BerlinerAnstoß

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BerlinerAnstoß
Berliner Anstoß
Monatszeitung der Bezirksorganisation Berlin der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)
Ausgabe April 2007
Spende 50 Cent
Berliner Ostermarsch 2007
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bei uns anfangen!
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Abrüstung
statt
Soziala
zialab
Atomwaffen abschaffen –
Gegen die Lagerung von A-Waffen
auf deutschem Boden
Statt die Atomwaffen endlich weltweit abzuschaffen, sind die Arsenale – so auch
die Lager der US-Armee im Hunsrück –
mit ihnen gefüllt und es werden immer noch
neue Typen erforscht. Gleichzeitig streben
immer mehr Staaten nach Atomwaffen, um
nicht militärisch angegriffen zu werden.
Damit wächst die Gefahr des Einsatzes dieser Waffen, statt den Verpflichtungen aus
dem Atomwaffensperrvertrag nachzukommen.
Für Deutschland als weltweit geachtete Friedensmacht –
Gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an Angriffskriegen
Deutschland ist nicht nur eine logistische
Drehscheibe der weltweiten von den USA
geführten Kriege. Durch die US-Militärbasen (Ramstein u.a.) und die Kommandozentralen für die NATO (Geltow) einschließlich des Mißbrauches des Flughafens Leipzig für Truppentransporte ist es
direkt an dieser Kriegspolitik beteiligt.
Deutsche Truppen als Besatzer (z.B. Afghanistan, Kosovo), geheime KSK-Aktionen und aktive Kampfeinsätze sind schon
jetzt Realität.
Für eine Weltfriedensordnung – Gegen die neuen Weltordnungskriege
Seit mehr als fünf Jahren findet unter offizieller Führung der US-Regierung ein
„Krieg gegen den Terror“ statt.
Die Begründungen für die damit verbundenen Kriege gegen Afghanistan und Irak
waren und sind vorgeschoben.
Ziel war nicht die Demokratisierung der
betroffenen Länder. Ziel war vielmehr die
Beherrschung strategisch und wirtschaft-
lich bedeutender Regionen. Das Ergebnis
ist die Barbarisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit täglichem Leiden
der Bevölkerungen.
Gegen Staaten, die sich nicht der neoliberalen Globalisierung unterwerfen, wird ein
permanenter Krieg geführt. Durch Druck
auf die UNO, mit Hilfe der G-8-Gipfel und
anderer formeller und informeller Treffen
wird versucht, diese Strategie durchzusetzen. Mit Hilfe der UNO-Reformen sollen
völkerrechtswidrige Angriffskriege legitimiert werden.
Für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung im Interesse der Menschen, die in diesem Lande leben –
Gegen Sozialabbau, Arbeitslosigkeit
und eine Hartz–Gesellschaft
Gegen die breite Ablehnung der Bevölkerung in Deutschland für Kriegseinsätze
strebt die Regierung eine umfassende
Kriegsteilnahme in allen Regionen der Welt
an. Im „Weißbuch der Bundeswehr 2006“
hat sich die Bundesregierung bereits verpflichtet, den „ungehinderten Warenaustausch“ und die Sicherung der „Rohstoffzufuhr“ weltweit militärisch durchzusetzen
und die Bundeswehr entsprechend aufzurüsten. Die militärische Hochrüstung geht
einher mit sozialer Abrüstung (Lohndumping, soziale Ausgrenzung immer größerer Teile der Bevölkerung, massiver
Abbau von Sozialleistungen und Demokratie einschließlich gewerkschaftlicher
Grundrechte).
Für aktive Demokratie, die von Allen gestaltet wird – Gegen Abbau von
Demokratie und unkontrollierbare
und unkontrollierte Geheimdienste
Systematisch geschürte Islamophobie und
Antiterror-Hysterie gehen Hand in Hand
mit Einschränkungen durch die Beschneidung fast aller demokratischer Grundrechte. Die angestrebte vollständige Überwachung des Internets und Telefons, die Erfassung des genetischen Fingerabdrucks
verbunden mit der Kriminalisierung bloßen Denkens bei gleichzeitiger Abschaffung eines ernsthaften Rechtsschutzes
dient der Unterbindung sozialen Widerstandes.
Mit der Verbreitung der Ideologie angeblicher „nationaler“ und „religiöser“ Unterschiede wird nicht nur eine Herausbildung
von „Parallelgesellschaften“ gefördert. Sie
dienen der Begründung noch umfangreicherer Repressionsmaßnahmen. Dadurch wird auch die Wahrnehmung der
sozialen Spaltung und die Ausgrenzung
weiterer Teile der Gesellschaft verdrängt.
Es gibt eine geschichtliche und menschenrechtliche Verantwortung, sich diesen Tendenzen zu einer antidemokratischen, die
Zivilisation verneinenden und vernichtenden Entwicklung entgegenzustellen!
Tun wir dies!
Aus dem Inhalt
Seite
Was ist los mit der Friedensbewegung?
2-3
VOZ ist die Wahrheit des Volkes 4
Auf nach Dortmund!
5
Geschäfte mit demAlter
6
Neues aus der BVV
7
„Gemeinschaftsschule“
8
Nazis und Kinderarmut
9
Parteileben
10-11
Kalenderblatt
12
P. P. Pasolini
13
Seite 2
Krieg und Frieden
Anstoß April 2007
Was ist los mit der F
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wegung?
Friedensbe
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Der Einfluß der Friedensbewegung auf
politische Entscheidungen in Deutschland ist, zurückhaltend formuliert, nicht
groß. Der jüngste Fall, der Beschluß des
Bundestages vom 9. März zum Einsatz von
8 Tornado-Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan, scheint den Befund zu bestätigen.
Umfeld in der Bevölkerung für AntiKriegsaktivitäten eher günstig
Dabei sind die äußeren gesellschaftlichen
Voraussetzungen für wirkungsvolles antimilitaristisches Eingreifen nicht so ungünstig, wie Defätisten meinen. Eine ForsaUmfrage Anfang diesen Jahres ergibt, daß
77% der Bevölkerung die Tornados ablehnen. Das macht bei über 80 Millionen Einwohnern immerhin stolze 61 Millionen
Menschen. Der Bundeswehr-Oberstleutnant Jürgen Rose, der auch als Publizist
tätig ist, gehorcht seiner Pflicht als „Staatsbürger in Uniform“: Er beantragt seine Freistellung von der Teilnahme am Krieg gegen das afghanische Volk, der ein schwerer Verstoß gegen Verfassung und Völkerrecht ist.
Im Bundestag stimmen immerhin 157 Abgeordnete gegen den Tornadoeinsatz.
Die Abgeordneten Willy Wimmer (CDU)
und Peter Gauweiler (CSU) zogen vor das
Bundesverfassungsgericht. Nach ihre Abweisung wegen mangelnder Antragsberechtigung von nur zwei Abgeordneten
wird die Beschwerde von der antragsberechtigten Linksfraktion übernommen.
Ein internationaler Aktionstag ist zum vierten Jahrestag des Beginns der Besatzungskatastrophe im Irak angesagt. In den USA
schafft es ein Netzwerk von Friedensorganisationen, am 17. März mit Zehntausenden, darunter Jane Fonda und Cindy
Ostermontag 9.April 2007
Auftaktkundgebung:
12.00Uhr
Unter den Linden/
Neustädtische Kirchstraße
(nahe US-Botschaft)
Abschlußkundgebung:
gegen 14 Uhr
vordemKinoBabylonMitte
(nahe Volksbühne)
Anschließend im Babylon Mitte
15.00 Uhr
„In der Sünder schamvollem Gewimmel“
Eine Rockband erinnert sich an Brecht
Sheehan, bei eisigem Wetter vor das Pentagon zu ziehen. Und dies, obgleich eine
Mehrheit der US-Bürger immer noch von
der Notwendigkeit des „Krieges gegen den
Terrorismus“ überzeugt ist. In Spanien
sind es sogar 400.000 Demonstranten.
Strategische Mobilisierung unzureichend bis nicht vorhanden
Und was passiert in Deutschland?
Der Kasseler Friedensratschlag veröffentlicht vernünftig argumentierende, überzeugen wollende Stellungnahmen gegen die
Tornados. Der „Aachener Friedenspreis
e.V.“ fordert alle Abgeordneten des Bundestages am 8. März 2007 per E-Mail auf,
dem Militäreinsatz in Afghanistan ein Ende
zu setzen. In nahezu allen Städten gibt es
friedensaktive Zirkel. Sporadisch kommt es
vor Ort ebenfalls zu klugen Aufrufen und
Kundgebungen, Mahnwachen, Infotischen etc. Allerdings ist man vielerorts wie
alle Jahre wieder vorzugsweise damit beschäftigt, die altehrwürdige Tradition der
Ostermärsche zu pflegen (7.-9. April).
Die einzelnen Aktionen der österlichen Bekundung von Friedenswillen werden mit
Akribie auf der Webseite vom Netzwerk
Friedenskooperative verzeichnet. Sie sind
nicht an der Notwendigkeit termingerechter Mobilisierung zur Beeinflussung von
Entscheidungen orientiert. Hier geht es um
einen Termin des pazifistischen Jahreskalenders. Der nächste ist am 1. September, dem Anti-Kriegstag.
Vorher steht noch der G8-Gipfel ins Haus,
der am 6.-8. Juni in Heiligendamm stattfindet. Klimaschutz soll das Hauptthema werden, zweifellos ein sehr ernstes Thema.
Aber nach dem Willen von Kanzlerin
Merkel soll es dazu mißbraucht werden,
bei der Gipfelveranstaltung von der mörderischen Politik der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands abzulenken, deren Opfer Irak, Palästina, Afghanistan, Libanon und demnächst vielleicht
auch der Iran sind.
Schon haben G8-Initiativgruppen und Netzwerke mit der Vorbereitung der notwendigen Proteste gegen die Gipfel-Schau
begonnen. Auch Friedensaktivisten beteiligen sich natürlich. Doch wie bei ähnlichen Events diverser Sozialforen versprechen solche Proteste wieder einmal nur,
ein großer Gemischtwarenladen progressiver Anliegen zu werden. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Nicht die Vielfalt der politischen Orientierungen der Demonstranten und ihrer Anliegen ist das
Problem. Pluralität entspricht den gesellschaftlichen Gegebenheiten. Bunte Vielfalt
ist ein Faktor großer Stärke, wenn sie sich
in einer konkreten gemeinsamen Aktion
vereint. Wo beklagt wird, daß man keine
gemeinsame politische Überzeugung habe,
ist gesundes Mißtrauen am Platz, ob da
nicht manipuliert werden soll, um den Protest in reformistische Bahnen zu lenken.
Probleme gibt es, wenn Meinungsvielfalt
von oft bemerkenswert gut ausgestatteten, in den Foren aktiven Organisationen
eingeschränkt wird, um die Protestbewegung so zu beeinflussen, daß sie für imperialistische Bündnisse kompatibel ist.
Die Kriegs- und Rüstungsgegner müssen
es inmitten des Allerlei von Vorschlägen
für eine „bessere Welt“ schaffen, ihre Kritik an der aggressiven Rolle Deutschlands
in NATO und EU Positionen so zu vertreten, daß wenigsten ein Quentchen Druck
auf die deutsche Politik herauskommt.
Die Lage ist ernst. Deutschland schliddert
zusehends mehr in den weltweiten Krieg,
der nach den Anschlägen vom September
2001 vom Westen gegen den „Rest der
Welt“ entfesselt wurde. Wo aber bleibt die
strategische Mobilisierung aller in der Friedensbewegung steckenden Potentiale gegen diesen verantwortungslosen Kurs der
Machtelite?
Impulse aus den örtlichen
Friedensgruppen
Die Friedensbewegung ist am lebendigsten in den Städten vor Ort. Daher kommen in diesen Tagen einige interessante
Ideen. In einem offenen Brief an die Friedensbewegung fordert die Hamburger
„Friedensinitiative Wilhelmsburg“ dazu
auf, sich stärker auf bestimmte Fragen zu
konzentrieren. Und sie schlägt vor, die Forderung „Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und dem Nahen und Mittleren
Osten“ in den Mittelpunkt der Aktivitäten
zu rücken. Komme es doch vor allem auf
das „Handeln gegen die Politik der jeweils
eigenen Regierung“ an. „Wir sollten in der
BRD unseren Teil beitragen und uns an
die Seite der Friedenskräfte in aller Welt
stellen,“ meint Inge Humburg, Mitglied der
Gruppe. Sie lobt die gute Zusammenarbeit
mit Migrantinnen und Migranten, vor allem türkischen, in ihrem Stadtteil. Und sie
sieht eine Chance, das Parlament zur Tribüne zu machen. Die Linkspartei.PDS leiste im Bundestag gute Arbeit. „Mit einer
Kampagne der Friedensbewegung würde
diese auch auf der Straße stärker wahrgenommen werden.“ (http://www.jungewelt.de/2007/03-08/029.php)
Ein Mitglied vom „Friedenskreis
Deutschland“, Christoph R. Hörstel,
(Fortsetzung auf Seite 3)
Anstoß April 2007
Krieg und Frieden
Seite 3
(Fortsetzung von Seite 2)
schreibt in einemArtikel ( http://www.0815info.de/archiv/2007/maerz/030712.php) :
„Unsere Bundesregierung gefährdet unsere Sicherheit und handelt grundgesetzwidrig, wenn sie Israel jetzt immer wieder ihre Sympathie und Unterstützung
zeigt. Über 60 Jahre nach dem schrecklichen Holocaust an Juden beteiligen wir
uns am Völkermord an Muslimen. Wann
lernt Deutschland wirklich? Wollen wir
Sonntags-Gedenkreden halten – und
montags weiter morden (helfen)? Der einzige Maßstab: das Völkerrecht. Jetzt umsetzen!“ Er warnt vor bestimmten iranischen Migranten. „Sie verfügen offenbar
über frische Unterstützung bei Finanzen
und Personal, sie drucken aufwendige
Prospekte, stützen Regimekritiker, Inhaftierte, Dissidentengruppen im Iran und
außerhalb.“ Derartige Gruppen könnten
nicht unterstützt werden, „weil ihr Auftreten in vielen Fällen ganz offensichtlich den Regierungsinteressen der USA
und Israels in die Hände spielt.“ Das erinnert stark an den Vorabend des Irak-Krieges 2003, als irakische „Kommunisten“ der
Friedensbewegung kriegsfeindlich garnierte Hetze gegen die Regierung des bedrohten Landes unterzujubeln versuchten,
und dies auch noch mit Unterstützung
von Teilen der DKP. Die Hetze gegen Serbien und Milosevic vor und während des
Krieges gegen Jugoslawien hat bis in die
Friedensbewegung zu Desinformation und
damit Desorientierung geführt, die bis heute weiter wirkt. Und selbstverständlich soll
auch die gegenwärtig anschwellende Hetze gegen den Islam im allgemeinen und
gegen den Iran im besonderen auf verschiedenen Wegen in die Linke eingeschmuggelt werden. Etwas besonders Originelles hat sich ein „Zentralrat der ExMuslime“ ausgedacht. Er will im Ausland
die Menschenrechte durchsetzen lassen
und im Inland Grundrechte suspendieren.
So der Kommentar von Klaus Hartmann in
der Tageszeitung „junge Welt“ (v.
15.03.07). Indem Hartmann analysiert, wie
dieser merkwürdige Spezialverein unter
dem Vorwand des Laizismus und der
Religionskritik in Wirklichkeit zur Stimmungsmache gegen muslimische Länder
beiträgt, leistet der Bundesvorsitzende des
Deutschen Freidenker-Verbandes einen
wichtigen ideologischen Beitrag zum
Kampf gegen militärische Gewalt und positioniert sich – der eigenen Verbandstradition entsprechend – als ein Mitstreiter in der Anti-Kriegsbewegung. (http://
w w w. j u n g e w e l t . d e / 2 0 0 7 / 0 3 - 1 5 /
053.php?sstr=islam)
In Duisburg demonstrierte am 17. März ein
Bündnis von 12 Organisationen. Betont
wurde gerade die politische Verbunden-
heit mit den irakischen, palästinensischen
und libanesischen Volksbewegungen. Im
Mittelpunkt stand die Forderung nach uneingeschränkter Selbstbestimmung der
Völker, auf deren Grundlage allein Frieden
in der Region geschaffen werden kann.
Verurteilt wurde der hierzulande grassierende Antiislamismus als die schärfste
Waffe der Kriegstreiber. Eine der beteiligten Gruppen, Initiativ e.V., forderte, daß
Deutschland aus der NATO sowie aus allen EU-Militärstrukturen austritt.
Diese Forderung, mit der die in der Friedensbewegung einhellig geübte Kritik an
der Militarisierung der deutschen Außenpolitik konsequent weiter gedacht wird,
hatte auch die Zustimmung der Teilnehmer eines Nahost-Seminars am 24. Februar in Berlin gefunden.
Das Freiburger Friedensforum fordert
„Freiheit für Christian Klar!“ Man stutzt
zunächst, bis einem an diesem Beispiel
konkret bewußt wird, daß auch der Kampf
für politische und Menschenrechte im eigenen Lande ein unverzichtbarer Bestandteil des Friedenskampfes ist. Die Freiburger verurteilen die harte Haltung von Konservativen gegen die mögliche Begnadigung des ehemaligen RAF-Mitglieds.
Dieser hat in einem Schreiben an die RosaLuxemburg-Konferenz in Berlin im Januar
2007 Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem geübt. Er habe eine Meinung wiedergegeben, „die von vielen Menschen im
Lande geteilt werde, die das herrschende Wirtschaftssystem für ungerecht hielten.“ Davon sei auch sein langjähriger Seelsorger in der Haftanstalt überzeugt. Die
Freiburger sahen sich veranlaßt, zu dem
bundesweiten Streit Stellung zu nehmen,
„weil dieser Streit verfassungsgemäße
Rechte und die Menschenrechte betrifft.
Diese Rechte haben Geltung auch für einen Menschen, der zu lebenslanger Haft
verurteilt wurde.“ Die Verteidigung dieser durch die Verfassung geschützten
Recht sei „notwendig, da Kritik am ungerechten Wirtschaftssystem und an ungerechten Verhältnissen die Voraussetzung für positive Veränderung ist.“
Internationalisten in der
Friedensbewegung gebraucht
Die hier beispielhaft genannten interessanten Ansätze und Ideen dürften nicht ohne
weiteres in der Breite der Friedensbewegung konsensfähig sein. Aber sie sollten
von der antiimperialistischen Strömung in
der Friedensbewegung aufgegriffen werden. Einige ausländische kommunistische
und Arbeiterparteien trafen sich nach dem
Libanon-Krieg am 19./20. August 2006 in
Athen zu einer außerordentlichen Konferenz. Die Ergebnisse bieten eine Menge
Anregung und Orientierung für Kommunisten in der deutschen Friedensbewegung. So wird in der Pressemitteilung der
Konferenz beispielsweise als Initiative
vorgeschlagen: „die Entfaltung von
Druck auf jede Regierung, die den israelischen Angriff nicht verurteilt“. Von einem solchen Druck war leider gerade in
Deutschland nichts zu spüren. Hat doch
Kanzlerin Merkel das „Existenzrecht Israels“ zur „Staatsraison“ Deutschlands erklärt, womit in Wirklichkeit eine moralische
Zustimmung zur Politik Israels verlangt
wird. Nicht wenige Linke sind leider auf
diese Täuschung bezweckende diplomatische Formel hereingefallen. Dabei sollte
es doch nicht so schwer zu begreifen sein,
daß gerade die internationale Solidarität
mit den werktätigen Klassen Israels von
Kommunisten und Sozialisten verlangt,
sich von der Gewaltpolitik der bürgerlichen
israelischen Führung zu distanzieren, gerade weil diese nicht geeignet ist, die Zukunft Israels zu sichern. Die Anti-Imperialisten in der Friedensbewegung sollten
sich des Kontaktes zu den diversen Solidaritätsgruppen und -Bündnissen mit einzelnen Ländern von Irak über Jugoslawien
bis Kuba annehmen. Das in der Solidaritätsarbeit oft beziehungslose Nebeneinander kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß dabei selbstverständlich ein großes Maß an Sachkenntnis und daher Konzentration auf einzelne Länder erforderlich
ist. Eine weitere Aufgabe ist die Aktionseinheit mit Migrantinnen und Migranten,
vor allem aus den vom Imperialismus unterdrückten, angegriffenen und ausgebeuteten Ländern. All diese praktischen Aufgaben verlangen dringend nach elastischen organisatorischen Formen, in denen
die Anti-Imperialisten koordiniert in der
Friedensbewegung zusammenarbeiten.
Friedenskampf ist mehr als Abrüstung und
Gewaltfreiheit. Er ist ein umfassender
Kampf für eine nationale Außenpolitik, die
das Selbstbestimmungsrecht aller Nationen respektiert und sich an internationales Recht hält. Insbesondere die deutsche
Einmischung in andere Länder unter dem
Deckmantel von UNO, NATO und EU muß
durchleuchtet und im Parlament wie in außerparlamentarischen Aktionen bekämpft
werden. Daher müssen sich Kriegsgegner
selbstverständlich auch am Kampf für radikale Demokratie beteiligen. Und gegen
die Rüstungsindustrie muß die Forderung
nach einer gesellschaftlich kontrollierten
Lenkung der Wirtschaft erhoben werden.
Erst wenn es gelingt, all diese Elemente zu
einem strategischen Konzept zusammenzuführen, wird man von einer „Vision“ der
Friedensbewegung reden können.
Klaus von Raussendorff
Internationalismus
Seite 4
Anstoß April 2007
VOZ ist die Wahrheit des Volk
es
olkes
Die Zeitung der kolumbianischen Kommunisten wird 50
Von Carlos A. Lozano Guillén,
Chefredakteur von VOZ und Mitglied des
Exekutivkomitees der Kolumbianischen
Kommunistischen Partei (PCC)
Am 20. Juli 1957, drei Monate und zehn
Tage nach dem Fall der Militärdiktatur von
General Gustavo Rojas Pinilla, der Kolumbien seit 1953 blutig regiert hatte,
brachte die Kolumbianische Kommunistische Partei aus der Illegalität heraus die Wochenzeitung „VOZ de la
Democracia“ (Stimme der Demokratie)
in Umlauf. So wurde „Voz“ (Stimme), wie
sie heute heißt, damals zu einer Form, die
legalen Möglichkeiten, die sich im Land
auftaten, zu nutzen.
Die Zeitung zirkulierte bald im ganzen
Land, trotz der Tatsache, daß die liberale
und die konservative Oligarchie die mögliche demokratische Öffnung nach dem
Fall der Diktatur verhinderten, indem sie
für sechzehn Jahre eine Zwei-Parteien-Vereinbarung beschlossen, mit dem die beiden traditionellen Parteien sich millimetrisch die Macht in der Exekutive, Legislative und Judikative aufteilten. Zu dem Pakt
gehörte die Abwechslung bei der Präsi-
Solidaritätskampagne
„50 Jahre VOZ“
Die VOZ braucht unsere Unterstützung, deshalb startet die VOZ, die
in der BRD ca alle 2-3 Monate –
nächste Ausgabe am 1.Mai – in
deutscher Sprache erscheint, die
Solidaritätskampagne „50 Jahre
VOZ – Die Wahrheit des Volkes“,
die bis Ende des Jahres läuft.
Spenden für die VOZ auf das
Konto der DKP-Berlin
Berliner Sparkasse,
BLZ: 100 500 00 /
Kontonummer: 004 341 31 37
Verwendungszweck:
„50 Jahre VOZ“
Buttons mit dem Logo der VOZ
sind im Büro der DKP-Berlin für
2,50 € erhältlich.
Ansprechpartner der
Solidaritätskamangne:
Michael Czech)
Wir danken für Eure
Unterstützung!
dentschaft. Das war die Form, in der sie
andere Parteien ausgrenzten, auch die Linke, an deren Spitze in diesem Moment die
Kommunistische Partei war.
Die Demokratisierung des nationalen Lebens scheiterte an der Korruptheit der
Führer der traditionellen Parteien, der li-
beralen und konservativen, die an die
Macht der Großgrundbesitzer und der bürgerlichen Unternehmer gebunden waren.
Sie konnten bei ihren antidemokratischen
Absichten auf die Unterstützung des USImperialismus zählen, der seinerseits immer auf die prinzipienlose kolumbianische
Oligarchie setzen konnte, die zu den devotesten des Kontinents gehört.
Trotzdem erschien „VOZ de la Democracia“ als Vertreterin der Oppositions- und
Linkspresse, im Unterschied zur großen
Presse, die die Sichtweisen der herrschenden Klasse besetzte. Bis 1964 zirkulierte
„VOZ de la Democracia“ im Land, trotz der
Beschränkungen der Pressefreiheit und
der Verfolgung der Mitglieder der Kommunistischen Partei, die sie verteilten und
in Stadt und Land verkauften. 1964 verbot
die konservative Regierung Guillermo
León Valencia die Wochenzeitung mit dem
Argument, daß diese einen bevorstehenden Angriff kolumbianischer Militärs auf
ländliche Gebiete verraten habe. Valencia
sagte, daß das eine Lüge der Kommunisten sei und entzog „VOZ de la Democracia“ die Lizenz. Einige Wochen später fand
der militärische Angriff mit US-Unterstützung statt, – ohne daß die Regierung danach die diktatorische Maßnahme gegen
die Zeitung zurücknahm.
Die Kolumbianische Kommunistische Partei hatte für einen solchen Fall bereits einen anderen Namen in Reserve, „VOZ
Proletaria“ (Proletarische Stimme), mit dem
die kommunistische Wochenzeitung bis
1984 herauskam. Nach jenem Jahr hieß sie
einfach „VOZ“, weil eine interne Debatte
zur Schlußfolgerung kam, daß das Land
sich urbanisiert hatte, daß breite Mittelschichten sich dem revolutionären Kampf
angeschlossen hatten und daß es – ohne
auf den proletarischen Charakter der Partei und der Zeitung zu verzichten – notwendig war, sich neuen Sektoren zu öff-
nen, die Teil der städtischen Massen waren und mit den Arbeitern für revolutionäre Veränderungen kämpften.
Die „VOZ“ hat eine wichtige Rolle als
Kommunikationsmedium der Arbeiter und
des Volkes. „Die Wahrheit des Volkes“
wird sie in den proletarischen und revolutionären Medien genannt. Sie hat sich
konsequent gehalten, trotz der Behinderung ihrer Verteilung in einigen ländlichen Regionen durch Paramilitärs und
Heer in den Neunziger Jahren, als der
schmutzige Krieg gegen die Linke tobte. Auch mit dem Sturz der Sowjetunion
und des realen Sozialismus durch das Ausscheiden wichtiger Gruppen von Intellektuellen aus der Kommunistischen Partei
verringerte sich ihre Kraft.
Aber VOZ hat sich über alle diese Schwierigkeiten hinweggesetzt. So erkennen es
Freund und Feind an, die die kommunistische Wochenzeitung als emblematischen
Ausdruck der Linken in Kolumbien ansehen. VOZ hat Feindseligkeiten der Regierung, Drohungen und Provokationen, drei
Sprengstoffattentate, den Mord an ihrem
Direktor Manuel Cepeda, den Mord an
dreien seiner Korrespondenten und die
ständigen und schweren Drohungen gegen seinen derzeitigen Chefredakteur –
vor kurzem öffentlich von Präsident
Álvaro Uribe Vélez als Komplize der Guerilla benannt – überstanden. Letzteres ist
gleichbedeutend damit, ihm die paramilitärischen Mörder auf den Hals zu hetzen.
Aktuell unterstützt VOZ die Volkseinheit
und ist eine der Bastionen des Aufbaus
des Demokratischen Alternativen Pols
(PDA), eine Organisation der kolumbianischen Linken, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen 23 Prozent der Stimmen bekam.Auch ist VOZ Teil der gewerkschaftlichen, sozialen und Volkskämpfe;
sie verteidigt unermüdlich die Menschenrechte und widersetzt sich der ultrarechten
Regierung und dem nordamerikanischen
Interventionismus. Sie befördert den Frieden mit Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, der sich aus der politischen Lösung des mehr als sechzigjährigen Konfliktes herleiten muß, unter dem das Land
wegen des Starrsinns der Oligarchie leidet, die sich weigert eine demokratische
und soziale Öffnung zu akzeptieren.
VOZ feiert 50 Jahre im Dienste der Arbeiterschaft, der Demokratie, des Friedens
und des Sozialismus.
Übersetzung: Günter Pohl
Anstoß April 2007
Seite 5
Aktion
Auf nac
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Dortm
tmund!
Wenn es noch nicht geschehen ist, solltet
Ihr spätestens jetzt den Kalender rausholen und den 22., 23. und 24. Juni rot
markieren. Dann steigt im Dortmunder
Revierpark einmal mehr das große Fest der
Solidarität der DKP – das Pressefest der
UZ. Das bedeutet drei Tage Politik und
Kultur mit Kommunistinnen und Kommunisten aus aller Welt.
Zentrale Diskussionsrunden wird es unter anderem zu den Themen „Alternativen
zu Kriegspolitik, Sozial- und Demokratieabbau - Wie sind sie durchsetzbar?“, „Sozialismus oder Barbarei“ und „Lateinamerika imAufbruch“ mit Vertretern kommunistischer Parteien aus Kuba, Venezuela, Bolivien und Nikaragua geben.
Neben vielen weiteren Künstlern haben
sich der Liedermacher Konstantin Wecker
und der Walkabout Clearwater Chorus
aus den USA bereits angekündigt.
Auch in Berlin laufen die Vorbereitungen
auf Hochtouren, um einen Beitrag zum
Fest zu leisten. Mit Mitgliedern u.a. des
Berliner Antiprivatisierungsbündnisses
und der Mietergemeinschaft diskutieren
wir über die Folgen von Privatisierungen
und den Widerstand dagegen. Gewerk-
schafter berichten u.a. über die Arbeitskämpfe bei BSH und CNH und diskutieren
über Strategien im Kampf gegen die
Jobkiller. Ulla Jelpke, Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, informiert über die
Flüchtlingspolitik der Bundesregierung
und antifaschistische Initiativen aus Berlin berichten über ihre Arbeit. Dr. Seltsam,
Der Singende Tresen und weitere Künstler werden die langen Abende auf dem
„Berliner Alexanderplatz“ mit uns gestalten.
Wir laden alle Sympathisanten und Freunde der DKP ein: Kommt mit uns nach Dortmund, feiert mit uns das Fest der Solidarität. Dort könnt Ihr uns besser kennenlernen, mit uns diskutieren und notfalls auch
streiten. Und helfen könnt Ihr uns auch:
Beim Auf- und Abbau, beim Bierzapfen,
Schmalzstullen schmieren und Kaffee kochen.
Wir versuchen, von Berlin aus eine Busfahrt nach Dortmund zu organisieren. Die
Fahrt (Abfahrt: Samstag, 23. Juni, 6 Uhr;
Rückfahrt: Sonntag, 24. Juni, 16 Uhr) kostet 35 Euro. Meldet euch jetzt an (im
Bezirksbüro oder am sichersten über
[email protected]). Schlafplätze müs-
Volksbegehren gegen Privatisierung
Das seit 2006 bestehende Berliner Antiprivatisierungsbündnis wird im April ein
berlinweites Volksbegehren gegen vorgesehene oder bereits vollzogene Privatisierungen anstoßen. Die Bedingungen und
Erfolgsaussichten dafür sind gut, nicht nur
weil die Hürden für Volksbegehren mit der
Berlin-Wahl 2006 etwas gesenkt wurden.
Es gab Erfolge im Kampf gegen Wohnungsprivatisierungen und spätestens
seit der Diskussion um die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn wird vermehrt gefragt, mit welchen Ergebnissen
und in wessen Interesse Privatisierungen
eigentlich stattfinden. Die erste Ausgabe
der „Privare“ (Zeitung des Bündnisses)
schrieb: „Es wird teurer für alle, aber besser für keinen.“
Auf drei Themenfeldern werden alternative Gesetzentwürfe vorgeschlagen:
1. Im Sparkassengesetz sollen Grundversorgung (Girokonto für alle), Filialdichte
und Publikationspflicht der Verkaufsverträge festgeschrieben werden.
Dies dürfte Anwärter im kürzlich eingeleiteten Bieterverfahren letztlich davon abhalten, sich die Landesbank Berlin und
damit die Berliner Sparkasse – ein „Filetstück“ des öffentlich-rechtlichen Banken-
sektors – anzueignen.
2. Bezüglich der schon privatisierten Wasserbetriebe wird die Offenlegung der geheimen Verträge mit Profitgarantie für die
privaten Teilhaber angezielt, weiterhin öffentliche Anhörungen und Mitbestimmung gewählter Aufsichtsgremien bei der
Preiskalkulation (Berlin liegt bundesweit
mit dem Wasserpreis an der Spitze!).
3. Im Hochschulgesetz soll das Verbot von
Studiengebühren, der unbegrenzte Zugang zu Masterstudiengängen sowie die
paritätische Besetzung sämtlicher Hochschulgremien verankert werden.
Damit über diese Gesetzesänderungen ein
Referendum eingeleitet wird, sind ca. 20000
Unterschriften nötig. Deshalb drei Volksbegehren in einer Kampagne: wer eines
der drei unterschreibt, soll auch die anderen unterschreiben. Aufgabe des Bündnisses (die DKP Berlin gehört dazu!) wird
sein, Zusammenhänge zu verdeutlichen
zwischen den verschiedenen Strategien
der Privatisierung und der Notwendigkeit,
gemeinsam dagegen anzugehen.
Am 28.4.07 findet im DGB-Haus Keithstr.
1-3 (Leuschner-Saal) die Auftaktveranstaltung zum Volksbegehren statt.
Gerald Hoffmann
sen selbst organisiert werden. Auf dem
Festgelände gibt es die Möglichkeit, mit
eigenen Zelten zu campen (drei Personen
13 Euro; bis 6 Personen 19 Euro; ab 7 Personen 27 Euro; Anmeldung bei: Fest-derSolidaritä[email protected]). Hotelzimmer sollten sofort gebucht werden.
Das Pressefest kostet keinen Eintritt, aber
Geld. Unterstützt seine Durchführung mit
dem Kauf und Verkauf (!) von Pressefestbuttons (5 Euro das Stück bei Eurer Parteigruppe oder im Bezirksbüro der DKP)
und mit Spenden für den Berliner Beitrag,
für den wir inkl. Zelt- und Platzmiete Ausgaben von rund 6 000 Euro kalkulieren
müssen. Neben Geldspenden helfen auch
Bücher für unseren Antiquariatsstand in
Dortmund.
Wera Richter
Spendenkonto:
Berliner Sparkasse,
BLZ: 100 500 00
Kontonummer: 004 341 31 37
Stichwort: Pressefest/Berliner Beitrag.
Auf das Konto können auch die Fahrkosten für den Bus überwiesen werden,
Stichwort:
Pressefest/Bus mit Namen und Adresse.
Erstes Berliner
Sozialforum
Am 21./22. April 2007 findet im Rahmen der bundesweiten Initiative der
regionalen Sozialforen auch in Berlin
ein Sozialforum statt – in der „Manege“ und symbolträchtig in der RütliSchule in Neukölln.
Unter dem Motto „Für ein Berlin, in
dem wir leben wollen“ sind Gruppen
und Einzelpersonen eingeladen, die
„sich gegen die herrschende Politik
der gesellschaftlichen Spaltungen
und Ausgrenzungen wenden“.
Das Berliner Sozialforum tagt zeitgleich mit bisher neun angemeldeten
regionalen Sozialforen.
Weltweit ist die Sozialforumsbewegung jedermann bekannt.
Die Bewegung ist jedoch nur so stark,
wie sie territorial verankert ist. Drei
Jahre lang haben Berliner AktivistInnen deshalb dafür gekämpft, auch
hier ein Sozialforum zum Leben zu erwecken.
Die Konferenz beginnt am Samstag um
12 Uhr und am Sonntag um 9 Uhr 30,
mit einem gemeinsamen Frühstück.
Weitere Infos unter www.sozialforumberlin.de.
Seite 6
Berlin
Anstoß April 2007
„Ruhe ist erste Bürgerpflicht“
Finanzsenator Thilo Sarrazin am 1.3.2007 vor dem Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses
Gesunde Gesc
häfte mit dem Alter
Geschäfte
Friedrichshain-Kreuzberg privatisiert Seniorenwohneinrichtungen
Lange hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Sache für sich behalten. Noch kurz vor der Wahl des Stadtrates für Soziales, Mildner-Spindler (Linke.
PDS), wurde beschlossen, das Seniorenwohnhaus Mehringplatz 5 vertragsgemäß
von der Gewobag zu übernehmen.
Leider ist die Transaktion mit erheblichen
Lasten für die öffentliche Hand verbunden. Ungetilgte Darlehen und Entschädigung für „Eigenmittel“ bieten nun der
Senatsfinanzverwaltung (SenFin) einen
willkommenen Vorwand, eine Kostenübernahme mit der Bedingung zu verknüpfen,
daß das Objekt über die Immobilienverwertungsgesellschaft des Landes Berlin,
den Liegenschaftsfonds, verkaufen zu lassen. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, daß
dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Zeitgleich zu den Bemühungen des Senats,
möglichst viele öffentliche Gebäude und
Dienstleistungen zu privatisieren, laufen
nun langfristige Verträge aus den siebziger Jahren aus, die zwischen Bezirk und
Neue Heimat bzw. GSW abgeschlossen
worden waren. Die Konditionen waren
günstig für die Wohnungsbaugesellschaften. Der Bezirk verleiht ein Grundstück mit
der Auflage, daß dort ein bestimmtes Gebäude errichtet wird, für das die öffentliche Hand wiederum als Generalmieter für
30 Jahre auftritt. Die Wohnungsgesellschaft erhielt günstige Darlehen von der
Investitionsbank Berlin (IBB) und kassierte Anschlußförderung im Zuge dieses sozialen Wohnungsbaues. Hinzu kamen die
bezirklichen Mietzahlungen.
Doch der Clou kommt erst zum Schluß:
nach Beendigung des Vertrags erhält die
Wohnungsbaugesellschaft vom Bezirk so
genannte Eigenmittel ersetzt, bei denen ein
Teil der geleisteten Tilgung gleich mit erstattet wird. Restschulden und Gebäude
gehen an den Bezirk, von Sanierungsrücklagen ist keine Rede. Heute kennen
wir solche Vertragsabschlüsse als „PublicPrivate-Partnership“. Nur sind diese modernen Verträge vollends geheim und im
Gegensatz zu früher oft über 1000 Seiten
stark.
Die WIR/Gewobag hat beim Mehringplatz
einen „Rest“ an Darlehensschulden von
ca. 2 Millionen Euro hinterlassen, zahlbar
bis 2058. An Eigenmitteln machten sie
660.000 Euro geltend. Falls sich nicht ein
Träger findet, der auch die Lasten übernimmt, ist mit einer Übergabe an den
Liegenschaftsfonds zu rechnen.
Die Bewohner des Seniorenwohnhauses
Mehringplatz 5 wurden seit Dezember nur
teilweise informiert. Groß war die Aufregung, als am 21.12. zufällig bekannt wurde, daß dem Wachdienst über Nacht gekündigt worden war. Zur Beruhigung der
Gemüter fand Ende Januar eine Informationsveranstaltung für die Betroffenen
statt. Es wurde mitgeteilt, daß für ein halbes Jahr die Verwaltung des Hauses der
Gewobag Verwaltungsgesellschaft übergeben worden sei. Auch beim Wechsel zum
Liegenschaftsfonds bliebe so ziemlich alles beim alten.
Ein ähnliches Schicksal droht den Seniorenwohnhäusern Charlottenstraße 85 und
Gneisenaustraße 12. Wahrscheinlich werden noch weitere Objekte betroffen sein.
Bereits 1998 hatte das Bezirksamt die Absicht signalisiert, sich von diesen Seniorenwohnhäusern zu trennen. Damals wurde konstatiert, es gäbe im Bezirk ein Überangebot solcher Wohnplätze von 226%.
Davon ist heute nicht mehr die Rede und
doch will man sich von den Häusern trennen. Die finanziellen Belastungen bieten
einen hervorragenden Anlaß für ein Spiel
mit verteilten Rollen zwischen Bezirksamt
und Senat. Jeder Beteiligte kann die Hände in Unschuld waschen und privatisiert
wird doch. Ökonomischer Hintergrund mag
sein, daß auf bestimmte Auswirkungen
der geplanten Änderungen in der Pflegeversicherung spekuliert wird. Geplant ist,
die Kostenerstattung für die Pflegestufe 1
bei stationärer Unterbringung im Heim zu
reduzieren. Bewohner dieser Pflegestufe
wird es dann in Heimen kaum noch geben.
Die Konsequenz wird Ausbau ambulanter
Wohnformen oder zumindest eine erhöhte Nachfrage danach sein. Tatsächlich orientieren einige private Träger in Berlin auf
den Erwerb von nichtstationären Wohneinrichtungen für Alte.
Kommunale Pflegeheime
zu verkaufen
2004 faßte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den Beschluß, seine Pflegeheime zu
verkaufen. Zwei der insgesamt noch sechs
kommunalen Berliner Pflegeheime befinden
sich in Kreuzberg. Die Heime in der Stallschreiberstraße und in der Fidicinstraße
wurden nach Einführung der Pflegeversicherung zu einem sogenannten LHOBetrieb zusammengeführt. Das Haus in der
Fidicinstraße wurde 1959 vom Bezirk errichtet. In der Stallschreiberstraße wurde
ebenso wie bei anderen Bauten 1977 über
einen Grundstücksleihvertrag das Heim er-
richtet. Die wirtschaftliche Lage der Häuser ist prekär. Das Defizit wird für 2006 auf
893.000 Euro geschätzt. Die Stallschreiberstraße hat bei einer Auslastung von 66%
einen Tiefpunkt erreicht (Fidicinstraße
78%). Dies, obwohl noch 2002 eine mehr
als 100%ige Auslastung bestand. Mangelnde preisliche Wettbewerbsfähigkeit
gegenüber Heimen im Ostteil und hohe
Personalkosten werden von der Geschäftsführung beklagt. Und nun läuft der
Grundstücksleihvertrag mit der GSW aus.
Also erneut Lasten. Immerhin 1,8 Millionen Eigenmittel und mehrere Darlehen in
Höhe von insgesamt 7,1 Millionen sind zu
schultern. Die GSW hatte in 30 Jahren praktisch keine Tilgung der Darlehensschulden vorgenommen, so daß die vollen Kosten dieses Umsonstbaus bis 2059 zahlbar sind. Also auch hier das Patentrezept:
verkaufen über den Liegenschaftsfonds.
Der Haken ist nur, daß das Objekt mit
Nutzungsbindung nicht als verkäuflich
eingeschätzt wird. In der Haushaltsausschußsitzung vom 13.2. erklärte das Bezirksamt, daß die Absicht bestehe, das
Heim Stallschreiberstraße “leerzuziehen“.
Die Bewohner sollen in die Fidicinstraße
umziehen. Aber „das bleibt besser unter
uns“, wurde zur beabsichtigten Informationspolitik gesagt.
Natürlich soll auch das Heim Fidicinstraße
verkauft werden. Da es von Ausstattung
und Auslastung betriebswirtschaftlich
besser da steht, soll es weiter als Pflegeheim bestehen bleiben. Zwei in Frage kommende Kaufinteressenten gäbe es aktuell,
erklärte man am 13.2. Allein die Namen
wurden nicht genannt.
Unsere Recherche ergab, daß es sich
höchstwahrscheinlich um die privaten
Altenheimkettenbetreiber Alpenland und
Casa-Reha handelt. Ersterer soll jedoch
nicht am Kauf, sondern höchstens an Anmietung interessiert sein.
Casa-Reha hingegen ist nicht nur die bundesweit fünftgrößte Kette, sondern auch
für schlechte Arbeitsbedingungen und
Pflegequalität bekannt. Das TV-Magazin
„Monitor“ brachte dazu am 29.6.2000 einen Beitrag. Im September 2005 ging CasaReha schließlich an den Private-EquityFond Advent über, es handelt sich also
um eine Heuschrecke!
So werden Pflegeheimplätze reduziert und
zukünftige Gewinne maximiert.
Die finanziellen Lasten trägt natürlich die
öffentliche Hand.
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Berlin
Anstoß April 2007
Seite 7
Neues aus der BVV: Aufstand der grünen Basis?
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Alles hätte so einfach sein können.
Senat und Bezirk privatisieren bis an den
Rand der Selbstauflösung. Öffentliche
Dienstleistungen und Immobilien werden
verramscht oder eingestellt. Anwohnerund Betroffenenbeteiligung findet erst
statt, wenn Entscheidungen schon getroffen sind.
Aber jetzt spielt die soziale Basis des grünen Bürgermeisters Schulz nicht mehr
mit. Begleitet von massivem Protest fand
am 28.2. die Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg statt.
Mit Unterschriftenübergabe, Transparenten, Wurfzetteln und Zwischenrufen wurde die sonst gepflegte Langeweile durchbrochen.
Bezirk FriedrichshainKreuzberg und Senat
wollen folgende
Seniorenwohneinrichtungen
verscherbeln:
Mehringplatz 5: 72 Wohnungen.
Grundstücksleihvertrag mit der Gewobag/WIR 2006 beendet. Übergabe an
den Liegenschaftsfonds noch 2007
wahrscheinlich.
Gneisenaustraße 12-14/
Riemannstraße 22:
Grundstücksleihvertrag mit der
Gewobag/WIR zu Mitte März 2007 gekündigt.
Charlottenstraße 85:
Grundstücksleihvertrag mit der GSW
läuft Ende 2008 aus.
Hinzu kommt eine unbekannte Zahl
weiterer Seniorenwohnhäuser in Kreuzberg, die von Grundstücksleihverträgen betroffen sind.
Seniorenheim „Richard Weiß“,
Fidicinstraße 2, 105 Wohnplätze.
Steht vor dem Verkauf als Pflegeheim.
Seniorenheim Stallschreiberstraße
12, ca. 100 Wohnplätze.
Grundstücksleihvertrag mit der WBM
ausgelaufen, Übergabe ohne Nutzungsbindung an Liegenschaftsfonds
geplant. Bewohner sollen in Fidicinstraße umziehen.
Beispiel
Elternzentrum Mehringdamm:
Die WASG-Fraktion hatte den Antrag gestellt, für das Elternzentrum Mehringdamm
einen Runden Tisch einzurichten, mit dem
Ziel des Erhalts in öffentlicher Hand. Der
Antrag geht noch mal in den Jugendhilfeausschuß. Am 21.12.06 teilte die Bezirksstadträtin für Jugend, Familie, Schule, Frau
Herrmann, dem Elternzentrum mit, daß im
ersten Quartal 2007 die Einrichtung an einen freien Träger übergeben werden solle. Die Stelle der Leiterin ist bereits ausgelaufen. Die Betroffenen, darunter 46 kooperierende Vereine und Gruppen, sind
besorgt über die Zukunft der bisher angebotenen Leistungen. Sie initiierten eine
Unterschriftenaktion, in der der Erhalt in
öffentlicher Hand, Verzicht auf Kürzungen,
Weiterbeschäftigung der Honorarkräfte,
rechtzeitige und umfassende Beteiligung
und Information der Beteiligten bzw. der
Öffentlichkeit gefordert werden. Frau Herrmann zeigte kein Entgegenkommen. Sie
betonte in einer schier endlosen Rede über
die Qualität der bezirklichen Betreuungskonzepte, daß man sich auf gesetzlich vorgeschriebene Kernleistungen konzentrieren wolle. Letzteres sei bereits 2003 beschlossen worden. Andere Leistungen
könnten von freien Trägern erbracht werden. Und das sei auch keine Privatisierung.
Im Gegenteil, dies böte mehr Flexibilität,
mehr sozialräumliche Ausrichtung und
Möglichkeiten zur Drittmittelaquise.
Burkert-Eulitz (Grüne) unterstützte dies mit
dem Hinweis, der Bezirk solle sich mehr
zurückhalten und statt einer etatistischen
Ausrichtung mehr Vielfalt durch private
Träger zulassen. Immerhin wurde in Aussicht gestellt, daß die Honorarkräfte auf
jeden Fall bis zum Sommer weiter beschäftigt werden. Wie großzügig.
Beispiel Fichtebunker:
Der im Kreuzberger Graefekiez gelegene
ehemalige Gasometer und spätere Bunker
in der Fichtestraße wurde in der letzten
Legislaturperiode an den Berliner Liegenschaftsfond gegeben. Der fand einen Käufer für das leerstehende Baudenkmal und
informierte im September 2006 über den
Senat auch das Bezirksamt. Die Verhandlungen schritten fort, aber die Anwohner
erfuhren erst am 6.12. davon. Als Investor
tritt ein Architektenbüro auf, das hier
Luxusapartments einrichten will, z.T. im
Bunker und in geplanten benachbarten
Neubauten. Dasselbe Büro baut gerade die
vor zwei Jahren geräumte Yorckstraße 59
zu Luxus-Lofts um. Viele Anwohner sind
aufgebracht wegen der Folgen einer solchen Bebauung: in Kreuzberg knappe
Grünflächen werden verkleinert, Verdrängungseffekte durch steigende Mieten sind
zu erwarten, der benachbarte und intensiv genutzte Sportplatz ist aus Lärmschutzgründen in seinem Bestand bedroht.
Infragegestellt ist durch die Privatisierung
auch der Denkmalschutz.
Der Verkauf ist unter Dach und Fach, das
Grundstück ging zum Schleuderpreis von
150 Euro pro Quadratmeter über den Tisch.
Der Kaufpreis für den Bunker bleibt im
Dunkeln. Den protestierenden Anwohnern warf Schulz entgegen, sie hätten doch
eine Wohnung. Folglich muß es wohl wohnungslose Manager und Promis geben, für
die Herr Schulz endlich ein Zuhause schaffen will. Baubeginn ist angeblich bereits
im Mai 2007. Die Initiative Fichtestraße
sammelt Unterschriften dagegen. Die SPD
stellte dazu eine große Anfrage und einen
Antrag für einen neuen Bebauungsplan.
Sie blieb in ihrer Kritik aber bei der Kritik
an der schlechten Informationspolitik des
Bezirksamtes und bei baurechtlichen
Aspekten stehen. Ebenso wie beim Elternzentrum Mehringdamm versuchen die
Friedrichshain-Kreuzberger Sozialdemokraten, sich an die Spitze des Protestes zu
stellen, um diesen sogleich zu entschärfen. So ist die SPD im Bezirk ein entschiedener Förderer von Privatisierung.
Beispiel Bethanien:
Ein Dringlichkeitsantrag der WASG wurde von der BVV abgelehnt, der sich gegen
die geplante Übergabe des Bethaniens an
das Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB), betrieben durch die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), wandte. Wie am 27.2.
bekannt wurde, ist dies, entgegen der
Beschlußlage der BVV, die Absicht des
Senats. Verknüpft wurde damit die Forderung, die Besetzer bis zum Sommer 2007
zu räumen und mögliche reguläre Mieter
zu nennen, die in der Folge marktübliche
Mieten zu zahlen hätten. Das unterläuft
die Ergebnisse des erfolgreichen Bürgerbegehrens und den Bemühungen am Runden Tisch Bethanien und in der Initiativplattform um ein soziokulturelles Zentrum.
Herr Borchardt (SPD) widersprach demAntrag mit dem Hinweis, noch läge dazu
nichts Schriftliches vor und man könne
sich damit Zeit lassen.
Rolf Meier
Berlin
Seite 8
Berliner
Kahlschlag-Telegramm
März 07
Investoren kaufen Berlin.
Grundstücke, Häuser und
Wohnungen sind Zielobjekte
von Spekulanten. Am liebsten
wird unsaniert gekauft, modernisiert und anschließend die
Mieten kräftig erhöht oder wieder verkauft. Das Land Berlin
heizt diese Stimmung durch die
Verkäufe von Wohnungen der
städtischen Gesellschaften mit
an.
***
Nicht nur, daß die Schulen zu
wenig Lehrer haben. Jetzt vermeldet die GEW, daß dem Land
die Lehrer weglaufen. Grund
hierfür sind die Arbeits- und
Lohnpolitik des Landes. In den
meisten Bundesländern wird
Lehrern inzwischen mehr geboten.
***
Tausenden von Mitarbeitern
in den Berliner Jobcentern
droht zum Jahresende Arbeitsplatzverlust. Sie sind nur mit
Zeitvertrag von den Arbeitsagenturen beschäftigt. Nur ein
kleiner Teil von ihnen soll im
nächsten Jahr weiterbeschäftigt werden. Hintergrund sind
geplante Auslagerungen von
Tätigkeiten an Dritte. In Berlin
sind ca. 60 % der MitarbeiterInnen in den Agenturen betroffen.
***
Die Zahl der überschuldeten
Berliner ist im vergangenen
Jahr drastisch gestiegen. Die
Verbraucherinsolvenzen haben
gegenüber dem Vorjahr um
70% zugenommen.An der Spitze liegt Lichtenberg, gefolgt
von Marzahn-Hellerdorf und
Neukölln. Insgesamt gelten
mehr als 15 % aller Berliner
Haushalte als überschuldet.
Jeder Siebte kann seine Rechnungen nicht bezahlen, schätzungsweise 430.000 Berliner.
Anstoß April 2007
Auf zur „Gemeinschaftsschule“?
Zuweilen holt die Zukunft, die
in der untergegangenen DDR
liegt, die bundesrepublikanische Gesellschaft wieder ein.
Denken wir an die schleppende Anerkennung des Kindergartens als Bildungseinrichtung oder an die Diskussion
über den massiven Ausbau der
Krippenplätze, die das althergebrachte Familienleitbild in
Frage stellen. Nun wächst auch
allmählich die Erkenntnis, daß
das hoch selektive dreigliedrige Schulsystem, das flugs
auch den neu hinzugekommenen Bundesbürgern verordnet
wurde, wohl doch nicht das
Gelbe vom Ei ist.
Aber wie das anstellen, ohne
Erinnerungen an die Einheitsschule aufkommen zu lassen?
„Gemeinschaftsschule“ taufte
man das Kind. Die Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD
und PDS sehen ihre Einführung vor – als Pilotprojekt.
Dort wird definiert: „Gemeinschaftsschulen sind Schulen,
in denen alle Schüler und
Schülerinnen mindestens bis
zum Ende der 10. Klasse gemeinsam lernen und möglichst
viele von ihnen gemeinsam
das Abitur ablegen.“ Kommt
uns das nicht irgendwie bekannt vor? Nicht doch: Eine
Gemeinschaftsschule ist „eine
Schule, die Heterogenität respektiert und alle Kinder und
Jugendlichen ... im gemeinsamen Schulleben individuell
fördert. Eine solche ‘Gemeinschaftsschule’ ist das krasse
Gegenteil einer ‘Einheitsschule’.“ Peter Heyer, Vorsitzender der Berliner Landesgruppe des Grundschulverbandes, gibt mit diesem Statement den durchaus repräsentativen Geisteszustand der
Freunde und Förderer dieser
ganz neuen Schulart wieder.
Eine weitere mögliche Verwirrung muß aufgeklärt werden.
Es gibt ja auch noch die Gesamtschulen. Wo ist der Unterschied? Die Gesamtschule
kennt noch die Differenzierung
nach Leistungsgruppen; die
Gemeinschaftsschule verlangt
insofern ein höheres Maß an
Akzeptanz heterogener Gruppen.
Der Einstieg in die Gemeinschaftsschule soll ganz vorsichtig erfolgen (und ist inzwischen schon auf das übernächste Schuljahr verschoben
worden). Man sucht zunächst
Freiwillige.
Nun gibt es ja durchaus Ziele,
die mit der Partisanenstrategie
verfolgt werden können, der
Ausbau von Ganztagsschulen
zum Beispiel. Bei der Einführung der Gemeinschaftsschule funktioniert das nicht. Beschließt zum Beispiel ein Gymnasium, ganze Grundschulklassen aufzunehmen, freuen
sich die benachbarten Gymnasien, daß sie einen Konkurrenten weniger haben.
Seltsam, der schlagartige Übergang von der Einheitsschule
zum dreigliedrigen System
nach der Konterrevolution war
möglich, umgekehrt soll’s nicht
gehen?
Bei alldem sollte man nicht vergessen: Allen ideologischen
Verrenkungen zum Trotz bilden
die genannten Protagonisten
der Gemeinschaftsschule
noch die Speerspitze des Fortschritts in unserer Republik.
Den gewichtigeren Teilen unserer Gesellschaft paßt sowieso die ganze Richtung nicht.
Selbst die massive Kritik des
UNO-Sonderberichterstatters
Vernor Muñoz, wonach das
deutsche Schulsystem gegen
das Menschenrecht auf Bildung verstoße, prallt an ihnen
ab. Über manche Veränderungen – wie über die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule lassen sie mit sich reden, aber beim Gymnasium hört
der Spaß auf.
Und Wowereit, Mitunterzeichner der Koalitionsvereinbarungen, beeilte sich zu versichern,
daß diese heilige Kuh nicht
angetastet wird.
Der SPD-PDS-Senat ist eben
doch etwas anderes als der
SPD-SED-Magistrat von 1948,
der das „Gesetz zur Einheitsschule“ durchsetzte, das in
Westberlin nur bis 1951 Bestand hatte.
Georg Spitzweg
Anstoß April 2007
Berlin
Seite 9
Wenn Nazis über Kinder
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Petra Allemann sitzt für die
Wahlalternative Arbeit und
soziale Gerechtigkeit (WASG)
in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von
Treptow-Köpenick.
Berliner Anstoß sprach mit ihr
über ihreArbeit in der BVV und
die Erfahrungen mit der ebenfalls vertretenen neofaschistischen NPD.
In die BVV Treptow-Köpenick konnte die NPD in
Fraktionsstärke einziehen.
Noch dazu mit ihrem Frontmann, dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt.
Wie treten die Nazis in der
BVV auf?
Bisher tritt die Fraktion der
NPD in der Bezirksverordnetenversammlung eher verhalten, man könnte fast sagen, abwartend auf. Die einzigen Beifallsbekundungen, derer sie
sich sicher sein können, kommen von grölenden, jugendlichen Anhängern auf der Zuschauertribüne. Die sind leider
immer zahlreich vertreten.
Was sind die Politikfelder,
in denen die NPD punkten
will?
Bisher haben sie sich für die
Aufhebung des Durchfahrtsverbots in der Altstadt Köpenick stark gemacht. Ferner wollten sie wissen, was die vom
Bezirksamt unterstützte Demonstration gegen den Aufmarsch der Neonazis gekostet
hat. Sie fordern außerdem, daß
keine Finanzen für Migrantinnen und Migranten und ihre
Kinder in der Haushaltsplanung berücksichtigt werden.
Aber Kinderarmut wollen sie
zum großen Thema machen –
natürlich nur die von deutschen Kindern.
Wie reagieren die anderen
Parteien auf die Anträge
und Redebeiträge der Neonazis?
Das hängt vom Gehalt ihrer
Beiträge ab. Wenn die Rechten sich deutlich gegen demokratische Grundsätze richten
und Menschrechtsverletzungen bejahen, ist die Ablehnung eindeutig. Jüngstes Beispiel war ein Antrag der NPD,
der sich gegen die Verwendung von Anglizismen bei Debatten und Vorträgen in der
Bezirksverordnetenversammlung richtete, zum Beispiel gegen Begriffe wie Highlights,
Mail, No-Nazis, Music-Event,
etc. Wir sollten, so die Nazis,
mit gutem Beispiel vorangehen
und die ausdrucksvolle deutsche Sprache fördern. Ich erspare Euch lieber weitere Ausschweifungen dieser bizarren
Denkart.
Mit welchen Punkten seid
Ihr als Vertreter der WASG
bisher in der BVV aufgetreten?
Momentan sind wir in den Ausschüssen “Soziales und „Finanzen“ vertreten. Wir haben
zum Beispiel einen Antrag auf
„Weihnachtsgeld für ALG-IIBezieher“ auf die Tagesordnung gesetzt. Bei diesem Antrag wird sich zeigen, wie und
ob sich die Kolleginnen und
Kollegen der anderen demokratischen Parteien in der
Bezirksverordnetenversammlung in die Problematik der Arbeitslosengeld-II-Empfänger
und deren Kinder hineinversetzen können. In Vorbereitung
sind einige weitere Anträge
sowie diverse „kleine“ und
„große“ Anfragen an das Bezirksamt.
Sind Bürger mit Problemen
an Euch herangetreten?
Ja, wir werden häufig um Rat
gefragt. Es geht um Probleme
mit dem Jobcenter und der Verwaltung, einer jungen Mutter
mit zwei Kindern, die nach der
Scheidung von ihrem Mann
nicht mehr krankenversichert
war, mußte dringend geholfen
werden. Ein älterer Herr, der ein
kleines Grundstück gepachtet
und dort eine Garage errichtet
hat, wandte sich an uns, weil
er befürchtet, daß nach dem
Verkauf des Grundstücks der
Pachtvertrag aufgehoben und
er seine Garage verlieren würde. In der aktiven, konkreten
Hilfestellung sehen wir einen
der Schwerpunkte unserer Arbeit und versuchen so unser
Wahlversprechen zu erfüllen.
In dem Sinne habt Ihr auch
begonnen, ein Arbeitslosenfrühstück anzubieten.
Wie waren die ersten Erfahrungen?
Das Arbeitslosenfrühstück ist
für uns sehr wichtig, um mit
den betroffenen Bürgerinnen
und Bürgern in direkten Kontakt zu kommen. In einer zwanglosen Runde können Betroffene leichter über ihre Probleme
sprechen und wir versuche,
ihnen mit Rat und Tat zur Seite
zu stehen. Die erste Erfahrung
war positiv, wenn auch verhalten, das heißt, es hätten ruhig
mehr Betroffene kommen können, doch wir denken, anfänglich bestehen da wohl immer
Berührungsängste.
Die Fragen stellte
Wera Richter.
Öffentliche
Veranstaltung der
DKP Treptow-Köpenick:
Zur sozialen
Demagogie
der Neofaschisten
Beiträge u.a.:
Soziale Demagogie
der NPD (SDAJ)
Erfahrungen aus der
BVV (WASG )
Kampagne für das Verbot der NPD (VVN-BdA)
23. April, 19 Uhr
Begegnungsstätte PRO
Kiefholzstraße 175
Berliner
Kahlschlag-Telegramm
März 07
Die Personalpolitik des Landes
macht sich bei den Lehrern
bemerkbar. Die Pädagogen sind
im Schnitt 50 Jahre alt. Berlin
wird also in absehbarer Zeit
arge Probleme mit dem Nachwuchs bekommen.
***
Nach einem antisemitischen
Vorfall in einer Berliner Polizeischule wird die Neutralität der
Berliner Polizei hervorgehoben. Die Polizei sei weder
„links- noch rechtslastig“.
Stimmt zum Teil, in der Geschichte hat die Berliner Polizei immer wieder bewiesen,
daß sie versteht, gegen Linke
in dieser Stadt durchzugreifen.
***
Landowsky ist jetzt vorbestraft. Wegen nachgewiesener
Untreue wurde er zu 16 Monaten auf Bewährung verurteilt.
Die Zeche zahlen die Berlin mit
Millionen zusätzlichen Schulden. Die SPD jubelt. Waren
nicht auch Sozialdemokraten in
der Regierungsverantwortung?
***
20.000 neue Jobs in Berlin prognostiziert die IHK durch den
„Wirtschaftsaufschwung“.
Schön, da gerade mal wieder
1.000 Arbeitsplätze bei Schering wegfallen. Ein Wermutstropfen: Der so genannte Aufschwung fällt in Berlin wie
schon seit Mitte der 90er Jahre
nicht so „hoch“ aus wie in den
westlichen Bundesländern.
Berlin wird also weiter abgehängt.
Bitte beachtet!
Die e-mail-Adresse der
DKP Berlin hat sich
geändert!
Sie lautet jetzt:
[email protected]
Seite 10
Aus der DKP Berlin
Anstoß April 2007
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Berliner
Die Berliner Genossinnen und Genossen
nahmen den 8. März 2007 zum Anlaß, sich
der revolutionären Tradition der proletarischen Frauenbewegung zu erinnern
und den Weg von Frauen in die kommunistische Bewegung zu beleuchten.
Mit Blick auf den 90. Jahrestag der Oktoberrevolution in Rußland erinnerte Erika
Baum an den 8. März 1917, an dem die Frauen in St. Petersburg, einem Aufruf der
Bolschewiki folgend, auf einer machtvollen Kundgebung „Brot – Nieder mit dem
Krieg – Nieder mit der (zaristischen)
Selbstherrschaft“ forderten und so den
Auftakt zum Generalstreik gaben.
Kein Hartz-IV-Fall
Da wurde gerade der 59-jährige
Justizstaatssekretär Christoph Flügge
in den Ruhestand versetzt. Dafür ist
ein neuer, ein 60-jähriger mit Namen
Hasso Lieber, ernannt worden. Warum
man den Flügge nicht und den Lieber
lieber haben will, ist noch ungeklärt.
Klar ist nur, daß der Flügge als Ruheständler die nächsten drei Monate
das volle Gehalt in Höhe von 7580
Euro monatlich bekommt und dann
bis zum Lebensende ein Ruhegehalt
von 5586 Euro erhält. Der Gesetzgeber will es so, auch, daß der Herr
Staatssekretär, wie die anderen Beamten, nicht in die Rentenversicherung
eingezahlt hat.
Wie wird eine Wohnung
„angemessen“?
ALG-II-Empfängern steht nur eine
„angemessene“ Wohnung zu. Das haben die „Volksvertreter“ im Bundestag beschlossen. Da hat zum Beispiel
eine Mutter mit ihrem erwachsenen
Sohn ein Zimmer zu viel. Kleinere
Wohnungen sind knapp, Umzug auf
Kosten der Kommune zu teuer. Was
wird gemacht? Ein Zimmer wird verschlossen. Der Raum darf nur zum
Lüften betreten werden. Die Wohnung
ist nun „angemessen“. Der Vermieter
bekommt weniger Miete und die Wohnung ist weiter vermietet. Einzelfall?
Nein, allein in den Häusern der
„Wohnbau GmbH Löbau“ sind auf
diese Art und Weise 95 Wohnungen
von ALG II Empfängern „angemessen“
verkleinert worden. Die Kommune hat
kein Geld, und der Gesetzgeber hat es
so beschlossen. Irrsinn? Wahnsinn
oder Schwachsinn?
JM
An den 60. Jahrestag der Gründung des
„Demokratischen Frauenbundes Deutschlands“ vor 60 Jahren knüpfte sie den bedeutenden Anteil der Frauen an der Beseitigung der Trümmer und dem Aufbau
einer antifaschistisch-demokratischen und
später einer sozialistischen Gesellschaft in
der DDR. Dabei waren die Bildung antifaschistischer Frauenausschüsse, die Bewegung „Rettet die Kinder“, die demokratische Schulreform und ihre aktive Mitarbeit in den Selbstverwaltungsorganen in
der SBZ wichtige Stationen.
Das gewachsene politische Bewußtsein
der Frauen kam auch in ihrem Votum für
die Enteignung der Kriegsverbrecher und
Naziaktivisten, ihrem Engagement im
Kampf für den Frieden und die Ächtung
der Atomwaffen zum Ausdruck.
DieArbeiter- und Bauernmacht in der DDR
bot den Frauen die Bildungsmöglichkeiten, die ihnen größtenteils in der Vergangenheit vorenthalten wurden und befähigte sie, leitende Funktionen in Politik und
Wirtschaft einzunehmen und im Bildungswesen in Kindergärten, Schulen, Fach- und
Hochschulen mit ihren Beitrag ein international beispielgebendes Niveau zu erreichen.
Auf die Frauenbewegung in der sich als
Rechtsnachfolger der Nazi-Diktatur verstehenden Alt-BRD, die das auch mit personeller Kontinuität gewährleistete, ging
Jupp Mallmann ein.
Männer und Frauen – 9 Millionen berufstätige Frauen und Mädchen – junge und
alte kämpften gemeinsam um die Überwindung der Kriegsfolgen, „um die Beseitigung der Trümmer im Land und in den
Köpfen“. Gemeinsam wurde auch der
Kampf gegen die von der Adenauer-Regierung betriebene Remilitarisierung, die
Kriegsvorbereitungen der NATO und die
Notstandsgesetzgebung geführt.
Im Kampf um die Gleichberechtigung der
Frau konnte immer auf das Beispiel der
Realität in der DDR verwiesen werden.
Während auf lokaler Ebene schon seit
1946 Frauenausschüsse aktiv waren, wurde erst nach dem 8. März 1950 in NRW der
DFD als Vertreter der grundlegenden politischen und sozialen Interessen der Frauen gegründet, begleitet von den Warnungen des SPD-Parteivorstandes vor der
„kommunistischen Organisation“.
1957 wurde der DFD in der BRD mit Erlaß
des Innenministers aufgelöst und verboten, wie vorher FDJ, KPD und VVN.
Politisch aktive Frauen wurden kriminalisiert, langwierigen Ermittlungsverfahren
unterworfen und so der Diskriminierung
am Arbeitsplatz und der verleumderischen
Hetze der Medien ausgesetzt.
Viele von ihnen wurden wegen „Staatsgefährdung“, „Geheimbündelei“, „Verfassungswidrigkeit“ und „Rädelsführerschaft“ verurteilt.
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Am 9. März 2007 feierten im Ladenlokal
der Chile-Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V. in Neukölln die Vereine
Colibri e.V. (Peru), Polo Democrático
Alternativo (Kolumbien), Yanapakuna e.V.
(Bolivien), Chile-Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V. sowie die
DKP Neukölln und Berlin gemeinsam den
Internationalen Frauentag nach.
Für gute Unterhaltung sorgten an diesem
Abend die Musiker Cirilo Adriazola (Chile) und Fernando Vidales (Peru).
Dank des ersten Redebeitrags von Burga
wurde in Erinnerung gerufen, daß Gleichberechtigung von Frau und Mann in der
DDR nicht nur ein Passus in der Verfassung war.
Gleichberechtigung war alltäglich. Sowohl
ökonomisch als auch gesellschaftlich war
die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen
nahezu selbstverständlich. Heute, 17 Jahre nach der vorläufigen Niederlage des
Sozialismus in Deutschland ist das nicht
mehr so. Frauen erhalten oft einen geringeren Lohn, auch wenn sie die gleiche
Arbeit wie Männer verrichten. Frauen sind
insbesondere von prekären Beschäftigungen, Arbeitslosigkeit und Hartz IV betroffen.
Im zweiten Redebeitrag rückten vor allem
die Frauen in den Mittelpunkt, die mit militärischen Auseinandersetzungen und
Kriegen konfrontiert sind. In solchen Situationen sind es in erster Linie Frauen,
die Opfer von Gewalt, Mißhandlungen
und Armut sind.
Der Internationale Frauentag hat nicht an
Aktualität verloren. Nach wie vor müssen
wir für die politische, ökonomische und
gesellschaftliche Partizipation der Frauen
in Deutschland, in Europa, in der ganzen
Welt eintreten und kämpfen. Denn: „Der
gesellschaftliche Fortschritt läßt sich exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts…“ (Karl
Marx)
Doreen B.
Anstoß April 2007
Aus der DKP Berlin
Neue DKP-Gr
uppe g
e g r ündet
DKP-Gruppe
ge
Fragen an den Vorsitzenden der Gruppe, Bruno Chelli
Am 27. Februar wurde es offizell: Die
neue DKP-Gruppe Tempelhof-Schöneberg kam zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Du wurdest als ihr
Vorsitzender gewählt. Wie kam es zu
dieser Neugründung?
Wir waren ja vorher zusammen in der Gruppe Neukölln/Südwest, und diese Gruppe
wurde – ein erfreuliches Problem – einfach
zu groß. Da 15 Genossinnen und Genossen ihren Wohnsitz im Bezirk TempelhofSchöneberg haben, lag es nahe, hier eine
eigenständige Parteigruppe aufzumachen.
Ich denke, es ist wichtig, daß die Partei
nach und nach flächendeckend, in allen
Bezirken präsent ist. Vor allem Schöneberg
ist ein wichtiger Bezirk, schon aus historischer Sicht: In den Zwanziger Jahren war
er fest in kommunistischer Hand.
Was gibt Euch die Zuversicht, daß es
eine tragfähige Gruppe wird?
15 Mitglieder hört sich auf den ersten Blick
nicht sonderlich viel an, aber es sind aktive, initiativreiche Genossen, die mir die
Arbeit als Vorsitzender leicht machen.
Sie wirken in unterschiedlichen Bereichen
– sei es in den Gewerkschaften, in der Friko
oder in der BüSGM. Da gibt es Kontakte,
die weiter entwickelt werden müssen und
ich denke, daß die Genossen, die in sozialen Bewegungen und in Bündnisorganisationen mitarbeiten, ein ausgesprochen gutes Ansehen genießen und
das wollen wir natürlich ausbauen.
Und dann gibt es natürlich auch Kontakte
zur neuen WASG und zur PDS.
Das deutet ja schon auf einige Schwerpunkte Eurer Arbeit hin. Könntest du
noch weitere nennen, die sich die Gruppe zum Ziel gesetzt hat?
Zunächst kommt es darauf an, regelmäßig
im Bezirk – und da vor allem in Schöneberg – präsent zu sein. Industriebetriebe
gibt es kaum noch. Es gibt noch zwei größere Metallbetriebe, wo auch Genossen
tätig sind: DaimlerChrysler in Marienfelde
und Gilette in Tempelhof.
Als Wohngebietsgruppe setzen wir unseren Schwerpunkt auf kommunalpolitische
Arbeit – in Zusammenarbeit mit anderen
linken und außerparlamentarischen Gruppen. Für eine kommunistische Partei ist es
immer schwierig, in nichtrevolutionären
Zeiten zu arbeiten, aber nichtsdestotrotz
werden wir unseren Teil dazu beitragen,
die außerparlamentarische Bewegung gegen Krieg und Sozialabbau zu stärken.
Die Fragen stellte Helmut Dunkhase
Antifa-Erfahrungsaustausch
Mitte März fand ein erster Erfahrungsaustausch der aktiven und organisierten Antifaschisten der DKP-Berlin statt.
Auf diesem Treffen berichteten die Genossinnen und Genossen zunächst über antifaschistische Aktivitäten in ihren Stadtbezirken und die Zusammenarbeit mit der
VVN-BdA und antifaschistischen Bündnissen. So organisierte zum Beispiel die
Gruppe Mitte in diesem Jahr erneut eine
Ehrung des Antifaschisten Otto Grünberg
im Stadtbezirk Charlottenburg, fußend auf
einer Tradition der 70iger und 80iger Jahre
in Westberlin.
Des weiteren diskutierten wir über Aufgaben, die eine regelmäßige Antifa-Beratung
leisten kann. Ziel ist es, zum einen, Standpunkte der DKP zu diskutieren und den
Meinungsaustausch weiter zu entwickeln,
damit die Genossinnen und Genossen in
den Bündnissen mit unseren Standpunkten sicherer auftreten können.
Zum anderen geht es darum, die antifaschistische Arbeit im Bezirk, zum Beispiel
das Auftreten bei Demonstrationen, bes-
ser zu koordinieren. Einig waren wir uns,
die Kampagne der VVN-BdA „NO-NPD –
NDP-Verbot jetzt“ zu unterstützen. Erste
Erfahrungen zeigen, daß viele Menschen
bereit sind, die Kampagne mit ihrer Unterschrift zu unterstützen und daß die
Unterschriftenlisten eine gute Möglichkeit
sind, über die Rolle der NPD und die Gefahr, die von ihr ausgeht, ins Gespräch zu
kommen.
Wir rufen daher alle Gruppen und Genossinnen und Genossen auf, die Unterschriftenlisten stärker in ihre Arbeit einzubeziehen.
Auf einer weiteren Beratung am 16. April
(19.30 Uhr, Bezirksbüro der DKP) wollen
wir uns inhaltlich mit der VVN-Kampagne
und dem stadtpolitischen Papier der DKPBerlin zum Bereich Antifaschismus
(www.dkp-berline.online.de) beschäftigen
und diskutieren, wie es für ein Öffentlichkeitsmaterial der DKP genutzt werden
kann. Interessierte Genossinnen und Genossen sind willkommen.
Micha Czech
Seite 11
Debatte
Forderung
nach Zinsmoratorium
wirft Fragen auf
In der letzten März-Versammlung der
Gruppe Neukölln wurde der Diskussionsbeitrag der Betriebsgruppe für ein
Zins- und Schuldenmoratorium aufgegriffen. Nach einer kurzen Einführung
zum Thema öffentlichen Finanzen und
der Berliner Finanzsituation wurden Forderungen formuliert und dabei über den
Inhalt und Folgen eines Moratoriums
diskutiert. Es wurde festgestellt, daß
• die Forderung nach einem Zinsmoratorium zwar von der DKP in den
vergangenen Jahren häufig in die Diskussion gebracht wurde, aber keine Konkretisierungen vorgenommen wurden.
• eine Konkretisierung der Forderung
auch die Frage klären muß: was passiert
in der Zeit, in der dieses Moratorium
läuft und was passiert danach? Der Aufschub der Zahlungen schiebt nur einen
Berg von Schulden vor sich her. Dieses
werden sich die Banken bezahlen lassen
wollen.
• die Durchsetzung dieser Forderung
muß von einer breiten Bewegung getragen werden.
• die von der Betriebsgruppe erweiterte
Forderung nach einem Zins- und
Schuldenmoratorium eine Möglichkeit
wäre, ein Bewußtsein in der Bevölkerung
zu schaffen, daß die Verschuldung der
öffentlichen Haushalte kein natürlicher
Prozeß ist.
• die Forderung nur ein erster Schritt
sein kann. Der Zinserlaß wäre ein Weg,
um die Schuldentilgung möglich zu machen. Die Forderung nach einem (teilweise?) Schuldenerlaß muß gleichzeitig in
die Diskussion gebracht werden.
Es wurde deutlich, daß eine genauere
Auseinandersetzung mit der Finanzsituation Berlins und den möglichen Alternativen erforderlich ist. Berlin zahlt
bspw. mehr Zinsen als an Nettokreditaufnahme getätigt wird. Dieses wird
noch steigen, da auch nach der optimistischen Finanzplanung des Landes
noch bis 2011 eine Neuverschuldung
trotz drastischen Einschränkungen im
Sozialbereich, Senkung der Investitionen
und dem Personalabbau vorgesehen ist.
Die Versammlung begrüßte die angeschobene Diskussion durch die Betriebsgruppe und fordert die LeserInnen
des Berliner Anstoß auf, sich an der Meinungsbildung zu beteiligen.
Rainer Perschewski
Geschichte der Arbeiterbewegung
Seite 12
Anstoß April 2007
Berliner Kalenderblatt:
April 1947 – Bür
ger
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Ostro
wird
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bgesetzt
Am 5. Dezember 1946 wurde Dr. Otto
Ostrowski (SPD) auf Vorschlag seiner
Partei zum Oberbürgermeister von GroßBerlin gewählt und als versierter Fachmann und beispielhafter Sozialdemokrat
gepriesen. Im April 1947 wurde er von
seiner Partei fallen gelassen.
Ostrowski – ein Gegner der Vereinigung
der Arbeiterparteien – bemühte sich, seine Arbeit im Dienste der gesamten Bevölkerung Berlins zu verrichten, um die Nöte
der Menschen zu lindern. Durch die Bestrebungen der West-Alliierten in Zusammenarbeit mit der rechten sozialdemokratischen Führung, eine Restauration der
kapitalistischen Verhältnisse auch in den
Westsektoren Berlins – also mitten in der
Sowjetischen Besatzungszone zu betreiben – war das Regieren fast unmöglich.
Vorschläge der SED-Fraktion im Abgeordnetenhaus für den weiteren Aufbau der
Stadt, um die Situation der Bevölkerung
zu verbessern, waren vergeblich.
Die neuen Herren waren nach der Wahl im
Oktober 1946 mit Postenverteilung und der
Entlassung bewährter Antifaschisten beschäftigt. „Hunger und Kälte, Not und
Verbrechen gehen jetzt über Berlin hin“,
verkündete Ostrowski am 2. Januar 1947.
Durch seine Gespräche mit dem sowjetischen Kommandanten erreichte er im
Hungerwinter 1946/1947 zusätzliche Holzeinschläge aus den Wäldern der sowjetischen Besatzungszone.
Er suchte die Kooperation mit der SED und
erarbeitete mit einigen Sozialdemokraten
und Mitglieder der SED ein gemeinsames
Arbeitsprogramm für Berlin.
Diese Ergebnisse alarmierten die tonangebende reaktionäre Führungsgruppe der
Berliner Sozialdemokratie. Sie entfesselten
in der Westberliner Presse ein wahres Kesseltreiben gegen ihn.
Als Ostrowski sich auch noch weigerte,
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euen
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streuen
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standshandlung
iderstandshandlung
Ein Antifaschist wird geehrt
Anläßlich seines 100. Geburtstages am 15.
März kamen Antifaschisten, darunter Mitglieder der DKP, in der Lichtenberger
Wönnichstraße 105 zur Ehrung des antifaschistischen Widerstandskämpfers Georg Lehnig zusammen.
Hier, wo Georg Lehnig wohnte, wurde eine
Gedenktafel (wieder) angebracht, die vor
einem Jahr gestohlen worden war. Eine
weitere Gedenktafel in der Kadiner Straße
16, einem anderen Wohnort Lehnigs, wurde in Eigeninitiative vom antifaschistischen Aktivisten Kutte Schettlinger restauriert.
Georg Lehnig, Tischler und Mechaniker,
seit 1923 Mitglied des KJV und seit 1927
der KPD, war zusammen mit seiner Frau
Cläre Mitglied einer Widerstandsgruppe,
zu der auch Werner Seelenbinder gehörte.
Am 11. Januar 1945 wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 28.
März 1945 im Zuchthaus BrandenburgGörden hingerichtet.
Eine Vertreterin des Bezirksamtes Lichtenberg moderierte die Veranstaltung. Schülerinnen und Schülern des Leistungskurses Deutsch in der 12. und 13. Jahrgangsstufe des Herder-Gymnasiums stellten im
Rahmen ihres Projekts „Antifaschisten in
aller Munde“ den Beitrag über Georg
Lehnig vor. Ein Trompeter spielte Melodien mit einem Bezug zum Geehrten. Abschließend mahnte der nun 95-jährige Alfred Wittig, ein Mitkämpfer Georg Lehnigs,
sein antifaschistisches Vermächtnis weiter zu tragen.
Am Rande der Veranstaltung zog Alfred
Wittig ein Exemplar einer selbst geprägten „Streumünze“ aus der Tasche. Diese
Münzen wurden, in Betrieben etwa, unauffällig fallen gelassen. Auf der einen
Seite war das Hakenkreuz beschriftet mit
„Krieg, Tod, Lüge, Elend“, auf der anderen Seite Stern mit Hammer und Sichel mit
der Aufschrift „Kommunismus, Frieden,
Fortschritt, Brot“.
Für Verteiler und Aufsammler war das relativ ungefährlich: Man hatte in gutem
Glauben Groschen gefunden.
Helmut Dunkhase
die SED-Funktionäre aus dem Magistrat
zu entlassen, stellte seine eigene Fraktion
am 11. April 1947 einen Mißtrauensantrag
gegen ihn, der auch mit Mehrheit angenommen wurde.
Am 17. April 1947 trat Ostrowski zurück.
Otto Ostrowski findet auch heute noch in
der Berliner SPD keine Würdigung.
AK Geschichte Neukölln
Der Vorstand des Freundeskreises
„Ernst-Thälmann-Gedenkstätte“
e.V. lädt ein zur
traditionellen Kundgebung in
Ziegenhals anläßlich des
121. Geburtstags von Ernst
Thälmann.
Es spricht Kurt Andrä,
Mitglied des ZK der KPD
Es singt der Arbeiter- und
Veteranenchor Neukölln
Sonntag, 15. April 2007, 11.30
Uhr auf dem Ehrenhof
der Gedenkstätte
Birkenweg/Seestraße
Einig gegen Rechts!
Kundgebung
mit Alfred Fritz (KPD) u.a.
Sonnabend, 14. April 2007, 14 Uhr
vor dem
Ernst-Thälmann-Denkmal
Berlin-Prenzlauer Berg
Veranstalter:
Aktionsbündnis
Thälmann-Denkmal
Anstoß April 2007
Seite 13
Feuilleton
Leben und Werk eines Dichters
Vor 85 Jahren wurde Pier Paolo Pasolini geboren
„Jedes Jahrhundert werden nur drei oder
vier Dichter geboren, und wir haben einen Dichter verloren.“
Mit diesen Worten würdigte Alberto
Moravia in seiner Totenrede 1975 Pier
Paolo Pasolini.Am 5. März 2007 wäre er 85
Jahre alt geworden. Er studierte Literaturund Kunstgeschichte im roten Bologna
und war dort von 1947 bis 1949 als Lehrer
tätig, ehe er in einer Anzeige der Verführung eines 17jährigen beschuldigt und
daraufhin entlassen wurde. Die IKP schloß
ihn deswegen aus ihren Reihen aus.
Die Anzeige nannte er „eine Heimtücke
der Christdemokraten“, seinen Parteiausschluß eine „Unmenschlichkeit“. Ungeachtet dessen, „bleibe ich Kommunist“,
schrieb er. Seine Homosexualität hat er nie
verheimlicht.
Pasolini war ein vielseitiges Talent.
Er wurde als Dramatiker, Romancier, Lyriker, Literaturwissenschaftler, Filmregisseur
und selbst als Maler bekannt, arbeitete als
Journalist, schrieb Essays, war immer ein
politisch engagierter Mensch. Die Sozialkritik rechnete er zu seinen wichtigsten
Ambitionen als Künstler. Dabei war er
selbstkritisch und gestand Schwächen
offen ein. Er bedauerte, keine Erfahrungen
in der Welt der industriellen Arbeit gemacht, keine ökonomischen Kenntnisse
erworben, als Marxist zu wenig von Marx
gelesen zu haben.
Mitte der 50er Jahre wurde Pasolini als
neorealistischer Schriftsteller mit seinen
Büchern Ragazzi di Vita (1955) und Una
Vita violenta (1959) sowie durch seine ersten Filme Accatone - Wer nie sein Brot
mit Tränen aß (1961) und Mamma Roma
(1962 mit Anna Magnani) als Regisseur
rasch auch international bekannt.
Er schrieb Theaterstücke und für Federico
Fellini und Mauro Bolognini Drehbücher.
Seine Werke widerspiegelten seine Sympathien für die Arbeiter, eingeschlossen
das Lumpenproletariat (Una Vita violenta), das er in den Elendsvierteln von Rom
kennen lernte. Pasolini zeigte offen seine
Verachtung für die Bourgeoisie und ihr parasitäres Leben.
Zur IKP, die Anfang der 70er mit ihrem
„Historischen Kompromiß“ zur Klassenzusammenarbeit mit der Democrazia Cristiana überging, bezog er eine kritische
Position, blieb ihr, mehr wohl ihrer kämpferischen Basis, aber immer eng verbunden. In einem Gedicht hieß es dazu: „Ich
habe mich der IKP immer mit Hingabe
widersetzt und erwartete eine Antwort auf
meine Einwände. Ich wollte ja dialektisch
vorgehen. Diese Antwort ist nie gekommen“.
Pasolini schrieb in bildhafter, lebendiger
und kraftvoller Sprache, verfaßte Streitschriften (Freibeuterbriefe, Lutherbriefe,
Paulusbriefe) die seine kommunistische
Gesinnung bezeugten, aber auch seine
Sicht auf religiöse Gefühle ausdrückten,
was auch seine verfilmte Matthäus-Evangelisation (1964) zeigte. In der Lyrik sind
Ceneri di Gramsci (1957), dt. „Gramscis
Asche” und L´Usignolo della Chiesa
cattolica (1958), dt. “Die Nachtigall der
katholischen Kirche“ zu nennen, von den
Romanen Il Sogno di una Cosa (1962); dt.
“Der Traum von einer Sache“ und Ali dagli
Occhi azzurri (1965); dt. „Ali mit den blauen Augen“. In der Bundesrepublik sind
viele seiner Werke bei Wagenbach erschienen.
In seinem letzten Film Salò o le centoventi
Giornate della Città di Sodoma, dt. Salò
oder die 120 Tage von Sodom“ gestaltete
er nach Marquis de Sade fiktiv die grausamen Zustände in einem Gefangenenlager
in Salò, dem Sitz des Mussolini-Regimes
am Gardasee unter der Okkupation der
Hitlerwehrmacht. Den heftig umstrittenen
Film prägten Resignation und Lebensekel.
Im November 1975 fiel der Dichter einem
furchtbaren Verbrechen zum Opfer.
Am Rande von Rom, in Ostia, wurde er
auf einem Fußballplatz von mehren Männern überfallen, schwer mißhandelt und
dann mit seinem eigenen Wagen überfahren und getötet. Ein Strichjunge wurde
von der Polizei gefaßt und behauptete, er
habe in Notwehr gehandelt. Er wurde zu
sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Die Ermittlungen ergaben jedoch bald, daß er
nicht der Täter gewesen sein konnte.
Der Mord wurde nie aufgeklärt.
In seinem preisgekrönten biographischen
Roman „In der Hand des Engels“ (1985)
verbreitete Dominique Fernandez die Version, der Dichter habe den Tod gesucht.
Glaubwürdiger stellte Regisseur Marco
Tullio Giordana in seinem dokumentarischen Spielfilm Pasolini, un Delitto
italiano („Pasolini, ein italienisches Verbrechen“), 1996 auf dem Festival in Toronto uraufgeführt, die Tat als einen politischen Mord dar.
Als vor zwei Jahren die Ermittlungen neu
aufgenommen wurden, schrieb die „Neue
Zürcher Zeitung“, „Faschismus, Mafia
und Geheimdienste“ würden als „mögliche Täter identifiziert“. Diesen Kreisen,
deren System er in vielen Werken unerbittlich angeprangert hatte, war er in der
Tat zutiefst verhaßt gewesen. Das von der
Korruption der Democrazia Cristiana zerfressene Italien hatte er einmal ein „grauenhaft dreckiges Land“ genannt. Politische Morde an Linken, begangen von Faschisten, Geheimdienstlern und Mafiosi
waren in den 70er Jahren in Italien an der
Tagesordnung.
Pasolinis Hinwendung zur IKP war der Liebe eines Kindes vergleichbar, das sich
nach Zuneigung sehnt. Im Leben oft nicht
erwidert, wurde sie ihm im Tode zuteil.
Unter den Trauergästen, die zu Tausenden zu seinem Begräbnis kamen, befanden sich viele Parteimitglieder, an ihrer
Spitze Generalsekretär Enrico Berlinguer.
Gerhard Feldbauer
Der RBB sendet im Rahmen der
Sendereihe „Die vergessenen
Opfer des Kalten Krieges“
folgende Filmbeiträge:
7. Mai 2007 - 22.15 Uhr
„Kalter Krieg im Radio“
15. Mai 2007 - 22.15 Uhr
„Achtung, Kräuterhexe...“
22. Mai 2007 - 22.15 Uhr
„Als der Staat rot sah“
Feuilleton
Seite 14
(WEL
T-)SCHIEDSRICHTER ANS
(WELT
TELEFON?
In „Offside“, dem wunderbaren Fußballfilm ohne Fußball des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, geht es um die so einfallsreichen wie vergeblichen Bemühungen einer Gruppe junger Iranerinnen, zu
einem wichtigen Qualifikationsspiel der
iranischen Nationalmannschaft ins Stadion gelassen zu werden. Im Lande der Mullahs ist solches nämlich weiblichen Fußballfans grundsätzlich verboten. Das Verbot, so hören wir von einem der Polizisten,
der die schrillen Girls unterm rot-weiß-grünen Kopftuch außerhalb des Stadions bewacht, dient unter anderem dazu, ihnen
den Anblick pornografischer Graffiti zu ersparen, wenn sie mangels eigener Toiletten die der Männer aufsuchen müssten.
Wie die Zeitung „Village Voice“ berichtet,
sollte Panahis Film am 12. März auch im
New Yorker Lincoln Center gezeigt werden, eingeführt von dem renommierten
Iran-Kenner Prof. Hamid Dabashi. Der Regisseur selber wurde auch zu Interviews
erwartet, da sein Film wenige Tage nach
der Veranstaltung seinen New Yorker Kinostart haben sollte. Doch aus Panahis Besuch wurde nichts – die US-Behörden haben sein Einreisevisum widerrufen.
Der Welt-Schiedsrichter hat gesprochen!
„Offside indeed“, also „wirklich abseits“,
lautet der sarkastische Kommentar des
Blattes. Gründe für den Widerruf nennt der
Bericht zwar nicht, aber die kann sich jeder „freedom & democracy“-begeisterte
Leser mühelos selbst zusammenreimen.
Erstens, zweitens und drittens:
Herr Panahi ist Iraner!
Wem das noch nicht Gründe genug sind,
der kann weiter auswählen: Herr Panahi ist
Künstler also Intellektueller also verdächtig. Sein Film ist gefährlich, denn er soll –
wenngleich nur für ganz kurze Zeit – im
Iran sogar das Stadionverbot für Frauen
zum Wanken gebracht haben. Wer solch
subversive Filme macht, dem ist auch zuzutrauen, daß er einen Fußball durch die
Fensterscheiben des Oval Office schießen
will. Und Fußball ist anders als Baseball
oder American Football ohnehin unamerikanisch. Außerdem dient das Einreiseverbot für Panahi ja nur zu seinem eigenen
Schutz. Wer kann ihm denn garantieren,
daß sein Flug nicht einen Abstecher nach
Guantanamo macht? Dort gibt es für Insassen wohl auch keine Damentoiletten,
und die pornografische Phantasie des Bewachungspersonals dort ist inzwischen
weltberühmt.
(HGD)
Die Filmrezension
FULL MET
AL VILLA
GE
METAL
VILLAGE
von Sung Hyung Cho
„Nur“ ein Dokumentarfilm – aber was für
einer! Einer, der beim diesjährigen Saarbrücker Max Ophüls-Festival allen Spielfilmen den Rang ablief, und dies völlig zu
Recht. Denn die junge, in Südkorea geborene, aber seit vielen Jahren in Hessen lebende Regisseurin präsentiert ihre Beobachtungen aus einem 1800-EinwohnerKaff in Schleswig-Holstein so unterhaltsam und mit feinem Humor, wie es ein
Spielfilm kaum besser könnte.
Das Kaff heißt Wacken, und nicht einmal
die, die dort leben, würden es als den Nabel der Welt ansehen. Für zigtausende
Fans dröhnender Rockrhythmen aus aller
Welt aber ist Wacken genau das: der Ort
des „Wacken Open Air“, eines der größten Heavy Metal-Festivals der Welt.
Ein Zusammenprall von Kulturen also, der
hier allerdings eher als gesellige Begegnung stattfindet, auch wenn die 40.000
Fans in Leder und Nietenwams Anfang
August in die betuliche Ruhe des Dorfes
einfallen wie ein Donnerschlag und eine
besonders fromme Dörflerin die wilde
schwarze Heerschar direkt als Abgesandte Satans ansieht. Bevor nämlich die Äkker der Gegend mit Zelten übersät sind und
die rockenden Massen vor der Riesenbühne in Trance geraten – Bilder, die an
den organisierten Massenjubel von NaziAufmärschen erinnern – haben wir Wacken
als ganz normalen, normal langweiligen Ort
und seine Bewohner mit all ihren Ticks und
Macken kennen gelernt: die fromme Oma
Irmchen und ihre von einer Model-Karriere träumende Enkelin Katrin, den geschäftstüchtigen Öko-Bauern und Dauerraucher Trede und den Viehzüchter, der der
Regisseurin in Babydeutsch seine Arbeit
erklärt. Kurz: ein illustres Völkchen, das
uns die Regisseurin auch dann noch gelassen und mit Sympathie vorführt, wenn
man ihr Kritik an „zuviel Ausländern“ direkt ins erkennbar ausländische Gesicht
sagt.
Albert Ronnseiß
Anstoß April 2007
In einem Satz
(Kinotipps für April)
Keine Sorge, mir geht’s gut (Regie:
Philippe Lioret): Realistisches Familiendrama um eine jungeAusreißerin, mit großartiger Hauptdarstellerin und interessanter Schlusspointe. (Start: 22.3.)
Havana – Die neue Kunst, Ruinen zu bauen (R: Florian Borchmeyer): Auch methodisch fragwürdiger antikubanischer Propagandafilm, der mehr behauptet als zeigt
(Start: 29.3.)
The Contract (R: Bruce Beresford): Dass
ein super-super-geheimer CIA-Auftragskiller am Ende fast ein guter Mensch wird,
ist nur die härteste der vielen Ungereimtheiten dieses Machwerks. (Start: 5.4.)
Das größte Spiel der Welt (R: Gerardo Olivares): Amüsante Komödie mit Tiefgang
über das, was Fußballfans aus der armen
Welt tun, um ein WM-Finale sehen zu können. (Start:5.4.)
Klang der Stille (R: Agnieszka Holland):
Drama um eine Notenkopistin Beethovens, mit reichlich elitärem Kunstverständnis, das zudem den Meister nur im
Fortissimo zu kennen scheint (5.4.)
Goodbye Bafana (R: Bille August): Gut
gemeinte, aber allzu schlicht und durchsichtig gemachte, obwohl halb-authentische Geschichte um Nelson Mandelas
Bewacher auf Robben Island (12.4.)
Robert Altman’s Last Radioshow (R: Robert Altman): Das letzte Meisterwerk des
im September verstorbenen Regisseurs
und ein subtiler, hintergründig nostalgischer Tribut an das Dampfradio (12.4.)
Dol (R: Hiner Saleem): Ein Roadmovie
durch das gebirgige Dreländereck IrakIran-Türkei mit herrlichen Landschaftsbildern, aber leider ohne den grotesken Humor von Saleems früheren Filmen (26.4.)
Inland Empire (R: David Lynch): Man
braucht wohl eine unheilbare Vernarrtheit
in die „Werke“ Lynchs (und gutes Sitzfleisch!), um sein neuestes Opus durchzusitzen – mir fehlte beides. (26.4.)
Stammtisch des Deutschen
Freidenker-Verbandes
Landesverband Berlin
11. April:
Jürgen Elsässer
liest aus seinem neuesten Buch
„Angriff
der Heuschrecken,
Zerstörung der Nationen und
globaler Krieg“
und beantwortet Fragen.
Club der Volkssolidarität,
Torstraße 205, 10115 Berlin
Anstoß April 2007
Wander
er zwisc
hen den Welten
anderer
zwischen
Am 14. März las Heinz D. Stuckmann auf
Einladung des Bezirksvorstands der DKP
Berlin aus seiner Autobiographie „Verdammte Kommunisten. Die Bekenntnisse
des IM ‚Dietrich’“. Ca. 30 GenossInnen
und Freunde hatten sich im Seminarraum
5 des ND-Gebäudes eingefunden, darunter – wie sich bei der Diskussion herausstellte – auch Zeitzeugen.
Heinz D. Stuckmann, Jahrgang 1922, war
1970 der Begründer und für 24 Jahre auch
der Direktor der „Kölner Schule – Institut
für Publizistik e.V.“, einer Einrichtung für
die Ausbildung von Fachjournalisten für
die Ressorts Wirtschaft und Politik. Ein
für die BRD einmaliges Ausbildungsangebot umfaßte neben mehreren Pflichtpraktika eine Art „Studium generale“, zu
dem neben Kenntnissen der katholischen
und evangelischen Theologie eben auch
ML gehörte – wie wollte ein „Wessi“ sonst
Substantielles über die DDR schreiben?
Heinz begann seine Lesung in unverkennbarem Kölsch mit seiner Verhaftung im
Januar 1994 – ein Text, der manchem Zuhörer schon aus der Anthologie „Kundschafter im Westen“ (s.u.) bekannt war.
Zwischen den Abschnitten über seine
Haftzeit und den Prozeß collagenartig Biografisches. „Ich will den komplizierten
wie verwirrenden Weg aufzeigen, der vom
Hitlerjungen Heinz über den gläubigen
katholischen Jungmann zum überzeugten Kommunisten führt, der 16 Jahre in
der ruhmreichen HA X der Hauptverwaltung Aufklärung im MfS diente.“ (S. 307)
Die ihn befriedigenden Antworten bekam
er immer wieder nur von Kommunisten –
„Verdammte Kommunisten“, so sein Kehrreim.
Seite 15
Leserecho und Glückwünsche
Nach einem kleinen – „undercover“ leitete
er in Essen die Redakteure von DKPBetriebszeitungen an – folgte Anfang der
70er der ganz große Schritt zur HVA. Was
er dort „gemacht“ hat – das zu erzählen,
ist die Zeit noch nicht reif.
Was kostet die Entscheidung für den ersten sozialistischen Staat auf deutschem
Boden? 1 Jahr auf Bewährung, 10000 DM
– und die Vernichtung seiner bürgerlichen
Existenz und seines Lebenswerks, andauernder Rufmord und Verleumdung. Er wurde als Direktor seiner eigenen Schule abgesetzt.
Manchem Leser mögen die Einsprengsel
über sein früheres „gutes Leben“ aufstoßen. Aber wir wollen ja schließlich die II.
Klasse abschaffen und nicht die I.!
Im Laufe der von Hans-Günter Szalkiewicz,
stellvertretender Vorsitzender der DKP
Berlin, moderierten Diskussion erzählte
Jupp Mallmann, damals DKP Ruhr-Westfalen, dann noch das „Döntje“, wie Heinz
D. Stuckmann auf Einladung der DKP morgens um 5 vor der Zeche an der Verteilung
der Betriebszeitung teilnahm. Er bekam die
Aufgabe, das Geld dafür einzusammeln –
nachdem er in einer Reportage der Wochenzeitung „ZEIT“ vom 15. Oktober 1971
gefragt hatte: „Wer finanziert die 361
Betriebszeitungen einer kleinen Partei?“
Petra Lehmann
Stuckmann, Heinz D.:
Verdammte Kommunisten.
Die Bekenntnisse des IM „Dietrich“,
Kai Homilius Verlag 2006;
Eichner, Klaus/Gotthold Schramm:
Kundschafter im Westen. Spitzenquellen
der DDR-Aufklärung erinnern sich,
edition ost 2003.
Glückwünsche
Der Bezirksvorstand und die
Redaktion des „Berliner Anstoß“
wünschen allen, auch den hier
nicht genannten, Genossinnen und
Genossen, die im April ein Lebensjahr vollendet haben, alles Gute,
Gesundheit und viel Kraft für das
neue Lebensjahr!
1. 4.
6. 4.
12. 4.
20. 4.
Luis Berrios
Lydia Spoo
Hans-Joachim Gültner
Gerhard Neiber
64
71
57
78
Berliner Anstoß
Monatszeitung der
Bezirksorganisation Berlin
der
Deutschen Kommunistischen Partei
Dr. Hartwig Strohschein (V.i.S.d.P.)
Layout: pl
E-Mail:
[email protected]
Postanschrift wie DKP Berlin
Bezirksorganisation Berlin:
Bürozeiten:
Mo-Do: 16.00-19.00
Vertrauen der Gewerkschaftsmitglieder
mißbraucht
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst, erklärte am 11. März 2007, daß neun von 15
Mitgliedern der SPD-Fraktion, die von
oder neben ihrem Mandat als Bundestagsabgeordnete hauptamtlich in den Gewerkschaften tätig waren bzw. sind, der Erhöhung des Rentenalters mit 67 zugestimmt
haben. Ich wollte das zunächst nicht glauben. Aber es ist so. Das nenne ich Verrat
an den elementarsten Interessen der arbeitenden Menschen. Was geht in den
Köpfen dieser Leute vor, die sich als
Interessenvertreter von den Mitgliedern
wählen ließen? Man muß sich vorstellen,
da gab es Protestaktionen von der Zugspitze bis zur Nord- und Ostsee, da protestierten sozusagen bis zur letzten Minute
Gewerkschaftsmitglieder gegen diesen
menschenunwürdigen Beschluß des Bundestages – und dann das. Ich bin Mitglied
der Gewerkschaft ver.di und frage mich,
wie konnten diese Leute so heucheln und
diese politische Karriere nehmen. Es zeigt
mit aller Klarheit, schöne Reden, lautstarke Proteste und nutzlose Drohungen auf
Kundgebungen sind das eine. Gemessen
wird der Gewerkschaftsfunktionär an seinen Taten, an seinem Eintreten für die Interessen der Kollegen, an seiner Hartnäkkigkeit, wenn es darum geht, die Lebensqualität der Mitglieder und aller zu verbessern. Ich glaube, es ist an der Zeit die Rolle, Aufgaben und Ziele der Gewerkschaften in diesem kapitalistischen System neu
zu überdenken. Ihre Glaubwürdigkeit steht
mehr und mehr auf dem Spiel.
Helmar Kolbe
Postanschrift:
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
Telefon: 030/29 78 31 32
E-Mail: [email protected]
Spenden an den „Berliner Anstoß“
bzw. die DKP Berlin bitte an:
Berliner Sparkasse
BLZ 100 500 00
Konto 004 341 31 37
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge können von den Auffassungen der Redaktionabweichen.
Redaktionsschluß der
nächsten Ausgabe: 21.3.2007
Termine
Seite 16
Anstoß April 2007
Dr
Dr.. Seltsams
Wochenschau
1. April:
Junge, schick‘ die Wäsche!
Eine Erich-Kästner-Hommage
mit dem Zimmer-Theater
Karlshorst
15. April:
WIE MAN SICH RICHTIG
SCHLÄGT ... Mit dem Bauarbeiter-Ballett Fourschlag.
Dr. Seltsam ist wieder da!
22. April:
KAPITAL. MACHT. KRIEG:
RAFft euch auf!
Setzt euch in BEWEGUNG:
2. JUNI in Heiligendamm!!!
Anti-G8 mit dem Gegeninformationsbüro Berlin
29. April:
G8 oder: ALTER UND NEUER WIDERSTAND mit
Bärbel-Schindler-Saefkow
Sonntags von 13 bis 15 Uhr
im „Max & Moritz“, Oranienstraße 162, 10969 Berlin,
U8 Moritzplatz.
Infos zum weiteren Programm:
www.drseltsam.net
oder 691 99 22
Liebe Leserinnen und Leser des Berliner Anstoß!
Wir wollen die Möglichkeit anbieten, den Berliner Anstoß per Email als PDFDatei, alternativ oder zusätzlich, zu beziehen.
Wer davon Gebrauch machen möchte, sende eine entsprechende Mitteilung an
[email protected].
Um zusätzlich weitere Leser erreichen zu können, bitten wir darum, uns Personen zu nennen, die für eine elektronische Zusendung der Zeitung in
Frage kommen.
Bezirksvorstand und Redaktion
20 bis zum 22. April in Berlin
MOVE AGAINST G8 FESTIVAL
mit Haidi und
Giuliano Giuliani aus Genova
www.move-against-g8.org
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