Geschützte Werte Skala (GWS)
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Geschützte Werte Skala (GWS)
Sonderdruck aus: 174 Carmen Tanner, Bettina Ryf und55, Martin Diagnostica, HeftHanselmann 3, 174–183 © Hogrefe Verlag Göttingen 2009 Geschützte Werte Skala (GWS) Konstruktion und Validierung eines Messinstrumentes Carmen Tanner, Bettina Ryf und Martin Hanselmann Zusammenfassung. Geschützte Werte (GW) sind Werte, die von Individuen oder einer Gemeinschaft als absolut, unantastbar und nicht substituierbar angesehen werden. Da es bislang noch kein Messinstrument zur Erfassung von GW gibt, besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit in der Entwicklung und ersten Validierung einer Geschützten Werte Skala (GWS). Die in Studie 1 durchgeführten Analysen zur Überprüfung der Skalen und der Modellgüte fallen zufrieden stellend aus. Im Sinne der diskriminativen Validität kann gezeigt werden, dass sich GW von wichtigen Einstellungen abgrenzen. Für die Validität spricht auch die Bestätigung mehrerer postulierter Gruppenunterschiede. Der in Studie 2 vorgenommene Vergleich zwischen zwei Extremgruppen (Befürworter und Gegner der Gentechnologie) ergibt zusätzliche Anhaltspunkte zur Validität und konzeptuellen Differenzierung zwischen GW und Einstellungswichtigkeit. Schlüsselwörter: Geschützte Werte, Werte, Entscheidungen, Moral, Validität Sacred Value Measure (SVM): Construction and validation of an instrument to assess sacred values Abstract. Sacred values (or protected values) (in German: Geschützte Werte, GW) are values that a community treat as absolute, not tradable and exchangeable for other values. To date, no reliable and valid measure of sacred values has been developed. The research presented here was therefore designed to develop a measure of sacred values (German title: Geschützte Werte Skala, GWS) and to provide preliminary tests. Study 1 examined the reliability and validity of the GWS and revealed satisfactory results. In terms of discriminant validity, the results suggest that GW has to be distinguished from attitude importance. Examining various group differences also supported the validity of the scales. In Study 2, a comparison between two extreme groups (proponents and opponents of gene technology) was conducted. These results provided additional evidence for the validity and conceptual differentiation between GW and attitude importance. Key words: Sacred values, protected values, values, decision making, validity Der Wertbegriff ist sowohl im Alltag als auch in den Sozialwissenschaften weit verbreitet. Bei näherem Hinsehen erweist er sich jedoch als äußerst heterogen (siehe z. B. Graumann & Willig, 1983; Rohan, 2000; Scholl-Schaaf, 1975). Rohan (2000) unterscheidet grob zwischen zwei Perspektiven, die den Fokus auf die Frage „what does this person value?“ oder auf „how much value does the entity have?“ (S. 256) richten. Die erste Perspektive ist z. B. in der Psychologie und der Soziologie dominant vertreten. Werte haben dort meist die Bedeutung von Maßstäben (Scholl-Schaaf, 1975) – wünschenswerte Verhaltenweisen, Endzustände oder handlungsleitende Orientierungsgrößen, wie z. B. Ehrlichkeit, Gleichheit, Freiheit (Feather, 1995; Rokeach, 1973; Schwartz, 1992). Während solche Ansätze Werte als ein Produkt subjektiver Setzung verstehen, existieren demgegenüber alternative Ansätze, die Werte als an den Objekten „anhaftende“ Eigenschaften auffassen. Hierzu zählt beispielsweise die biozentrische Sichtweise, die v. a. in der Umweltdebatte eine wichtige Diese Untersuchungen wurden vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziert (SNF-Projekt, PP001-102845). mmm mmm m mm m DOI: 10.1026/0012-1924.55.3.174 Rolle spielt. Diese Sichtweise betont, dass Entitäten, wie z. B. einzigartige Landschaften, Tiere oder Pflanzen, einen Eigen- oder Selbstwert um ihrer selbst willen haben, der unabhängig von der Bewertung des Menschen anzuerkennen ist (Hirsch Hadorn, 1999; Taylor, 1981). Die Vorstellung, dass der Wert in den Objekten selbst verankert ist, ist auch in austauschtheoretischen und ökonomischen Ansätzen weit verbreitet. In der Ökonomie bezeichnen Werte den Gebrauchs- oder Tauschwert von Gütern (z. B. Smith, 1776). Der Wert einer Sache wird hierbei vorzugsweise in Geldbeträgen ausgedrückt. In ähnlicher Weise wird in frühen Austauschtheorien von Werten, wie Informationen, Liebe, Zuneigung, Belohnung, Kosten, als von tauschbaren Ressourcen gesprochen (z. B. Homans, 1961; Thibaut & Kelley, 1959). Allen Werttheorien ist jedoch gemeinsam, dass sie explizit oder implizit die Hypothese vertreten, dass Werte maßgeblich das Entscheidungsverhalten beeinflussen, indem sie die Selektion der Entscheidungsalternativen steuern. Die meisten Modelle konvergieren hierbei auf normative Entscheidungstheorien (des Typus Erwartungs-mal-Wert Theorie oder subjektive Nutzentheorie), die vom Bild eines rationalen Entscheiders ausgehen, der Geschützte Werte Skala versucht, Kosten-Nutzen-Verhältnisse zu optimieren. Damit sind freilich einige Probleme verbunden, denn rationale Entscheidungsmodelle gehen von Voraussetzungen und Bedingungen aus, die in der Realität nicht immer gegeben sind (z. B. Kahneman, Slovic & Tversky, 1982). Der Sachverhalt, dass Werttheorien in erster Linie auf normative Entscheidungstheorien fokussiert haben, mag dazu beigetragen haben, dass ein besonderer Typ von Werten, bei dem fundamentale Diskrepanzen zu rationalen Entscheidungsmodellen zum Vorschein kommen, vernachlässigt wurde. Die Rede ist von den Geschützten Werten. So fassen rationale Entscheidungsmodelle Entscheiden als einen Kosten-Nutzen-Abwägungsprozess auf, in dessen Folge Merkmale und Werte untereinander verglichen und Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen und ausgetauscht werden. Solche Prozesse des Abwägens und Austauschens werden Trade-offs genannt. Dabei gilt, dass alle Werte durch andere Werte (wie z. B. Geld) kompensiert und eingetauscht werden können. Mit anderen Worten: Trade-offs sind immer möglich. Dies gilt streng genommen für alle Werte einschließlich abstrakter Verhaltensmaßstäbe, ideeller oder materieller Werte. Im Gegensatz dazu stehen zahlreiche empirische Befunde, welche die Gültigkeit der Annahme, dass Tradeoffs immer möglich seien, in Frage stellen (z. B. Andre, 1992; Foa, Converse, Törnblom & Foa, 1993). So stellt man immer wieder fest, dass Menschen sich beharrlich weigern, bestimmte Werte gegen andere einzutauschen und für einen anderen Zweck zu opfern, egal wie hoch der Nutzen wäre (z. B. Gregory & Lichtenstein, 1994; MacGregor & Slovic, 1986). Solche Werte können sich auf konkrete Entitäten wie z. B. Menschenleben, Tiere oder Pflanzen, auf wünschenswerte Verhaltensmaßstäbe und Zustände, wie Menschenrechte, Ehrlichkeit oder Meinungsfreiheit, oder auf zwischenmenschliche Werte wie Liebe, Freundschaft und Ehre beziehen. Solche Werte werden oft als „heilig“ angesehen und diese opfern zu wollen, gilt als verwerflich. Die Anwendung nutzenmaximierender Kalküle in solchen Situationen wird schlichtweg abgelehnt und eine Verletzung dieses Grundsatzes kann heftige Reaktionen der moralischen Empörung auslösen (Tetlock, 2003; Tetlock, Kristel, Elson, Lerner & Green, 2000). Um dieser bislang vernachlässigten Kategorie von Werten Rechnung zu tragen, ist das Konzept der Geschützten Werte entwickelt worden: Geschützte Werte (GW) können konkrete oder abstrakte Entitäten sein, die von Individuen oder einer Gemeinschaft explizit oder implizit als absolut, unantastbar und nicht substituierbar angesehen werden, nicht geopfert oder gegen andere Werte (wie z. B. ökonomische) eingetauscht und vor KostenNutzen-Abwägungen „geschützt“ werden sollen. Gegenstand von GW können dabei sowohl Verhaltensmaßstäbe als auch Güter sein. Darüber hinaus gehen GW häufig mit einem starken moralischen Verpflichtungsgefühl einher.1 Die Eigenschaften von GW lassen vermuten, dass GW zwar mit wichtigen Werten oder wichtigen Einstellungen verwandt, jedoch nicht gleichzusetzen sind.2 GW sind 175 immer auch wichtige oder starke Werte, als es sich dabei um Positionen einer Person handelt, die für diese von zentraler Bedeutung und Bestandteil ihrer Identität sind. Nicht alle wichtigen Werte oder Einstellungen weisen jedoch Eigenschaften wie die fehlende Substituierbarkeit, Schutz vor Kosten-Nutzen-Abwägungen oder Verknüpfung mit ausgeprägten moralischen Verpflichtungen auf (Baron & Spranca, 1997; Skitka, Bauman & Sargis, 2005; Tanner, 2008). Obgleich seit einigen Jahren GW und die verwandten Begriffe (engl. sacred values, protected values, taboo values oder moral mandates) sowohl in der Forschung als auch in der Praxis auf zunehmendes Interesse stoßen (u. a. Baron & Spranca, 1997; Hanselmann & Tanner, 2008; Lichtenstein, Gregory & Irwin, 2007; Ritov & Baron, 1999; Skitka, 2002; Skitka et al., 2005; Tanner & Medin, 2004; Tetlock et al., 2000) sind bislang keine ernsthaften Bemühungen unternommen worden, ein einheitliches Messinstrument zur Erfassung von GW zu entwickeln und zu testen. Die meisten Autoren benutzen selbst jeweils ad hoc konstruierte Items, was aus messtheoretischer Sicht unbefriedigend ist. Im vorliegenden Artikel wird erstmals die Konstruktion eines deutschsprachigen Instrumentes zur Messung von GW vorgestellt und dessen Reliabilität und Validität untersucht. Bisherige Messung von Geschützten Werten Fasst man die bisherigen Untersuchungen zu Geschützten Werten zusammen, ist festzustellen, dass es kein reliables und valides Instrument zur Erfassung von GW gibt. Bislang sind GW im Rahmen experimenteller Studien über separate Items erfasst worden. Dabei lassen sich zwei Strategien ausmachen. Bei der ersten Strategie wird direkt über separate Items erfragt, ob die Person mit der gegebenen Situation Werte assoziiert, die nicht geopfert werden dürfen. Bisherige 1 Ob es sich bei einem spezifischen GW, um subjektiv gesetzte Maßstäbe oder um Güter und Objekte mit einem vom Individuum weitgehend unabhängigen Eigenwert handelt, hat vermutlich Auswirkungen auf den Gültigkeitsanspruch. Wenn der GW vom Individuum abhängig ist, so ist der GW zwar für dieses Individum nicht substituierbar. Dies muss jedoch nicht zwingend für andere Individuen gelten (relativistische Sichtweise). Wenn der GW jedoch als vom Individuum unabhängig betrachtet wird, liegt ein universeller Anspruch vor. 2 Obwohl heute meist zwischen Werten und Einstellungen unterschieden wird, bestehen doch enge Beziehungen in der Konzeption von „wichtigen“ Werten und „wichtigen“ Einstellungen. Denn bei beiden handelt es sich um Positionen oder Meinungen einer Person, die für sie von zentraler Bedeutung und Bestandteil ihrer Identität sind (z. B. Petty & Krosnick, 1995). Die Einstellungsforschung hat sich jedoch empirisch sehr viel ausführlicher mit der Komponente „Wichtigkeit“ oder „Stärke“ von Einstellungen beschäftigt und so wurden auch Messinstrumente zu deren Erfassung entwickelt. In den hier vorliegenden Untersuchungen drängte sich deshalb ein Vergleich zwischen GW und wichtigen Einstellungen sehr auf. 176 Carmen Tanner, Bettina Ryf und Martin Hanselmann Arbeiten begnügten sich dabei meistens mit der Darbietung jeweils nur eines Items, was zumindest unter dem Gesichtpunkt der Reliabilität als problematisch anzusehen ist. Baron und Spranca (1997; Ritov & Baron, 1999) beispielsweise präsentierten ihren Probanden jeweils ein Item bestehend aus mehreren kategorialen Antwortmöglichkeiten. Probanden wurden als Personen mit Geschützten Werten (protected values) klassifiziert, wenn sie Aussagen wie z. B. „this is not acceptable no matter how great the benefits“ zustimmten. Wir bezeichnen diese Art der Ermittlung von GW als direkte Vorgehensweise, weil die Items ein zentrales Merkmal von GW, nämlich die Ablehnung von Trade-offs, in der Formulierung direkt thematisieren. Bei der zweiten, indirekten Strategie, lässt man die Befragten die Entscheidungen anderer beurteilen und erfasst anhand verschiedener Skalen die affektiv-kognitiven Reaktionen. Heftige Reaktionen der Ablehnung und Empörung gelten dabei als Indikatoren für die Existenz von GW. So baten z. B. Tetlock et al. (2000; McGraw & Tetlock, 2005) ihre Probanden um ihre Bewertungen und Reaktionen auf bestimmte Transaktionen (z. B. „buying and selling human body parts for medical transplantation“) anhand mehrerer Ratingskalen (z. B. bad – good; not at all upsetting – highly upsetting; moral – immoral) wiederzugeben. Diese Reaktionen wurden dann zu einem Index der moralischen Empörung zusammengefasst. Ein hohes Ausmaß an moralischer Empörung wurde als Indiz dafür genommen, dass GW (sacred values) betroffen und verletzt worden waren. Diese indirekte Vorgehensweise hat den Nachteil, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob den Reaktionen wirklich Verletzungen von GW zugrunde liegen. Eine Kombination mit Items, die – analog zur direkten Strategie – wichtige Eigenschaften GW direkt thematisiert, wäre deshalb wünschenswert. Im Folgenden wird ein Instrument zur Messung von Geschützten Werten (Geschützte Werte Skala, GWS) vorgestellt, das in Anlehnung an die bisherige Forschung sowohl Elemente der direkten als auch der indirekten Strategie berücksichtigt. Konstruktion der GWS In einem ersten Schritt wurden Items formuliert, welche die inhaltlichen Kriterien von GW erfüllen sowie indirekte und direkte Zugänge zu GW repräsentieren. In Bezug auf den indirekten Zugang wurden Items entwickelt, die das Ausmaß an Reaktionen der moralischen Empörung und Ablehnung auf potenzielle Verletzungen von GW erfassen. Dabei wurden auch Items von Tetlock et al. (2000) in adaptierter Form mitberücksichtigt. In Bezug auf die direkte Erhebung von GW wurden Items formuliert, die die typischen Eigenschaften von GW thematisieren, wie Merkmale des Schützens, Verteidigens, der Unantastbarkeit, der fehlenden Kompensierbarkeit oder Austauschbarkeit gegen Geld. Dieser ursprüngliche Itempool wurde im Rahmen mehrerer Pretests untersucht, modifiziert und verkleinert. Abschließend blieben je sechs Items zur indirekten Erfassung (= GWS-I) und direkten Erfassung von GW (= GWS-D) übrig. Diese Items sind im Anhang wiedergegeben. Im Rahmen der vorliegenden Studien werden Reliabilität und Validität dieser optimierten Skalen untersucht. Studie 1 In dieser Studie werden interne Struktur und Modellgüte der Skalen mittels explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft. Ein weiteres Anliegen besteht darin, zu zeigen, dass GW sich vom Konzept der wichtigen Einstellungen (attitude importance) unterscheiden. Zur Prüfung der diskriminativen Validität wird deshalb in konfirmatorischen Faktorenanalysen eine Skala zur Einstellungswichtigkeit mitberücksichtigt. Als weitere Überprüfungen der Konstruktvalidität sind verschiedene Gruppenvergleiche vorgesehen. Außerdem unterscheiden wir, ob nach der Geschütztheit spezifischer oder nach der Geschütztheit nicht weiter spezifizierter, d. h. unspezifischer Werte gefragt wird. Die GWS ist so konstruiert worden, dass Personen entweder danach befragt werden können, ob sie ganz bestimmte Werte (wie z. B. Würde des Menschen, Freiheit, Natur) als einen GW wahrnehmen, oder ob sie bei einem bestimmten Thema (wie z. B. Organhandel, Schwangerschaftsabbruch) den Eindruck haben, dass es um „etwas“ geht, das schützenswert und nicht verhandelbar ist. Da es in der Praxis nicht immer leicht ist, die konkreten Werte, die Personen mit einer Situation assoziieren, zu identifizieren, erachten wir es als nützlich und relevant, diese beiden Einsatzmöglichkeiten der GWS zu ermöglichen und zu testen. Methode Stichprobe und Durchführung Die Untersuchung wurde als Online-Studie konzipiert und richtete sich an Studierende aller Fachdisziplinen der Universität Zürich.3 Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden im Fragebogen nach ihren Meinungen und Einstellungen zu vier gesellschaftlich relevanten Konfliktthemen befragt, namentlich Organhandel, Schwangerschafts- 3 Bei Online-Studien verschärft sich das Problem der Selbstselektion, wenn die Repräsentativität von breiteren Bevölkerungsschichten gewährleistet werden soll. Denn vor allem jüngere Leute mit guter Bildung nutzen das Internet stärker als andere Personen (Bandilla, Bosnjak & Altdorfer, 2003). In unserer Studie 1 dürfte dieses Problem jedoch stark reduziert sein, da die Rekrutierung der Teilnehmenden über einen E-Mail-Versand erfolgte, und deshalb davon auszugehen ist, dass alle Teilnehmenden über einen Internetzugang verfügen und diesen auch zu nutzen wissen. Die Studie von Hudson, Seah, Hite und Haab (2004) zeigt zudem auf, dass sich der Rücklauf von Online-Umfragen und Umfragen vià Postversand nicht unterscheidet. mm mm m mmm m 177 Geschützte Werte Skala Tabelle 1. Weitere Merkmale der Stichprobe (N = 1316) Merkmal Antwortalternative Studienfach (nach Fakultäten geordnet) Theologische Fakultät Rechtswissenschaftliche Fakultät Wirtschaftwissenschaftliche Fakultät Medizinische und Vetsuisse-Fakultät Philosophische Fakultät Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät 12 166 155 184 631 168 (1.0 %) (12.6 %) (11.8 %) (14.0 %) (47.8 %) (12.8 %) Sympathie für politische Parteien SVP (Schweizerische Volkspartei) FDP (Freisinnig-Demokratische Partei) CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) SP (Sozialdemokratische Partei) Grüne Gar keine 60 198 72 394 192 400 (4.6 %) (15.0 %) (5.5 %) (29.9 %) (14.6 %) (30.4 %) Verbundenheit mit der Religion sehr stark stark teils/teils wenig überhaupt nicht keine Angabe 69 113 305 391 307 131 (5.2 %) (8.6 %) (23.2 %) (29.7 %) (23.3 %) (10.0 %) abbruch, Folter bei Terrorismusverdacht und Gentechnisch veränderte Lebensmittel. Die Fragen zur GWS-D und GWS-I folgten entweder unter der Bedingung unspezifisch oder spezifisch. 1. Unspezifisch: Bei der Präsentation der GWS-D wurden die Befragten gebeten, anzugeben, in welchem Maße sie den Aussagen zum Thema X zustimmen (z. B. „Beim Thema Folter ...“; „Beim Thema Organhandel ...“). Bei der GWS-I wurden die Befragten gebeten, ihre Reaktionen auf bestimmte Trade-offs (z. B. „Was halten Sie davon, Folter zuzulassen, wenn man vermutet, dadurch Informationen über geplante Terrorangriffe zu erhalten?“; „Wie finden Sie den Vorschlag, Organhandel unter freien marktwirtschaftlichen Bedingungen zuzulassen?“). 2. Spezifisch: Den Probanden wurden zwei spezifische Werte dargeboten, die mit dem Thema häufig assoziiert werden (in Anlehnung an Vorstudien). Beim Thema Folter beispielsweise wurde gesagt, dass es bei diesem Problem u. a. um die „Verletzung der Menschenrechte“ oder um die „Sicherheit der Bevölkerung“ gehen könnte. Die Befragten wurden gebeten auszuwählen, welchem dieser beiden Argumente sie eher folgen würden. Die Fragen zur GWSD und GWS-I bezogen sich dann auf diesen spezifischen Wert und waren identisch zur unspezifischen Variante, außer dass der Wert in der Formulierung spezifiziert wurde (z. B. „Beim Thema Menschenrechte ...“; „Beim Thema Sicherheit der Bevölkerung ...“; „Was halten Sie davon, die Verletzung von Menschenrechten zuzulassen ...?“). Die Einstellungswichtigkeit wurde anhand einer Skala von Pomerantz, Chaiken und Tordesillas (1995) erhoben, die Aspekte der Wichtigkeit, Zentralität und Wissens- Häufigkeit kompetenz erfasst („Wie wichtig ist ihre Einstellung zu diesem Thema für Sie persönlich?“; „Wie zentral ist dieses Thema für Sie? D. h. wieviel sagt Ihre Haltung zu diesem Thema über Ihre Person aus?“; „Wie schätzen Sie Ihr Wissen über dieses Thema ein?“). Im soziodemografischen Teil wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen u. a. zu ihrem Studienhauptfach, ihrer Parteisympathie und Religiosität befragt. Sie wurden gebeten, zu beantworten, in welcher Fakultät sie studieren, von welcher der fünf größten Parteien in der Schweiz (SVP, FDP, CVP, SP oder Grüne) sie sich am ehesten vertreten fühlen, und wie stark sie sich mit ihrer Religion verbunden fühlen. Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen bearbeiteten jeweils zwei zufällig ausgewählte Themen; ein Thema unter der unspezifischen und ein zweites unter der spezifischen Bedingung. Die Reihenfolge unspezifisch vs. spezifisch wurde ebenfalls randomisiert. Die Stichprobe bestand aus 1316 Personen. Davon waren 771 (58.6 %) Frauen und 545 (41.1 %) Männer (Alter M = 26 Jahre, SD = 6.4 Jahre). Weitere Merkmale finden sich in Tabelle 1. Ergebnisse Dimensionsanalyse und Modellgüte der Skalen Eine Hauptachsenanalyse mit anschließender Promax Rotation ergab sowohl bei der unspezifischen als auch bei der spezifischen Version zwei Faktoren mit einem Eigen- 178 Carmen Tanner, Bettina Ryf und Martin Hanselmann Tabelle 2. Kennwerte der GWS Items und Faktorenlösung Code Kurzbeschreibung der Items M SD F1 F2 h2 rit Unspezifisch GWS-D1 GWS-D2 GWS-D3 GWS-D4 GWS-D5 GWS-D6 Sollte nicht geopfert werden Nicht bereit nachzugeben Nicht mit Geld zu beziffern Kosten-Nutzen-Abwägungen richtig* Kann ich flexibel sein* Es geht um unantastbare Dinge 4.06 4.02 5.17 4.47 4.13 4.30 1.98 1.95 1.98 2.04 1.99 2.03 .55 .34 .41 .60 .60 .63 .73 .54 .50 .62 .68 .74 .53 .29 .35 .42 .48 .56 .63 .46 .46 .56 .60 .65 GWS-I1 GWS-I2 GWS-I3 GWS-I4 GWS-I5 GWS-I6 Lobenswert* Beschämend Akzeptabel* Empörend Abstoßend Moralisch* 5.47 3.96 4.72 4.00 4.23 4.85 1.62 2.13 1.88 2.06 2.11 1.63 .79 .85 .87 .90 .87 .69 .64 .61 .68 .66 .64 .53 .63 .73 .76 .80 .76 .48 .75 .82 .83 .86 .84 .66 GWS-D1 GWS-D2 GWS-D3 GWS-D4 GWS-D5 GWS-D6 Sollte nicht geopfert werden Nicht bereit nachzugeben Nicht mit Geld zu beziffern Kosten-Nutzen-Abwägungen richtig* Kann ich flexibel sein* Es geht um unantastbare Dinge 4.77 4.43 5.54 4.71 4.40 4.68 1.85 1.81 1.80 2.02 1.86 1.93 .53 .37 .48 .59 .46 .56 .82 .57 .60 .62 .61 .79 .67 .30 .37 .45 .51 .63 .71 .50 .54 .57 .57 .70 GWS-I1 GWS-I2 GWS-I3 GWS-I4 GWS-I5 GWS-I6 Lobenswert* Beschämend Akzeptabel* Empörend Abstoßend Moralisch* 5.47 4.03 4.66 4.03 4.13 4.86 1.61 2.08 1.91 2.07 2.11 1.60 .75 .84 .87 .90 .86 .72 .55 .60 .62 .62 .57 .50 .56 .71 .76 .81 .74 .51 .71 .81 .83 .87 .83 .69 Spezifisch Anmerkungen: Code = Kürzel für Skala und Itemnummer (GWS-D = Geschützte Werte Direkte Erfassung, GWS-I = Geschützte Werte Indirekte Erfassung); Fi = Faktorladungen (erwartete Ladungen sind fettgedruckt); h2 = Kommunalitäten; rit = Trennschärfekoeffizient. Mit (*) gekennzeichnete Items sind umgepolt worden. wert > 1. Diese Faktoren klären in der unspezifischen Version mit je 54.3% (Eigenwert = 6.5) und 8.9% (Eigenwert = 1.1), insgesamt 63.1% der Gesamtvarianz auf. In der spezifischen Version klären sie mit je 53.5 % (Eigenwert = 6.4) und 10.6 % (Eigenwert = 1.3), insgesamt 64.2 % der Gesamtvarianz auf. Weitere Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse und Kennwerte der Items gehen aus Tabelle 2 hervor. Alle Items korrespondieren mit Faktorladungen > .50 gut bis sehr gut mit den postulierten Faktoren. Die Items weisen jedoch auch Nebenladungen auf dem anderen Faktor auf, was aufgrund des gemeinsamen konzeptuellen Bezuges zu erwarten war. Das Item GWS-D2 fällt durch eine eher geringe Kommunalität auf, wird jedoch aufgrund der anderen guten Kennwerte vorderhand noch beibehalten. Zur weiteren Prüfung der Dimensionalität und diskriminativen Validität der GWS, wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse inkl. der Skala zur Einstellungswichtigkeit durchgeführt (Verfahren: Maximum-Likelihood). Dabei wurde ein 1-dimensionales Modell, in dem alle Items auf einem Faktor laden, gegen ein 2-dimensionales (GWS-I, GWS-D vs. Einstellungswichtigkeit) und gegen ein 3-dimensionales Modell getestet (GWS-I vs. GWS-D vs. Einstellungswichtigkeit). Zudem wurde getestet, ob sich der Modellfit positiv verändert, wenn das Item GWS-D2 entfernt wird. Zur Bewertung der Güte der Modelle wurden verschiedene Indizes berechnet: Das Verhältnis 2/df; GFI (Goodness of Fit Index), AGFI (Adjusted Goodness of Fit Index), NFI (Normed Fit Index), CFI (Comparative Fit Index) und RMSEA (Root Mean Square Error of Approximation). Für das Verhältnis 2/df werden Werte bis 5 als akzeptabel betrachtet. Bei den Gütekriterien GFI, AGFI, NFI und CFI indizieren Werte größer als .90 eine gute Übereinstimmung zwischen dem angenommenen Modell und den beobachteten Daten (Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2006; Byrne, 2001; Hu & Bentler, 1999). Beim RMSEA repräsentieren gemäß Browne and Cudeck (1993) Werte bis .05 einen guten, und Werte zwischen .05 und .08 einen akzeptablen Fit. 179 Geschützte Werte Skala Tabelle 3. Fitindizes der Strukturgleichungsmodelle (N = 1316) df 2/df GFI AGFI NFI CFI RMSEA 1735.0*** 90 19.3 .79 .72 .80 .81 .13 2 Faktoren 867.4*** 89 9.8 .88 .84 .90 .91 .09 3 Faktoren 531.5*** 87 6.1 .93 .91 .94 .95 .07 3 Faktoren ohne Item GWS-D2 453.1*** 74 6.1 .94 .91 .95 .96 .07 3 Faktoren ohne Item GWS-D2, mit Modifikationen 345.9*** 72 4.8 .95 .93 .96 .97 .06 1 Faktor 2008.8*** 90 22.3 .76 .68 .77 .78 .14 2 Faktoren 1347.4*** 89 15.1 .82 .75 .85 .85 .12 3 Faktoren 671.1*** 87 7.7 .91 .88 .92 .93 .08 3 Faktoren ohne Item GWS-D2 608.0*** 74 8.2 .92 .88 .93 .94 .08 3 Faktoren ohne Item GWS-D2, mit Modifikationen 362.2*** 72 5.0 .95 .93 .96 .97 .06 Modell 2 Unspezifisch 1 Faktor Spezifisch Anmerkung: *** p < .001. Testet man der Reihe nach die 1-Faktor, 2- und 3-Faktoren Lösung, so zeigt sich, dass sich die resultierenden Fitindizes bei jedem Schritt verbessern, sowohl bei der unspezifischen als auch spezifischen Variante (Tabelle 3). Die 3-dimensionalen Modelle, in denen GWS-D, GWS-I und Einstellungswichtigkeit separate Faktoren darstellen, weisen die relativ besten Indizes auf (auch gegenüber den 2-Faktoren Modellen, in denen die beiden GW-Skalen zu einem Faktor zusammengefasst und mit der Einstellungswichtigkeit verglichen wurden. Ebenso zeigt sich, dass die 3-Faktoren Lösung ohne Item GWS-D2 einen besseren Modellfit aufweist als die Lösung mit diesem Item (unspezifisch: 2 = 78.4; spezifisch: 2 = 63.1; ps < .01). Dieses Item wird deshalb definitiv eliminiert. Der Modifikationsindex schlägt die Einführung korrelierter Fehler zwischen den Items GWS-I1 und GWS-I3 und den Items GWS-D1 und GWS-D6 vor, die zu einer weiteren Verbesserung des Modellfits mit akzeptablen bis guten Fitindizes führen. Die Zulassung dieser Fehlerkorrelationen erscheint unproblematisch, da lediglich Itempaare betroffen sind, die auf einer Skala liegen. Die Faktorladungen, Item- und Skalenkennwerte der modifizierten GW-Skalen sind ebenfalls zufriedenstellend (Tabelle 4). Auch die Reliabilität (Cronbach ) der resultierenden Skalen ist für beide Varianten als gut bis sehr gut einzustufen. Hypothesenkonform weist die Skala Einstellungswichtigkeit eher geringe Zusammenhänge zu GWS-D (unspezifisch bzw. spezifisch: rs = .30) und zu GWS-I (unspezi- fisch: r = .18; spezifisch: r = .24) auf. Dagegen sind die Korrelationen zwischen GWS-D und GWS-I mit r = .86 (unspezifisch) und r = .76 (spezifisch) erwartungsgemäß hoch. Gruppenvergleiche Zur weiteren Einschätzung der diskriminativen Validität wurde eine Reihe von Gruppenvergleichen durchgeführt. (1) Parteisympathie: Wir erwarteten tiefere Werte auf den GW-Skalen bei Personen, die mit einer liberal-wirtschaftlichen Partei (FDP) sympathisieren, und höhere Werte bei Personen, die Parteien mit sozialdemokratischer und grüner Ausrichtung (SP, Grüne) bevorzugen. (2) Fakultätszugehörigkeit: Wir vermuteten, geringere GW-Ausprägungen bei Studierenden der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und höhere Ausprägungen bei Studierenden der Theologischen Fakultät zu finden. (3) Religiosität: Wir erwarteten, hohe GW-Ausprägungen bei Personen zu finden, die sich stark oder sehr stark mit der Religion verbunden fühlen (= religiös) und geringe Ausprägungen bei Personen, die sich wenig oder überhaupt nicht mit der Religion verbunden fühlen (= nicht religiös). Alle Fragestellungen wurden anhand separater multivariater Varianzanalysen analysiert. Diese Analysen ergaben signifikante Ergebnisse für alle Gruppenunterschiede: Parteisympathie für FDP, SP und Grüne (SP und Grüne zusammengefasst): Wilks- = .94, F (4, 781) = 25.98, p < 180 Carmen Tanner, Bettina Ryf und Martin Hanselmann Tabelle 4. Faktorladungen der modifizierten GW-Skalen und Kennwerte Skala Items rit M SD Unspezifisch GWS-D GWS-I 5 6 .50 < × < .73 .69 < × < .89 .46 < × < .65 .66 < × < .86 4.42 4.54 1.48 1.64 .79 .93 Spezifisch GWS-D GWS-I 5 6 .58 < × < .81 .71 < × < .90 .53 < × < .69 .69 < × < .87 4.82 4.53 1.44 1.63 .82 .93 Anmerkungen: GWS-D = Geschützte Werte Direkte Erfassung; GWS-I = Geschützte Werte Indirekte Erfassung; l = Faktorladungen auf dem konstituierenden Faktor; rit = Trennschärfekoeffizient; = Cronbach Alpha. Tabelle 5. Gruppenunterschiede (Studie 1 und 2) Skala Gruppen M (SD) Studie 1 M (SD) F 2 GWS-D GWS-I FDP 4.14 (.09) 4.02 (.10) SP/Grüne 4.83 (.05) 4.77 (.06) 45.83*** 43.30*** .06 .05 GWS-D GWS-I Theologische FK 5.37 (.37) 5.45 (.39) Wirtschaftswissens. FK 4.10 (.10) 4.15 (.11) 13.71*** 11.63*** .08 .07 GWS-D GWS-I Religiös 4.98 (.08) 5.05 (.08) Nicht religiös 4.39 (.04) 4.52 (.04) 44.41*** 31.48*** .05 .04 M (SD) M (SD) M (SD) F EW GWS-D GWS-I Biotechnologie 6.11 3.62 2.70 Umweltorganisation 5.80 5.38 4.99 2.11 15.44*** 60.65*** Studie 2 2 .00 .23 .53 Anmerkungen: FDP (n = 198), SP/Grüne (n = 586); Theologische Fakultät (FK) (n = 12), Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät (n = 155); Religiös (n = 182), Nicht religiös (n = 698). EW = Einstellungswichtigkeit; GWS-D = Geschützte Werte Direkte Erfassung, GWS-I = Geschützte Werte Indirekte Erfassung (gemittelt über unspezifische und spezifische Version). *** p < .001. .001, 2 = .06; Theologische vs. wirtschaftswissenschaftliche Fakultät: Wilks- = .93, F (2, 164) = 5.83, p < .01, 2 = .07; Religiös vs. nicht religiös: Wilks- = .95, F (2, 877) = 23.25, p < .001, 2 = .05. Die univariaten Ergebnisse sind in Tabelle 5 wiedergegeben. Alle Mittelwertsvergleiche bestätigen die Hypothesen. schen zwei Extremgruppen (Befürworter und Gegner der Gentechnologie) vorgenommen. Wir erwarteten, dass sich diese beiden Gruppen (1) nicht unterscheiden in Bezug auf Einstellungswichtigkeit, sich aber (2) deutlich unterscheiden in Bezug auf die Frage, ob beim Thema Gentechnologie Werte involviert sind, die es zu schützen gilt. Studie 2 Methode Um die Validität der GWS und konzeptuelle Differenzierung zwischen Einstellungswichtigkeit und GW weiter zu stützen, wurde in einer zweiten Studie ein Vergleich zwi- Durchführung und Stichprobe Die Befragten füllten einen Fragebogen zum Thema Gentechnologie aus, in welchem u. a. die Fragen zur Einstel- Geschützte Werte Skala lungswichtigkeit (siehe Studie 1), GWS-D und GWS-I integriert waren. Insgesamt nahmen 55 Personen teil. Davon waren 37 männlich und 18 weiblich (Alter M = 39 Jahre, SD = 12.4 Jahre). Die eine Gruppe (n = 23) waren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem Bereich der Biotechnologie (Gruppe Biotechnologie). Die andere Gruppe (n = 32) setzte sich aus Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Umweltorganisationen zusammen (Gruppe Umweltorganisation). Ergebnisse Eine multivariate Varianzanalyse ergab einen signifikanten Effekt für die Gruppenzugehörigkeit (Wilks- = .41, F(3, 51) = 24.39, p < .001, 2 = .59). Wie aus Tabelle 5 hervorgeht, stellen die von den Gruppen vertretenen Positionen zum Thema Gentechnologie zwar für beide Gruppen persönlich wichtige Einstellungen dar; aber die Mittelwerte unterscheiden sich nicht (F > 2.11, ns). Die beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die Frage, ob beim Thema Gentechnologie GW involviert sind (GWS-D, GWS-I: Fs > 15.44, ps < .001, s2 > .23). Die Gruppe Umweltorganisation weist signifikant höhere Mittelwerte auf der GWS-D und GWS-I als die Gruppe Biotechnologie auf (ps < .001). Diskussion Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand in der Entwicklung und ersten Validierung eines Verfahrens zur Erfassung von GW, welches darüber hinaus gestattet, entweder nach spezifischen oder unspezifischen Werten zu fragen. Insgesamt sprechen die Ergebnisse für eine gute Qualität der Skalen mit akzeptablen bis guten Fitindizes und guten bis sehr guten Item- und Skalenkennwerten. In beiden Studien konnte bestätigt werden, dass die zur Prüfung der diskriminativen Validität eingesetzte Skala der Einstellungswichtigkeit einen separaten Faktor darstellt. Wichtige Einstellungen werden üblicherweise als Positionen oder Meinungen einer Person definiert, die für diese von zentraler Bedeutung und Bestandteil ihres Selbstkonzepts sind (z. B. Petty & Krosnick, 1995). Das sind zwar Merkmale, die auch für GW gelten können. Wichtige Einstellungen weisen jedoch nicht notwendigerweise solche Merkmale wie Ablehnungen von Trade-offs und Kosten-Nutzen-Abwägungen oder die Assoziation mit moralischen Aspekten auf. In diesem Sinne können GW zwar als wichtige Werte und Einstellungen angesehen werden, aber nicht alle wichtigen Werte oder Einstellungen sind GW (siehe auch Skitka et al., 2005). Schließlich belegen die vorgefundenen Gruppenunterschiede, dass die GWS sensibel genug ist, um zwischen verschiedenen Gruppen in erwarteter Richtung zu diskriminieren. In Bezug auf die weitere Entwicklung bzw. Validierung der GWS ergeben sich folgende Zielsetzungen. Zum einen 181 ist die Prüfung der konvergenten Validität bislang vernachlässigt worden, was nicht zuletzt auch damit zusammenhängt, dass wir noch keine geeigneten konstruktähnlichen Skalen gefunden haben. Deshalb sollen solche gesucht werden, um sie mit der GWS zu vergleichen. Zum anderen ist genauer zu prüfen, welche Spezifika durch die GWS-D und GWS-I erfasst werden. Die Befunde der Faktorenanalyse (dominanter erster Faktor, Nebenladungen) und die hohen Interkorrelationen der GWS-D und GWS-I stehen im Einklang mit der theoretischen Annahme, dass die direkte und indirekte Verfahrenweise zum selben zugrundeliegenden Konstrukt führen. Umgekehrt sprechen insbesondere die Ergebnisse der Strukturgleichungsanalysen eher für eine Differenzierung zwischen der GWS-D und GWS-I. Es gilt in weiteren Untersuchungen zu klären, worin diese Unterschiedlichkeit bestehen könnte. Literatur Andre, J. (1992). Blocked exchanges: A taxonomy. Ethics, 103, 29–47. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W. & Weiber, R. (2006). Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung (11. Aufl.). Berlin: Springer. Bandilla, W., Bosnjak, M. & Altdorfer, P. (2003). Survey Administration Effects? 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Ich finde dies ... 1. ... gar nicht lobenswert (1) ... etwas lobenswert (4) ... sehr lobenswert (7).* 2. ... gar nicht beschämend (1) ... etwas beschämend (4) ... sehr beschämend (7). 3. ... gar nicht akzeptabel (1) ... etwas akzeptabel (4) ... sehr akzeptabel (7).* 4. ... gar nicht empörend (1) ... etwas empörend (4) ... sehr empörend (7). 5. ... gar nicht abstoßend (1) ... etwas abstoßend (4) ... sehr abstoßend (7). 6. ... sehr unmoralisch (1) ... bin unsicher (4) ... sehr moralisch (7).* Anmerkungen: Jedes Item umfasst eine Antwortskala von 1 bis 7. Mit (*) gekennzeichnete Items sind umzupolen. mmm mmm mmm m Direkte Erfassung von GW (GWS-D). (Fragenformulierung von gegebener Problemsituation abhängig, z. B.:) Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu? Bei diesem Thema (z. B. Organhandel)... 1. ... geht es um etwas, das man nicht opfern sollte, egal wie hoch der (finanzielle oder sonstige) Nutzen ist. 2. ... bin ich nicht bereit nachzugeben. 3. ... geht es um etwas, das man nicht mit einem Geldwert beziffern kann. 4. ... finde ich es richtig, Kosten-Nutzen Abwägungen zu machen.* 5. ... kann ich flexibel sein, wenn es die Situation verlangt.* 6. ... geht es um Dinge oder Werte, die unantastbar sind. Anmerkungen: Jedes Item umfasst eine Antwortskala von 1 (stimme gar nicht zu) bis 7 (stimme sehr zu), mit Mittelpunkt 4 (stimme mittelmäßig zu). Mit (*) gekennzeichnete Items sind umzupolen. Das kursiv gekennzeichnete Item wurde später nach Maßgabe der Itemanalyse gestrichen. mmm mmm mmm m