktionen bekämpft werden. Daher müssen sich Kriegsgegner selbstverständlich auch am Kampf für radikale Demokratie beteiligen. Und gegen die Rüstungsindustrie muß die Forderung nach einer gesellschaftlich kontrollierten Lenkung der Wirtschaft erhoben werden. Erst wenn es gelingt, all diese Elemente zu einem strategischen Konzept zusammenzuführen, wird man von einer „Vision“ der Friedensbewegung reden können. Klaus von Raussendorff Internationalismus Seite 4 Anstoß April 2007 VOZ ist die Wahrheit des Volk es olkes Die Zeitung der kolumbianischen Kommunisten wird 50 Von Carlos A. Lozano Guillén, Chefredakteur von VOZ und Mitglied des Exekutivkomitees der Kolumbianischen Kommunistischen Partei (PCC) Am 20. Juli 1957, drei Monate und zehn Tage nach dem Fall der Militärdiktatur von General Gustavo Rojas Pinilla, der Kolumbien seit 1953 blutig regiert hatte, brachte die Kolumbianische Kommunistische Partei aus der Illegalität heraus die Wochenzeitung „VOZ de la Democracia“ (Stimme der Demokratie) in Umlauf. So wurde „Voz“ (Stimme), wie sie heute heißt, damals zu einer Form, die legalen Möglichkeiten, die sich im Land auftaten, zu nutzen. Die Zeitung zirkulierte bald im ganzen Land, trotz der Tatsache, daß die liberale und die konservative Oligarchie die mögliche demokratische Öffnung nach dem Fall der Diktatur verhinderten, indem sie für sechzehn Jahre eine Zwei-Parteien-Vereinbarung beschlossen, mit dem die beiden traditionellen Parteien sich millimetrisch die Macht in der Exekutive, Legislative und Judikative aufteilten. Zu dem Pakt gehörte die Abwechslung bei der Präsi- Solidaritätskampagne „50 Jahre VOZ“ Die VOZ braucht unsere Unterstützung, deshalb startet die VOZ, die in der BRD ca alle 2-3 Monate – nächste Ausgabe am 1.Mai – in deutscher Sprache erscheint, die Solidaritätskampagne „50 Jahre VOZ – Die Wahrheit des Volkes“, die bis Ende des Jahres läuft. Spenden für die VOZ auf das Konto der DKP-Berlin Berliner Sparkasse, BLZ: 100 500 00 / Kontonummer: 004 341 31 37 Verwendungszweck: „50 Jahre VOZ“ Buttons mit dem Logo der VOZ sind im Büro der DKP-Berlin für 2,50 € erhältlich. Ansprechpartner der Solidaritätskamangne: Michael Czech) Wir danken für Eure Unterstützung! dentschaft. Das war die Form, in der sie andere Parteien ausgrenzten, auch die Linke, an deren Spitze in diesem Moment die Kommunistische Partei war. Die Demokratisierung des nationalen Lebens scheiterte an der Korruptheit der Führer der traditionellen Parteien, der li- beralen und konservativen, die an die Macht der Großgrundbesitzer und der bürgerlichen Unternehmer gebunden waren. Sie konnten bei ihren antidemokratischen Absichten auf die Unterstützung des USImperialismus zählen, der seinerseits immer auf die prinzipienlose kolumbianische Oligarchie setzen konnte, die zu den devotesten des Kontinents gehört. Trotzdem erschien „VOZ de la Democracia“ als Vertreterin der Oppositions- und Linkspresse, im Unterschied zur großen Presse, die die Sichtweisen der herrschenden Klasse besetzte. Bis 1964 zirkulierte „VOZ de la Democracia“ im Land, trotz der Beschränkungen der Pressefreiheit und der Verfolgung der Mitglieder der Kommunistischen Partei, die sie verteilten und in Stadt und Land verkauften. 1964 verbot die konservative Regierung Guillermo León Valencia die Wochenzeitung mit dem Argument, daß diese einen bevorstehenden Angriff kolumbianischer Militärs auf ländliche Gebiete verraten habe. Valencia sagte, daß das eine Lüge der Kommunisten sei und entzog „VOZ de la Democracia“ die Lizenz. Einige Wochen später fand der militärische Angriff mit US-Unterstützung statt, – ohne daß die Regierung danach die diktatorische Maßnahme gegen die Zeitung zurücknahm. Die Kolumbianische Kommunistische Partei hatte für einen solchen Fall bereits einen anderen Namen in Reserve, „VOZ Proletaria“ (Proletarische Stimme), mit dem die kommunistische Wochenzeitung bis 1984 herauskam. Nach jenem Jahr hieß sie einfach „VOZ“, weil eine interne Debatte zur Schlußfolgerung kam, daß das Land sich urbanisiert hatte, daß breite Mittelschichten sich dem revolutionären Kampf angeschlossen hatten und daß es – ohne auf den proletarischen Charakter der Partei und der Zeitung zu verzichten – notwendig war, sich neuen Sektoren zu öff- nen, die Teil der städtischen Massen waren und mit den Arbeitern für revolutionäre Veränderungen kämpften. Die „VOZ“ hat eine wichtige Rolle als Kommunikationsmedium der Arbeiter und des Volkes. „Die Wahrheit des Volkes“ wird sie in den proletarischen und revolutionären Medien genannt. Sie hat sich konsequent gehalten, trotz der Behinderung ihrer Verteilung in einigen ländlichen Regionen durch Paramilitärs und Heer in den Neunziger Jahren, als der schmutzige Krieg gegen die Linke tobte. Auch mit dem Sturz der Sowjetunion und des realen Sozialismus durch das Ausscheiden wichtiger Gruppen von Intellektuellen aus der Kommunistischen Partei verringerte sich ihre Kraft. Aber VOZ hat sich über alle diese Schwierigkeiten hinweggesetzt. So erkennen es Freund und Feind an, die die kommunistische Wochenzeitung als emblematischen Ausdruck der Linken in Kolumbien ansehen. VOZ hat Feindseligkeiten der Regierung, Drohungen und Provokationen, drei Sprengstoffattentate, den Mord an ihrem Direktor Manuel Cepeda, den Mord an dreien seiner Korrespondenten und die ständigen und schweren Drohungen gegen seinen derzeitigen Chefredakteur – vor kurzem öffentlich von Präsident Álvaro Uribe Vélez als Komplize der Guerilla benannt – überstanden. Letzteres ist gleichbedeutend damit, ihm die paramilitärischen Mörder auf den Hals zu hetzen. Aktuell unterstützt VOZ die Volkseinheit und ist eine der Bastionen des Aufbaus des Demokratischen Alternativen Pols (PDA), eine Organisation der kolumbianischen Linken, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen 23 Prozent der Stimmen bekam.Auch ist VOZ Teil der gewerkschaftlichen, sozialen und Volkskämpfe; sie verteidigt unermüdlich die Menschenrechte und widersetzt sich der ultrarechten Regierung und dem nordamerikanischen Interventionismus. Sie befördert den Frieden mit Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, der sich aus der politischen Lösung des mehr als sechzigjährigen Konfliktes herleiten muß, unter dem das Land wegen des Starrsinns der Oligarchie leidet, die sich weigert eine demokratische und soziale Öffnung zu akzeptieren. VOZ feiert 50 Jahre im Dienste der Arbeiterschaft, der Demokratie, des Friedens und des Sozialismus. Übersetzung: Günter Pohl Anstoß April 2007 Seite 5 Aktion Auf nac h Dor tm und! nach Dortm tmund! Wenn es noch nicht geschehen ist, solltet Ihr spätestens jetzt den Kalender rausholen und den 22., 23. und 24. Juni rot markieren. Dann steigt im Dortmunder Revierpark einmal mehr das große Fest der Solidarität der DKP – das Pressefest der UZ. Das bedeutet drei Tage Politik und Kultur mit Kommunistinnen und Kommunisten aus aller Welt. Zentrale Diskussionsrunden wird es unter anderem zu den Themen „Alternativen zu Kriegspolitik, Sozial- und Demokratieabbau - Wie sind sie durchsetzbar?“, „Sozialismus oder Barbarei“ und „Lateinamerika imAufbruch“ mit Vertretern kommunistischer Parteien aus Kuba, Venezuela, Bolivien und Nikaragua geben. Neben vielen weiteren Künstlern haben sich der Liedermacher Konstantin Wecker und der Walkabout Clearwater Chorus aus den USA bereits angekündigt. Auch in Berlin laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um einen Beitrag zum Fest zu leisten. Mit Mitgliedern u.a. des Berliner Antiprivatisierungsbündnisses und der Mietergemeinschaft diskutieren wir über die Folgen von Privatisierungen und den Widerstand dagegen. Gewerk- schafter berichten u.a. über die Arbeitskämpfe bei BSH und CNH und diskutieren über Strategien im Kampf gegen die Jobkiller. Ulla Jelpke, Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, informiert über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und antifaschistische Initiativen aus Berlin berichten über ihre Arbeit. Dr. Seltsam, Der Singende Tresen und weitere Künstler werden die langen Abende auf dem „Berliner Alexanderplatz“ mit uns gestalten. Wir laden alle Sympathisanten und Freunde der DKP ein: Kommt mit uns nach Dortmund, feiert mit uns das Fest der Solidarität. Dort könnt Ihr uns besser kennenlernen, mit uns diskutieren und notfalls auch streiten. Und helfen könnt Ihr uns auch: Beim Auf- und Abbau, beim Bierzapfen, Schmalzstullen schmieren und Kaffee kochen. Wir versuchen, von Berlin aus eine Busfahrt nach Dortmund zu organisieren. Die Fahrt (Abfahrt: Samstag, 23. Juni, 6 Uhr; Rückfahrt: Sonntag, 24. Juni, 16 Uhr) kostet 35 Euro. Meldet euch jetzt an (im Bezirksbüro oder am sichersten über [email protected]). Schlafplätze müs- Volksbegehren gegen Privatisierung Das seit 2006 bestehende Berliner Antiprivatisierungsbündnis wird im April ein berlinweites Volksbegehren gegen vorgesehene oder bereits vollzogene Privatisierungen anstoßen. Die Bedingungen und Erfolgsaussichten dafür sind gut, nicht nur weil die Hürden für Volksbegehren mit der Berlin-Wahl 2006 etwas gesenkt wurden. Es gab Erfolge im Kampf gegen Wohnungsprivatisierungen und spätestens seit der Diskussion um die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn wird vermehrt gefragt, mit welchen Ergebnissen und in wessen Interesse Privatisierungen eigentlich stattfinden. Die erste Ausgabe der „Privare“ (Zeitung des Bündnisses) schrieb: „Es wird teurer für alle, aber besser für keinen.“ Auf drei Themenfeldern werden alternative Gesetzentwürfe vorgeschlagen: 1. Im Sparkassengesetz sollen Grundversorgung (Girokonto für alle), Filialdichte und Publikationspflicht der Verkaufsverträge festgeschrieben werden. Dies dürfte Anwärter im kürzlich eingeleiteten Bieterverfahren letztlich davon abhalten, sich die Landesbank Berlin und damit die Berliner Sparkasse – ein „Filetstück“ des öffentlich-rechtlichen Banken- sektors – anzueignen. 2. Bezüglich der schon privatisierten Wasserbetriebe wird die Offenlegung der geheimen Verträge mit Profitgarantie für die privaten Teilhaber angezielt, weiterhin öffentliche Anhörungen und Mitbestimmung gewählter Aufsichtsgremien bei der Preiskalkulation (Berlin liegt bundesweit mit dem Wasserpreis an der Spitze!). 3. Im Hochschulgesetz soll das Verbot von Studiengebühren, der unbegrenzte Zugang zu Masterstudiengängen sowie die paritätische Besetzung sämtlicher Hochschulgremien verankert werden. Damit über diese Gesetzesänderungen ein Referendum eingeleitet wird, sind ca. 20000 Unterschriften nötig. Deshalb drei Volksbegehren in einer Kampagne: wer eines der drei unterschreibt, soll auch die anderen unterschreiben. Aufgabe des Bündnisses (die DKP Berlin gehört dazu!) wird sein, Zusammenhänge zu verdeutlichen zwischen den verschiedenen Strategien der Privatisierung und der Notwendigkeit, gemeinsam dagegen anzugehen. Am 28.4.07 findet im DGB-Haus Keithstr. 1-3 (Leuschner-Saal) die Auftaktveranstaltung zum Volksbegehren statt. Gerald Hoffmann sen selbst organisiert werden. Auf dem Festgelände gibt es die Möglichkeit, mit eigenen Zelten zu campen (drei Personen 13 Euro; bis 6 Personen 19 Euro; ab 7 Personen 27 Euro; Anmeldung bei: Fest-derSolidaritä[email protected]). Hotelzimmer sollten sofort gebucht werden. Das Pressefest kostet keinen Eintritt, aber Geld. Unterstützt seine Durchführung mit dem Kauf und Verkauf (!) von Pressefestbuttons (5 Euro das Stück bei Eurer Parteigruppe oder im Bezirksbüro der DKP) und mit Spenden für den Berliner Beitrag, für den wir inkl. Zelt- und Platzmiete Ausgaben von rund 6 000 Euro kalkulieren müssen. Neben Geldspenden helfen auch Bücher für unseren Antiquariatsstand in Dortmund. Wera Richter Spendenkonto: Berliner Sparkasse, BLZ: 100 500 00 Kontonummer: 004 341 31 37 Stichwort: Pressefest/Berliner Beitrag. Auf das Konto können auch die Fahrkosten für den Bus überwiesen werden, Stichwort: Pressefest/Bus mit Namen und Adresse. Erstes Berliner Sozialforum Am 21./22. April 2007 findet im Rahmen der bundesweiten Initiative der regionalen Sozialforen auch in Berlin ein Sozialforum statt – in der „Manege“ und symbolträchtig in der RütliSchule in Neukölln. Unter dem Motto „Für ein Berlin, in dem wir leben wollen“ sind Gruppen und Einzelpersonen eingeladen, die „sich gegen die herrschende Politik der gesellschaftlichen Spaltungen und Ausgrenzungen wenden“. Das Berliner Sozialforum tagt zeitgleich mit bisher neun angemeldeten regionalen Sozialforen. Weltweit ist die Sozialforumsbewegung jedermann bekannt. Die Bewegung ist jedoch nur so stark, wie sie territorial verankert ist. Drei Jahre lang haben Berliner AktivistInnen deshalb dafür gekämpft, auch hier ein Sozialforum zum Leben zu erwecken. Die Konferenz beginnt am Samstag um 12 Uhr und am Sonntag um 9 Uhr 30, mit einem gemeinsamen Frühstück. Weitere Infos unter www.sozialforumberlin.de. Seite 6 Berlin Anstoß April 2007 „Ruhe ist erste Bürgerpflicht“ Finanzsenator Thilo Sarrazin am 1.3.2007 vor dem Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses Gesunde Gesc häfte mit dem Alter Geschäfte Friedrichshain-Kreuzberg privatisiert Seniorenwohneinrichtungen Lange hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Sache für sich behalten. Noch kurz vor der Wahl des Stadtrates für Soziales, Mildner-Spindler (Linke. PDS), wurde beschlossen, das Seniorenwohnhaus Mehringplatz 5 vertragsgemäß von der Gewobag zu übernehmen. Leider ist die Transaktion mit erheblichen Lasten für die öffentliche Hand verbunden. Ungetilgte Darlehen und Entschädigung für „Eigenmittel“ bieten nun der Senatsfinanzverwaltung (SenFin) einen willkommenen Vorwand, eine Kostenübernahme mit der Bedingung zu verknüpfen, daß das Objekt über die Immobilienverwertungsgesellschaft des Landes Berlin, den Liegenschaftsfonds, verkaufen zu lassen. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, daß dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Zeitgleich zu den Bemühungen des Senats, möglichst viele öffentliche Gebäude und Dienstleistungen zu privatisieren, laufen nun langfristige Verträge aus den siebziger Jahren aus, die zwischen Bezirk und Neue Heimat bzw. GSW abgeschlossen worden waren. Die Konditionen waren günstig für die Wohnungsbaugesellschaften. Der Bezirk verleiht ein Grundstück mit der Auflage, daß dort ein bestimmtes Gebäude errichtet wird, für das die öffentliche Hand wiederum als Generalmieter für 30 Jahre auftritt. Die Wohnungsgesellschaft erhielt günstige Darlehen von der Investitionsbank Berlin (IBB) und kassierte Anschlußförderung im Zuge dieses sozialen Wohnungsbaues. Hinzu kamen die bezirklichen Mietzahlungen. Doch der Clou kommt erst zum Schluß: nach Beendigung des Vertrags erhält die Wohnungsbaugesellschaft vom Bezirk so genannte Eigenmittel ersetzt, bei denen ein Teil der geleisteten Tilgung gleich mit erstattet wird. Restschulden und Gebäude gehen an den Bezirk, von Sanierungsrücklagen ist keine Rede. Heute kennen wir solche Vertragsabschlüsse als „PublicPrivate-Partnership“. Nur sind diese modernen Verträge vollends geheim und im Gegensatz zu früher oft über 1000 Seiten stark. Die WIR/Gewobag hat beim Mehringplatz einen „Rest“ an Darlehensschulden von ca. 2 Millionen Euro hinterlassen, zahlbar bis 2058. An Eigenmitteln machten sie 660.000 Euro geltend. Falls sich nicht ein Träger findet, der auch die Lasten übernimmt, ist mit einer Übergabe an den Liegenschaftsfonds zu rechnen. Die Bewohner des Seniorenwohnhauses Mehringplatz 5 wurden seit Dezember nur teilweise informiert. Groß war die Aufregung, als am 21.12. zufällig bekannt wurde, daß dem Wachdienst über Nacht gekündigt worden war. Zur Beruhigung der Gemüter fand Ende Januar eine Informationsveranstaltung für die Betroffenen statt. Es wurde mitgeteilt, daß für ein halbes Jahr die Verwaltung des Hauses der Gewobag Verwaltungsgesellschaft übergeben worden sei. Auch beim Wechsel zum Liegenschaftsfonds bliebe so ziemlich alles beim alten. Ein ähnliches Schicksal droht den Seniorenwohnhäusern Charlottenstraße 85 und Gneisenaustraße 12. Wahrscheinlich werden noch weitere Objekte betroffen sein. Bereits 1998 hatte das Bezirksamt die Absicht signalisiert, sich von diesen Seniorenwohnhäusern zu trennen. Damals wurde konstatiert, es gäbe im Bezirk ein Überangebot solcher Wohnplätze von 226%. Davon ist heute nicht mehr die Rede und doch will man sich von den Häusern trennen. Die finanziellen Belastungen bieten einen hervorragenden Anlaß für ein Spiel mit verteilten Rollen zwischen Bezirksamt und Senat. Jeder Beteiligte kann die Hände in Unschuld waschen und privatisiert wird doch. Ökonomischer Hintergrund mag sein, daß auf bestimmte Auswirkungen der geplanten Änderungen in der Pflegeversicherung spekuliert wird. Geplant ist, die Kostenerstattung für die Pflegestufe 1 bei stationärer Unterbringung im Heim zu reduzieren. Bewohner dieser Pflegestufe wird es dann in Heimen kaum noch geben. Die Konsequenz wird Ausbau ambulanter Wohnformen oder zumindest eine erhöhte Nachfrage danach sein. Tatsächlich orientieren einige private Träger in Berlin auf den Erwerb von nichtstationären Wohneinrichtungen für Alte. Kommunale Pflegeheime zu verkaufen 2004 faßte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den Beschluß, seine Pflegeheime zu verkaufen. Zwei der insgesamt noch sechs kommunalen Berliner Pflegeheime befinden sich in Kreuzberg. Die Heime in der Stallschreiberstraße und in der Fidicinstraße wurden nach Einführung der Pflegeversicherung zu einem sogenannten LHOBetrieb zusammengeführt. Das Haus in der Fidicinstraße wurde 1959 vom Bezirk errichtet. In der Stallschreiberstraße wurde ebenso wie bei anderen Bauten 1977 über einen Grundstücksleihvertrag das Heim er- richtet. Die wirtschaftliche Lage der Häuser ist prekär. Das Defizit wird für 2006 auf 893.000 Euro geschätzt. Die Stallschreiberstraße hat bei einer Auslastung von 66% einen Tiefpunkt erreicht (Fidicinstraße 78%). Dies, obwohl noch 2002 eine mehr als 100%ige Auslastung bestand. Mangelnde preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Heimen im Ostteil und hohe Personalkosten werden von der Geschäftsführung beklagt. Und nun läuft der Grundstücksleihvertrag mit der GSW aus. Also erneut Lasten. Immerhin 1,8 Millionen Eigenmittel und mehrere Darlehen in Höhe von insgesamt 7,1 Millionen sind zu schultern. Die GSW hatte in 30 Jahren praktisch keine Tilgung der Darlehensschulden vorgenommen, so daß die vollen Kosten dieses Umsonstbaus bis 2059 zahlbar sind. Also auch hier das Patentrezept: verkaufen über den Liegenschaftsfonds. Der Haken ist nur, daß das Objekt mit Nutzungsbindung nicht als verkäuflich eingeschätzt wird. In der Haushaltsausschußsitzung vom 13.2. erklärte das Bezirksamt, daß die Absicht bestehe, das Heim Stallschreiberstraße “leerzuziehen“. Die Bewohner sollen in die Fidicinstraße umziehen. Aber „das bleibt besser unter uns“, wurde zur beabsichtigten Informationspolitik gesagt. Natürlich soll auch das Heim Fidicinstraße verkauft werden. Da es von Ausstattung und Auslastung betriebswirtschaftlich besser da steht, soll es weiter als Pflegeheim bestehen bleiben. Zwei in Frage kommende Kaufinteressenten gäbe es aktuell, erklärte man am 13.2. Allein die Namen wurden nicht genannt. Unsere Recherche ergab, daß es sich höchstwahrscheinlich um die privaten Altenheimkettenbetreiber Alpenland und Casa-Reha handelt. Ersterer soll jedoch nicht am Kauf, sondern höchstens an Anmietung interessiert sein. Casa-Reha hingegen ist nicht nur die bundesweit fünftgrößte Kette, sondern auch für schlechte Arbeitsbedingungen und Pflegequalität bekannt. Das TV-Magazin „Monitor“ brachte dazu am 29.6.2000 einen Beitrag. Im September 2005 ging CasaReha schließlich an den Private-EquityFond Advent über, es handelt sich also um eine Heuschrecke! So werden Pflegeheimplätze reduziert und zukünftige Gewinne maximiert. Die finanziellen Lasten trägt natürlich die öffentliche Hand. rm Berlin Anstoß April 2007 Seite 7 Neues aus der BVV: Aufstand der grünen Basis? Der Dr uc k im K essel steigt Druc uck Kessel Alles hätte so einfach sein können. Senat und Bezirk privatisieren bis an den Rand der Selbstauflösung. Öffentliche Dienstleistungen und Immobilien werden verramscht oder eingestellt. Anwohnerund Betroffenenbeteiligung findet erst statt, wenn Entscheidungen schon getroffen sind. Aber jetzt spielt die soziale Basis des grünen Bürgermeisters Schulz nicht mehr mit. Begleitet von massivem Protest fand am 28.2. die Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg statt. Mit Unterschriftenübergabe, Transparenten, Wurfzetteln und Zwischenrufen wurde die sonst gepflegte Langeweile durchbrochen. Bezirk FriedrichshainKreuzberg und Senat wollen folgende Seniorenwohneinrichtungen verscherbeln: Mehringplatz 5: 72 Wohnungen. Grundstücksleihvertrag mit der Gewobag/WIR 2006 beendet. Übergabe an den Liegenschaftsfonds noch 2007 wahrscheinlich. Gneisenaustraße 12-14/ Riemannstraße 22: Grundstücksleihvertrag mit der Gewobag/WIR zu Mitte März 2007 gekündigt. Charlottenstraße 85: Grundstücksleihvertrag mit der GSW läuft Ende 2008 aus. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl weiterer Seniorenwohnhäuser in Kreuzberg, die von Grundstücksleihverträgen betroffen sind. Seniorenheim „Richard Weiß“, Fidicinstraße 2, 105 Wohnplätze. Steht vor dem Verkauf als Pflegeheim. Seniorenheim Stallschreiberstraße 12, ca. 100 Wohnplätze. Grundstücksleihvertrag mit der WBM ausgelaufen, Übergabe ohne Nutzungsbindung an Liegenschaftsfonds geplant. Bewohner sollen in Fidicinstraße umziehen. Beispiel Elternzentrum Mehringdamm: Die WASG-Fraktion hatte den Antrag gestellt, für das Elternzentrum Mehringdamm einen Runden Tisch einzurichten, mit dem Ziel des Erhalts in öffentlicher Hand. Der Antrag geht noch mal in den Jugendhilfeausschuß. Am 21.12.06 teilte die Bezirksstadträtin für Jugend, Familie, Schule, Frau Herrmann, dem Elternzentrum mit, daß im ersten Quartal 2007 die Einrichtung an einen freien Träger übergeben werden solle. Die Stelle der Leiterin ist bereits ausgelaufen. Die Betroffenen, darunter 46 kooperierende Vereine und Gruppen, sind besorgt über die Zukunft der bisher angebotenen Leistungen. Sie initiierten eine Unterschriftenaktion, in der der Erhalt in öffentlicher Hand, Verzicht auf Kürzungen, Weiterbeschäftigung der Honorarkräfte, rechtzeitige und umfassende Beteiligung und Information der Beteiligten bzw. der Öffentlichkeit gefordert werden. Frau Herrmann zeigte kein Entgegenkommen. Sie betonte in einer schier endlosen Rede über die Qualität der bezirklichen Betreuungskonzepte, daß man sich auf gesetzlich vorgeschriebene Kernleistungen konzentrieren wolle. Letzteres sei bereits 2003 beschlossen worden. Andere Leistungen könnten von freien Trägern erbracht werden. Und das sei auch keine Privatisierung. Im Gegenteil, dies böte mehr Flexibilität, mehr sozialräumliche Ausrichtung und Möglichkeiten zur Drittmittelaquise. Burkert-Eulitz (Grüne) unterstützte dies mit dem Hinweis, der Bezirk solle sich mehr zurückhalten und statt einer etatistischen Ausrichtung mehr Vielfalt durch private Träger zulassen. Immerhin wurde in Aussicht gestellt, daß die Honorarkräfte auf jeden Fall bis zum Sommer weiter beschäftigt werden. Wie großzügig. Beispiel Fichtebunker: Der im Kreuzberger Graefekiez gelegene ehemalige Gasometer und spätere Bunker in der Fichtestraße wurde in der letzten Legislaturperiode an den Berliner Liegenschaftsfond gegeben. Der fand einen Käufer für das leerstehende Baudenkmal und informierte im September 2006 über den Senat auch das Bezirksamt. Die Verhandlungen schritten fort, aber die Anwohner erfuhren erst am 6.12. davon. Als Investor tritt ein Architektenbüro auf, das hier Luxusapartments einrichten will, z.T. im Bunker und in geplanten benachbarten Neubauten. Dasselbe Büro baut gerade die vor zwei Jahren geräumte Yorckstraße 59 zu Luxus-Lofts um. Viele Anwohner sind aufgebracht wegen der Folgen einer solchen Bebauung: in Kreuzberg knappe Grünflächen werden verkleinert, Verdrängungseffekte durch steigende Mieten sind zu erwarten, der benachbarte und intensiv genutzte Sportplatz ist aus Lärmschutzgründen in seinem Bestand bedroht. Infragegestellt ist durch die Privatisierung auch der Denkmalschutz. Der Verkauf ist unter Dach und Fach, das Grundstück ging zum Schleuderpreis von 150 Euro pro Quadratmeter über den Tisch. Der Kaufpreis für den Bunker bleibt im Dunkeln. Den protestierenden Anwohnern warf Schulz entgegen, sie hätten doch eine Wohnung. Folglich muß es wohl wohnungslose Manager und Promis geben, für die Herr Schulz endlich ein Zuhause schaffen will. Baubeginn ist angeblich bereits im Mai 2007. Die Initiative Fichtestraße sammelt Unterschriften dagegen. Die SPD stellte dazu eine große Anfrage und einen Antrag für einen neuen Bebauungsplan. Sie blieb in ihrer Kritik aber bei der Kritik an der schlechten Informationspolitik des Bezirksamtes und bei baurechtlichen Aspekten stehen. Ebenso wie beim Elternzentrum Mehringdamm versuchen die Friedrichshain-Kreuzberger Sozialdemokraten, sich an die Spitze des Protestes zu stellen, um diesen sogleich zu entschärfen. So ist die SPD im Bezirk ein entschiedener Förderer von Privatisierung. Beispiel Bethanien: Ein Dringlichkeitsantrag der WASG wurde von der BVV abgelehnt, der sich gegen die geplante Übergabe des Bethaniens an das Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB), betrieben durch die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), wandte. Wie am 27.2. bekannt wurde, ist dies, entgegen der Beschlußlage der BVV, die Absicht des Senats. Verknüpft wurde damit die Forderung, die Besetzer bis zum Sommer 2007 zu räumen und mögliche reguläre Mieter zu nennen, die in der Folge marktübliche Mieten zu zahlen hätten. Das unterläuft die Ergebnisse des erfolgreichen Bürgerbegehrens und den Bemühungen am Runden Tisch Bethanien und in der Initiativplattform um ein soziokulturelles Zentrum. Herr Borchardt (SPD) widersprach demAntrag mit dem Hinweis, noch läge dazu nichts Schriftliches vor und man könne sich damit Zeit lassen. Rolf Meier Berlin Seite 8 Berliner Kahlschlag-Telegramm März 07 Investoren kaufen Berlin. Grundstücke, Häuser und Wohnungen sind Zielobjekte von Spekulanten. Am liebsten wird unsaniert gekauft, modernisiert und anschließend die Mieten kräftig erhöht oder wieder verkauft. Das Land Berlin heizt diese Stimmung durch die Verkäufe von Wohnungen der städtischen Gesellschaften mit an. *** Nicht nur, daß die Schulen zu wenig Lehrer haben. Jetzt vermeldet die GEW, daß dem Land die Lehrer weglaufen. Grund hierfür sind die Arbeits- und Lohnpolitik des Landes. In den meisten Bundesländern wird Lehrern inzwischen mehr geboten. *** Tausenden von Mitarbeitern in den Berliner Jobcentern droht zum Jahresende Arbeitsplatzverlust. Sie sind nur mit Zeitvertrag von den Arbeitsagenturen beschäftigt. Nur ein kleiner Teil von ihnen soll im nächsten Jahr weiterbeschäftigt werden. Hintergrund sind geplante Auslagerungen von Tätigkeiten an Dritte. In Berlin sind ca. 60 % der MitarbeiterInnen in den Agenturen betroffen. *** Die Zahl der überschuldeten Berliner ist im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Die Verbraucherinsolvenzen haben gegenüber dem Vorjahr um 70% zugenommen.An der Spitze liegt Lichtenberg, gefolgt von Marzahn-Hellerdorf und Neukölln. Insgesamt gelten mehr als 15 % aller Berliner Haushalte als überschuldet. Jeder Siebte kann seine Rechnungen nicht bezahlen, schätzungsweise 430.000 Berliner. Anstoß April 2007 Auf zur „Gemeinschaftsschule“? Zuweilen holt die Zukunft, die in der untergegangenen DDR liegt, die bundesrepublikanische Gesellschaft wieder ein. Denken wir an die schleppende Anerkennung des Kindergartens als Bildungseinrichtung oder an die Diskussion über den massiven Ausbau der Krippenplätze, die das althergebrachte Familienleitbild in Frage stellen. Nun wächst auch allmählich die Erkenntnis, daß das hoch selektive dreigliedrige Schulsystem, das flugs auch den neu hinzugekommenen Bundesbürgern verordnet wurde, wohl doch nicht das Gelbe vom Ei ist. Aber wie das anstellen, ohne Erinnerungen an die Einheitsschule aufkommen zu lassen? „Gemeinschaftsschule“ taufte man das Kind. Die Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und PDS sehen ihre Einführung vor – als Pilotprojekt. Dort wird definiert: „Gemeinschaftsschulen sind Schulen, in denen alle Schüler und Schülerinnen mindestens bis zum Ende der 10. Klasse gemeinsam lernen und möglichst viele von ihnen gemeinsam das Abitur ablegen.“ Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Nicht doch: Eine Gemeinschaftsschule ist „eine Schule, die Heterogenität respektiert und alle Kinder und Jugendlichen ... im gemeinsamen Schulleben individuell fördert. Eine solche ‘Gemeinschaftsschule’ ist das krasse Gegenteil einer ‘Einheitsschule’.“ Peter Heyer, Vorsitzender der Berliner Landesgruppe des Grundschulverbandes, gibt mit diesem Statement den durchaus repräsentativen Geisteszustand der Freunde und Förderer dieser ganz neuen Schulart wieder. Eine weitere mögliche Verwirrung muß aufgeklärt werden. Es gibt ja auch noch die Gesamtschulen. Wo ist der Unterschied? Die Gesamtschule kennt noch die Differenzierung nach Leistungsgruppen; die Gemeinschaftsschule verlangt insofern ein höheres Maß an Akzeptanz heterogener Gruppen. Der Einstieg in die Gemeinschaftsschule soll ganz vorsichtig erfolgen (und ist inzwischen schon auf das übernächste Schuljahr verschoben worden). Man sucht zunächst Freiwillige. Nun gibt es ja durchaus Ziele, die mit der Partisanenstrategie verfolgt werden können, der Ausbau von Ganztagsschulen zum Beispiel. Bei der Einführung der Gemeinschaftsschule funktioniert das nicht. Beschließt zum Beispiel ein Gymnasium, ganze Grundschulklassen aufzunehmen, freuen sich die benachbarten Gymnasien, daß sie einen Konkurrenten weniger haben. Seltsam, der schlagartige Übergang von der Einheitsschule zum dreigliedrigen System nach der Konterrevolution war möglich, umgekehrt soll’s nicht gehen? Bei alldem sollte man nicht vergessen: Allen ideologischen Verrenkungen zum Trotz bilden die genannten Protagonisten der Gemeinschaftsschule noch die Speerspitze des Fortschritts in unserer Republik. Den gewichtigeren Teilen unserer Gesellschaft paßt sowieso die ganze Richtung nicht. Selbst die massive Kritik des UNO-Sonderberichterstatters Vernor Muñoz, wonach das deutsche Schulsystem gegen das Menschenrecht auf Bildung verstoße, prallt an ihnen ab. Über manche Veränderungen – wie über die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule lassen sie mit sich reden, aber beim Gymnasium hört der Spaß auf. Und Wowereit, Mitunterzeichner der Koalitionsvereinbarungen, beeilte sich zu versichern, daß diese heilige Kuh nicht angetastet wird. Der SPD-PDS-Senat ist eben doch etwas anderes als der SPD-SED-Magistrat von 1948, der das „Gesetz zur Einheitsschule“ durchsetzte, das in Westberlin nur bis 1951 Bestand hatte. Georg Spitzweg Anstoß April 2007 Berlin Seite 9 Wenn Nazis über Kinder ar mut rreden eden Kinderar arm Petra Allemann sitzt für die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Treptow-Köpenick. Berliner Anstoß sprach mit ihr über ihreArbeit in der BVV und die Erfahrungen mit der ebenfalls vertretenen neofaschistischen NPD. In die BVV Treptow-Köpenick konnte die NPD in Fraktionsstärke einziehen. Noch dazu mit ihrem Frontmann, dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Wie treten die Nazis in der BVV auf? Bisher tritt die Fraktion der NPD in der Bezirksverordnetenversammlung eher verhalten, man könnte fast sagen, abwartend auf. Die einzigen Beifallsbekundungen, derer sie sich sicher sein können, kommen von grölenden, jugendlichen Anhängern auf der Zuschauertribüne. Die sind leider immer zahlreich vertreten. Was sind die Politikfelder, in denen die NPD punkten will? Bisher haben sie sich für die Aufhebung des Durchfahrtsverbots in der Altstadt Köpenick stark gemacht. Ferner wollten sie wissen, was die vom Bezirksamt unterstützte Demonstration gegen den Aufmarsch der Neonazis gekostet hat. Sie fordern außerdem, daß keine Finanzen für Migrantinnen und Migranten und ihre Kinder in der Haushaltsplanung berücksichtigt werden. Aber Kinderarmut wollen sie zum großen Thema machen – natürlich nur die von deutschen Kindern. Wie reagieren die anderen Parteien auf die Anträge und Redebeiträge der Neonazis? Das hängt vom Gehalt ihrer Beiträge ab. Wenn die Rechten sich deutlich gegen demokratische Grundsätze richten und Menschrechtsverletzungen bejahen, ist die Ablehnung eindeutig. Jüngstes Beispiel war ein Antrag der NPD, der sich gegen die Verwendung von Anglizismen bei Debatten und Vorträgen in der Bezirksverordnetenversammlung richtete, zum Beispiel gegen Begriffe wie Highlights, Mail, No-Nazis, Music-Event, etc. Wir sollten, so die Nazis, mit gutem Beispiel vorangehen und die ausdrucksvolle deutsche Sprache fördern. Ich erspare Euch lieber weitere Ausschweifungen dieser bizarren Denkart. Mit welchen Punkten seid Ihr als Vertreter der WASG bisher in der BVV aufgetreten? Momentan sind wir in den Ausschüssen “Soziales und „Finanzen“ vertreten. Wir haben zum Beispiel einen Antrag auf „Weihnachtsgeld für ALG-IIBezieher“ auf die Tagesordnung gesetzt. Bei diesem Antrag wird sich zeigen, wie und ob sich die Kolleginnen und Kollegen der anderen demokratischen Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung in die Problematik der Arbeitslosengeld-II-Empfänger und deren Kinder hineinversetzen können. In Vorbereitung sind einige weitere Anträge sowie diverse „kleine“ und „große“ Anfragen an das Bezirksamt. Sind Bürger mit Problemen an Euch herangetreten? Ja, wir werden häufig um Rat gefragt. Es geht um Probleme mit dem Jobcenter und der Verwaltung, einer jungen Mutter mit zwei Kindern, die nach der Scheidung von ihrem Mann nicht mehr krankenversichert war, mußte dringend geholfen werden. Ein älterer Herr, der ein kleines Grundstück gepachtet und dort eine Garage errichtet hat, wandte sich an uns, weil er befürchtet, daß nach dem Verkauf des Grundstücks der Pachtvertrag aufgehoben und er seine Garage verlieren würde. In der aktiven, konkreten Hilfestellung sehen wir einen der Schwerpunkte unserer Arbeit und versuchen so unser Wahlversprechen zu erfüllen. In dem Sinne habt Ihr auch begonnen, ein Arbeitslosenfrühstück anzubieten. Wie waren die ersten Erfahrungen? Das Arbeitslosenfrühstück ist für uns sehr wichtig, um mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in direkten Kontakt zu kommen. In einer zwanglosen Runde können Betroffene leichter über ihre Probleme sprechen und wir versuche, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die erste Erfahrung war positiv, wenn auch verhalten, das heißt, es hätten ruhig mehr Betroffene kommen können, doch wir denken, anfänglich bestehen da wohl immer Berührungsängste. Die Fragen stellte Wera Richter. Öffentliche Veranstaltung der DKP Treptow-Köpenick: Zur sozialen Demagogie der Neofaschisten Beiträge u.a.: Soziale Demagogie der NPD (SDAJ) Erfahrungen aus der BVV (WASG ) Kampagne für das Verbot der NPD (VVN-BdA) 23. April, 19 Uhr Begegnungsstätte PRO Kiefholzstraße 175 Berliner Kahlschlag-Telegramm März 07 Die Personalpolitik des Landes macht sich bei den Lehrern bemerkbar. Die Pädagogen sind im Schnitt 50 Jahre alt. Berlin wird also in absehbarer Zeit arge Probleme mit dem Nachwuchs bekommen. *** Nach einem antisemitischen Vorfall in einer Berliner Polizeischule wird die Neutralität der Berliner Polizei hervorgehoben. Die Polizei sei weder „links- noch rechtslastig“. Stimmt zum Teil, in der Geschichte hat die Berliner Polizei immer wieder bewiesen, daß sie versteht, gegen Linke in dieser Stadt durchzugreifen. *** Landowsky ist jetzt vorbestraft. Wegen nachgewiesener Untreue wurde er zu 16 Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Zeche zahlen die Berlin mit Millionen zusätzlichen Schulden. Die SPD jubelt. Waren nicht auch Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung? *** 20.000 neue Jobs in Berlin prognostiziert die IHK durch den „Wirtschaftsaufschwung“. Schön, da gerade mal wieder 1.000 Arbeitsplätze bei Schering wegfallen. Ein Wermutstropfen: Der so genannte Aufschwung fällt in Berlin wie schon seit Mitte der 90er Jahre nicht so „hoch“ aus wie in den westlichen Bundesländern. Berlin wird also weiter abgehängt. Bitte beachtet! Die e-mail-Adresse der DKP Berlin hat sich geändert! Sie lautet jetzt: [email protected] Seite 10 Aus der DKP Berlin Anstoß April 2007 Inter na tionaler F g bei der Ber liner DKP Interna nationaler Frrauenta auentag Berliner Die Berliner Genossinnen und Genossen nahmen den 8. März 2007 zum Anlaß, sich der revolutionären Tradition der proletarischen Frauenbewegung zu erinnern und den Weg von Frauen in die kommunistische Bewegung zu beleuchten. Mit Blick auf den 90. Jahrestag der Oktoberrevolution in Rußland erinnerte Erika Baum an den 8. März 1917, an dem die Frauen in St. Petersburg, einem Aufruf der Bolschewiki folgend, auf einer machtvollen Kundgebung „Brot – Nieder mit dem Krieg – Nieder mit der (zaristischen) Selbstherrschaft“ forderten und so den Auftakt zum Generalstreik gaben. Kein Hartz-IV-Fall Da wurde gerade der 59-jährige Justizstaatssekretär Christoph Flügge in den Ruhestand versetzt. Dafür ist ein neuer, ein 60-jähriger mit Namen Hasso Lieber, ernannt worden. Warum man den Flügge nicht und den Lieber lieber haben will, ist noch ungeklärt. Klar ist nur, daß der Flügge als Ruheständler die nächsten drei Monate das volle Gehalt in Höhe von 7580 Euro monatlich bekommt und dann bis zum Lebensende ein Ruhegehalt von 5586 Euro erhält. Der Gesetzgeber will es so, auch, daß der Herr Staatssekretär, wie die anderen Beamten, nicht in die Rentenversicherung eingezahlt hat. Wie wird eine Wohnung „angemessen“? ALG-II-Empfängern steht nur eine „angemessene“ Wohnung zu. Das haben die „Volksvertreter“ im Bundestag beschlossen. Da hat zum Beispiel eine Mutter mit ihrem erwachsenen Sohn ein Zimmer zu viel. Kleinere Wohnungen sind knapp, Umzug auf Kosten der Kommune zu teuer. Was wird gemacht? Ein Zimmer wird verschlossen. Der Raum darf nur zum Lüften betreten werden. Die Wohnung ist nun „angemessen“. Der Vermieter bekommt weniger Miete und die Wohnung ist weiter vermietet. Einzelfall? Nein, allein in den Häusern der „Wohnbau GmbH Löbau“ sind auf diese Art und Weise 95 Wohnungen von ALG II Empfängern „angemessen“ verkleinert worden. Die Kommune hat kein Geld, und der Gesetzgeber hat es so beschlossen. Irrsinn? Wahnsinn oder Schwachsinn? JM An den 60. Jahrestag der Gründung des „Demokratischen Frauenbundes Deutschlands“ vor 60 Jahren knüpfte sie den bedeutenden Anteil der Frauen an der Beseitigung der Trümmer und dem Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen und später einer sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Dabei waren die Bildung antifaschistischer Frauenausschüsse, die Bewegung „Rettet die Kinder“, die demokratische Schulreform und ihre aktive Mitarbeit in den Selbstverwaltungsorganen in der SBZ wichtige Stationen. Das gewachsene politische Bewußtsein der Frauen kam auch in ihrem Votum für die Enteignung der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten, ihrem Engagement im Kampf für den Frieden und die Ächtung der Atomwaffen zum Ausdruck. DieArbeiter- und Bauernmacht in der DDR bot den Frauen die Bildungsmöglichkeiten, die ihnen größtenteils in der Vergangenheit vorenthalten wurden und befähigte sie, leitende Funktionen in Politik und Wirtschaft einzunehmen und im Bildungswesen in Kindergärten, Schulen, Fach- und Hochschulen mit ihren Beitrag ein international beispielgebendes Niveau zu erreichen. Auf die Frauenbewegung in der sich als Rechtsnachfolger der Nazi-Diktatur verstehenden Alt-BRD, die das auch mit personeller Kontinuität gewährleistete, ging Jupp Mallmann ein. Männer und Frauen – 9 Millionen berufstätige Frauen und Mädchen – junge und alte kämpften gemeinsam um die Überwindung der Kriegsfolgen, „um die Beseitigung der Trümmer im Land und in den Köpfen“. Gemeinsam wurde auch der Kampf gegen die von der Adenauer-Regierung betriebene Remilitarisierung, die Kriegsvorbereitungen der NATO und die Notstandsgesetzgebung geführt. Im Kampf um die Gleichberechtigung der Frau konnte immer auf das Beispiel der Realität in der DDR verwiesen werden. Während auf lokaler Ebene schon seit 1946 Frauenausschüsse aktiv waren, wurde erst nach dem 8. März 1950 in NRW der DFD als Vertreter der grundlegenden politischen und sozialen Interessen der Frauen gegründet, begleitet von den Warnungen des SPD-Parteivorstandes vor der „kommunistischen Organisation“. 1957 wurde der DFD in der BRD mit Erlaß des Innenministers aufgelöst und verboten, wie vorher FDJ, KPD und VVN. Politisch aktive Frauen wurden kriminalisiert, langwierigen Ermittlungsverfahren unterworfen und so der Diskriminierung am Arbeitsplatz und der verleumderischen Hetze der Medien ausgesetzt. Viele von ihnen wurden wegen „Staatsgefährdung“, „Geheimbündelei“, „Verfassungswidrigkeit“ und „Rädelsführerschaft“ verurteilt. H. Strohschein Inter na tionaler F g „inter nacional“ nationaler Frr auenta auentag Am 9. März 2007 feierten im Ladenlokal der Chile-Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V. in Neukölln die Vereine Colibri e.V. (Peru), Polo Democrático Alternativo (Kolumbien), Yanapakuna e.V. (Bolivien), Chile-Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V. sowie die DKP Neukölln und Berlin gemeinsam den Internationalen Frauentag nach. Für gute Unterhaltung sorgten an diesem Abend die Musiker Cirilo Adriazola (Chile) und Fernando Vidales (Peru). Dank des ersten Redebeitrags von Burga wurde in Erinnerung gerufen, daß Gleichberechtigung von Frau und Mann in der DDR nicht nur ein Passus in der Verfassung war. Gleichberechtigung war alltäglich. Sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich war die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen nahezu selbstverständlich. Heute, 17 Jahre nach der vorläufigen Niederlage des Sozialismus in Deutschland ist das nicht mehr so. Frauen erhalten oft einen geringeren Lohn, auch wenn sie die gleiche Arbeit wie Männer verrichten. Frauen sind insbesondere von prekären Beschäftigungen, Arbeitslosigkeit und Hartz IV betroffen. Im zweiten Redebeitrag rückten vor allem die Frauen in den Mittelpunkt, die mit militärischen Auseinandersetzungen und Kriegen konfrontiert sind. In solchen Situationen sind es in erster Linie Frauen, die Opfer von Gewalt, Mißhandlungen und Armut sind. Der Internationale Frauentag hat nicht an Aktualität verloren. Nach wie vor müssen wir für die politische, ökonomische und gesellschaftliche Partizipation der Frauen in Deutschland, in Europa, in der ganzen Welt eintreten und kämpfen. Denn: „Der gesellschaftliche Fortschritt läßt sich exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts…“ (Karl Marx) Doreen B. Anstoß April 2007 Aus der DKP Berlin Neue DKP-Gr uppe g e g r ündet DKP-Gruppe ge Fragen an den Vorsitzenden der Gruppe, Bruno Chelli Am 27. Februar wurde es offizell: Die neue DKP-Gruppe Tempelhof-Schöneberg kam zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Du wurdest als ihr Vorsitzender gewählt. Wie kam es zu dieser Neugründung? Wir waren ja vorher zusammen in der Gruppe Neukölln/Südwest, und diese Gruppe wurde – ein erfreuliches Problem – einfach zu groß. Da 15 Genossinnen und Genossen ihren Wohnsitz im Bezirk TempelhofSchöneberg haben, lag es nahe, hier eine eigenständige Parteigruppe aufzumachen. Ich denke, es ist wichtig, daß die Partei nach und nach flächendeckend, in allen Bezirken präsent ist. Vor allem Schöneberg ist ein wichtiger Bezirk, schon aus historischer Sicht: In den Zwanziger Jahren war er fest in kommunistischer Hand. Was gibt Euch die Zuversicht, daß es eine tragfähige Gruppe wird? 15 Mitglieder hört sich auf den ersten Blick nicht sonderlich viel an, aber es sind aktive, initiativreiche Genossen, die mir die Arbeit als Vorsitzender leicht machen. Sie wirken in unterschiedlichen Bereichen – sei es in den Gewerkschaften, in der Friko oder in der BüSGM. Da gibt es Kontakte, die weiter entwickelt werden müssen und ich denke, daß die Genossen, die in sozialen Bewegungen und in Bündnisorganisationen mitarbeiten, ein ausgesprochen gutes Ansehen genießen und das wollen wir natürlich ausbauen. Und dann gibt es natürlich auch Kontakte zur neuen WASG und zur PDS. Das deutet ja schon auf einige Schwerpunkte Eurer Arbeit hin. Könntest du noch weitere nennen, die sich die Gruppe zum Ziel gesetzt hat? Zunächst kommt es darauf an, regelmäßig im Bezirk – und da vor allem in Schöneberg – präsent zu sein. Industriebetriebe gibt es kaum noch. Es gibt noch zwei größere Metallbetriebe, wo auch Genossen tätig sind: DaimlerChrysler in Marienfelde und Gilette in Tempelhof. Als Wohngebietsgruppe setzen wir unseren Schwerpunkt auf kommunalpolitische Arbeit – in Zusammenarbeit mit anderen linken und außerparlamentarischen Gruppen. Für eine kommunistische Partei ist es immer schwierig, in nichtrevolutionären Zeiten zu arbeiten, aber nichtsdestotrotz werden wir unseren Teil dazu beitragen, die außerparlamentarische Bewegung gegen Krieg und Sozialabbau zu stärken. Die Fragen stellte Helmut Dunkhase Antifa-Erfahrungsaustausch Mitte März fand ein erster Erfahrungsaustausch der aktiven und organisierten Antifaschisten der DKP-Berlin statt. Auf diesem Treffen berichteten die Genossinnen und Genossen zunächst über antifaschistische Aktivitäten in ihren Stadtbezirken und die Zusammenarbeit mit der VVN-BdA und antifaschistischen Bündnissen. So organisierte zum Beispiel die Gruppe Mitte in diesem Jahr erneut eine Ehrung des Antifaschisten Otto Grünberg im Stadtbezirk Charlottenburg, fußend auf einer Tradition der 70iger und 80iger Jahre in Westberlin. Des weiteren diskutierten wir über Aufgaben, die eine regelmäßige Antifa-Beratung leisten kann. Ziel ist es, zum einen, Standpunkte der DKP zu diskutieren und den Meinungsaustausch weiter zu entwickeln, damit die Genossinnen und Genossen in den Bündnissen mit unseren Standpunkten sicherer auftreten können. Zum anderen geht es darum, die antifaschistische Arbeit im Bezirk, zum Beispiel das Auftreten bei Demonstrationen, bes- ser zu koordinieren. Einig waren wir uns, die Kampagne der VVN-BdA „NO-NPD – NDP-Verbot jetzt“ zu unterstützen. Erste Erfahrungen zeigen, daß viele Menschen bereit sind, die Kampagne mit ihrer Unterschrift zu unterstützen und daß die Unterschriftenlisten eine gute Möglichkeit sind, über die Rolle der NPD und die Gefahr, die von ihr ausgeht, ins Gespräch zu kommen. Wir rufen daher alle Gruppen und Genossinnen und Genossen auf, die Unterschriftenlisten stärker in ihre Arbeit einzubeziehen. Auf einer weiteren Beratung am 16. April (19.30 Uhr, Bezirksbüro der DKP) wollen wir uns inhaltlich mit der VVN-Kampagne und dem stadtpolitischen Papier der DKPBerlin zum Bereich Antifaschismus (www.dkp-berline.online.de) beschäftigen und diskutieren, wie es für ein Öffentlichkeitsmaterial der DKP genutzt werden kann. Interessierte Genossinnen und Genossen sind willkommen. Micha Czech Seite 11 Debatte Forderung nach Zinsmoratorium wirft Fragen auf In der letzten März-Versammlung der Gruppe Neukölln wurde der Diskussionsbeitrag der Betriebsgruppe für ein Zins- und Schuldenmoratorium aufgegriffen. Nach einer kurzen Einführung zum Thema öffentlichen Finanzen und der Berliner Finanzsituation wurden Forderungen formuliert und dabei über den Inhalt und Folgen eines Moratoriums diskutiert. Es wurde festgestellt, daß • die Forderung nach einem Zinsmoratorium zwar von der DKP in den vergangenen Jahren häufig in die Diskussion gebracht wurde, aber keine Konkretisierungen vorgenommen wurden. • eine Konkretisierung der Forderung auch die Frage klären muß: was passiert in der Zeit, in der dieses Moratorium läuft und was passiert danach? Der Aufschub der Zahlungen schiebt nur einen Berg von Schulden vor sich her. Dieses werden sich die Banken bezahlen lassen wollen. • die Durchsetzung dieser Forderung muß von einer breiten Bewegung getragen werden. • die von der Betriebsgruppe erweiterte Forderung nach einem Zins- und Schuldenmoratorium eine Möglichkeit wäre, ein Bewußtsein in der Bevölkerung zu schaffen, daß die Verschuldung der öffentlichen Haushalte kein natürlicher Prozeß ist. • die Forderung nur ein erster Schritt sein kann. Der Zinserlaß wäre ein Weg, um die Schuldentilgung möglich zu machen. Die Forderung nach einem (teilweise?) Schuldenerlaß muß gleichzeitig in die Diskussion gebracht werden. Es wurde deutlich, daß eine genauere Auseinandersetzung mit der Finanzsituation Berlins und den möglichen Alternativen erforderlich ist. Berlin zahlt bspw. mehr Zinsen als an Nettokreditaufnahme getätigt wird. Dieses wird noch steigen, da auch nach der optimistischen Finanzplanung des Landes noch bis 2011 eine Neuverschuldung trotz drastischen Einschränkungen im Sozialbereich, Senkung der Investitionen und dem Personalabbau vorgesehen ist. Die Versammlung begrüßte die angeschobene Diskussion durch die Betriebsgruppe und fordert die LeserInnen des Berliner Anstoß auf, sich an der Meinungsbildung zu beteiligen. Rainer Perschewski Geschichte der Arbeiterbewegung Seite 12 Anstoß April 2007 Berliner Kalenderblatt: April 1947 – Bür ger meister Ostr owski wir d a bg esetzt Bürg ermeister Ostro wird abg bgesetzt Am 5. Dezember 1946 wurde Dr. Otto Ostrowski (SPD) auf Vorschlag seiner Partei zum Oberbürgermeister von GroßBerlin gewählt und als versierter Fachmann und beispielhafter Sozialdemokrat gepriesen. Im April 1947 wurde er von seiner Partei fallen gelassen. Ostrowski – ein Gegner der Vereinigung der Arbeiterparteien – bemühte sich, seine Arbeit im Dienste der gesamten Bevölkerung Berlins zu verrichten, um die Nöte der Menschen zu lindern. Durch die Bestrebungen der West-Alliierten in Zusammenarbeit mit der rechten sozialdemokratischen Führung, eine Restauration der kapitalistischen Verhältnisse auch in den Westsektoren Berlins – also mitten in der Sowjetischen Besatzungszone zu betreiben – war das Regieren fast unmöglich. Vorschläge der SED-Fraktion im Abgeordnetenhaus für den weiteren Aufbau der Stadt, um die Situation der Bevölkerung zu verbessern, waren vergeblich. Die neuen Herren waren nach der Wahl im Oktober 1946 mit Postenverteilung und der Entlassung bewährter Antifaschisten beschäftigt. „Hunger und Kälte, Not und Verbrechen gehen jetzt über Berlin hin“, verkündete Ostrowski am 2. Januar 1947. Durch seine Gespräche mit dem sowjetischen Kommandanten erreichte er im Hungerwinter 1946/1947 zusätzliche Holzeinschläge aus den Wäldern der sowjetischen Besatzungszone. Er suchte die Kooperation mit der SED und erarbeitete mit einigen Sozialdemokraten und Mitglieder der SED ein gemeinsames Arbeitsprogramm für Berlin. Diese Ergebnisse alarmierten die tonangebende reaktionäre Führungsgruppe der Berliner Sozialdemokratie. Sie entfesselten in der Westberliner Presse ein wahres Kesseltreiben gegen ihn. Als Ostrowski sich auch noch weigerte, Geld v er str euen ver erstr streuen als W ider standshandlung iderstandshandlung Ein Antifaschist wird geehrt Anläßlich seines 100. Geburtstages am 15. März kamen Antifaschisten, darunter Mitglieder der DKP, in der Lichtenberger Wönnichstraße 105 zur Ehrung des antifaschistischen Widerstandskämpfers Georg Lehnig zusammen. Hier, wo Georg Lehnig wohnte, wurde eine Gedenktafel (wieder) angebracht, die vor einem Jahr gestohlen worden war. Eine weitere Gedenktafel in der Kadiner Straße 16, einem anderen Wohnort Lehnigs, wurde in Eigeninitiative vom antifaschistischen Aktivisten Kutte Schettlinger restauriert. Georg Lehnig, Tischler und Mechaniker, seit 1923 Mitglied des KJV und seit 1927 der KPD, war zusammen mit seiner Frau Cläre Mitglied einer Widerstandsgruppe, zu der auch Werner Seelenbinder gehörte. Am 11. Januar 1945 wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 28. März 1945 im Zuchthaus BrandenburgGörden hingerichtet. Eine Vertreterin des Bezirksamtes Lichtenberg moderierte die Veranstaltung. Schülerinnen und Schülern des Leistungskurses Deutsch in der 12. und 13. Jahrgangsstufe des Herder-Gymnasiums stellten im Rahmen ihres Projekts „Antifaschisten in aller Munde“ den Beitrag über Georg Lehnig vor. Ein Trompeter spielte Melodien mit einem Bezug zum Geehrten. Abschließend mahnte der nun 95-jährige Alfred Wittig, ein Mitkämpfer Georg Lehnigs, sein antifaschistisches Vermächtnis weiter zu tragen. Am Rande der Veranstaltung zog Alfred Wittig ein Exemplar einer selbst geprägten „Streumünze“ aus der Tasche. Diese Münzen wurden, in Betrieben etwa, unauffällig fallen gelassen. Auf der einen Seite war das Hakenkreuz beschriftet mit „Krieg, Tod, Lüge, Elend“, auf der anderen Seite Stern mit Hammer und Sichel mit der Aufschrift „Kommunismus, Frieden, Fortschritt, Brot“. Für Verteiler und Aufsammler war das relativ ungefährlich: Man hatte in gutem Glauben Groschen gefunden. Helmut Dunkhase die SED-Funktionäre aus dem Magistrat zu entlassen, stellte seine eigene Fraktion am 11. April 1947 einen Mißtrauensantrag gegen ihn, der auch mit Mehrheit angenommen wurde. Am 17. April 1947 trat Ostrowski zurück. Otto Ostrowski findet auch heute noch in der Berliner SPD keine Würdigung. AK Geschichte Neukölln Der Vorstand des Freundeskreises „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte“ e.V. lädt ein zur traditionellen Kundgebung in Ziegenhals anläßlich des 121. Geburtstags von Ernst Thälmann. Es spricht Kurt Andrä, Mitglied des ZK der KPD Es singt der Arbeiter- und Veteranenchor Neukölln Sonntag, 15. April 2007, 11.30 Uhr auf dem Ehrenhof der Gedenkstätte Birkenweg/Seestraße Einig gegen Rechts! Kundgebung mit Alfred Fritz (KPD) u.a. Sonnabend, 14. April 2007, 14 Uhr vor dem Ernst-Thälmann-Denkmal Berlin-Prenzlauer Berg Veranstalter: Aktionsbündnis Thälmann-Denkmal Anstoß April 2007 Seite 13 Feuilleton Leben und Werk eines Dichters Vor 85 Jahren wurde Pier Paolo Pasolini geboren „Jedes Jahrhundert werden nur drei oder vier Dichter geboren, und wir haben einen Dichter verloren.“ Mit diesen Worten würdigte Alberto Moravia in seiner Totenrede 1975 Pier Paolo Pasolini.Am 5. März 2007 wäre er 85 Jahre alt geworden. Er studierte Literaturund Kunstgeschichte im roten Bologna und war dort von 1947 bis 1949 als Lehrer tätig, ehe er in einer Anzeige der Verführung eines 17jährigen beschuldigt und daraufhin entlassen wurde. Die IKP schloß ihn deswegen aus ihren Reihen aus. Die Anzeige nannte er „eine Heimtücke der Christdemokraten“, seinen Parteiausschluß eine „Unmenschlichkeit“. Ungeachtet dessen, „bleibe ich Kommunist“, schrieb er. Seine Homosexualität hat er nie verheimlicht. Pasolini war ein vielseitiges Talent. Er wurde als Dramatiker, Romancier, Lyriker, Literaturwissenschaftler, Filmregisseur und selbst als Maler bekannt, arbeitete als Journalist, schrieb Essays, war immer ein politisch engagierter Mensch. Die Sozialkritik rechnete er zu seinen wichtigsten Ambitionen als Künstler. Dabei war er selbstkritisch und gestand Schwächen offen ein. Er bedauerte, keine Erfahrungen in der Welt der industriellen Arbeit gemacht, keine ökonomischen Kenntnisse erworben, als Marxist zu wenig von Marx gelesen zu haben. Mitte der 50er Jahre wurde Pasolini als neorealistischer Schriftsteller mit seinen Büchern Ragazzi di Vita (1955) und Una Vita violenta (1959) sowie durch seine ersten Filme Accatone - Wer nie sein Brot mit Tränen aß (1961) und Mamma Roma (1962 mit Anna Magnani) als Regisseur rasch auch international bekannt. Er schrieb Theaterstücke und für Federico Fellini und Mauro Bolognini Drehbücher. Seine Werke widerspiegelten seine Sympathien für die Arbeiter, eingeschlossen das Lumpenproletariat (Una Vita violenta), das er in den Elendsvierteln von Rom kennen lernte. Pasolini zeigte offen seine Verachtung für die Bourgeoisie und ihr parasitäres Leben. Zur IKP, die Anfang der 70er mit ihrem „Historischen Kompromiß“ zur Klassenzusammenarbeit mit der Democrazia Cristiana überging, bezog er eine kritische Position, blieb ihr, mehr wohl ihrer kämpferischen Basis, aber immer eng verbunden. In einem Gedicht hieß es dazu: „Ich habe mich der IKP immer mit Hingabe widersetzt und erwartete eine Antwort auf meine Einwände. Ich wollte ja dialektisch vorgehen. Diese Antwort ist nie gekommen“. Pasolini schrieb in bildhafter, lebendiger und kraftvoller Sprache, verfaßte Streitschriften (Freibeuterbriefe, Lutherbriefe, Paulusbriefe) die seine kommunistische Gesinnung bezeugten, aber auch seine Sicht auf religiöse Gefühle ausdrückten, was auch seine verfilmte Matthäus-Evangelisation (1964) zeigte. In der Lyrik sind Ceneri di Gramsci (1957), dt. „Gramscis Asche” und L´Usignolo della Chiesa cattolica (1958), dt. “Die Nachtigall der katholischen Kirche“ zu nennen, von den Romanen Il Sogno di una Cosa (1962); dt. “Der Traum von einer Sache“ und Ali dagli Occhi azzurri (1965); dt. „Ali mit den blauen Augen“. In der Bundesrepublik sind viele seiner Werke bei Wagenbach erschienen. In seinem letzten Film Salò o le centoventi Giornate della Città di Sodoma, dt. Salò oder die 120 Tage von Sodom“ gestaltete er nach Marquis de Sade fiktiv die grausamen Zustände in einem Gefangenenlager in Salò, dem Sitz des Mussolini-Regimes am Gardasee unter der Okkupation der Hitlerwehrmacht. Den heftig umstrittenen Film prägten Resignation und Lebensekel. Im November 1975 fiel der Dichter einem furchtbaren Verbrechen zum Opfer. Am Rande von Rom, in Ostia, wurde er auf einem Fußballplatz von mehren Männern überfallen, schwer mißhandelt und dann mit seinem eigenen Wagen überfahren und getötet. Ein Strichjunge wurde von der Polizei gefaßt und behauptete, er habe in Notwehr gehandelt. Er wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Die Ermittlungen ergaben jedoch bald, daß er nicht der Täter gewesen sein konnte. Der Mord wurde nie aufgeklärt. In seinem preisgekrönten biographischen Roman „In der Hand des Engels“ (1985) verbreitete Dominique Fernandez die Version, der Dichter habe den Tod gesucht. Glaubwürdiger stellte Regisseur Marco Tullio Giordana in seinem dokumentarischen Spielfilm Pasolini, un Delitto italiano („Pasolini, ein italienisches Verbrechen“), 1996 auf dem Festival in Toronto uraufgeführt, die Tat als einen politischen Mord dar. Als vor zwei Jahren die Ermittlungen neu aufgenommen wurden, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“, „Faschismus, Mafia und Geheimdienste“ würden als „mögliche Täter identifiziert“. Diesen Kreisen, deren System er in vielen Werken unerbittlich angeprangert hatte, war er in der Tat zutiefst verhaßt gewesen. Das von der Korruption der Democrazia Cristiana zerfressene Italien hatte er einmal ein „grauenhaft dreckiges Land“ genannt. Politische Morde an Linken, begangen von Faschisten, Geheimdienstlern und Mafiosi waren in den 70er Jahren in Italien an der Tagesordnung. Pasolinis Hinwendung zur IKP war der Liebe eines Kindes vergleichbar, das sich nach Zuneigung sehnt. Im Leben oft nicht erwidert, wurde sie ihm im Tode zuteil. Unter den Trauergästen, die zu Tausenden zu seinem Begräbnis kamen, befanden sich viele Parteimitglieder, an ihrer Spitze Generalsekretär Enrico Berlinguer. Gerhard Feldbauer Der RBB sendet im Rahmen der Sendereihe „Die vergessenen Opfer des Kalten Krieges“ folgende Filmbeiträge: 7. Mai 2007 - 22.15 Uhr „Kalter Krieg im Radio“ 15. Mai 2007 - 22.15 Uhr „Achtung, Kräuterhexe...“ 22. Mai 2007 - 22.15 Uhr „Als der Staat rot sah“ Feuilleton Seite 14 (WEL T-)SCHIEDSRICHTER ANS (WELT TELEFON? In „Offside“, dem wunderbaren Fußballfilm ohne Fußball des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, geht es um die so einfallsreichen wie vergeblichen Bemühungen einer Gruppe junger Iranerinnen, zu einem wichtigen Qualifikationsspiel der iranischen Nationalmannschaft ins Stadion gelassen zu werden. Im Lande der Mullahs ist solches nämlich weiblichen Fußballfans grundsätzlich verboten. Das Verbot, so hören wir von einem der Polizisten, der die schrillen Girls unterm rot-weiß-grünen Kopftuch außerhalb des Stadions bewacht, dient unter anderem dazu, ihnen den Anblick pornografischer Graffiti zu ersparen, wenn sie mangels eigener Toiletten die der Männer aufsuchen müssten. Wie die Zeitung „Village Voice“ berichtet, sollte Panahis Film am 12. März auch im New Yorker Lincoln Center gezeigt werden, eingeführt von dem renommierten Iran-Kenner Prof. Hamid Dabashi. Der Regisseur selber wurde auch zu Interviews erwartet, da sein Film wenige Tage nach der Veranstaltung seinen New Yorker Kinostart haben sollte. Doch aus Panahis Besuch wurde nichts – die US-Behörden haben sein Einreisevisum widerrufen. Der Welt-Schiedsrichter hat gesprochen! „Offside indeed“, also „wirklich abseits“, lautet der sarkastische Kommentar des Blattes. Gründe für den Widerruf nennt der Bericht zwar nicht, aber die kann sich jeder „freedom & democracy“-begeisterte Leser mühelos selbst zusammenreimen. Erstens, zweitens und drittens: Herr Panahi ist Iraner! Wem das noch nicht Gründe genug sind, der kann weiter auswählen: Herr Panahi ist Künstler also Intellektueller also verdächtig. Sein Film ist gefährlich, denn er soll – wenngleich nur für ganz kurze Zeit – im Iran sogar das Stadionverbot für Frauen zum Wanken gebracht haben. Wer solch subversive Filme macht, dem ist auch zuzutrauen, daß er einen Fußball durch die Fensterscheiben des Oval Office schießen will. Und Fußball ist anders als Baseball oder American Football ohnehin unamerikanisch. Außerdem dient das Einreiseverbot für Panahi ja nur zu seinem eigenen Schutz. Wer kann ihm denn garantieren, daß sein Flug nicht einen Abstecher nach Guantanamo macht? Dort gibt es für Insassen wohl auch keine Damentoiletten, und die pornografische Phantasie des Bewachungspersonals dort ist inzwischen weltberühmt. (HGD) Die Filmrezension FULL MET AL VILLA GE METAL VILLAGE von Sung Hyung Cho „Nur“ ein Dokumentarfilm – aber was für einer! Einer, der beim diesjährigen Saarbrücker Max Ophüls-Festival allen Spielfilmen den Rang ablief, und dies völlig zu Recht. Denn die junge, in Südkorea geborene, aber seit vielen Jahren in Hessen lebende Regisseurin präsentiert ihre Beobachtungen aus einem 1800-EinwohnerKaff in Schleswig-Holstein so unterhaltsam und mit feinem Humor, wie es ein Spielfilm kaum besser könnte. Das Kaff heißt Wacken, und nicht einmal die, die dort leben, würden es als den Nabel der Welt ansehen. Für zigtausende Fans dröhnender Rockrhythmen aus aller Welt aber ist Wacken genau das: der Ort des „Wacken Open Air“, eines der größten Heavy Metal-Festivals der Welt. Ein Zusammenprall von Kulturen also, der hier allerdings eher als gesellige Begegnung stattfindet, auch wenn die 40.000 Fans in Leder und Nietenwams Anfang August in die betuliche Ruhe des Dorfes einfallen wie ein Donnerschlag und eine besonders fromme Dörflerin die wilde schwarze Heerschar direkt als Abgesandte Satans ansieht. Bevor nämlich die Äkker der Gegend mit Zelten übersät sind und die rockenden Massen vor der Riesenbühne in Trance geraten – Bilder, die an den organisierten Massenjubel von NaziAufmärschen erinnern – haben wir Wacken als ganz normalen, normal langweiligen Ort und seine Bewohner mit all ihren Ticks und Macken kennen gelernt: die fromme Oma Irmchen und ihre von einer Model-Karriere träumende Enkelin Katrin, den geschäftstüchtigen Öko-Bauern und Dauerraucher Trede und den Viehzüchter, der der Regisseurin in Babydeutsch seine Arbeit erklärt. Kurz: ein illustres Völkchen, das uns die Regisseurin auch dann noch gelassen und mit Sympathie vorführt, wenn man ihr Kritik an „zuviel Ausländern“ direkt ins erkennbar ausländische Gesicht sagt. Albert Ronnseiß Anstoß April 2007 In einem Satz (Kinotipps für April) Keine Sorge, mir geht’s gut (Regie: Philippe Lioret): Realistisches Familiendrama um eine jungeAusreißerin, mit großartiger Hauptdarstellerin und interessanter Schlusspointe. (Start: 22.3.) Havana – Die neue Kunst, Ruinen zu bauen (R: Florian Borchmeyer): Auch methodisch fragwürdiger antikubanischer Propagandafilm, der mehr behauptet als zeigt (Start: 29.3.) The Contract (R: Bruce Beresford): Dass ein super-super-geheimer CIA-Auftragskiller am Ende fast ein guter Mensch wird, ist nur die härteste der vielen Ungereimtheiten dieses Machwerks. (Start: 5.4.) Das größte Spiel der Welt (R: Gerardo Olivares): Amüsante Komödie mit Tiefgang über das, was Fußballfans aus der armen Welt tun, um ein WM-Finale sehen zu können. (Start:5.4.) Klang der Stille (R: Agnieszka Holland): Drama um eine Notenkopistin Beethovens, mit reichlich elitärem Kunstverständnis, das zudem den Meister nur im Fortissimo zu kennen scheint (5.4.) Goodbye Bafana (R: Bille August): Gut gemeinte, aber allzu schlicht und durchsichtig gemachte, obwohl halb-authentische Geschichte um Nelson Mandelas Bewacher auf Robben Island (12.4.) Robert Altman’s Last Radioshow (R: Robert Altman): Das letzte Meisterwerk des im September verstorbenen Regisseurs und ein subtiler, hintergründig nostalgischer Tribut an das Dampfradio (12.4.) Dol (R: Hiner Saleem): Ein Roadmovie durch das gebirgige Dreländereck IrakIran-Türkei mit herrlichen Landschaftsbildern, aber leider ohne den grotesken Humor von Saleems früheren Filmen (26.4.) Inland Empire (R: David Lynch): Man braucht wohl eine unheilbare Vernarrtheit in die „Werke“ Lynchs (und gutes Sitzfleisch!), um sein neuestes Opus durchzusitzen – mir fehlte beides. (26.4.) Stammtisch des Deutschen Freidenker-Verbandes Landesverband Berlin 11. April: Jürgen Elsässer liest aus seinem neuesten Buch „Angriff der Heuschrecken, Zerstörung der Nationen und globaler Krieg“ und beantwortet Fragen. Club der Volkssolidarität, Torstraße 205, 10115 Berlin Anstoß April 2007 Wander er zwisc hen den Welten anderer zwischen Am 14. März las Heinz D. Stuckmann auf Einladung des Bezirksvorstands der DKP Berlin aus seiner Autobiographie „Verdammte Kommunisten. Die Bekenntnisse des IM ‚Dietrich’“. Ca. 30 GenossInnen und Freunde hatten sich im Seminarraum 5 des ND-Gebäudes eingefunden, darunter – wie sich bei der Diskussion herausstellte – auch Zeitzeugen. Heinz D. Stuckmann, Jahrgang 1922, war 1970 der Begründer und für 24 Jahre auch der Direktor der „Kölner Schule – Institut für Publizistik e.V.“, einer Einrichtung für die Ausbildung von Fachjournalisten für die Ressorts Wirtschaft und Politik. Ein für die BRD einmaliges Ausbildungsangebot umfaßte neben mehreren Pflichtpraktika eine Art „Studium generale“, zu dem neben Kenntnissen der katholischen und evangelischen Theologie eben auch ML gehörte – wie wollte ein „Wessi“ sonst Substantielles über die DDR schreiben? Heinz begann seine Lesung in unverkennbarem Kölsch mit seiner Verhaftung im Januar 1994 – ein Text, der manchem Zuhörer schon aus der Anthologie „Kundschafter im Westen“ (s.u.) bekannt war. Zwischen den Abschnitten über seine Haftzeit und den Prozeß collagenartig Biografisches. „Ich will den komplizierten wie verwirrenden Weg aufzeigen, der vom Hitlerjungen Heinz über den gläubigen katholischen Jungmann zum überzeugten Kommunisten führt, der 16 Jahre in der ruhmreichen HA X der Hauptverwaltung Aufklärung im MfS diente.“ (S. 307) Die ihn befriedigenden Antworten bekam er immer wieder nur von Kommunisten – „Verdammte Kommunisten“, so sein Kehrreim. Seite 15 Leserecho und Glückwünsche Nach einem kleinen – „undercover“ leitete er in Essen die Redakteure von DKPBetriebszeitungen an – folgte Anfang der 70er der ganz große Schritt zur HVA. Was er dort „gemacht“ hat – das zu erzählen, ist die Zeit noch nicht reif. Was kostet die Entscheidung für den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden? 1 Jahr auf Bewährung, 10000 DM – und die Vernichtung seiner bürgerlichen Existenz und seines Lebenswerks, andauernder Rufmord und Verleumdung. Er wurde als Direktor seiner eigenen Schule abgesetzt. Manchem Leser mögen die Einsprengsel über sein früheres „gutes Leben“ aufstoßen. Aber wir wollen ja schließlich die II. Klasse abschaffen und nicht die I.! Im Laufe der von Hans-Günter Szalkiewicz, stellvertretender Vorsitzender der DKP Berlin, moderierten Diskussion erzählte Jupp Mallmann, damals DKP Ruhr-Westfalen, dann noch das „Döntje“, wie Heinz D. Stuckmann auf Einladung der DKP morgens um 5 vor der Zeche an der Verteilung der Betriebszeitung teilnahm. Er bekam die Aufgabe, das Geld dafür einzusammeln – nachdem er in einer Reportage der Wochenzeitung „ZEIT“ vom 15. Oktober 1971 gefragt hatte: „Wer finanziert die 361 Betriebszeitungen einer kleinen Partei?“ Petra Lehmann Stuckmann, Heinz D.: Verdammte Kommunisten. Die Bekenntnisse des IM „Dietrich“, Kai Homilius Verlag 2006; Eichner, Klaus/Gotthold Schramm: Kundschafter im Westen. Spitzenquellen der DDR-Aufklärung erinnern sich, edition ost 2003. Glückwünsche Der Bezirksvorstand und die Redaktion des „Berliner Anstoß“ wünschen allen, auch den hier nicht genannten, Genossinnen und Genossen, die im April ein Lebensjahr vollendet haben, alles Gute, Gesundheit und viel Kraft für das neue Lebensjahr! 1. 4. 6. 4. 12. 4. 20. 4. Luis Berrios Lydia Spoo Hans-Joachim Gültner Gerhard Neiber 64 71 57 78 Berliner Anstoß Monatszeitung der Bezirksorganisation Berlin der Deutschen Kommunistischen Partei Dr. Hartwig Strohschein (V.i.S.d.P.) Layout: pl E-Mail: [email protected] Postanschrift wie DKP Berlin Bezirksorganisation Berlin: Bürozeiten: Mo-Do: 16.00-19.00 Vertrauen der Gewerkschaftsmitglieder mißbraucht Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst, erklärte am 11. März 2007, daß neun von 15 Mitgliedern der SPD-Fraktion, die von oder neben ihrem Mandat als Bundestagsabgeordnete hauptamtlich in den Gewerkschaften tätig waren bzw. sind, der Erhöhung des Rentenalters mit 67 zugestimmt haben. Ich wollte das zunächst nicht glauben. Aber es ist so. Das nenne ich Verrat an den elementarsten Interessen der arbeitenden Menschen. Was geht in den Köpfen dieser Leute vor, die sich als Interessenvertreter von den Mitgliedern wählen ließen? Man muß sich vorstellen, da gab es Protestaktionen von der Zugspitze bis zur Nord- und Ostsee, da protestierten sozusagen bis zur letzten Minute Gewerkschaftsmitglieder gegen diesen menschenunwürdigen Beschluß des Bundestages – und dann das. Ich bin Mitglied der Gewerkschaft ver.di und frage mich, wie konnten diese Leute so heucheln und diese politische Karriere nehmen. Es zeigt mit aller Klarheit, schöne Reden, lautstarke Proteste und nutzlose Drohungen auf Kundgebungen sind das eine. Gemessen wird der Gewerkschaftsfunktionär an seinen Taten, an seinem Eintreten für die Interessen der Kollegen, an seiner Hartnäkkigkeit, wenn es darum geht, die Lebensqualität der Mitglieder und aller zu verbessern. Ich glaube, es ist an der Zeit die Rolle, Aufgaben und Ziele der Gewerkschaften in diesem kapitalistischen System neu zu überdenken. Ihre Glaubwürdigkeit steht mehr und mehr auf dem Spiel. Helmar Kolbe Postanschrift: Franz-Mehring-Platz 1 10243 Berlin Telefon: 030/29 78 31 32 E-Mail: [email protected] Spenden an den „Berliner Anstoß“ bzw. die DKP Berlin bitte an: Berliner Sparkasse BLZ 100 500 00 Konto 004 341 31 37 Namentlich gekennzeichnete Beiträge können von den Auffassungen der Redaktionabweichen. Redaktionsschluß der nächsten Ausgabe: 21.3.2007 Termine Seite 16 Anstoß April 2007 Dr Dr.. Seltsams Wochenschau 1. April: Junge, schick‘ die Wäsche! Eine Erich-Kästner-Hommage mit dem Zimmer-Theater Karlshorst 15. April: WIE MAN SICH RICHTIG SCHLÄGT ... Mit dem Bauarbeiter-Ballett Fourschlag. Dr. Seltsam ist wieder da! 22. April: KAPITAL. MACHT. KRIEG: RAFft euch auf! Setzt euch in BEWEGUNG: 2. JUNI in Heiligendamm!!! Anti-G8 mit dem Gegeninformationsbüro Berlin 29. April: G8 oder: ALTER UND NEUER WIDERSTAND mit Bärbel-Schindler-Saefkow Sonntags von 13 bis 15 Uhr im „Max & Moritz“, Oranienstraße 162, 10969 Berlin, U8 Moritzplatz. Infos zum weiteren Programm: www.drseltsam.net oder 691 99 22 Liebe Leserinnen und Leser des Berliner Anstoß! Wir wollen die Möglichkeit anbieten, den Berliner Anstoß per Email als PDFDatei, alternativ oder zusätzlich, zu beziehen. Wer davon Gebrauch machen möchte, sende eine entsprechende Mitteilung an [email protected]. Um zusätzlich weitere Leser erreichen zu können, bitten wir darum, uns Personen zu nennen, die für eine elektronische Zusendung der Zeitung in Frage kommen. Bezirksvorstand und Redaktion 20 bis zum 22. April in Berlin MOVE AGAINST G8 FESTIVAL mit Haidi und Giuliano Giuliani aus Genova www.move-against-g8.org Jetzt abonnieren! UZ – Unsere Zeit Sozialistische Wochenzeitung Zeitung der DKP Normal-Abo 98,50 Euro/ Jahr Ermäßigtes Abo 65,- Euro/ Jahr Förder-Abo ab 150,- Euro/ Jahr Probe-Abo (2 Monate) 8,- Euro Bestelladresse: CommPress Verlag GmbH, 45127 Essen, Hoffnungstraße 18 21./22.April: Marxismus-Konferenz weitere Infos unter: www.marxismuskonferenz.de Gruppentermine der DKP Gruppe Neukölln/Südwest 05.04.07 - 19 00h 19.04.07 - 19.00h Jonasstraße 29, Neukölln Gruppe Tempelhof-Schöneberg 17.04.07 - 19 00h „Zum Innsbrucker“, Hauptstr./Ecke Bennigsenstr. Gruppe Mitte 04.04.07 - 19.00h 18.04.07 - 19.00h Club der Volkssolidarität, Torstr. 203-205 Gruppe Nord-Ost 17.04.07 - 19.00h, Franz-Mehring-Platz 1, Raum 341 Gruppe Treptow-Köpenick 23.04.07 - 19.00h, siehe S. 9 Gruppe Pankow-Lichtenberg 10.04.07 - 19.00h 26.04.07 - 19.00h Franz-Mehring-Platz 1, Raum 311 Gruppe F’hain-Kreuzberg 17.04.07 - 19.00h Franz-Mehring-Platz 1, Raum 311