kleiner reiseführer seine

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kleiner reiseführer seine
KLEINER REISEFÜHRER SEINE
FRANKREICH
Von de Gaulle ist der Ausspruch überliefert: „Wie soll man ein Land regieren, in dem es so
unendlich viele Käsesorten gibt?!“
Die mehr als 400 Käsesorten sind Indiz für das allgemein-französische Phänomen der Vielfalt. Frankreich vereint die unterschiedlichsten Landschaften. Die Pariser mögen wie eh und
je glauben, ihre Stadt sei der Nabel des Landes und der Rest ist nichts als „Provinz“. Wahr ist
aber, Frankreich ist so reich an Geschichte und Kultur, vielfältig an Landschaft und Menschen, schier unerschöpflich an Gaumenfreuden aus Küche und Weinkeller, dass es unmöglich ist, das Land als Ganzes auf einer einzigen Reise auch nur einigermaßen kennen zu lernen.
Entdecken Sie Ihr Frankreich auf eine ganz besondere Weise, mit einem Flusskreuzfahrtschiff
der Prestigeklasse.
Lassen Sie sich einfangen von dem sprichwörtlichen „Savoir-Vivre“.
DIE SEINE
Geboren in Burgund, aufgewachsen in der Champagne und gereift in den Apfelplantagen der
Normandie, scheint sich die 776 Kilometer lange Seine weigern zu wollen, das Meer zu erreichen. Die Kelten tauften den Fluss “Seine“, nach ihrem Wort „Sequana“ für “Kurve“ - ein
wohlverdienter Name, wenn man betrachtet, wie sich der Fluss durch Felsen und Wälder
windet.
Die Seine war für Frankreich Fluch und Segen zugleich. Einerseits war sie Verkehrsweg für
den Handel mit England, für die expandierende römische Kultur und die Gründer der großen
Abteien, andererseits öffnete sie auch den Wikingern Tor und Tür. Der Reichtum der Region
weckte Begehren. Um 820 ließen sich die Wikinger aus Dänemark und Norwegen mit der
auflaufenden Flut segelnd und rudernd flußabwärts tragen. Anfangs fuhren sie wohl noch mit
der Beute heim, doch schien ihnen dieses Land ein solch unerschöpfliches Eldorado zu sein,
daß sie sich hier, vor der Haustür der eigentlichen Herrscher, schließlich niederließen. Der
König von Frankreich, “Karl der Einfältige“, übereignete ihnen dann offiziell, was sie de facto
bereits besaßen. Der Vertrag von St-Clair-sur-Epte zwischen dem König von Frankreich und
dem Wikingerführer markiert die Geburtsstunde des Herzogtums Normandie. Die Wikinger,
unter ihrem Führer “Rollo“, begründeten das Herzogtum. Auch in den Adern der Nachfolger
floss das wilde Wikingerblut. Wilhelm II. brach 1066 zur Eroberung Englands auf und wurde
als Herrscher mächtiger als der Herrscher Frankreichs, dessen Vasall er blieb. Erst ein Nachfahre Wilhelms II., Richard Löwenherz wurde zur Gefahr für den Herrscher Frankreichs. In
Rekordzeit ließ Richard Löwenherz 1196/97 das “Château Gaillard“ über einer Seine-Schlinge
bei Les Andelys errichten – das kühnste Festungswerk seiner Zeit. Noch als Ruine zeugt die
Burg vom Machtkampf der beiden Herrscher.
Der Konflikt mit England setzte sich fort. Die Wende brachte Jeanne d’Arc, als sie 1429 die
Engländer zwang, die Belagerung Orléans aufzugeben. Sie ließ den Kronprinz Karl VII. in
Reims zum König krönen. Dieser französischen Dynastie verweigerten sich nur die Burgunder; sie lieferten Johanna den Engländern aus.
1431 kam sie in Rouen nach einem Hexenprozess auf dem Scheiterhaufen ums Leben.
Knapp vier Jahrzehnte später ließ König Ludwig XI. den Herzogsring der Normandie zerschlagen – das einstige Wikingerland wurde endgültig französische Provinz.
In Jahrhundertelanger Abgrenzung zu Frankreich war in der Normandie ein eigener Kirchenbaustil entstanden. Die Benediktinermönche errichteten binnen eines Jahrhunderts dreiein1
halb Dutzend Abteien und erprobten in den Klosterkirchen architektonische Neuerungen.
Diese Ideen führten vom romanischen Baustil beinah nahtlos zum gotischen Stil und zur Renaissance über. Rouen, z. B. ist in seinen alten, teils unversehrt gebliebenen, teils feinfühlig
wiederaufgebauten Vierteln ein großartiges Freilichtmuseum. Ihren Reichtum verdankt die
Stadt weltweitem Handel und nicht zuletzt dem Fluss “Seine“. Der Hafen in Rouen ist als
Umschlagsplatz zum innerfranzösischen Schifffahrtssystem höchst betriebsam geblieben.
Das Seine-Tal hat auch in der Kunstgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt. Die Impressionisten fanden hier Natur und einfaches Leben. Mit einem Seine-Kahn zum Meer zu gelangen, kostete nicht viel. An Heustadeln, Segelbooten, Pappelreihen und Uferdörfern, an der
Kathedrale von Rouen und vor den Kreidefelsen der Alabasterküste versuchten sie den flüchtigen Augenblick und den Wechsel des Lichts festzuhalten, den das nahe Meer bewirkte. Der
bekannteste Impressionist der Normandie, Claude Monet, ließ sich 1893 in Giverny, bei der
Mündung der Epte in die Seine, nieder. Damals waren seine Werke in den Pariser Galerien
noch preiswerte Ladenhüter, er selbst bitterarm.
Die bedeutendste und auch bekannteste Stadt an der Seine ist Paris. Paris ist nicht Frankreich, heißt es. Sich Paris zu erobern, heißt immer noch und immer wieder, in das quirlige
Leben einer der aufregendsten und schönsten Städte der Welt einzutauchen. Warum nicht
auf dem Wasserweg? Das Seineufer und die vielen Brücken mit all den dazugehörigen kleinen Geschichten sind romantisch gelegen und wunderschön anzuschauen.
Das vielfach gewundene Band der Seine ist die Nabelschnur zwischen Paris und dem Meer.
Die angrenzenden Landschaften und Täler lernen Sie bei dieser Reise kennen und sicher
auch lieben.
PARIS
Gibt es etwas Schöneres, als gemütlich in einem Straßen-Café zu sitzen, eine Tasse Café zu
genießen und dem “Savoir Vivre“ zu frönen? Zentrum der Mode und Mekka der Kunst, Stadt
der Liebe und Oase der Feinschmecker – Paris ist alles gleichzeitig und mehr. Paris ist eine
Stadt, deren Schönheit nie vergeht. Kirchen, Triumphbögen und Paläste zeugen von der
Größe und dem Ruhm einer Stadt, die heute wie früher die Metropole der Mode, Medien,
politischen und wirtschaftlichen Macht, der Bildung sowie der Kunst und Kultur in Frankreich
war und ist. Die Zeugnisse dafür sind ungezählt: Triumphbogen, Eiffelturm, Notre-Dame,
Madeleine, Opéra, Louvre, Sacré-Coeur am Montmartre, der Invalidendom und das Centre
Georges Pompidou sind nur eine kleine Auswahl der bekannten und beeindruckenden Sehenswürdigkeiten. Elegante Designerboutiquen und flippige Trödlermärkte verführen zum
Einkauf. Kitsch und Kunst geben sich am Montmartre ein Stelldichein. Überall laden Brasserien, Restaurants und gemütliche Cafés zu genießerischen Pausen ein. Natürlich darf auch
eine Show in einem der berühmten Kabaretts oder Revuetheater nicht fehlen: Ob Lido, Moulin Rouge, Nouvelle Eve oder Paradis Latin; Vorhang auf für eine tolle Stadt! Erleben Sie es
selbst: Paris ist Champagner für die Seele.
ILE-DE-FRANCE
Große Wälder und Flüsse machen die Schönheit der Gegend um Paris aus. Die Ile-de-France
schmeichelt den Sinnen. Große Künstler ließen sich von ihr inspirieren, und in ihren Schlössern und Gärten lebt noch immer die Pracht vergangener Zeiten. Für viele steht die Ile-deFrance nur im Zeichen der glitzernden Metropole Paris. Kaum zu glauben, dass sich die dichtbevölkertste Region Frankreichs dennoch ihren ländlichen Charme bewahren konnte.
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Immerhin leben hier fast 19% der Gesamtbevölkerung auf nur 2,2% des französischen
Staatsgebietes. Wer Paris verlässt, findet sich schon nach 30 bis 40 Kilometern “en pleine
campagne“, das heißt, mitten auf dem Lande wieder. Da sind die dichten Wälder von Fontainebleau, Rambouillet, Senart und Saint-Germain, die endlosen Getreidefelder des Vexin, die
ausgedehnten Ebenen der Brie, die Flussläufe der Marne, Seine und Oise. In der Ile-deFrance wurden großartige Bauten geschaffen, von denen viele heute noch stehen, seien es
die himmelstürmenden Kathedralen der Gotik oder jene großen Schlösser, wie z. B. Versailles.
CHÂTEAU de VERSAILLES
NORMANDIE
Malerische Küsten, sanftes grünes Land, Sonne und Meer, feiner Sand und wilde Klippen,
mondäne Welt und malerische Fischerdörfer, stille sanfte Flusslandschaften, grüne Wälder
voller Abteien und Schlösser, lebhafte Zentren der Kunst und über allem der Duft von Austern, Apfelbäumen und Camembert – das alles ist die Normandie.
Abenteurer haben dieser Provinz im Nordwesten Frankreichs ihren Namen gegeben, Nordmänner, Normannen, die hier vor 1200 Jahren auf ein Eldorado stießen. Noch heute erscheint die Normandie als Bild einer üppigen, behutsam zivilisierten und sattgrünen Idylle.
Die Normandie erscheint wie ein Gemälde, das sich von der Picardie bis zur Bretagne spannt,
von La Manche, dem rechten Ärmelkanal, bis hinab zu den rechten Nebenflüssen der Loire.
Schon sehr früh, vom 4. Jahrhundert an, schlug hier das Christentum unzählige und zähe
Wurzeln. Von den in Flussschlingen versteckten Abteien ging neues Wissen auf das gesamte
Abendland über.
Auch die wilden Wikinger erlagen schließlich dieser Kultur und setzten ihr weitere Lichter auf.
Doch die Normannen blieben Eroberer. Wilhelm unterwarf 1066 England.
Danach erhoben die Engländer kriegerisch Anspruch auf das alte Herzogtum von Wilhelm
dem Eroberer. Als sie aber die Jungfrau Jeanne d’Arc in Rouen auf den Scheiterhaufen stellten, entflammte sich ein Fanal, das Frankreich schließlich einte.
Die Seine, auf der Johannas Asche meerwärts trieb, wird erst unterhalb der Hauptstadt ein
richtiger Fluss, eine Nabelschnur, die Paris mit der See verbindet. Fast zeitgleich brachten im
frühen 19. Jahrhundert Maler und Mondäne die normannische Küste in Mode. Die spektakulären Kreidekliffs der Côte d’Albâtre, die schier endlosen Strände der Côte Fleurie sind eine
weitere Komponente der Normandie. Von dieser Küste aus stachen Entdecker, Korsaren und
Atlantikdampfer in See; hier gingen im Juni 1944 die Alliierten an Land, um den Zweiten
Weltkrieg zu beenden. So bunt und vielschichtig ist die Normandie – wie einer jener Apfelhaufen, die darauf warten, zu Calvados gebrannt zu werden.
Die Bewohner der Normandie nehmen in Europa eine Sonderstellung ein. Sie stammen von
den unzivilisierten Wikingern ab, die sich aber zu erstaunlichen Baumeistern entwickelten.
Dieses dominante Volk verschwand nicht, sondern lebte als Teil des Frankenreiches weiter.
Abgesehen von den hundert Jahren, in denen die Normannen mit den englischen Nachbarn
auf der rechten Seite des Ärmelkanals kämpften, verlief das Leben in der Normandie friedlich
und ungestört. Ihre Bewohner lebten von dem, was das Land hergab.
Fragt man einen Einheimischen, wie die Besonderheiten der Menschen in der Normandie am
treffendsten beschrieben sind, so könnte seine Antwort lauten: “Vielleicht ja, vielleicht nein“
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– eine alte Redensart in der Normandie, hinter der ein wahrer Kern steckt. Die Menschen in
der Normandie sind schlau, sie zögern Entscheidungen hinaus, wägen das Pro und Contra
einer Situation ab, hassen hastige Entschlüsse. Sie sind gut im Handeln und sie genießen es,
zu kaufen und zu verkaufen.
In Frankreich gehört zu einer guten Mahlzeit auch eine Flasche guten Weines, möglichst aus
der Gegend. Die Normandie ist aber eines der wenigen französischen Gebiete, in dem kein
Wein angebaut wird. Die klassischen Getränke basieren hier auf Äpfeln.
Calvados heißt der berühmte Branntwein der Normandie. Dieser hochprozentige Branntwein
wird aus destilliertem Apfelwein hergestellt und reift in Fässern aus Eichenholz – zuerst in
jungen Fässern, in denen er seine warme, karamelähnliche Färbung erhält, dann in älteren
Fässern. Calvados ist nicht nur ein guter Tropfen, den man nach dem Abendessen genießt,
sondern auch das Geheimnis der traditionellen Küche der Normandie.
Die Normandie heute ist ein Agrargebiet nahe der französischen Hauptstadt. Hier arbeiten
dreimal soviel Menschen auf dem Land wie im übrigen Frankreich. Aber vor allen Dingen
gehört dem Tourismus die Zukunft. Davon möchte die Normandie überzeugen.
Mantes-la-Jolie
GIVERNY, CLAUDE MONET UND DER IMPRESSIONISMUS
Die Normandie war das beliebteste Freilufttheater der französischen Künstler des späten 19.
Jahrhunderts. Inspirierend wirkten sich Land und Licht, Menschen und deren Mentalität auf
die Maler und ihre Werke aus. Hier stellten sie ihre Staffelei in die Landschaft und versuchten, ihren Eindruck von den idyllischen Bauernhöfen, dem Himmel voller Wolken und dem
grau-grünen Meer auf die Leinwand zu bringen. Hier wurde der Impressionismus geboren.
Einer der ersten Repräsentanten dieser Epoche in der Malerei war Eugène Boudin aus Honfleur, der zu den Wegbereitern des Impressionismus gehörte. Claude Monet (1840 – 1926)
zählt zu den bedeutendsten und bekanntesten Malern dieser Zeit.
Über 40 Jahre lang lebte und arbeitete Monet in Giverny, einem kleinen Ort am Flüsschen
Epte, wo der sein Haus umgebende Blumengarten zu einem häufigen Motiv seiner Malerei
wurde. Claude Monet kam am 14.11.1840 in Paris zur Welt. Sein erstes malerisches Talent
bewies er mit Karikaturen, doch wandte er sich schon bald unter dem Einfluss von Boudin
der Landschafts- und Freiluftmalerei zu. In den folgenden Jahren machte er die Bekanntschaft von vielen Malern, u. a. auch von Auguste Renoir, aus der heraus sich der
Freundeskreis der Impressionisten entwickelte. Im Zentrum seiner Arbeit standen häufig jene
Motive, die ihm sein Garten in Giverny bot. Im Jahre 1899 begann Monet dort den Zyklus
von Seerosen- und Lilienbildern, der ihn bis zu seinem Tode beschäftigen sollte.
Die Schule der Impressionisten, deren Vater Monet ist, hat Giverny zu einem Wallfahrtsort
von Kunstliebhabern in der Normandie gemacht.
Der Besitz Claude Monets ist unter der Schirmherrschaft der Claude-Monet-Stiftung und des
Kustos Gérald Van der Kamp völlig identisch nachgebildet worden. Das rosa verputzte Haus
hat seinen farbigen Innendekor und seinen intimen Charme von einst wiedererhalten. Der
Salon, die Schlafzimmer, die Küche sind in den Farben gestrichen worden, die sie auch zu
Lebzeiten des Malers trugen; seine japanischen Graphiken sind an ihren angestammten Plätzen wieder aufgehängt worden. Die gewöhnlichen oder sehr seltenen Blumen des Gartens
sind diejenigen, die Monet pflanzte. Der Weiher des Wassergartens, der durch eine Umlei-
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tung der Epte angelegt wurde, ist gereinigt worden, und unter der japanischen Brücke blühen wieder die berühmten “Weißen Seerosen“.
Der Besucher macht so eine Pilgerfahrt zu den eigentlichen Quellen der Inspiration des Künstlers, dringt fast gewaltsam in seine tägliche Privatsphäre ein und ignoriert in den meisten
Fällen sein Grab auf dem benachbarten Friedhof, wo er seit 1926 ruht.
VERNON
Auf der gegenüberliegenden Seineseite liegt der Ort Vernon. Er wurde im 19. Jahrhundert
von Normannenherzog Rollo gegründet. Schön an der Seine gelegen, besitzt die Stadt mit
der Kirche Notre-Dame ein sehenswertes gotisches Gotteshaus. Die Kleinstadt, in der die
“Ariane“-Rakete montiert wird, ist von Paris her das Einfallstor zur Normandie. Hübsche kleine Gassen, gesäumt von Fachwerkhäusern, laden den Besucher zu einem kleinen Bummel in
die Vergangenheit ein.
Château Gaillard
ROUEN UND DIE JUNGFRAU VON ORLÉANS
Wer durch die engen Straßen und Gassen der alten Hauptstadt der Normandie wandelt,
glaubt sich in die Blütezeit des Mittelalters zurückversetzt. Von vielen Glocken- und Kirchtürmen überragt, bietet Rouen mit seinen erlesenen Prachtbauten und über 700 teils schiefen,
teils verwinkelten Fachwerkhäusern ein eindrucksvolles Stadtbild. Eindeutiger Glanzpunkt
inmitten der malerischen Altstadt ist die mächtige Kathedrale Notre-Dame, die unbestritten
zu den schönsten Schöpfungen der klassischen Kathedralgotik gehört. Aber auch die Kirche
St-Maclou und die Abteikirche St-Ouen gehören, wie viele andere mehr, zu den architektonischen Höhepunkten der Seinestadt. Viele Läden und Boutiquen, Restaurants und Bistros,
aber auch Kunsthandlungen und Antiquariate präsentieren sich in den schönen Fachwerkhäusern des mittelalterlichen Stadtkerns. Besonders anheimelnde Beispiele sind in der Rue
St-Romain direkt hinter der Kathedrale zu bewundern. Wenige Schritte weiter, etwas versteckt hinter einem kleinen Durchgang, erneut ein Kleinod der an Überraschungen reichen
Altstadt: das Aître St-Maclou. Mit geschnitzten Totentanzmotiven verzierte Fachwerkhäuser
bilden einen reizvollen Innenhof, der im Mittelalter Friedhof und Beinhaus für die an der Pest
verstorbenen Bürger der Stadt war.
Der Bummel zum alten Marktplatz führt durch die stimmungsvolle Rue du Gros-Horloge (Uhrengasse), die in ihrer Mitte von einem steinernen Renaissancebogen mit der berühmten
Stadtuhr überspannt wird. Direkt daneben der Belfried, von dessen Spitze man einen herrlichen Rundblick über die Türme und Dächer der Stadt hat. Auf dem Place du Vieux-Marché
wurde Jeanne d’Arc verbrannt. Auf der Mosaikplatte des Prangers war der Scheiterhaufen
geschichtet. Heute stehen inmitten von reizvollen Fassaden die Kirche und das Museum, die
der Jungfrau von Orléans gewidmet sind. Mit vielen weiteren Sehenswürdigkeiten präsentiert
sich Rouen als Juwel unter den eindrucksvollen Städten der Normandie.
Rouen, 120 km von der Küste entfernt, besitzt den fünftgrößten Seehafen Frankreichs, den
jährlich etwa 3.400 Schiffe anlaufen. Hier werden vor allem Erdöl, Kohle und Holz für den
Weitertransport ins Landesinnere umgeschlagen sowie Getreide und Autos für die Ausfuhr
verladen. Rouen ist der größte französische Exporthafen. Die lokale Industrie wurde zum
wichtigsten Wirtschaftsfaktor. So ist die “Stadt der Museen“ zugleich einer der bedeutendsten Industriestandorte der Normandie – eine altehrwürdige Metropole mit modernem Gesicht.
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Während ihrer rund 2000-jährigen Geschichte hat die Stadt viele Höhen und Tiefen erlebt.
Das wohl bekannteste und herausragendste Ereignis war der Tod auf dem Scheiterhaufen
der Jungfrau von Orléans am 30.05.1431 auf dem Place du Vieux-Marché, nachdem sie versucht hatte, den französischen Widerstand gegen die Engländer zu organisieren. Wahrscheinlich kam sie am 06.01.1412 als Tochter begüterter Bauern zur Welt. Damals kursierte
die Legende, Gott werde eines Tages eine Jungfrau schicken, um Frankreich von den englischen Besatzern zu befreien. Im Alter von 13 Jahren hatte sie die ersten religiösen Visionen,
die ihr befahlen, die Engländer zu vertreiben und Karl VII. in Reims zur Krönung zu geleiten.
Zum ersten Mal macht sich Jeanne 1428 auf den Weg zum Dauphin, um ihre Unterstützung
anzutragen. Aber sie wurde wie eine Verrückte behandelt und nach Hause geschickt. Ein
Jahr später unternahm die damals 17-jährige einen erneuten Versuch und gelangte diesmal
an den königlichen Hof, wo ihr Karl VII. eine Audienz gewährte. Es gelang ihr, den Dauphin
zu überzeugen, und so ritt Jeanne in einer weißen Rüstung auf dem Rappen des Königs an
der Spitze des französischen Heeres nach Orléans, um die von den Engländern eingeschlossene Stadt zu befreien. Weitere Erfolge stellten sich ein, und am 08.06.1429 war der Weg
frei für die Krönung Karl VII. zum König von Frankreich. Er wurde in Reims gekrönt. In der
Folgezeit verschrieb sich Jeanne dem Ziel, die Engländer vollends aus ihrem Land zu vertreiben. Bei dem Versuch, Compiègne von den für die Engländer streitenden Burgundern zu
befreien, geriet sie am 23.05.1430 in deren Hände und wurde den Engländern ausgeliefert.
In Rouen kam Jeanne wegen Hexerei und Ketzerei vor ein Tribunal von Bischöfen und Äbten.
Nach einem Schauprozess wurde sie im Sinne der Anklage für schuldig befunden und am
30.05.1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1456, 25 Jahre nach ihrer Hinrichtung, wurde
Jeanne d’Arc von Papst Calixtus III. rehabilitiert. 1920 schließlich wurde sie heilig gesprochen
und Schutzpatronin Frankreichs.
CAUDEBEC-EN-CAUX
Die ehemalige Hauptstadt des “Pays de Caux“ liegt am Ufer der Seine, auf der rechten Seite
am Ausgang der bewaldeten Talmulde Sainte-Gertrude. Die Fabriken von Regenhüten aus
Filz, „caudebecs“ genannt, erfuhren im 15. Jahrhundert einen gewissen Aufschwung. In
Caudebec-en-Caux überspannt der Pont-de-Brotonne, die 50 m hohe Seine-Brücke, den
Fluss. Während des Zweiten Weltkrieges, im Juni 1940, wurden weite Teile der Stadt durch
einen Großbrand zerstört. Die Kirche Notre-Dame jedoch blieb wie durch ein Wunder unbeschädigt.
Kirche Notre-Dame – Caudebec-en-Caux
In der Zeit, als der Hundertjährige Krieg am schlimmsten wütete, sahen sich die Bewohner
Caudebecs gezwungen, ihre alte Kirche abzureißen, da sie aufgrund ihres Alters baufällig
geworden war. Im Jahre 1426, vier Jahre nach der Thronbesteigung Karls VII., wurde mit
dem Bau der jetzigen Kirche begonnen. Bis zum Jahre 1484 wurde der Bau in einem Zuge
fast ganz erstellt. Während der letzten dreißig Jahre genossen sie die Unterstützung des
tüchtigen Architekten Guillaume Letellier, dessen Gebeine in der am Chorscheitel gelegenen
Kapelle beigesetzt sind. In den Jahren 1490 bis 1539 wurden die beiden letzten Jochbögen
des Langhauses, die Fassade und der Turm ausgeführt.
Die Kirche ist – wie St-Maclou in Rouen – ein schönes Werk des spätgotischen Flamboyant
Stils. Unglücklicherweise hat die Kirche in den Religionskriegen (Hugenottenkriegen), während der französischen Revolution und vor allem durch die Feuersbrunst in der Stadt im Juni
1940 sehr gelitten. Trotzdem ist sie ein bewunderungswürdiges Bauwerk geblieben.
JUMIÈGES
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In der Nähe des Waldes, eingeschlossen von einer Krümmung der Seine, sind die großartigen Ruinen der Benediktinerabtei von Jumièges noch heute ein Ausdruck der Mystik, der
Nüchternheit und des Ehrgeizes. Die Geschichte der Abtei reicht in die Zeit der Merowinger
zurück. Im Jahre 654 gründete der heilige Philibert ein Kloster, das zu einem mächtigen
Stützpunkt der Benediktiner wurde. Schon zu Lebzeiten des Gründers soll die Abtei 800 Mönche gezählt haben. Das mönchische Leben teilte sich in Missionierung, Gebet und Arbeit.
Nach zeitgenössischem Klosterbrauch ließ Philibert drei Kirchen errichten, die er Unserer Lieben Frau, dem Apostel Petrus und den beiden Heiligen Dionysus und German weihen ließ.
Auf den Ruinen wurden später die gleichnamigen Kirchen errichtet, deren Überreste wir heute noch bewundern können.
Nach 841, als Jumièges von den Wikingern geplündert und gebrandschatzt wurde, blieb die
Ruine rund ein Jahrhundert lang vernachlässigt, ehe Wilhelm Langschwert, der zweite normannische Herzog, um 925 den Wiederaufbau veranlasste. Neben der Fassade gehen auch
die beiden Schiffe der Kirche St-Pierre auf diese Zeit zurück. In der Folgezeit erlangte die
Abtei wieder ihre frühere Größe, wuchs sogar noch darüber hinaus und wurde zur reichsten
in der Normandie.
Die in Jumièges tätigen Lehrer und Gelehrten erwarben einen hervorragenden Ruf, der kulturelle und religiöse Einfluss der Benediktinerabtei auf die Religion war beachtlich. Jedoch noch
vor der Französischen Revolution setzte der Niedergang ein. Um die Wende vom 18. zum 19.
Jahrhundert wurde die Abtei verkauft, fortan diente sie rund 30 Jahre als “Steinbruch“. Im
Jahre 1947 kaufte der Staat die Ruine auf, die heute als historisches Monument unter Denkmalschutz steht.
Jumièges präsentiert sich heute Besuchern als großartige Ruinenanlage. Neben den Türmen
der Kirche Notre-Dame stehen noch Teile ihrer Außenwände und sehenswerte Reste benachbarter Gebäude wie des Kapitelsaals aus dem 12. Jahrhundert.
CÔTE FLEURIE
Das Pays d’Auge gilt als das Herz der Normandie. An seiner kurzen, aber “blühenden“ Küste,
der Côte Fleurie zwischen Seine- und Orne-Mündung, liegen die Badeorte dicht an dicht. Auf
der Suche nach der “verlorenen Zeit“ stößt man in Deauville auf den Charme der Belle Époque. Noch älteres Ambiente hat sich der Hafenort Honfleur an der benachbarten Côte de
Grâce bewahrt. Landeinwärts weiden dralle Milchkühe unter knorrigen Apfelbäumen, gründen die Säulen der normannischen Gastronomie: Cidre und Calvados, Crème fraîche und
Camembert. Wenn es so etwas wie eine “normannische Riviera“ gibt, dann an der westlichen
Küste des Département Calvados zwischen Honfleur und der Orne-Mündung. Seit über 100
Jahren profitieren dort renommierte Badeorte, die schon im vergangenen Jahrhundert zum
“21. Arrondissement“ der französischen Hauptstadt erklärt wurden, von der Nähe des Großraumes Paris. Breite Sandstrände machen das Baden an diesem Abschnitt der sonst meist
schwer zugänglichen Küste zum gefahrlosen Vergnügen.
DEPARTEMENT CALVADOS
Kennzeichnend für Departement Calvados wie für die Normandie sind alltägliche Freuden
und Genüsse wie der Geruch von frischen Äpfeln, das Rauschen des Meeres, Spuren alter
und neuer Geschichte, historisch wertvolle Bauwerke und Kulturgüter; und natürlich eine
Vielzahl von regionalen Köstlichkeiten.
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Die Calvados-Küste mit ihren endlosen Sandstränden, hier und da von Felsen und Klippen
unterbrochen, erstreckt sich von den Ufern der Seine bis zur Vire-Mündung. Unbeschwertes
Treiben im Sommer, eine frische Brise im Winter, beides ist auf seine Weise reizvoll. Zu jeder
Jahreszeit bietet das Meer Möglichkeiten zur Entspannung, einsamen Spaziergängen und
vieles mehr.
Entlang der Flüsse, Wege und Pfade überrascht das Departement Calvados mit Vielfältigkeit
seiner Landschaften. Auf Schritt und Tritt offenbart es seine geheimnisvolle Schönheit, jeder
Ausblick verzückt aufs neues Täler und Höhen, Wiesen und Weiden, Wälder und Hecken bestimmen diese üppige Naturlandschaft, in der das Pferd eine besondere Rolle spielt.
Das außerordentlich reich architektonische, künstlerische und religiöse Erbe des Departements entspringt seiner jahrhundertelangen bewegten Geschichte. Davon zeugen unzählige
romanische Kirchen und Klöster, gotische Kathedralen, Renaissance-Schlösser und mittelalterliche Burgen, auch zahlreiche Herrenhäuser und befestigte Gehöfte im Bessin sowie
Fachwerkhäuser und Landsitze im Pays d’Auge, die das Wahrzeichen der Normandie sind.
Für die moderne Architektur steht vor allem die eindrucksvolle Normandie-Brücke, welche die
Seinebucht überspannt.
Hier kann man auch den normannischen Himmel mit ganz besonderem Licht entdecken, der
von jeher Inspiration und Motiv für berühmte Maler war und heut noch zahlreiche Künstler
bezaubert.
DEAUVILLE
Deauville ist der mondänste Badeort der Normandie und begnügt sich nicht mit Kleinigkeiten,
da dies seinem extravaganten Stil kaum entspräche. Nicht das breite Publikum ist das bevorzugte Klientel, sondern Aristokratie, Jet-Set, Stars und solche, die sich dafür halten. Ganz in
diesem Sinne setzt man auf Luxus und Eleganz, Exklusivität und Weltgewandtheit. Zwar ist
Deauville nur eine Kleinstadt von rund 4.400 ständigen Einwohnern, doch sieht es sich gern
als Nabel der atlantischen Badewelt. Immerhin gehören beinahe die Hälfte der in der Stadt
verfügbaren 1.380 Fremdenzimmer zu Hotels der 4-Sterne-Kategorie. Deauville ist seit Jahren eine Hochburg exklusiver Sportarten wie Segeln, Wasserski und Golf. Ganz besonders
hat sich die Stadt aber um den Pferdesport bemüht, der in der Normandie Tradition besitzt.
Wer anstelle von körperlichem eher finanzielles Vermögen einsetzen will, hat dazu im Kasino
bei Roulette, Black Jack und anderen Glücksspielen reichlich Gelegenheit. Eine Attraktion
besonderer Art ist Deauvilles flacher, breiter Sandstrand, an dem man auf den “planches“
lustwandeln kann, einer 1923 aus Holzdielen gebauten, 653 m langen Promenade, deren
altmodische Umkleidekabinen die Namen der Filmstars tragen, die hier einst beim alljährlichen Festival des amerikanischen Films zu Gast waren.
TROUVILLE
Trouville ist eine der wahren Perlen an der Côte Fleurie, die sich zwischen Honfleur und Cabourg erstreckt.
Trouville ist eine höchst charmante Mischung von Ficherhafen und Badeort. Schon 1830 ließen sich reiche Leute aus Paris Villen für die Sommerfrische bauen. Die Maler und Schriftsteller entflohen der Hitze der Großstadt und verbrachten den Sommer an den endlosen, in den
Himmel übergehenden Stränden: Boudin, Jongkind, Pissarro, Manet und Monet malten hier.
Marguerite Duvas verbrachte in der Villa des Roches Noires die letzten Jahre ihres Lebens.
Hinter dem Kasino, ein historischer Bau, liegt der Strand mit Dutzenden von malerischen
Villen entlang der Flaniermeile aus Edelhozbrettern, „les planches“.
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HONFLEUR
Honfleur kuschelt sich an die Côte de Grâce, einem bewaldeten Küstenhügel, der die Weststürme abfängt. Oben steht Notre-Dame-de-Grâce, eine Wallfahrtskapelle der Seeleute und
Fischer, und ebenfalls oben trafen sich Wegbereiter und Künstler des Impressionismus an
grob gezimmerten Tischen unter Apfelbäumen. Ihr Hof, die Ferme Saint-Siméon, hat sich
längst zu einem der luxuriösesten Hotels der Normandie gemausert.
Unten im Ort geht es eher gutbürgerlich zu. Honfleur besitzt mit dem Vieux-Port wohl den
am schönsten gelegenen Hafen der Normandie, an dessen Kaimauern buntbemalte Fischkutter im Wasser dümpeln und die Fischer morgens in der Sonne auf den eisernen Poldern sitzen, um ihre Netze zu flicken. Im Wasser des alten Hafenbeckens spiegeln sich die wettergegerbten Häuserfassaden, als seien zu ihrer Bauzeit rechter Winkel und Baublei noch unbekannt gewesen. Entlang der Promenaden öffneten zwar in den vergangenen Jahrzehnten
Restaurants, Boutiquen und Galerien, doch fast überall wurde die alte Baustruktur belassen
und Neues meist unauffällig in das historische Ortsbild eingepasst. Honfleur ist zweifelsohne
die Perle unter den Küstenstädten der Normandie.
Étretat
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