20.01.2015 Drucksache 6/138 6. Wahlperiode Einlagerung von

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20.01.2015 Drucksache 6/138 6. Wahlperiode Einlagerung von
Thüringer Landtag
6. Wahlperiode
138
Drucksache 6/
20.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mühlbauer (SPD)
und
Antwort
des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz
Einlagerung von Giftmüll in Sondershausen
Die Kleine Anfrage 59 vom 5. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut:
Der Thüringer Allgemeinen vom 25. November 2014 war zu entnehmen, dass 20,7 Tonnen Giftmüll aus einer Sondermülldeponie im ehemaligen Kalischacht "Joseph-Else" bei Mulhouse (Elsass) in Sondershausen eingelagert würden. Dieser enthält auch die nach EU-Gefahrstoffkennzeichnung als umweltschädlich
und giftig bzw. sehr giftig eingestuften Elemente Arsen und Quecksilber. Die Genehmigung für die Einlagerung soll seit 2005 vorliegen.
Die Sondermülldeponie gehört den staatlichen elsässischen Kaliminen. Sie enthält neben arsen- und quecksilberhaltigem Giftmüll auch Asbest, Cyanid und chromhaltige Substanzen. Das Deckgebirge hat sich dort bereits abgesenkt und Wasser ist in den Bereich der Deponie eingedrungen, weswegen sie aufgelöst wird. Der
französische Staat hat die Bergung und Neueinlagerung des Giftmülls deswegen öffentlich ausgeschrieben.
Ich frage die Landesregierung:
1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage und nach welchen Kriterien erfolgte durch wen und bis wann die
Genehmigung der Einlagerung von Giftmüll in Sondershausen?
2. Welche Behörden sind mit der Überwachung betraut?
3. Wie wird die Überwachung durchgeführt, sichergestellt und in welchen Intervallen werden vor Ort sowohl
die Lagerstätte als auch das Einlagerungsgut kontrolliert?
4. Wer betreibt die Giftmülldeponie in Sondershausen, wo hat das Unternehmen seinen Sitz und wie viele
Beschäftigte hat das Unternehmen?
5. Wann begann das Antragsverfahren und wann wurde durch wen die Genehmigung erteilt?
6. Wie wurden der Kyffhäuserkreis, die Stadt Sondershausen und die Bürger vor Ort im Genehmigungsprozess beteiligt und wie haben Kommunen, Landkreis oder Land das Unternehmen bei der Ausschreibung
unterstützt?
7. Wann wurden in der Vergangenheit bereits Gefahrstoffe in Sondershausen eingelagert?
8. Welche Zusammensetzung hat der bisher gelagerte Giftmüll in Sondershausen?
Druck: Thüringer Landtag, 28. Januar 2015
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9. Welche weiteren Gefahrstoffe sind neben Arsen und Quecksilber in Sondershausen eingelagert und
welche anderen Quellen haben die Giftmülltransporte nach Sondershausen?
10.Welche Vorkehrungen sind gegen mögliche Gefahrstoffkontaminationen der Umgebung unternommen
worden, insbesondere bezogen auf Einträge ins Grundwasser und auf das angrenzende Besucherbergwerk?
11.Welche Kosten trägt dabei die öffentliche Hand (bitte aufschlüsseln nach Kommunen, Land, Bund sowie
andere juristische Person des öffentlichen Rechts) und welche Mittel der Euro­päischen Union werden
hierfür eingesetzt?
12.Welche Alternativen sieht die Landesregierung zur Einlagerung von Giftmüll in Sondershausen?
Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der
Lan­desre­gierung mit Schreiben vom 17. Januar 2015 wie folgt beantwortet:
Vorbemerkung:
Die Thüringer Allgemeine berichtete in ihrer Ausgabe vom 3. Dezember 2014 über 4.000 Tonnen "Giftmüll"
bzw. "Sonderabfälle" aus der ehemaligen Untertagedeponie Stocamine in Frankreich, die derzeit in der
Untertagedeponie Sondershausen eingelagert werden. Die Begriffe "Giftmüll" und "Sonderabfälle" sind im
deutschen Abfallrecht nicht definiert. Bei den genannten Abfällen handelt es sich um gefährliche Abfälle im
Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Solche Abfälle können in einer planfestgestellten Untertagedeponie (UTD) abgelagert werden, wie sie in einem Teil des Grubengebäudes des ehemaligen Kalibergwerkes
Sondershausen eingerichtet wurde.
Zu 1.:
Die UTD Sondershausen ist eine Deponie nach Klasse IV der Deponieverordnung (DepV) vom 27. April 2009 (BGBl. I S. 900), die zuletzt durch Artikel 7 der Verordnung vom 2. Mai 2013 (BGBl. I S. 973) geändert worden ist. Die Genehmigung für diese Deponie wurde dem Deponiebetreiber seinerzeit aufgrund
des damals geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes i. V. m. §§ 1, 6 des Thüringer Gesetz über
die Vermeidung, Verminderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (Thüringer Abfallwirtschaftsgesetz - ThürAbfG -) vom 15. Juni 1999 (GVBl. 1999, S. 385), das zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom
20. Dezember 2007 (GVBl. S. 267, 275) geändert worden ist, den §§ 1, 3 ff. DepV und der §§ 4, 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I
S. 1274), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1740) geändert worden
ist, mit Bescheid (Planfeststellungsbeschluss) Nr. 699/2005 des Thüringer Landesbergamtes (TLBA) vom
5. August 2005 erteilt.
Für die Ablagerung gefährlicher Abfälle ist vor Beginn des Entsorgungsvorgangs für jeden konkreten Abfall
ein Entsorgungsnachweis gemäß Nachweisverordnung (NachwV) vom 20. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2298),
die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 5. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4043) geändert worden ist,
zu führen, in Fällen grenzüberschreitender Verbringung ein Notifizierungsverfahren gemäß EG-Abfallverbringungsverordnung. Für beide Verfahren ist das Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA) zuständig.
Zu 2.:
Überwachungsbehörde für die UTD ist gemäß § 24 Abs. 5 ThürAbfG das TLBA. Für die Überwachung gemäß Nachweisverordnung und EG-Abfallverbringungsverordnung ist das TLVwA zuständig.
Zu 3.:
Das Überwachungs- und Kontrollregime für die UTD ist, wie bei anderen Deponien auch, mehrstufig aufgebaut. Zunächst besteht für den Abfallerzeuger die Pflicht, vor der Deponierung die grundlegenden Charakteristika der zu deponierenden Abfälle dem Deponiebetreiber mitzuteilen. Dieser hat dann zu prüfen, ob
die Annahmekriterien eingehalten werden.
Eine Überprüfung der Zulässigkeit der Deponierung für einen konkreten gefährlichen Abfall erfolgt im Rahmen des Entsorgungsnachweisverfahrens gemäß Nachweisverordnung und im Rahmen des Notifizierungsverfahrens gemäß EG-Abfallverbringungsverordnung.
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Im Weiteren hat der Deponiebetreiber vor der ersten Annahme eines Abfalls die Schlüsselparameter (Hauptidentitätsmerkmale) für die Kontrolluntersuchungen festzulegen. Bei positiver Bewertung werden die Abfälle beim Erzeuger chargenweise beprobt und auf Übereinstimmung mit den Schlüsselparametern überprüft.
Bei jeder Abfallanlieferung muss der Deponiebetreiber unverzüglich eine Annahmekontrolle durchführen.
Die Beprobung der Abfälle erfolgt durch den Deponiebetreiber ebenfalls chargenweise. Zudem besteht seitens des Deponiebetreibers die Pflicht, die zuständige Behörde unverzüglich über angelieferte, zur Ablagerung auf der Deponie nicht zugelassene Abfälle zu informieren.
Die Annahme und die Verbringung der Abfälle in den untertägigen Ablagerungsbereich sind nachweispflichtig.
Zum Betreiben einer Deponie gehören umfangreiche Informations- und Dokumentationspflichten. Hierzu zählen
u. a. eine Betriebsordnung, ein Betriebshandbuch sowie ein sogenanntes Abfallkataster. Damit ist die Rückverfolgbarkeit jedes abgelagerten Abfalls möglich.
Zusätzlich wird die Abfalldeponierung gutachterlich begleitet. Dies betrifft einerseits die Untersuchung des
Stoffbestandes der Abfälle sowie ihre Eignung zur untertägigen Ablagerung und andererseits die Bewertung
der Ablagerungsbedingungen, hier im Wesentlichen die Standsicherheit der Grubenbaue.
Die behördliche Überwachung wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie für Industrieemissionen im Jahr 2013 neu geregelt. Demnach haben für alle genehmigungspflichtigen Deponien die zuständigen Behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich, so das TLBA für die UTD Sondershausen,
Überwachungspläne und Überwachungsprogramme aufzustellen, regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren.
Bezüglich der zeitlichen Kontrollfristen ist gesetzlich geregelt, dass der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen für die UTD als Deponie der Klasse IV einen Zeitraum von einem Jahr nicht überschreiten darf.
Das TLBA führt mehrmals im Jahr, mindestens jedoch zweimal, untertägige Kontrollen der UTD durch. Dabei werden insbesondere der Zustand der Grubenbaue als auch der Zustand der Abfallbehältnisse (Fässer, Big-Bags), soweit zugänglich, sowie die Nachweisführung kontrolliert.
Zu 4.:
Die UTD Sondershausen im ehemaligen Kalibergwerk Sondershausen wird von der Glückauf Sondershausen Entwicklungs- und Sicherungsgesellschaft mbH (GSES) betrieben. Das Unternehmen hat seinen Sitz
in Sondershausen und beschäftigt in allen seinen Geschäftsfeldern in Sondershausen etwa 210 Mitarbeiter.
Zu 5.:
Der Antrag auf abfallrechtliche Planfeststellung der UTD Sondershausen wurde durch die GSES am 7. November 2003 beim TLBA eingereicht. Der Planfeststellungsbeschluss wurde durch das TLBA im Einvernehmen mit der oberen Abfallbehörde, dem TLVwA, am 5. August 2005 erteilt.
Zu 6.:
Im Rahmen des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens für die UTD wurden insgesamt 30 Träger öffentlicher Belange (TÖB), unter anderem auch das Landratsamt des Kyffhäuserkreises und die Stadt Sondershausen, beteiligt. Nach Bekanntgabe in der "Thüringer Allgemeine" und im "Sondershäuser Heimatecho"
wurden die Planunterlagen außerdem im Bürgerbüro der Stadt Sondershausen und im Thüringer Landesbergamt in der Zeit vom 26. Januar 2004 bis einschließlich 25. Februar 2004 öffentlich ausgelegt. Während
dieser Zeit haben neun Bürger Einsicht in die Unterlagen genommen und dies in den hierzu ebenfalls ausgelegten Einsichtnahmelisten quittiert. Der im Planfeststellungsverfahren vorgesehene Erörterungstermin
war der 4. Mai 2004. Im Planfeststellungsverfahren gab es lediglich eine schriftliche Einwendung.
Über eine Unterstützung der GSES durch Landkreis oder Kommunen im Rahmen der Teilnahme des Unternehmens an der öffentlichen Ausschreibung für die Beseitigung der Abfälle aus der ehemaligen UTD Stocamine in Frankreich liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Seitens des Landes wurde keine Unterstützung gewährt.
Zu 7.:
Die Ablagerung von Abfällen in der UTD Sondershausen begann im Dezember 2005.
Zu 8. und 9.:
Abfälle dürfen dann in einer Untertagedeponie abgelagert werden, wenn sie den Anforderungen des § 7
DepV entsprechen. Das heißt u. a., dass sie nicht flüssig, nicht selbstentzündlich oder biologisch abbaubar
und auch nicht gasbildend sein dürfen.
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Neben Arsen und Quecksilber sind beispielsweise Blei, Zink und Nickel als Gefahrstoffe in unterschiedlichen Gehalten und Verbindungen (Oxide, Sulfate, Sulfide usw.) in den Abfällen vertreten.
Die Erzeuger der Abfälle sind überwiegend inländische Unternehmen, aber auch ausländische Unternehmen.
Etwa 55 Prozent der in der UTD beseitigten Abfälle stammen aus Verbrennungsanlagen (Rost- und Kesselaschen, Schlacken, Filterstäube, Rückstände aus der Abgasreinigung), insbesondere aus Müllverbrennungsanlagen. Infolge der Inhomogenität der verbrannten Abfälle werden diese durch einen schwankenden Schadstoffgehalt charakterisiert.
Zu 10.:
Die Genehmigungsvoraussetzungen von Abfalldeponien sind in der Deponieverordnung (DepV) geregelt.
Untertagedeponien als Deponien der Klasse IV dürfen gemäß § 3 DepV nur im Salzgestein errichtet werden. Bei der Standortwahl für eine Untertagedeponie ist zu berücksichtigen, dass die Abfälle dauerhaft von
der Biosphäre ferngehalten werden und die Ablagerung so erfolgen kann, dass keine Nachsorgemaßnahmen erforderlich sind.
Die Deponieverordnung verlangt, dass das Salzgestein gegenüber Flüssigkeiten und Gasen dicht ist und
eine ausreichende räumliche Ausdehnung besitzt. Außerdem muss das Salz durch sein Konvergenzverhalten die Abfälle allmählich umschließen und am Ende des Verformungsprozesses vollständig einschließen. Hierbei macht man sich die Tatsache zu Nutze, dass Hohlräume im Salzgestein infolge des Gebirgsdruckes und der Plastizität des Salzes sich langsam wieder schließen.
Der Nachweis der Eignung des Gebirges für die Einrichtung einer UTD muss vom Deponiebetreiber durch
eine standortbezogene Sicherheitsbeurteilung erbracht werden. Wesentlicher Teil dieser Beurteilung ist der
Langzeitsicherheitsnachweis.
Im Rahmen des Langzeitsicherheitsnachweises wird vor allem die langfristige Wirksamkeit und Integrität
der Salzbarriere beurteilt. Neben der Mächtigkeit und Beschaffenheit der Salzlagerstätte sowie vorhandenen Durchörterungen durch Grubenbaue, Schächte und Bohrungen sind dabei auch die geplanten Maßnahmen zu berücksichtigen, mit welchen nach Beendigung der Ablagerung ein Zutritt von Grundwasser in
die Lagerstätte verhindert werden soll.
Mit dem Langzeitsicherheitsnachweis ist schließlich darzustellen und zu beschreiben, auf welche Weise
durch ein standortbezogenes Mehrbarrierensystem der dauerhafte Abschluss der abgelagerten Abfälle von
der Biosphäre gewährleistet wird. Einen solchen Langzeitsicherheitsnachweis hat der Deponiebetreiber
GSES im Planfeststellungsverfahren zur Errichtung der UTD Sondershausen geführt.
Das Besucherbergwerk befindet sich im unmittelbaren Umfeld des Schachtes "Glückauf I" des Bergwerkes
Sondershausen, die UTD hingegen in der Nähe des Schachtes "Glückauf V". Die beiden Schächte sind
mehrere Kilometer voneinander entfernt. Dies schließt einen Kontakt von Besuchern des Besucherbergwerkes mit den abgelagerten Abfällen mit hinreichender Sicherheit aus.
Zu 11.:
Die Kosten trägt ausschließlich die GSES selbst. Nach § 44 "Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch § 44 Abs. 4 des Gesetzes vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324)
geändert worden ist, müssen die vom Betreiber für die Ablagerung von Abfällen in Rechnung zu stellenden
privatrechtlichen Entgelte alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Deponie abdecken.
Zu 12.:
Als Alternative zur Beseitigung von gefährlichen Abfällen in der UTD Sondershausen kommen grundsätzlich die Beseitigung in anderen Untertagedeponien bzw. die Ablagerung auf einer oberirdischen Deponie
für gefährliche Abfälle, soweit diese für die Ablagerung der konkreten Abfälle zugelassen ist, in Betracht.
Gefährliche Abfälle sind zwingend in dafür zugelassenen Anlagen zu entsorgen. Verstößt die Entsorgung
nicht gegen geltendes Recht, gibt es seitens der Verwaltung keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die
Auswahl der Entsorgungsanlage durch den Abfallerzeuger.
Siegesmund
Ministerin
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