Notre-Dame von Orcival
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Notre-Dame von Orcival
ilie m a F e ein n e rch i K f n Fü Die Archive lassen eine genaue Datierung der Kirchengebäude ebenso wenig zu wie eine zeitliche Einordnung der einzelnen Bauepochen. Allem Anschein nach sind die fünf Hauptkirchen jedoch in rascher Folge innerhalb einer einzigen Bauphase entstanden; als Modell diente der ehemalige Dom von Clermont, der heute nicht mehr existiert. Die Kirchen der Auvergne zeichnen sich durch das ihnen eigene Chorhaupt aus, das den schönsten und typischsten Teil dieser Bauwerke darstellt. In majestätischer Stufenfolge, der aufgehenden Sonne zugewandt, ist es ein Bild für den auferstandenen Christus. Vom Kapellenkranz bis zu dem rechteckigen Quermassiv mit dem ihm aufgesetzten Vierungsturm entfaltet sich die pyramidale Bauform in polychromer Pracht. Symmetrische Farbmotive der Steindekorationen und Skulpturen verschiedenster Art (Schindelfries, Kragsteine, Spanform, usw.) sind dort charakteristische Schmuckelemente im Spiel mit dem Licht. Im Innern geleitet die gleiche Atmosphäre von Anmut, Gleichgewicht und Harmonie der Formen und des Lichts den Eintretenden aus dem Halbdunkel des Narthex in die Helle des Chorraumes, wo alles auf den göttlichen Gastgeber hinweist, zu dessen Ehre das Gebäude errichtet wurde. Ein Emporengeschoss trägt zur Stützung des majestätischen Tonnengewölbes im Mittelschiff bei. Die aufstrebende Kraft der Einzelgewölbe kulminiert in der Vierungskuppel, die auf einem durchbrochenen, der Vierung aufgesetzten Raum ruht: der Übergang von der irdischen Vierzahl zum Kreissymbol des Himmels ist damit durch die Baustruktur geleistet. Eine Krypta übernimmt im Untergeschoss, in einer Atmosphäre der stillen Einkehr die Vorgabe des oberen Chorraumes. Die schlichten, formreinen architektonischen Linien bringen die Skulpturen der Kapitelle zur Geltung, ganz gleich, ob es sich um Blattmotive nach antikem Vorbild oder um Personendarstellungen oder erzählende Szenen handelt. Die Kapitelle des Chorumganges bilden um den Altar, das Zentrum der Eucharistie, einen edlen Kranz zum Lob Gottes und zur Belehrung der Menschen. Auch wenn die große romanische Kunst in der Auvergne unumstößlichen Regeln folgt, ist es doch jedes Mal ein neues Erlebnis, diese Gebetsstätten in ihrem unvergleichlichen harmonischen Gleichgewicht zu entdecken. Notre-Dame von Orcival Ziel der bedeutend sten Pilgerfahrt in der Auvergne ist die Basilika Notre-Dame d’Orcival. Ihre massiven grauen Mauern überragen die Häuser eines bescheidenen Dorfes, die sich in ein grünes Tal schmiegen. Die Kirche wurde gebaut, um wie eine Schatztruhe die „Madonna von Orcival“ aufzunehmen. Seit neun Jahrhunderten wird ihre Statue hier verehrt und inspiriert bis heute die Gläubigen zur gleichen innigen Anbetung, sowohl bei der großen Prozession zu Himmelfahrt, als auch während des ganzen Jahres. Die Basilika ist ein Meisterwerk von schlichter Einfachheit und gewaltiger Größe. Aus Vulkangestein gebaut und mit Schieferplatten gedeckt, fügt sie sich wie natürlich in die sie umgebende Bergwelt ein. Die romani schen Türen mit ihren bemerkenswerten Metallbeschlägen sind noch erhalten. Die Kapitelle sind mit Blattwerk oder Abbildungen aus dem antiken Bestiarium geschmückt. Zwei davon stellen Geschichten dar, das eine den berühmten „Foldives“, d. h. den verrückten Reichen, das andere das von zwei Engeln bewachte Himmlische Jerusalem. Maria wird hier unter dem Namen „Unsere Liebe Frau der Ketten“ verehrt. Eiserne Fußfesseln und Ketten von Gefangenen sind an der Außenmauer des Querschiffes wie Votivtafeln angebracht und zeugen von dem Vertrauen, das der befreienden Jungfrau entgegengebracht wird. Die Thronende Madonna von Orcival ist die einzige, deren goldschmiedener Schmuck aus Silber und Rotgold noch original erhalten ist. In ihrer sakralen, feierlichen Haltung gleicht sie ihren Schwestern in der Auvergne und symbolisiert theologisch gesehen den „Thron der Weisheit“. Die Kirche des Heiligen Austremoine von Issoire Mit ihren siebenjochigen Schiffen und den fünfkranzförmig angeordneten Chorkapellen ist die Kirche von Issoire die weiträumigste der romanischen Kirchen in der Limagne. Sie gehörte ursprünglich zur Benediktinerabtei von Issoire und ist dem ersten Bischof der Auvergne geweiht. Auch ihre Außenverzierungen sind die reichsten, mit den Stein-Einlegearbeiten, der Geflechtsornamentik und ihrem berühmten Tierkreis. Dieser erinnert daran, dass die Kirche als eine geraffte Darstellung der Welt angelegt ist, die das Himmlische Jerusalem und das Ewige Leben schon im Diesseits vorwegnimmt. Das äußerst majestätsvolle Innere ist – einzig in seiner Art – vollständig bemalt. Bis auf die Krypta sind die Wände im 19. Jahrhundert mit leuchtenden Farben in neu-mittelalterlichem Dekor gestaltet worden, was - wenn auch sehr freiheitlich- die lebendige Farbigkeit der Bauwerke dieser Epoche wieder herstellt. inta S von e ch r i K e Di Saturnin Das auf einen Felsvorsprung gebaute Dorf Saint-Saturnin hat eine beeindruckende Lage. Die malerischen Gassen, die kleine romanische Kapelle zur Heiligen Magdalena und das Schloss der La Tour d’Auvergne sind als Umgebung wie geschaffen für eine dem ersten Bischof von Toulouse geweihte Kirche. Das aus hellem Arkosegestein errichtete Gebäude ist das kleinste und wahrscheinlich – etwas vor 1150 erbaut - das jüngste unter den Hauptkirchen in der Limagne. Die Kirche besitzt weder Narthex noch Kapellenkranz. Stattdessen gibt der in Stufenform gebaute Chor dem Bauwerk ein bemerkenswertes Gleichgewicht und hat den Vorzug, noch von seinem ursprünglichen romanischen Turm überragt zu sein, dem einzigen in der Reihe der Hauptkirchen. Die Bogen, die die Seitenfassaden auf der Höhe der Empore auflockern, bestechen durch einen hübschen Wechsel von hellen und dunklen Steinen. Das sehr harmonische Innere zeigt eine Einrichtung, die anderswo ver schwunden ist: die Stufen des Chorraumes sind nämlich durchbrochen, und man konnte so die Lichter sehen, die in der Krypta die heiligen Reliquien umgaben. Zum Inventar gehört auch eine Thronende Madonna. Ein weiterer Anziehungspunkt ist an der Wand des nördlichen Seitenschiffes ein Gemälde aus dem 15. Jahrhundert, das eine zart einfühlsame Szene der Verkündigung darstellt. Inmitten einer herrlichen Landschaft liegt die Kirche von Saint-Nectaire bildhübsch auf einem Felssockel. Trotz ihrer bescheidenen Ausmaße findet ihr Besucher hier ein außergewöhnliches, harmonisches Gleichgewicht von Anmut und Größe. Die Kirche wurde über dem Grab des Heiligen Nectaire errichtet, der das Christentum in die Täler der Couze brachte, und unterstand bis zur Revolution den Mönchen von La Chaise-Dieu. Sie ist in hellgrauem Vulkangestein erbaut, und ihr äußeres Erscheinungsbild kann sehr streng wirken. Das Innere ist in bemerkenswert gutem, noch ursprünglichem Zustand; der Narthex und die Empore sind die am besten erhaltenen in der Auvergne. Der gesamte Innenraum wurde erst vor kurzem mit einem Kalkmilch-anstrich restauriert. Im Chorraum befinden sich sechs vielfarbig bemalte Kapitelle, deren Figuren dem Besucher ein reiches Bildprogramm vor Augen führen. Die Heilsgeschichte wird anhand von Szenen aus dem öffentlichen Leben Jesu, seiner Passion und seiner Auferstehung thematisiert. Ebenso werden das Jüngste Gericht und das Leben des Heiligen Nectaire dargestellt. Der Kirchenschatz enthält zwei besondere Kunstwerke: zum einen die Büste des Heiligen Baudime, Weggefährte des Heiligen Nectaire, ganz aus vergoldetem Kupfer, die die Reliquien des Namenspatrons birgt und dessen Augen und Gesichtsausdruck den Besucher in eine andere Welt versetzen; zum andern eine wunderbare Thronende Madonna, die den Beinamen „Unsere Liebe Frau vom Mont Cornadore“ trägt. Die Basilika Notre-Dame du Port ist umschlossen von den Häusern des Port-Viertels (lat. Portus = Marktort) im Herzen der Auvergne-Hauptstadt. Sie entspricht in reinster Form den Regeln der vollendeten romani-schen Kunst in der Limagne. Die zu Beginn des 21. Jahrhunderts vorgenommene Restauration hat dem äußeren Schmuckwerk aus hellem Arkosegestein die Leuchtkraft zurückgegeben. Die mit Mosaiken verzierten, übereinanderliegenden Geschosse des Chorraumes sind wieder mit runden Ziegeln gedeckt. Das Innere wurde gleichmäßig mit einem Kalkanstrich aufgehellt, was dem Raumvolumen Einheit verleiht. Die architektonische Pracht wird durch die außergewöhnliche Vielgestaltigkeit der Skulpturen noch unterstrichen: das Südportal und v.a. die Chorkapitelle entfalten eine reiche Bildpalette, in der die verschiedensten Motive anklingen und die Rolle Marias als Heilsbringerin hervorgehoben wird. Die Pilgertradition dieser Kirche lebt, eng verbunden mit der Stadt, bis heute weiter und führt in den « sicheren Hafen » (frz. port = Hafen). In der unterirdischen Kirche, der Krypta, befindet sich die verehrte Madonna, eine kleine schwarze Jungfrauenstatue aus dem 18. Jahrhundert. Im 11. Und 12. Jahrhundert. «Die Romanik ist mehr als jede andere Kunst der Gebäude, eine Kunst der Maurer, wo das Mauerwerk die erste Stelle einnimmt. Aber gleichzeitig ist sie eine Kunst des Glaubens, die überfließt von Spritualität und deren Geheimnis darin besteht, die reine Form durch die Verteilung des Lichts zur Wirkung zu bringen.» Pater Bernard Crapelet in L’Auvergne Romane (Édition Zodiaque) Conception et photos SDCI63 - 04 73 98 27 60 - © droits réservés -Nectaire t n i a S e von h c r i K Die Die Basilika Notre-Dame du Port vergne u A er d n kirchen t ki p i u a n a nf H ü Die Rom f die Der Epoche der Romanik, erlebte die Auvergne eine geistliche und künstlerische Blütezeit. Im Herzen der Provinz, in der Ebene der Limagne und an ihren westlichen Rändern, zeichnen sich fünf Kirchen von einem vollendeten Typus durch ihre vollkommene stilistische Einheit aus. Sie werden als «Hauptkirchen» bezeichnet und erreichen, was die Architektur betrifft, eine komplexe aber sehr präzise Synthese von seltener monumentaler Kraft, die man in jeder von ihnen vorfindet, von den Ausmaßen und geringfügigen Abweichungen abgesehen. Eine solche Einheit innerhalb einer Serie von Bauwerken ist in der romanischen Kunst außergewöhnlich. diocèse de clermont