Der Fluch der Wölfe

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Der Fluch der Wölfe
Der Fluch der Wölfe
Eine Geschichte aus der Aetherwelt
von Martin Krey
Oktober,1909,Bayrischer Wald
Ein wundervoller später Herbstabend im Oktober. Die Blätter der Bäume leuchteten in den schönsten
Farben, angefangen von grün, über goldgelb bis hin zu bernsteinfarben. Es war ein herrliches
Farbenspiel. Das Wetter war für diese Jahreszeit noch angenehm. Ein kräftiger Wind blies und wirbelte
einige Blätter durch die Luft. Felix Weingarten liebte es, bei so einem Wetter durch den Bayrischen
Wald zu spazieren. Er genoss diese Ruhe. Und er lauschte dem Rauschen der Blätter, als ob der Wald
lebte und sich die Bäume miteinander unterhielten. Er atmete tief ein und genoss die frische Luft.
Spazieren war seine Art der Entspannung. Die letzten Vögel sangen ihr Abendlied bevor sie sich in
ihren Nestern zur Ruhe begaben.
Felix griff in seine Manteltasche und schaute auf seine Taschenuhr. Die Sonne wird jeden Moment
untergehen, überlegte er. Außerdem kamen dunkle Wolken auf. Es würde bestimmt bald zu regnen
anfangen. Er wollte nicht zu weit alleine in den Wald gehen, da ihm die Gefahren überaus bewusst
waren. Im Zeitalter des Aethers war es gefährlich in den Wäldern. Man munkelte über Verdorbene
und andere schauerliche Fabelwesen die sich hier versteckt hielten und ahnungslose Spaziergänger
überfielen. Besonders in der Gegend, sollten sich mehrere Wolfsmenschen rumtreiben. Felix hatte
keine Angst. Bei der Armee hatte er eine gute Ausbildung genossen. Vor ein paar Jahren auf
Studienreise in Asien, hatte er die Kunst des Waffenlosen Kampfes gelernt. Es war wahrlich nicht
einfach gewesen, einen Kampfkunstmeister dort zu finden, der ihn, einen Ausländer, unterrichtete.
Sein Training war sehr hart gewesen, aber Felix hatte nie aufgegeben. Sein Eifer und seine Wissbegier
hatten aber dazu geführt, dass er seinem Meister alle Ehre machte. Nach einer sechs monatigen
Ausbildung beherrschte er nun die wichtigsten Kenntnisse um einem Menschen mit einem Schlag
außer Gefecht zu setzen, sogar zu töten. Er hoffte aber, dass er nie in eine solche Situation kommen
würde.
Felix entschied sich umzukehren und den Weg wieder zurück nach Grafenau zu gehen. Bis nach Hause
würde er sicher noch eine Stunde unterwegs sein. Er konnte er in der Abenddämmerung einen kleinen
Waldsee durch die Bäume erkennen. Und den grünen feinen leuchtenden Nebel, der über der
Oberfläche hing. Aether. Es war jetzt fast zehn Jahre her, seit diese seltsame Substanz aufgetaucht
war. Sollte es nun Fluch oder Segen sein, dass es ihn gab. Darüber stritten sich die Geister. In riesigen
Fabriken wurde der Aether verarbeitet. Luftschiffe, Automobile, Waffen und viele andere Dinge
wurden dadurch erfunden und betrieben. Mechanik, Dampf und Aether harmonierten wunderbar
zusammen. Die Besitzer dieser Fabriken, sogenannte Aetherbarone wurden dadurch immer reicher
und dem arbeitenden Volk in den Fabriken ging es immer schlechter. Viele Arbeiter wurden durch die
niedrigen Sicherheitsauflagen krank. Einige verstarben, andere wurden zu Veränderten oder
Verdorbenen, wie man sie hinter vorgehaltener Hand auch nannte. Und diese wurden von der
Gesellschaft abgestoßen. Sie hatten in den Bergen und Wäldern ein neues Zuhause gefunden.
Jetzt begann es auch noch an zu regnen. Erst nur ein leichter Nieselregen, der aber im Minutentackt
immer stärker wurde.
"Und ich hätte doch den Schirm mitnehmen sollen", ermahnte sich Felix selbst.
Er freute sich jetzt schon auf einen schönen heißen Tee und das prasselnde Kaminfeuer das ihn
wärmen würde. Felix zog seinen Kragen hoch und den Zylinder mehr in Gesicht um es vor dem Regen
zu schützen. In der Ferne hörte er ein Donnergrollen. Ein Gewitter, das fehlte jetzt auch noch! Seine
Schritte wurden schneller. Auf einmal erkannte er in der Ferne ein Licht, welches sich auf dem
Waldweg in seine Richtung bewegte. Was es war, konnte Felix nicht erkennen. Er tippte auf eine
Kutsche. Aber was wollte eine Kutsche in dieser Gegend? Der Waldweg führte zu irgendwann zu einem
verlassenen Schloss. Jedenfalls sollte es verlassen sein. Der Schlossbesitzer Freiherr von Falkenstein sei
vor vielen Jahren verstorben und da er keine Kinder oder Verwandte mehr hatte, kümmerte sich
niemand mehr um das Schloss. Unheimliche Gruselgeschichten schwebten über dieses Gemäuer.
Anwohner des Ortes mieden die Gegend, vermutlich hatten sie Angst vor den Geistern und Dämonen
die dort lauerten. Grober Unfug, dachte Felix.
Die Lichter kamen ziemlich schnell näher. Die Kutsche war schnell unterwegs. Rein instinktiv ging Felix
vom Waldweg ab und etwas in den Wald hinein, wo er sich Deckung hinter einer großen Eiche suchte.
Das Gewitter war jetzt genau über ihm. Blitz und Donner wechselten sich ab, als ob sie herausfinden
wollten, wer mehr Macht besaß. Jetzt konnte er die Kutsche deutlich erkennen. Sie wurde von vier
Pferden gezogen. Der Kutscher saß oben auf dem Bock. Auch er war in schwarz gekleidet und hatte
eine Kapuze auf so das man sein Gesicht nicht erkennen konnte. Ziemlich merkwürdig, dachte sich
Felix. Die Kutsche rumpelte schnell an ihm vorbei. In das Innere konnte er nicht schauen, da die
Fenster von dunklen Vorhängen verdeckt waren. Das einzige Licht waren die beiden Gaslaternen vorne
beim Kutscher. Das Gefährt entfernte sich sehr rasch, so das Felix aus seiner Deckung wieder hervor
kommen konnte. Nachdenklich sah er die Lichter verschwinden und ein kalter Schauder überlief ihn.
Erst jetzt merkte er, dass er total durchgenässt war. Jetzt wurde es aber Zeit endlich nach Hause zu
kommen! Nicht das er sich noch eine Erkältung einhandelte. Auf seinem Heimweg dachte er noch
intensiv über diese unheimliche Begegnung nach und nahm sich vor der Sache später nachzugehen.
Felix Weingarten war von Natur aus ein neugieriger Mensch, was wohl daran lag, das er seinen
Lebensunterhalt als Detektiv verdiente. Und er war ein ziemlich guter Detektiv. Er hatte in den paar
Jahren, die er den Beruf ausübte, schon so manchen Fall gelöst. Er gab nie nach und folgte jeder Spur.
In seiner bescheidenen Wohnung hatte er eine riesige Auswahl an Büchern. Lesen bildet, sagte er
immer. Felix war ein richtiger Bücherwurm. Außerdem besaß er ein Haufen Apparate, die ihm bei
seinen Fällen immer nützlich gewesen sind. Einiges war elektrisch und selbst hergestellt. Niemand
durfte an sein Heiligstes. Nicht einmal Maria, die Haushälterin. Sie kümmerte sich jetzt schon seit fünf
Jahren und den Haushalt, und nörgelte immer an Felix rum. Er solle doch mal ausgehen und ein nettes
Fräulein kennenlernen. Aber als Antwort bekam sie immer nur: "Maria, dafür habe ich keine Zeit",
oder: "Später mal". Aber Maria gab nicht auf. Es muss doch eine Frau für diesen gutaussehenden
Mann zu finden sein!
Felix war nun fast siebenundzwanzig Jahre alt. Groß gewachsen, schlank, mit wachen grüne Augen und
braunen Haare die er sich mit Pomade immer nach hinten kämmte; sonst sah er aus wie ein Waldesel,
wie Felix immer meinte. Er sehr war durchtrainiert, hielt sich mit Spaziergängen und Kampftraining in
seinem Keller fit. Als Trainingspartner bot sich oft sein Freund Maximilian Wendel an. Max war von
Beruf Polizist. Und ein wenig Training tat ihm gut, auch wenn er gegen Felix meistens den Kürzeren
zog. Auch Max war gut trainiert, -das verlangte sein Job als Ordnungshüter. Die beiden bildeten ein
gutes Team. Sie arbeiteten oft zusammen. Und das schweißte die beiden Freunde immer mehr
zusammen.
Felix öffnete die Augen, als es an seinem Schlafzimmer klopfte.
"Herr Weingarten, es ist Zeit aufzustehen. Das Frühstück ist fertig. ", rief Maria hinter der Tür.
Langsam erhob sich Felix aus dem Bett und zog seine Hausschuhe an. Er warf sich den Morgenmantel
über. "Ich bin gleich unten, Maria", gab er zurück.
Nachdem er sich fertig angezogen und frisch gemacht und rasiert hatte, begab er sich nach unten in die
Küche. Es erwartete ihn ein leckeres Frühstück, welches aus Tee, Kaffee, Brot, Brötchen und einer
großen Auswahl an Käse und Wurst bestand. Die Brötchen waren noch warm. Sie meint es immer so
gut mit mir, dachte sich Felix grinsend. Die Tageszeitung lag auch schon parat. Ein perfekter Morgen
konnte somit beginnen.
"Sie sind ziemlich spät nach Hause gekommen, gestern Abend“, sagte Maria. Felix hörte die Frage
dahinter. Maria war wieder neugierig.
"Ja, ich war noch etwas im Wald spazieren um frische Luft zu schnappen und habe dabei etwas die Zeit
vergessen", entgegnete Felix abwesend. Er lass in der Zeitung die neusten Nachrichten. Von der
Kutsche erzählte er lieber nicht. Das wollte er lieber später mit Maximilian besprechen. Nachdem er
gesättigt war, half er Maria noch beim Abräumen und machte sich dann auf den Weg zum örtlichen
Polizeirevier zu seinem Freund Kommissar Max Wendel.
***
Felix nahm sich Zeit für den Weg zur Wache. Es war ein schöner Morgen in Grafenau und die Sonne
hatte die Straßen wieder weitgehend getrocknet. Hier und da waren noch ein paar Pfützen, in denen
sich das Sonnenlicht spiegelte. Gelegentlich kamen ihm ein paar Leute entgegen, die er kannte und die
er freundlich grüßte. So wie der Herr Schneider mit seiner Gattin. Felix zog an seiner Hutkrempe seines
Zylinders und wünschte beiden einen guten Morgen. Die Schneiders gehörten zur High Society und
waren auf Veranstaltung vertreten. Hartmut Schneider gehörte ein örtliches Modegeschäft. Der Laden
lief sehr gut und das trotz den hohen Preisen. Alles was Rang und Namen hatte kaufte im Modehaus
Schneider. Es gab Gerüchte, dass der Mann im Nachbarort noch ein zweites Geschäft eröffnen wollte.
Als die beiden an Felix vorbei waren, drehte sich dieser noch einmal um und schaute ihnen hinterher.
Was sie wohl an ihm findet? Sein Aussehen wird es wohl nicht sein. Hartmut Schneider war klein, füllig
und nicht grade attraktiv. Vom Alter war er wohl um die sechzig. Seine Gattin Clarissa war dagegen
eine echte Augenweide. Sie hatte lange braune Haare, ein bildhübsches Gesicht und eine Figur, von
der viele Frauen kaum zu träumen wagten. Felix schätzte sie auch zirka 28 Jahre. Allein schon wie sie
ihm vorhin angelächelt hatte…; ihm wurde ganz warm. Er verdrängte weitere Gedanken energisch und
schlenderte weiter zum Polizeirevier. Die Straßen waren belebt. Ein Zeitungsjunge verteilte eifrig das
Tagesblatt. Mehrere Kutschen und Automobile fuhren die Straßen entlang. Die Damen gingen in Cafés,
um beim Klatsch und Tratsch auf dem neusten Stand zu sein, andere bummelten lieber an den
Schaufensterscheiben.
Das Polizeihauptquartier lag in einem alten Backsteingebäude im Kern der Stadt. Felix ging durch den
Haupteingang und meldete sich am Empfang. Der dort wachhabende Beamte schaute über den
Schalter und erkannte Felix sofort.
"Grüß Gott, Herr Weingarten. Was treibt Sie denn schon so früh in unser Revier?", fragte der Beamte
lächelnd. "Grüß Gott, Wachtmeister Behrens. Ich möchte gerne zu Kommissar Wendel. Hat er
vielleicht Zeit für mich?" fragte Felix.
"Ich schätze mal dass er für Sie, immer ein offenes Ohr hat. Ich melde ihren Besuch sofort an", grinste
der Wachtmeister, erhob sich und schlenderte den Flur lang. Ein paar Augenblicke später bestätigte er:
"Kommissar Wendel erwartet sie.....Sie kennen ja den Weg!?"
"Ja, der ist mir durchaus bekannt. Dankeschön", erwiderte Felix freundlich.
Tatsächlich war Wendel offenbar äußerst beschäftigt, aber sofort bereit mit seinem Freund zu
sprechen. Wendel war im gleichen Alter wie Felix. Durch gute Leistungen, hatte er es sehr früh
geschafft zum Kommissar aufzusteigen. Er war gutaussehend, ungefähr 1,80m groß und hatte
schwarze Haare die er in einem Seitenscheitel trug. Sein Markenzeichen aber war sein gezwirbelter
Schnurrbart, den er hegte und pflegte. Bei den Frauen kam er gut an. Außerdem gefielen den Frauen
eben Männer in Uniform. Aber die richtige war auch für ihn noch nicht dabei.
"Felix, du alter Rumtreiber. Wir haben uns schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Was hast du so
getrieben? Leg Deinen Mantel ab und setz Dich erst mal", begrüßte Max seinen Freund. Felix tat wie
ihm geheißen und setzte sich auf den bequemen Sessel vor Max´ Schreibtisch. Max setzte schnell
einen heißen Tee auf. Er wusste dass Felix zu einem guten Ceylon Tee nie ´Nein´ sagen würde.
"Naja, ich hatte ein bisschen Arbeit. Nix weltbewegendes. Mein letzter "Fall" war die Suche nach dem
Kätzchen von der alten Frau Kroll. Aber schließlich fand ich das Fellknäuel in einer Gasse beim
Restaurant Gerber. Hat in den Mülltonnen die Essensreste verputzt. Sah so aus als ob Frau Kroll ihrem
Liebling nicht regelmäßig Fressen gegeben hat", lachte Felix.
"Das hört sich ja sehr abenteuerlich an. Da möchte ich mit Dir nicht tauschen", grinste Max frech.
"Jaja, nimm mich ruhig auf den Arm", erwiderte Felix gespielt beleidigt. "Aber mal was anderes, Max.
Ich war gestern Abend im Wald unterwegs und habe dort eine merkwürdige Entdeckung gemacht!"
Plötzlich wurde Max ganz hellhörig. Felix erzählte von der Kutsche, die mit hohem Tempo in Richtung
des Alten Schlosses Falkenstein unterwegs gewesen war.
"Mhh, das hört sich in der Tat sehr merkwürdig an. Das Schloss ist seit Jahren verlassen. Und mir ist
nicht bekannt, dass es einen neuen Besitzer hätte. Also, muss wohl was anderes dran sein. Vielleicht
sollten wir mal einen Spaziergang unternehmen uns dort mal ein wenig umschauen." Max hatte Feuer
gefangen. Er war genauso abenteuerlustig wie Felix. Seine Formulare und Akten konnten offenbar
warten.
"Genau das wollte ich hören, alter Freund. Hast Du heute Abend schon was vor?", freute sich Felix.
***
Gegen späten Mittag waren die beiden also zu Fuß unterwegs in Richtung Schloss Falkenstein. Der
Waldweg war ziemlich steinig und weniger für eine Kutsche gedacht. Als sie in die Nähe des Schlosses
gekommen waren, wollten sie erst mal in Ruhe die Gegend zu erkunden. Beide waren mit Rucksäcken
und Wandersachen ausgerüstet. So machten sie den Eindruck als wären sie einfache Wanderer. Keiner
würde an einen Polizisten und einen Detektiv denken. Auf einer Anhöhe legten sie eine Pause ein. Das
Schloss war von hier gut zu erkennen. Felix zog seinen Rucksack ab und holte ein Fernglas hervor. Aus
der Hocke beobachtete er ob sie irgendwo am Schloss etwas regte.
"Ich sehe die schwarze Kutsche auf dem Hof stehen...und hinter den Fenstern tut sich auch was. Ich
habe da grade eine Bewegung gesehen", berichtete Felix.
"Also gibt es dort wohl doch einen neuen Schlossherren. Vielleicht doch ein Verwandter. Was meinst
Du, sollen wir mal anklopfen?", fragte Max.
Felix machte eine leichte Verbeugung und grinste Max frech an "Bitte nach Dir, alter Freund".
So schritten sie voran und nach ein paar Minuten durchquerten sie durch den steinernen Torbogen.
Der Schlosshof war gar nicht verwildert. Hier hatte ein Gärtner vor kurzem ganze Arbeit geleistet. Alles
war sehr gepflegt. Felix und Max gingen langsam zu den beiden großen Doppeltüren und blieben davor
stehen. Ein Türklopfer in Form eines großen Kopfes hatte sah in der Tat etwas unheimlich aus. Max
griff nach dem eisernen Ring und klopfte Drei mal. Ein paar Augenblicke geschah nichts und dann
hörte man ein leises Surren und Knacken, als ob es irgendwo einen Mechanismus in Gang gesetzt
hätte. Die beiden Türen öffneten sich wie von Geisterhand.
"Kommen Sie doch bitte herein", erklang eine Stimme irgendwo in der Halle.
Felix und Max taten wie ihnen geheißen und traten in die große Halle ein. Während sie sich
umschauten erklang das Surren erneut, und die Türen verschlossen sich wieder. Interessant, dachte
sich Felix. Er konnte einige Zahnräder, Hebel und Riegel erkennen. Eine mechanische Tür. Sehr
mysteriös.
Felix sah sich um und erkannte weitere mechanische Dinge in der Halle. Auf dem Treppengeländer
stand eine mechanische Eule die selbständig die Flügel ausbreitete und den Kopf drehte. Dann erhob
sie sich und kreiste in der Halle umher. Fasziniert beobachteten die beiden den Vogel.
Dann kam der neue Besitzer des Schlosses in Sicht. Es handelte sich um einen älteren Mann mit
weißem Haar. Er trug einen langen Laborkittel und eine Brille, an der rechten Seite mehrere Linsen
befestigt waren. Es war wohl eine Art Lupe und durch die verschiedenen Gläser, die man übereinander
schieben konnte, um die Objekte nach Wahl zu vergrößern.
"Grüß Gott, meine Herren. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Professor August von Falkenstein.
Sohn von Freiherr Gustav von Falkenstein. Meinem Vater gehörte dieses Schloss", fing der Mann an
und reichte ihnen die Hand.
"Ich dachte Freiherr von Falkenstein habe keine Nachkommen?!", Max war skeptisch, nahm die
gereichte Hand aber bereitwillig entgegen.
"Tja, das liegt wohl daran, dass ich lange Zeit im Ausland gelebt habe. Dass mein Vater verstorben ist
habe ich leider erst vor fünf Monaten erfahren. Also bin ich zurück nach Bayern gereist, habe das
Schloss restauriert und werde das Erbe meines Vaters weiterführen.", erzählte der Professor
bereitwillig.
Felix wandte sich an den Professor. "Um welches Erbe handelt es sich denn, wenn ich fragen darf?"
Der Mann machte eine weitschweifige Geste. "Nun, mein Vater war ein Erfinder. Er experimentierte
mit Aether und Mechanik. Er versuchte Metall Leben einzuhauchen. Was ihm auch gelungen ist. Wenn
sie sich hier umschauen, werden sie einige von Vaters Erfindungen finden.....Da fällt mir ein, das ich
noch gar nicht weiß, mit wem ich es überhaupt zu tun habe?", fragte der Professor plötzlich
misstrauisch.
"Gestatten, Felix Weingarten. Ich bin Detektiv aus Grafenau. Und das ist Kommissar Wendel von der
örtlichen Polizei. Ich habe gestern Abend bei einem Spaziergang durch den Wald ihre Kutsche gesehen
und wusste mir keinen Reim daraus zu machen, da die Kutsche zum Schloss fuhr und hier ja
bekanntlich niemand mehr wohnt. Also, waren wir etwas neugierig und wollten nach dem Rechten
schauen.", erzählte Felix.
Der Professor schien erleichtert zu sein. "Dann bin ich ja beruhigt. Man weiß ja nie was für Gestalten
sich in dieser Gegend rumtreiben. Aber sie scheinen mir keine feindlichen Absichten zu haben."
Max ergriff jetzt das Wort. "Leben Sie alleine hier im Schloss, Herr Von Falkenstein?"
"Nein, ich lebe hier mit meinem Diener Josef, meinem Kutscher Franz und meinem Freund und
Leibwächter Sergej zusammen.....Oh, da kommt Sergej grade."
Felix und Max drehten sich um und zuckten zusammen. Aus einem Nebenraum erschien ein Riese. Der
Mann war zirka zwei Meter groß und bestand wohl nur aus Muskeln. Eine große Narbe zierte sein
grimmiges Gesicht. Er trug eine braune Hose mit schwarzen Hosenträgern und ein weißes Hemd dazu.
Sergej nickte den beiden Gästen zu.
Professor von Falkenstein ergriff das Wort. "Sergej kann ihnen leider nicht Guten Tag sagen, da er
stumm ist. Ich habe Ihn vor langer Zeit in Russland das Leben gerettet. Er sollte für etwas bestraft
werden, was er nicht getan hat. Und so habe ich mich seiner angenommen und in meine Dienste
gestellt. Und er ist mir seither treu ergeben."
Nachdem sie noch zu Kaffee und Kuchen geblieben waren, Josef hatte im Esszimmer alles
bereitgestellt, wurden sie durch das Schloss geführt wurden. Felix war überaus begeistert, als der
Professor seine Erfindungen vorstellte. Er wollte alle Details wissen. Max schaute zum Fenster und
bemerkte dass es zu dämmern anfing. "Felix, wir sollten uns so langsam auf den Heimweg machen, es
dämmert bereits."
"Oh. Du hast Recht. Im Dunkeln durch den Wald wäre keine gute Idee."
Der Professor nickte. "Franz kann sie doch mit der Kutsche zurück in die Stadt fahren."
Beide verneinten. "Das ist wirklich nicht nötig, Herr Falkenstein. Bewegung hält bekanntlich jung.
Trotzdem vielen Dank. ", meinte Felix. So verabschiedeten sich die beiden vom Professor und machten
sich auf den Weg zurück in die Stadt.
Während sich die beiden Männer vom Schloss entfernten, schaute er den nachdenklich hinterher. Er
rief der Sergej zu sich und flüsterte ihm etwas in Ohr. Der Russe nickte und verschwand kurz darauf.
***
Auf dem Weg durch den Wald unterhielten sich die beiden angeregt über das Schloss und seine
freundlichen Bewohner, als sie plötzlich Geräusche im Wald vernahmen. Sie zuckten zusammen und
lauschten in den Wald. Die Sonne war nun fast untergegangen.
"Verdammt, was war das?", Max war jetzt ziemlich angespannt.
Felix dagegen blieb gelassen. "Nun, ich denke mal dass es ein Dachs oder ein Wildschwein gewesen ist.
Das kommt in diesen Wäldern öfter vor. Aber keine Angst mein Freund. Die sind wahrscheinlich nur
neugierig, wer hier in ihrem Gebiet unterwegs ist."
"Sehr lustig, aber hast du eventuell mal an die Wolfsmenschen gedacht, die hier ihr Unwesen treiben
sollen, mein Freund?" Max betonte die letzten Worte hart.
Felix schwieg lieber. Sie gingen langsam und sehr wachsam weiter. Felix fühlte sich plötzlich
beobachtet. Irgendwo in der Nähe knackten Äste. Immer wieder blieben sie stehen und beobachteten
die Gegend. Etwas lauerte irgendwo und das gefiel ihnen gar nicht.
Plötzlich sprang etwas großen aus einem Gebüsch neben ihnen. Erst auf allen vieren und dann erhob
er sich auf die Hinterpfoten. Jetzt war er noch größer, eine Masse an schwarzem Fell und
messerscharfe Klauen. Speichel lief ihm am Maul herunter. Das war also ein Wolfsmensch! Er knurrte
wütend. In diesem Moment kamen noch zwei andere Wolfsmenschen aus dem Unterholz. Sie
umzingelten die beiden Männer, die jetzt Rücken an Rücken standen.
Ohne abzuwarten griff ein Wolf mit braunem Fell urplötzlich an. Sein Ziel war Max. Er lief auf zwei
Beinen auf den Kommissar zu. Aus Reflex drehte dieser sich zur Seite. Während der Wolfsmensch an
ihm vorbei sprang, schlug Max mit der Faust auf die Schnauze des Wesens. Der Schlag war aber nicht
hart genug um den Wolf zu verletzen. Er kam wieder auf die Beine und griff erneut an. Max wich
wieder aus und konnte ein paar Treffer landen. Aber diese Bestie war zäh und startete immer wieder
neue Angriffe.
Felix musste sich mit den anderen beiden Wölfen auseinander setzen. Sie griffen ihn zeitgleich an. Den
ersten konnte er mit einem gezielten Tritt gegen den Kopf auf Abstand halten. Der zweite, der
schwarze Wolf und wohl das Alphatier der Gruppe. Gelbe Augen, schauten ihn böse an. Er sprang Felix
frontal an. Felix konnte durch den heftigen Aufprall das Gewicht nicht halten und fiel unsanft nach
hinten. Der Wolf landete auf seinem Oberkörper und schnappte immer wieder mit seinem Maul zu um
ihn zu beißen. Felix konnte den stinkenden Atem riechen und der Geifer tropfte auf sein Gesicht. Er
packte instinktiv den Hals und hielt damit das Tier auf Distanz. Der erste Wolfsmann kam wieder auf
die Beine und überließ Felix dem stärkeren Rudelführer. Sein nächstes Ziel, sollte Max sein.
Dann überschlugen sich plötzlich die Ereignisse. Die Kutsche des Professors kam wie aus dem nichts
den Weg entlang geschossen. Franz saß oben auf dem Bock und hielt eine Art Gewehr mit übergroßem
Lauf in den Händen. Er zielte auf einen der Wolfsmenschen und drückte ab. Ein gleißender grüner Blitz
kam aus der Waffe und verbrannte den Pelz des Tieres, welches vor Schmerzen schrie und winselnd
zurück in den Wald lief. Dann tauchte Sergej auf. Er sprang aus der Kutsche und griff die übrigen
beiden Wolfsmenschen an. Mit beiden Händen griff er in das Rückenfell des schwarzen Wolfes, der
immer noch mit Felix beschäftigt war, und schleuderte das Tier gegen den nächsten Baum. Durch den
heftigen Aufprall brach das Rückgrat des Wolfes. Er blieb regungslos liegen. Ohne abzuwarten ging
Sergej auf den letzten Wolf los. Auch dieser wurde durch die schiere Kraft des Russen getroffen. Sergej
sprang auf den Rücken der Kreatur und nahm den felligen Kopf in den Schwitzkasten. Er drückte so
lange zu bis sich das Tier keine Luft mehr bekam und sich nicht mehr regte.
Nachdem keine Gefahr mehr drohte, stieg auch Professor von Falkenberg aus der Kutsche. Er schaute
sich die außer Gefecht gesetzten Wesen etwas genauer an und untersuchte dann sofort Max der
mehrere Schnitte und eine größere blutende Bisswunde am linken Arm hatte. Dann wandte er sich an
Sergej und sagte etwas auf Russisch.
Der Riese Sergej nickte wieder stumm, lud die zwei Wolfsmänner hinter auf die Kutsche und stieg
wieder in die Kutsche ein. Diese Kreaturen sollten den Behörden übergeben werden. Felix
beobachtete faszinierend, mit welcher Leichtigkeit der Russe die Verdorbenen hoch hievte.
Danach wandte sich an seine Retter. „Vielen Dank für ihre Hilfe. Ohne sie hätten wir wahrscheinlich alt
ausgesehen. Das war wirklich Rettung in letzter Sekunde. Ich wünschte wir hätten auf sie gehört."
Professor von Falkenstein lächelte. „Keine Ursache, meine Herren. Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl,
deswegen habe ich die Kutsche bereit machen lassen. Steigen sie bitte ein. Wir müssen den Kommissar
dringend ins Krankenhaus fahren. Und sie, Herr Weingarten können wir ja zuhause rauslassen. Sie
scheinen wohl keine Verletzungen zu haben?!"
„Mir geht es soweit gut. Nur ein paar Kratzer und blaue Flecken. Nichts, was ein starker Drink und eine
Mütze Schlaf wieder hinbekommen würden. Diese Biester sind ganz schön kräftig. Ich hatte noch nie
eine solche Begegnung mit Wolfsmenschen. Ich hoffe, das war auch die letzte!"
„Das kann man schlecht einschätzen. Einer ist ja abgehauen, und wer weiß wie viele hier in den
Wäldern noch leben."
Die Kutsche fuhr zurück in Richtung Grafenau. Felix war dem Professor für die Hilfe sehr dankbar.
Nachdem sie Max ins Krankenhaus gefahren hatten,- seine Armwunde wurde versorgt und er wurde
über Nacht dort behalten, wurde Felix nach Hause gefahren. Vor der Haustür stieg er aus und wurde
schon von einer nervösen Maria empfangen, die ihm bestimmt wieder eine Standpauke halten würde.
Aber das war Felix im Moment egal, er wollte jetzt nur noch ins Bett.
Felix verabschiedete sich vom Sergej, Franz und dem Professor, bedankte sich herzlich und versprach
mal wieder auf einen Kaffee vorbei zu kommen. Und so nahm ein aufregender Abend ein gutes Ende.
Felix goss sich noch ein Glas Whiskey ein und zog es in einem Zug leer. Danach legte sich aufs Bett und
schlief erschöpft ein.
***
Als er am nächsten Morgen wach erwachte, spürte er erst die Schmerzen vom Vorabend. Jeder
Knochen tat ihm weh. Felix nahm sich vor, nach dem Frühstück, gleich zum Krankenhaus zu fahren und
nach Max zu schauen. Obwohl er ein zäher Bursche war, sorgte er sich um seinen Freund. Unten hörte
er plötzlich das Telefon läuten. Maria kam nach dem kurzen Gespräch, hastig die Treppe hoch.
„Herr Weingarten! Das war eben das Krankenhaus. Sie sollen sich dort unverzüglich melden!“, rief
Maria aufgeregt.
Felix war schlagartig hellwach. Er zog sich schnell und machte sich auf den Weg zum Krankenhaus. Er
fragte sich, was wohl geschehen sein mag. Er machte sich jetzt doch Sorgen.
Da das Marienhospital nicht allzu weit entfernt war, beschloss er die Strecke zu Fuß zu laufen. Nach
ganzen zehn Minuten erreichte er sein Ziel. Felix meldete sich am Empfangsschalter. Die Schwester
brachte ihn gleich zum behandelnden Arzt.
„Grüß Gott, Herr Weingarten. Mein Name ist Doktor Scholz. Es ist etwas Unerwartetes eingetreten.
Und ich dachte mir, bevor ich der Polizei Bescheid sage, wende ich mich zuerst vertrauensvoll an Sie.
Erst waren seine Werte normal. Wir haben seine Wunden behandelt und er ist eingeschlafen. Dann
packte ihn plötzlich in der Nacht das Fieber und er wurde von schrecklichen Krämpfen
durchgeschüttelt. Wir mussten ihn deswegen festschnallen. Er fing an sich zu verändern. Es ist alles
ziemlich rätselhaft.“
Felix konnte nicht ganz folgen. „Er veränderte sich? Ich kann ihnen nicht ganz folgen. Was ist
geschehen? Kann ich zu ihm, Herr Doktor?“
Der Arzt führte Felix durch mehrere Flure und dann die Treppe hinab in den Keller. Er schloss die Tür
am Ende des Ganges auf und sie traten ein. Felix stockte der Atem als er den Raum betrat und Max
erblickte.
Der Kommissar lag festgeschnallt auf einem Krankenbett. Sein Blick blieb auf einem felligen Etwas
hängen, welches einmal sein Freund gewesen ist. Max hatte sich über Nacht wahrhaftig in einen
Wolfsmenschen verwandelt. Er bewegte sich nicht, aber er atmete. Man hatte ihm wohl irgendein
Beruhigungsmittel gespritzt.
„Ich kann es mir einfach nicht erklären. So etwas habe ich in meiner Laufbahn, noch nie gesehen“,
sagte der Arzt.
Felix dachte kurz nach und sagte schließlich: „Ich denke mal es hat mit der Bisswunde zu tun. Der
Wolfsmann, der ihn gebissen hat, muss ihn irgendwie infiziert haben.“
„Herr Wendel wurde von einem Wolfsmensch gebissen? Von einem Verdorbenen? “, fragte Doktor
Scholz entsetzt.
„Ja, gestern Abend. Das ist eine lange Geschichte. Aber ich habe eine dringende Bitte an Sie. Ich
möchte dass, sie das erst einmal für sich behalten. Niemand darf davon erfahren.“
Doktor Scholz schüttelte heftig den Kopf. “Nein, nein. Ich muss den Vorfall melden, Herr Weingarten.
Wenn es sich um ein Virus handelt und sich dieses ausbreitet, könnte sich eine Panik in der Stadt
ausbreiten! Dieses Risiko darf ich nicht eingehen.“
„Ich bin mir dieser Lage durchaus bewusst. Aber bitte denken sie an ihre Schweigepflicht. Ich möchte,
dass Sie sich daran halten. Ich werde weitere Untersuchungen durchführen. Und bis dahin, darf nichts
an die Öffentlichkeit gelangen“, erwiderte Felix ernst.
Der Arzt gab schließlich widerwillig nach. Der Detektiv warf noch einen letzten Blick auf seinen Freund
und verließ dann das Krankenhaus. Gedankenverloren ging er nach Hause. Ihre gemeinsame Zeit, ihre
Freundschaft, lief wie ein Film in seinem Kopf ab. Wie konnte er seinem Freund helfen? Würde man
die Verwandlung rückgängig machen können? Zu viele Fragen, auf die er keine Antwort wusste. Nach
einem Abstecher ins nächstgelegene Café, entschied er sich, Professor von Falkenstein um Rat zu
fragen.
Gegen Nachmittag fuhr er mit einer gemietete Kutsche zum Schloss. Der Diener Josef führte Felix in
das Arbeitszimmer des Professors.
Von Falkenstein saß an seinem Schreibtisch und schraubte gerade an einer mechanischen Hand.
Überall lagen Drähte, Zahnräder und Werkzeug auf dem Tisch verteilt. Als Felix eintrat, schaute er über
seine Brille und sah ihn verblüfft an. „Herr Weingarten, ich freue mich sie zu sehen. Nehmen Sie bitte
Platz. Was verschafft mir die Ehre, ihres Besuches?“
Während Felix ihm die Situation schilderte, hörte der Professor aufmerksam zu. Er zündete sich eine
Pfeife an, inhalierte den Tabak und blies den Rauch in Richtung Decke.
Der Professor wartete bis Felix zu Ende erzählt hatte und sprach dann: „Nun, lassen Sie sich gesagt
sein, das die Geschichte mit ihrem Freund mir sehr leid tut. Wenn ich könnte, würde ich sofort helfen.
Aber ich bin nur ein einfacher Erfinder, der mit Aether experimentiert und leider kein Mediziner. Aber
ich habe in den Jahren gewisse Kontakte geknüpft. Ich werde mich mal umhören. Das ist leider das
einzige, was ich ihnen anbieten kann.“
„Ich weiß das zu schätzen, Herr Professor und ich bin ihnen für diese Hilfe sehr dankbar.“
„Keine Ursache, aber danken sie mir erst, wenn wir Herrn Wendel geholfen haben.“
„Vielleicht sollte ich mich noch mal in den Wald begeben, um nach dem geflohenen Wolfsmann
Ausschau zu halten.“, überlegte Felix.
„Und was dann? Wollen sie ihn etwa befragen? Wolfsmenschen sind zwar veränderte Menschen, aber
sie haben nicht mehr viel Menschliches an sich. Sie reagieren rein instinktiv, wie Tiere eben. Und ein
sprechender Wolfsmensch, wäre in der Tat etwas suspekt.“, erklärte der Professor.
Felix schlug beide Hände vors Gesicht. Er war den Tränen nahe. „Sie haben Recht. Es tut mir leid, aber
ich bin ganz schön durch den Wind. Ich kann im Moment keinen klaren Gedanken fassen. Max ist mein
bester Freund. Wir haben so viel zusammen durchgemacht. Er verdient es nicht, so zu sein.“
Der Professor erhob sich und schüttete ihnen beiden einen Cognac ein. „Beruhigen sie sich bitte und
nehmen erst mal einen Schluck.“
Felix nahm das Glas dankbar entgegen. „Danke sehr.“
Felix kippte den Cognac in einem Zug herunter. Es brannte in seinem Hals und er musste unwillkürlich
husten. Nachdem er sich beruhigt hatte, atmete er tief durch und sagte: „Das habe ich jetzt gebraucht.
Ich werde morgen nochmal ins Krankenhaus fahren, um nach Max zu sehen.“
„Was halten sie davon, wenn ich Sie morgen ins Krankenhaus begleite und wir schauen gemeinsam
nach Herrn Wendel? Dann kann ich mir selbst ein Bild von der Situation machen. Ich könnte sie
morgen Mittag zuhause abholen“, schlug der Professor vor.
Felix war von der Idee sehr erfreut. Sie tranken gemeinsam noch ein paar Gläser, bis die Flasche fast
leer war. Dann verabschiedete sich Felix und fuhr mit der immer noch wartenden Kutsche zurück nach
Grafenau.
***
Der Professor hielt Wort und stand gegen frühen Mittag vor Felix Wohnung. Gemeinsam fuhren sie mit
der Kutsche in Richtung Marienhospital.
Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten, verlangsamte Franz sein Gefährt und klopfte zweimal auf das
Kutschendach. Felix und der Professor schauten beide aus dem Fenster und erkannten mehrere
Blitzmänner die schwer bewaffnet auf dem Weg ins Krankenhaus waren.
Ohne zu zögern sprang Felix aus der Kutsche. „Oh, Nein! Die wollen Max holen! Das darf ich nicht
zulassen“, brüllte Felix im Lauf. Er rannte der Spezialeinheit hinterher. Der Professor rief ihm noch
etwas hinterher, aber das hörte Felix nicht mehr. Er wollte nur noch seinen Freund retten.
Er sprintete durch den Haupteingang. Nach wenigen Minuten hatte auch der Professor den
Haupteingang erreicht. Er zog eine kleine Kugel aus dem Mantel, drückte einen winzigen Knopf und
rollte sie in die Empfangshalle. Aus der Kugel stieg dicker Qualm auf, der sich sofort in der ganzen Halle
verteilte. Dann holte er eine Schutzbrille aus der Tasche und setzte sie auf und folgte Felix. In seiner
Hand hielt Von Falkenstein eine Art Strahlenpistole, die er selber erfunden hatte. Die Pistole wurde
durch Aether betrieben und war in der Lage, grüne Blitze zu verschießen. Diese waren nicht tödlich,
sondern lähmten die Gegner nur für kurze Zeit.
Ärzte und Patienten liefen wild durch die Gegend. Es wurde Feueralarm ausgelöst. Die Ablenkung
machte den Professor unsichtbar für alle.
Er beeilte sich um schnell in den Keller zu gelangen. Etwas außer Atem erreichte er Felix. Dieser lauerte
an einer Ecke und beobachtete drei Soldaten, die vor dem Zimmer standen. Sie waren grade dabei
einzutreten und den Wolfsmann mitzunehmen.
Von Falkenstein hielt Felix eine weitere Schutzbrille hin. „Schnell. Setzen sie die bitte auf.“
Der Professor holte eine weitere Kugel aus der Tasche und rollte sie in den Gang. Der Qualm breitete
sich sofort aus. Bevor die Soldaten reagieren konnten, hob er die Pistole und zielte auf einen der
Blitzmänner. Ein gleißender grüner Blitz löste sich aus der Pistole und traf den Soldaten mitten in die
Brust. Der Mann sackte sofort in sich zusammen. Auch der zweite Schuss traf sein Ziel und der
Blitzmann stolperte im Fallen über seinen Kollegen.
Felix hatte inzwischen den dritten Mann auch außer Gefecht gesetzt. Gemeinsam betraten sie den
Raum in dem Max lag. Er war immer noch auf der Bahre fest geschnallt. Nur diesmal war er bei
Bewusstsein. Max kämpfte erfolglos gegen seine Fesseln an. Als er die Männer erblickte, knurrte er
gefährlich. Doch dann erkannte er wohl Felix. Seine gelben Augen wurden groß und er fing an, wie ein
Hund zu winseln.
„Max, mein Gott. Was ist mit dir geschehen? Erkennst du mich? Ich bin es, Felix“, sagte er mit ruhiger
Stimme.
„Er scheint sie wohl wieder zu erkennen. Wir müssen ihn schnellstens hier raus schaffen“, drängte der
Professor eilig.
Felix ging langsam auf Max zu. Er hielt die Handflächen nach vorne gestreckt um zu zeigen, dass von
ihm keine Gefahr ausging. „Max, mein Freund. Wir holen dich hier raus. Ich verspreche Dir dass ich dir
helfen werde.“
Der Wolfsmensch schaute ihn flehend an und öffnete leicht sein Maul. „Felix, hilf mir. Bitte“, krächzte
er.
Felix hielt erschrocken eine Hand vor den Mund. Hatte er sich das gerade eingebildet, oder hatte Max
wirklich gesprochen? Max wiederholte Felix Namen. Nein, kein Zweifel. Sein veränderter Freund war
in der Lage zu sprechen. Auch der Professor schaute verblüfft drein.
Felix beeilte sich, die Gurte zu öffnen. Als der letzte Gurt gelöst war, trat Felix einen Schritt zurück.
Max erhob sich von der Bahre und streckte sich. Er setzte sich auf die Hinterpfoten und schaute Felix
dankbar an.
Der Professor mischte sich ein: „Wir müssen weg von hier, bevor noch mehr Blitzmänner hier
eintreffen. Die Feuerwehr wird bestimmt schon unterwegs sein.“
Es ging durch den Keller und durch mehrere Gänge. Max lief auf allen vieren neben Felix. Der Professor
bildete das Schlusslicht und sicherte mit der Pistole nach hinten, falls noch mehr unangenehme Gäste
auftauchen sollten.
Als sie endlich den Hinterausgang erreichten, war keine Menschenseele zu sehen. Der Qualm hatte
sich überall verteilt. „Die Dosierung war gut berechnet, vielleicht zu gut“, lächelte der Professor.
„Warten sie hier, während ich die Kutsche hole. Wir wollen ja nicht mehr Aufsehen erregen, als
unbedingt nötig.“
Ein paar Minuten später kam die Kutsche den Weg entlang gerumpelt. Als die Luft rein war, winkte
Franz sie zu sich. Felix und Max liefen gemeinsam los. Felix setze sich neben dem Professor, während
Max sich erschöpft auf die hintere Bank legte. Felix lehnte sich zurück, schloss die Augen und
versuchte zur Ruhe zu kommen. Es war im Moment alles zu viel für ihn.
Von Falkenstein unterbrach nach einiger Zeit die Stille. „Wir werden sie erst mal zum Schloss bringen.
Dort ist ihr Freund erst mal sicher.“
„Das ist sehr freundlich von ihnen, Professor. Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll. Jetzt stehe
ich schon zum zweiten Mal in ihrer Schuld“, erwiderte Felix betrübt.
Der Professor lächelte „Machen sie sich darüber keine Gedanken. Das wichtigste im Moment ist, das
wir sicher und ohne Probleme im Schloss ankommen und die nächsten Schritte planen können.
Das sie niemand verfolgte, war ein gutes Zeichen. Die Kutsche fuhr gemütlich durch den Wald in
Richtung Schloss. Den Rest des Weges sprach niemand mehr ein Wort. Felix dachte angestrengt nach.
Wie sollte es jetzt weiter gehen? Er hatte keine Antwort. Schließlich wurde er aus seinen Gedanken
gerissen, als die Kutsche auf den Schlosshof fuhr. Sergej stand bereits draußen um sie in Empfang zu
Nehmen.
Der Professor stieg als erstes aus der Kutsche, dann folgte Felix. Max kam als letzter aus der Kabine.
Beim Anblick des riesigen Wolfmannes ging Sergej sofort in Kampfstellung und zog ein großes
Jagdmesser, welches er an seiner Hose befestigt hatte.
„Nein, Sergej, Nein! Es ist alles in Ordnung. Das ist der Freund von Herrn Weingarten. Er tut niemanden
etwas“, rief der Professor auf Russisch.
Misstrauisch schauend stecke der Russe sein Messer wieder zurück in die Halterung am Bein. Aber er
tat, was der Professor von ihm verlangte. Sie gingen zusammen ins Schloss, während sich Franz um die
Pferde kümmerte.
Da es schon später Nachmittag war, bereite Josef in der Küche schon mal das Abendessen vor. Die
Männer zogen sich in den großen Salon zurück. Der Wolfsmann machte es sich vor dem knisternden
Kamin gemütlich. Gesprochen hatte er seit der Flucht aus dem Krankenhaus nicht mehr. Die neue
Situation, nahm in sichtlich mit.
Der Professor ging zur Bar und goss sich beiden einen schottischen Single Malt Whiskey ein. Daraufhin
machten sie es sich in den Ledersesseln bequem. Sie genossen den Moment der Ruhe. Die einzigen
Geräusche im Raum war das knacken des Holzes und das ticken der Wanduhr.
„Nun, Herr Weingarten…“, fing der Professor an, aber Felix fiel ihm ins Wort.
„Bitte, Professor. Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mich endlich Felix nennen würden.“
„Also schön. Felix. So, wie ich es sehe, ist Max ein außergewöhnlicher Wolfsmann, da er in der Lage ist
zu sprechen. Er weist eine gewisse Intelligenz auf und das macht ihm im Gegensatz zu seinen
primitiven „Artgenossen“ zu einem wertvollen Wesen. Ich finde das ist ein positives Zeichen. Das
Problem ist nur…Was machen wir jetzt mit ihm?“
Felix machte ein trauriges Gesicht. „Es tut so mir so leid, dass ich Sie damit reingezogen habe. Es ist
alles meine Schuld. Ich habe wahrscheinlich unüberlegt gehandelt, ach verdammt, ich wünschte ich
könnte es ungeschehen machen.“
„Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Wir werden schon eine Lösung finden. Lassen sie uns gleich
erst mal zu Abend essen. Mit vollem Bauch lässt sich besser nachdenken.“, lächelte der Professor.
Das Essen war hervorragend. Es gab Schweinebraten mit Semmelknödeln. Felix gönnte sich zwei ganze
Teller. Er musste beim Essen an Maria denken. Sie kochte genauso gut. Nur zu gerne hätte er sie jetzt
hier gehabt. Aber er wollte sie auch nicht allzu lange alleine lassen und sie in Sorge wissen.
Sergej legte Max einen großen Teller mit Braten hin, den der Wolfsmann in Windeseile verputzte. Felix
beobachtete seinen pelzigen Freund dabei und lächelte. Doch dann verfinsterte sich seine Miene und
er wurde nachdenklich und er versuchte sich in die Lage seines Freundes zu versetzen und überlegte,
wie es Max in diesem Moment wohl ging, was er so dachte und wie er sich in seinem neuen Körper
fühlte.
Der Professor bemerkte den besorgten Gesichtsausdruck des Detektivs und versuchte ihn etwas
aufzumuntern. „Wenn man ihn so ansieht, hat man das Gefühl, dass es sich um einen großen Hund
handelt. Wenn er sich nicht auf die Hinterbeine stellt, versteht sich.“
Felix zwang sich zu einem Lächeln. „Ich mache mir Sorgen um ihn. Was, wenn er sich nicht an seinem
neuen Körper gewöhnt. Er hat doch sein Leben noch vor sich. Er kann jetzt nie mehr heiraten können
oder die Freuden des Vaterseins genießen.“
„Das mag sein, Felix. Aber im Moment sieht er zufrieden aus. Max scheint eine starke Persönlichkeit zu
haben. So wie ich ihn einschätze, wird er mit der Situation gut zurechtkommen.“ Felix nickte
zustimmend.
Nach dem Essen gönnten sie sich noch ein Gläschen Cognac. Anschließend wurde Felix von Josef auf
sein Zimmer gebracht. Es war sehr gemütlich eingerichtet. Er zog sich um und legte sich aufs Bett. Nach
kurzer Zeit schlief er tief und fest ein.
Am nächsten Morgen wurde Felix ziemlich unsanft geweckt. Der Professor stürmte aufgebracht ins
Zimmer und rüttelte ihn wach.
„Felix, schnell. Stehen Sie auf. Es ist unglaublich. Das müssen sie sich unbedingt anschauen!“
So schnell er konnte kleidete Felix sich an und folgte dem Professor in den großen Saal. Was er dort
sah, verschlug ihm die Sprache. Er rieb sich die Augen. Vielleicht träumte er noch. Nein, das war kein
Traum. Vor ihm saß Max im Sessel. Und zwar als Mensch. Seine Haare waren zerzaust und er trug
einen Morgenmantel, den Josef ihm besorgt hatte. Er trank ein Glas Wasser und sah ziemlich
benommen aus.
Als er Felix erblickte, erhob Max sich langsam. Mit wackeligen Beinen ging er auf Felix zu. Die Freunde
fielen sich in die Arme. Felix hatte Tränen in den Augen. Er konnte es einfach nicht fassen.
„Mein Gott, Max. Wie ist das nur möglich? Ich dachte, ich hätte Dich für immer verloren. Als
Menschen, meine ich natürlich.“
„Ich kann es leider nicht erklären, mein Freund“ erwiderte Max. Er ging auf einen großen Spiegel zu
und schaute sein Spiegelbild an. Angst machte sich in ihm breit. „Was ist nur aus mir geworden? Das
was ich immer gejagt und gefürchtet habe. Jetzt bin ich selbst ein Verdorbener geworden.“
„Ich sehe Dich mehr als „besonders“ an“, sagte Felix beruhigend. „ Du besitzt jetzt eine einzigartige
Fähigkeit. Ich werde Dir beistehen. Egal, was passieren wird, ich werde immer Dein Freund sein.“
Ich danke Dir dafür. Ich bin im Moment einfach nur glücklich, wieder ich selbst zu sein. Ich kann es
nicht in Worte fassen. Aber ich habe mir ganz fest vorgestellt, wieder ein Mensch zu sein. Und
irgendwie hat es geklappt. Vielleicht kann ich es ja sogar kontrollieren.“
Der Professor mischte sich ins Gespräch. „Auch von mir werden Sie jede erdenkliche Hilfe bekommen.
Gemeinsam, werde wir ihre neue Kraft schon in den Griff bekommen.“
„Danke Professor. Das bedeutet mir sehr viel“, sagte Felix freudig und wandte sich wieder an Max.
„ Du könntest wieder ein normales Leben führen. Jetzt müssen wir das Krankenhaus überzeugen, dass
sie das nicht an die Öffentlichkeit bringen. Und alles wäre wieder in Ordnung.“
Max legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. „Lass das mal meine Sorge sein. Das werde ich
schon in die Wege leiten. Aber im Moment, möchte ich mich einfach nur waschen und mich anziehen.
Und ein anständiges Frühstück wäre auch nicht zu verachten.“
Nachdem sie zusammen ein deftiges Frühstück zu sich genommen hatten, machte sie sich zu dritt auf
den Weg nach Grafenau. Als erstes ging es zur Polizeiwache, wo Max von seinen Kollegen herzlich in
Empfang genommen wurde. Felix und der Professor warteten im Vorraum, während Max sich um
wichtige Formalitäten kümmerte und seine Männer zu verschiedenen Aufgaben einteilte. Da es wohl
längere Zeit in Anspruch nahm, entschied sich Felix nach Hause zu fahren um nach Maria zu sehen.
Der Professor folgte ihm zu dessen Wohnung. Maria weinte vor Glück, als sie die Tür öffnete. Von
Falkenstein wurde kurz vorgestellt und Felix schilderte die Erlebnisse der letzten Zeit, wobei er das
Geheimnis um Max, lieber für sich behielt.
Die Tage vergingen und alles normalisierte sich langsam. Zwischen Felix, Max und dem Professor
bildete sich eine enge Freundschaft. Regelmäßig traf man sich auf Schloss Falkenstein, wo Max an
seinen Fähigkeiten arbeitete, die er langsam in den Griff bekam. Er beherrschte es immer besser, sich
in einen Wolf und wieder zurück verwandeln. Es kostete ihn nicht viel Anstrengung, auch wenn die
Transformation schmerzhaft war. Doch mit jedem Mal, wo er es versuchte, konnte er seine neu
gewonnene Kraft besser kontrollieren.
Felix ging weiter seiner Tätigkeit als Detektiv nach. Mit Unterstützung von Max, einerseits als
Polizisten und gleichzeitig als wandelbaren Wolfsmann, sowie den genialen Erfindungen des
Professors hatten sie sich vorgenommen, eine gemeinsame Zukunft als Privatermittler beginnen. Und
nach kurzer Zeit wurde die Aether-Detektei gegründet.
Und der erste gemeinsame Fall, würde nicht lange auf sich warten lassen…
ENDE? (….eher ein Anfang)

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