Interview mit Christine Neubauer - M

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Interview mit Christine Neubauer - M
INTERVIEW mit Christine Neubauer
„Ich finde es schlimm,
dass eine Frauenquote notwendig ist“
Wie dem Fernsehpublikum
vorgegaukelt wird, dass
ihre
Schauspielkollegen
keine Geldsorgen haben
und was Entscheider der
deutschen
Filmbranche
nicht wagen, das verrät die
mehrfach
ausgezeichnete
Schauspielerin im Interview
mit Aleksandra Majzlic.
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Den Schneid lässt sich die Münchnerin nicht abkaufen: In dem Film „Hannas
Entscheidung“ schmeißt Christine Neubauer als Hanna in den Kriegs- und
Nachkriegsjahren den Familienbetrieb in ihrem oberbayerischen Heimatdorf. Sie
werkelt als Schreinerin, obwohl sie keine Ausbildung hat. Als ihr Mann (Edgar
Selge) aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, will er sie aus der Werkstatt
verbannen – doch Hanna gibt nicht klein bei. Ausstrahlung: 9. März 2012, 20.15
Uhr, ARD.
In „Heiter bis tödlich – München 7“ will Elfi (Christine Neubauer) mit dem
Polizisten Xaver (Andreas Giebel) anbandeln – ihrem Herzerl aus Jugendtagen.
Doch bei ihrer Anmacherei kommt ihr die Ex (Monika Gruber) ins Gehege.
Zwischen den Standln auf dem Viktualienmarkt kämpfen die beiden Marktfrauen
um ihren „Sheriff vom Marienplatz“. Die Krimiserie strahlt das Erste ab 7. März
2012 aus – immer mittwochs um 18.30 Uhr.
ML: Beim Dreh zu „Heiter bis tödlich – München 7“ werfen Sie und Monika Gruber im
Streit mit Obstkisten herum. Wie haben die Passanten darauf reagiert?
Christine Neubauer: Die Szene hat sie wohl am meisten fasziniert, da war endlich mal
richtig was los. Die Leute konnten ja dasitzen, ihre Suppe löffeln und dabei dem Ganzen
wie im Theater beiwohnen. Einige dachten, da prügeln sich wirklich zwei Marktfrauen, bis
sie dann gesehen haben, da sind ja die Gruberin und die Neubauerin. (lacht)
ML: Mit welchen Waffen warten Sie als Elfi noch auf?
Christine Neubauer: Mit meinem Charme und den Waffen der Weiblichkeit. Damit ist
auf jeden Fall genügend Zündstoff vorhanden. Das wurde übrigens gedreht, bevor ich
abgenommen habe. Da sind also die Obstkisten noch beladen. (lacht)
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Elfi (Christine Neubauer) verdreht Xaver (Andreas Giebel) den Kopf.
ML: Hat es Sie eigentlich gestört, dass Sie oft als Vollweib bezeichnet wurden?
Christine Neubauer: Es ist mir nur auf den Geist gegangen, wenn das Wort bezogen
auf Übergewicht und ausufernde Formen fiel. Denn Vollweib steht einfach für eine
gesunde Einstellung zur Weiblichkeit. Und meine Formen sind ja immer noch da, wenn
sie jetzt auch schmaler sind.
ML: In „Hannas Entscheidung“ leitet Hanna die familieneigene Schreinerei. Auch ohne
Zeugnis in der Hand überzeugt sie Kunden von ihrer Arbeit, stößt aber auch auf
Ablehnung …
Christine Neubauer: Ja, und hinsichtlich der Akzeptanz in der Öffentlichkeit hat sich für
Frauen in leitenden Positionen auch noch nicht das Entscheidende getan, wenn man ganz
ehrlich ist.
ML: Was halten Sie von einer gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote?
Christine Neubauer: Ich finde es schlimm, dass eine Frauenquote notwendig ist. Denn
es ist wohl anscheinend nicht möglich, dass einfach derjenige die Stelle bekommt, der
die besseren Qualifikationen hat, unabhängig vom Geschlecht.
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ML: Hanna meldet sich zur Gesellenprüfung an und leitet den Verkauf des vor der Pleite
stehenden Betriebes in die Wege – beide Male fälscht sie die Unterschrift ihres Mannes.
Finden Sie, dass Hanna damit richtig gehandelt hat?
Christine Neubauer: Das war keine intelligente Lösung, aber der letzte Ausweg für sie.
Jahrelang war Hanna die Ernährerin der Familie, hat Verantwortung übernommen und
plötzlich wird ihr das alles wieder genommen. Ihr Mann, der körperlich versehrt und
traumatisiert zurückgekehrt ist, kann die Tischlerei nicht mehr leiten und lässt auch nicht
mit sich reden. Sie ist in dem Moment die Bessere auf dem Posten und nimmt daher zum
Wohle der Familie alles selbst in die Hand.
ML: In dem Nachkriegsfilm duftet es in den Wohnzimmern nach WirtschaftswunderKaffee, aber aus der Bürgermeisterstube beispielsweise ist der Nazi-Mief nicht
wegzukriegen ...
Christine Neubauer: Ja, ich bin froh, diese Jahre nicht persönlich erlebt zu haben. Ich
habe die Zeit ja aus ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachten dürfen, angefangen mit
„Löwengrube“, dann mit „Die Frau des Heimkehrers“, „Suchkind 312“ und „Hannas
Entscheidung“.
ML: Haben Sie zur Vorbereitung auf diese Filme mit Ihrer Familie über die Fünfzigerjahre
gesprochen?
Christine Neubauer: Meine Eltern waren damals Kinder, so konnten sie mir nicht
genügend Informationen geben. Aber meine Oma lebte noch, als ich „Löwengrube“
drehte. Aber sie hat, wie viele andere auch, nichts erzählen wollen, weil ihre Erlebnisse
alle verdrängt waren. Wenn überhaupt, erfuhr ich nur Oberflächliches und das musste ich
ihr schon aus der Nase ziehen.
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ML: Sie arbeiten fast ausschließlich fürs Fernsehen. Würden Sie lieber mehr Kinofilme
drehen?
Christine Neubauer: Ja, das würde ich gerne. Aber da braucht man mehrere Menschen,
die zusammen mit einem etwas machen wollen. In Amerika, wo man ja immer hinschielt,
macht man sich die Bekanntheit der Schauspieler durch das Medium Fernsehen zunutze
und dreht mit TV-Darstellern Kinofilme, beispielsweise mit bekannten Gesichtern aus
„Desperate Housewives“ oder „Grey's Anatomy“. Aber bei uns traut man sich diesen
Sprung nicht. Umgekehrt sieht man Schauspieler, die bei uns viel Kino machen, oft auch
im Fernsehen, weil sie vom Kino allein auch nicht leben könnten. Es gibt ganz viele
Kollegen, die von ihrem Beruf nicht leben können, aber das Publikum denkt, sie seien gut
im Geschäft, weil ihre Filme ständig im Fernsehen wiederholt werden. Aber von den
Wiederholungen haben wir Schauspieler finanziell natürlich überhaupt nichts.
ML: Bei den Summer Proms
im Brunnenhof der Münchner
Residenz ist Peter Willy
Willmanns
„Jedermann“Inszenierung am 13. und 14.
Juli 2012 bereits im neunten
Jahr zu Gast: mit Willmann
in der Titelrolle und Ihnen als
Buhlschaft. Was fasziniert
Sie an dem Stück?
Christine Neubauer: Dass
das Thema Sterben ewiglich
wie
die
Menschheit
ist.
Deswegen wird das Stück
auch immer weitergehen. Ich
habe auch schon einige Mal
das Kleid ramponiert durch
meine ganzen Bewegungen
und es ist gut, dass man es
jetzt schnüren kann. (lacht)
Fotos: ARD Barbara Bauriedl („Heiter bis tödlich – München 7“),
ARD Degeto Toni Muhr („Hannas Entscheidung“), muenchenmusik („Jedermann“)
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