Kirschen auf Partnersuche_Aspekte zur Wahl der
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Kirschen auf Partnersuche_Aspekte zur Wahl der
Kirschen auf Partnersuche: Aspekte zur Wahl der Kreuzungspartner in der Kirschenzüchtung Mirko Schuster, Julius-Kühn-Institut, Dresden-Pillnitz Der Kirschanbau ist, wie der Obstbau im Allgemeinen, durch stetige Veränderung und Weiterentwicklung gekennzeichnet. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, müssen entsprechende Sorten aus bestehenden Sortimenten ausgewählt und durch obstbauliche Maßnahmen an die neuen Systeme angepasst werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Nutzung neuer Sorten, die unter dem Gesichtspunkt zukünftiger Entwicklungen im Obstbau gezüchtet wurden. Erste züchterische Schritte auf dem Weg zu unseren heutigen Kirschsorten waren die bewusste Selektion von wertvollen Genotypen und deren Anbau und Verbreitung im Mittelalter. Später folgten erste Kreuzungen zwischen Elternsorten mit wertvollen Eigenschaften. Ein großes Sortiment an Süß- und Sauerkirschen konnte sich so entwickeln. Seit 1928 werden Kirschen in Deutschland gezielt in staatlichen Forschungseinrichtungen gezüchtet. Die Hauptzuchtziele, Fruchtbehang, Fruchtqualität und Resistenz gegenüber biotischen und abiotischen Schadfaktoren, wurden frühzeitig formuliert. Durch die Verbindung der Züchtung mit den neuen Erkenntnissen der Züchtungsforschung war es möglich, in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Sorten zu selektieren. Grundlagen für die gezielte Züchtung bei Kirsche bilden die Kenntnisse zur Ausprägung und Vererbung wichtiger Baum- und Fruchtmerkmale. Auf einige dieser Merkmale soll im Folgenden am Beispiel der Süßkirsche genauer eingegangen werden. Voraussetzung für einen guten Fruchtansatz nach gezielten Kreuzungen ist die erfolgreiche Befruchtung der Eizelle der Muttersorte durch den Pollen der Vatersorte. Hierzu sind Informationen zur Fertilität und zum Blühzeitpunkt wichtig. Fertilität Kirschen sind wie die meisten anderen Obstarten selbstinkompatibel und können sich somit nicht selbst bestäuben. Die gametophytische Selbstinkompatibilität wird durch einen multiplen S-Lokus bestimmt. Dieser wird durch die gemeinsame Wirkung einer Ribonuklease (S-RNase) im Griffel (Bošković and Tobutt, 1996) und eines korrespondierenden F-box-Proteins im Pollen (Yamane et al., 2003) kontrolliert. Der S-Genotyp der Sorte wird durch zwei S-Allele beschrieben. Sorten mit den gleichen S-Allelen können sich nicht gegenseitig bestäuben. Deshalb ist die Kenntnis zu den S-Allelen der Sorten eine wichtige Voraussetzung bei der Auswahl der Kreuzungspartner. In den letzten Jahren wurden mit Hilfe von molekularen Methoden die S-Allele von den meisten Süßkirschsorten bestimmt. Eine zusammenfassende Übersicht ist bei Schuster (2012) zu finden. Zeitraum der Blüte Die Süßkirsche blüht ca. eine Woche vor der Sauerkirsche, entsprechend der geographischen Lage von Anfang April bis Anfang Mai. Die Blühperiode erstreckt sich über 10 bis 14 Tage. Es werden früh-, mittel- und spätblühende Sorten unterschieden. Entsprechend der Temperatur zur Blüte benötigt der Pollenschlauch zwei bis fünf Tage bis er die Samenanlage erreicht und die Eizelle befruchten kann. Die Eizelle selbst hat nur eine Lebensdauer von ca. fünf Tagen. Somit ist nicht der vollständige Zeitraum der Blüte einer Sorte für eine erfolgreiche Befruchtung auschlaggebend, sondern die effektive Bestäubungszeit, die durch den Zeitraum des Pollenschlauchwachstums durch den Griffel bis zur Samenanlage und durch die Lebensdauer der Eizelle bestimmt wird. Bisherige Beobachtungen zeigten, dass die meisten früh reifenden Sorten auch früh blühen. Spät reifende Sorten blühen dagegen eher spät. Ob die Eigenschaft der frühen Blüte mit der frühen Reife gemeinsam vererbt wird, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen. Früh blühende Sorten sind besonders durch Spätfröste gefährdet. Zeitraum der Fruchtreife Eines der wichtigsten Zuchtziele ist die Selektion von Sorten mit früher bzw. später Reife. Entsprechend der Reifezeit werden bei Süßkirsche Herzkirschen (früh reifende Kirschen) und Knorpelkirschen (mittel- bis spät reifende Kirschen) beschrieben (Truchseß, 1819). Frühreifende Sorten zeigen einige für den Anbau ungünstige Fruchteigenschaften. Hierzu zählen besonders die geringere Fruchtgröße, das weiche bis mittelfeste Fruchtfleisch und der geringere Zuckergehalt der Früchte. Zusätzlich kommt es durch den kurzen Zeitraum der Fruchtentwicklung zu einer nur unvollständigen Ausbildung der Samen, was sich in einer sehr geringen Keimfähigkeit der Samen früh reifender Sorten zeigt. Nach Untersuchungen von Matthews (1973) wird die Reifezeit quantitativ vererbt. Bei den Fruchtmerkmalen sind für die Kirschzüchtung besonders die Fruchtgröße, die Fruchtfarbe, die Fruchtfestigkeit und die den Geschmack bestimmenden Inhaltsstoffe von Bedeutung. Fruchtgröße Die Fruchtgröße wird durch den Anteil des Fruchtfleisches (Mesokarp) und die Größe des Steines (Endokarp) bestimmt. Nach Vererbungsuntersuchungen von Fogle (1958) wird die Fruchtgröße bei Süßkirsche durch ein Hauptgen und einige wenige Faktoren mit geringer Wirkung bestimmt. Die Nachkommen von Kreuzungen zwischen groß- und kleinfruchtigen Elternsorten zeigen für das Merkmal der Fruchtgröße eine Normalverteilung um den Mittelwert der Fruchtgröße beider Elternsorten. Entsprechend des Einflusses des großfruchtigen Elters kann eine Verschiebung zur höheren Fruchtgröße beobachtet werden. In letzter Zeit konnten nach genetischen und molekularen Untersuchungen für das Merkmal der Fruchtgröße bei Süßkirsche erste molekulare Marker (QTL-Marker) entwickelt werden (Zhang et al., 2010; Umesh et al., 2013). Mit Hilfe dieser Marker kann der Einfluss der Elternsorten auf die Vererbung der Fruchtgröße beschrieben werden. Fruchtfarbe Die Fruchtfarbe bei Süßkirsche entsteht aus dem Zusammenspiel von Grund- und Deckfarbe und variiert von schwarzrot bis gelb. Die Grundfarbe bestimmt den Farbton der Frucht und kann durch die Farbintensität der roten Deckfarbe intensiviert bzw. variiert werden. Die Intensität der Deckfarbe bei hell gefärbten Früchten ist stärker abhängig von Umweltfaktoren (Licht, Reifestadium) als die der Grundfarbe. Für die Vererbung sind nach Fogle (1958) und Schmidt (1998) zwei genetische Faktoren verantwortlich. Ein dominanter Hauptfaktor A bestimmt die dunkelrote Fruchthaut- und Fruchtfleischfarbe. Ein weiterer Minor-Faktor B intensiviert die Fruchthautfarbe und erzeugt den roten Farbton bei bunten Früchten bei Abwesenheit des Hauptfaktors A auf der hellen Grundfarbe. Molekulare Untersuchungen von Sooriyapathirana et al. (2010) konnten drei Bereiche (QTL-s) im Genom der Süßkirsche identifizieren, die für die Ausprägung der Frucht- und Fleischfarbe verantwortlich sind. Den größten Einfluss auf die Fruchtfarbe hat demnach ein Hauptfaktor auf der Kopplungsgruppe 3. Zwei Minor-Faktoren wurden auf den Kopplungsgruppen 6 und 8 detektiert. Zur visuellen Beschreibung der Fruchtfarbe findet international eine vom Ctifl entwickelte Farbskala Anwendung. Fruchtfestigkeit Die Süßkirschsorten unterscheiden sich teilweise deutlich im Merkmal der Fruchtfestigkeit. Allgemein ist eine Zunahme der Festigkeit der Frucht mit einer späteren Reife zu beobachten. Zu einem möglichen Einfluss der Epidermis (Exokarp) und des Aufbaus des Mesokarps (Fruchtfleisch) auf die Fruchtfestigkeit fehlen bisher genauere Untersuchungen. Auch ist eine Abnahme der Fruchtfestigkeit im Reifeverlauf und entsprechend der Umweltbedingungen zu beobachten. Um vergleichende Angaben zur Fruchtfestigkeit zu ermitteln, wird international ein 'firmtech' Messgerät genutzt. Mit diesem wird die Fruchtfestigkeit anhand der Elastizität der Frucht bewertet. Hierbei wird die Kraft gemessen, die notwendig ist, um die Frucht zu verformen (g/mm). Geschmacksbestimmende Inhaltsstoffe Der Zuckergehalt ist neben der Säure und den Aromakomponenten der maßgebende Inhaltsstoff, welcher den Geschmack beeinflusst. Er wird als Gehalt an löslicher Trockensubstanz (% Brix) bestimmt und sollte bei > 18% Brix liegen. Der Säuregehalt wird durch die Titration des Fruchtsaftes mit NaOH bestimmt und als Gehalt an Apfelsäure (g/l) angegeben. Das Verhältnis des Zucker-Säure-Gehaltes beeinflusst wesentlich den Geschmack der Frucht. Für einen guten Fruchtgeschmack ist ein Wert von > 2 für das Zucker-Säure-Verhältnis anzustreben. Der Geschmack sollte zuckerbetont sein. Untersuchungen von Crisosto et al. (2003) zeigten, dass der Zucker- und Säuregehalt der Früchte im Reifeverlauf der Früchte ansteigt und seinen Höhepunkt zur Vollreife erreicht. Auswahl der Kreuzungseltern Anhand der bekannten Baum- und Fruchtmerkmale können jeweils mehrere Süßkirschsorten für spezifische Zuchtziele ausgewählt werden. In Abbildung 1 sind charakteristische Baum- und Fruchtmerkmale und mögliche Kreuzungssorten aufgeführt. Bei der Erstellung des konkreten Kreuzungsplanes müssen folgende drei Faktoren Beachtung finden: 1. Zuchtziel der Kreuzung z.B. Frühe Reife, Fruchtgröße, Selbstfertilität 2. Verfügbarkeit der Elternsorten z.B. Züchtersortiment, Genbank, Obstbau 3. Realisierbarkeit der Kreuzung z.B. Inkompatibilitätsgruppe, Blühtermin Im Ergebnis dieser Betrachtungen können Kreuzungskombinationen mit einem oder mehreren Zuchtzielen zusammengestellt werden. In den Abbildungen 2 und 3 sind praktische Beispiele für Kreuzungskombinationen mit den Hauptzuchtzielen 'Frühe Reife' bzw. 'Fruchtgröße' beschrieben. Der Kreuzungserfolg, die realisierte Sämlingspopulation, wird durch die genetische Kompatibilität der Elternsorten nicht unwesentlich beeinflusst. So haben die Verwandtschaftsverhältnisse der Elternsorten und daraus resultierende mögliche Inzuchtmerkmale Einfluss auf den Befruchtungserfolg der Eizelle, die Entwicklung des Embryos und des Samens, die Keimfähigkeit des Samens und die Vitalität der Sämlingspflanze. Zu den Ursachen, die den Kreuzungserfolg beeinflussen können, soll in einem späteren Beitrag genauer eingegangen werden. Abb. 1: Charakteristische Baum- und Fruchtmerkmale und mögliche Kreuzungssorten Abb. 2: Beispiel eines Kreuzungsplanes mit dem Zuchtziel 'Frühe Reife' Abb. 3: Beispiel eines Kreuzungsplanes mit dem Zuchtziel 'Fruchtgröße' Literatur: Boškovic R, Tobutt KR (1996). Correlation of stylar ribonuclease zymograms with incompatibility alleles in sweet cherry. Euphytica, 90, 245–250 Crisosto CH, Crisosto GM, Metheney P (2003). Consumer acceptance of ‘Brooks’ and ‘Bing’ cherries are mainly dependent on fruit SSC and visual color. Postharvest Biol. Technol. 28,159-167 Fogle HW (1958). Inheritance of fruit color in sweet cherries (P. avium L.). J. Heredity 49, 294-298 Matthews P (1973). Some recent advances in sweet cherry genetics and breeding. Proc. Eucarpia Fruit Section Canterbury, pp 84-107 Schuster M (2012). Incompatible (S-) genotypes of sweet cherry cultivars (Prunus avium L.). Scientia Horticulturae. 148, 59-73 Sooriyapathirana SS, Khan A, Sebolt AM, Wang D, Bushakra JM, Lin-Wang K, Allan AC, Gardiner SE, Chagné, D, Iezzoni AF (2010). QTL analysis and candidate gene mapping for skin and flesh color in sweet cherry fruit (Prunus avium L.). TGG 6, 821-832 Schmidt H (1998). On the genetics of fruit colour in sweet cherry. Acta Hort. 468, 77-81 Truchseß C (1819). Systematische Classification und Beschreibung der Kirschensorten. Cottaische Buchhandlung, Stuttgart, 692 p. Umesh RR, Bink, MCAM, Weg van de E, Zhang G, Wang D, Sebolt A, Dirlewanger E, Quero-Garcia J, Schuster M, Iezzoni AF (2013). Fruit size QTL identification and the prediction of parental QTL genotypes and breeding values in multiple pedigreed populations of sweet cherry. Mol. Breeding Yamane H, Ikeda K, Ushijima K, Sassa H, Tao R (2003). A pollen-expressed gene for a novel protein with an F-box motif that is very tightly linked to a gene for S-RNase in two species of cherry, Prunus cerasus and P. avium. Plant and Cell Physiology 44, 764–769 Zhang G, Sebolt AM, Sooriyapathirana SS, Wang D, Bink MCAM, Olmstead JW, Iezzoni AF (2010). Fruit size QTL analysis of an F1 population derived from a cross between a domesticated sweet cherry cultivar and a wild forest sweet cherry. TGG 6, 25–36