Der Graf von St. Germain (1696 - 1784) Viele geheimnisvolle

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Der Graf von St. Germain (1696 - 1784) Viele geheimnisvolle
Der Graf von St. Germain (1696 - 1784)
Viele geheimnisvolle Geschichten werden über den Grafen von St. Germain erzählt. Der
Alchimist, Diplomat und Weltreisende führte ein bewegtes Leben.
Seine Herkunft ist nicht gesichert, doch ist in einigen Büchern zu lesen, er sei am 28. Mai 1696
als erster Sohn Leopold Georg des Fürsten Franz II. Rakoczy von Transsylvanien und seiner
Gemahlin Charlotte Amalie in Klausenburg (Cluj) geboren. Aus Sicherheitsgründen habe sein
Vater bald darauf das Kind zu einem Freund der Familie nach Italien bringen und offiziell für tot
erklären lassen.
Seine Zeitgenossen beschreiben ihn als einen mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten
ausgestatteten Menschen, der an europäischen Höfen mit meist geheimem diplomatischen
Auftrag verkehrte, was auch den Einsatz von mehr als 30 verschiedenen angenommenen
Pseudonymen erklärt, der diese besondere Persönlichkeit nicht nur für seine damaligen
Widersacher so schwer greifbar macht. So soll nach seinem eigenen Bekunden auch der
geführte Name Graf Saint Germain ein aus Selbstschutz angenommener sein, so daß sich seine
eigentliche Herkunft nur erahnen läßt.
Sein Einsatz für den Frieden in Europa, sein großes Wissen in der Alchimie, das er auf vielen
Reisen in aller Herren Länder stets erweiterte, die Steinveredelung, das Entwickeln von
Gegengiften und die Erfindung neuer textiler Färbemethoden brachte ihm viele Bewunderer,
aber auch Feinde.
Nicht zuletzt brillierte er bei Gesellschaften auch als virtuoser Geiger - ja sogar als
hochgeschätzter Komponist. Vor allem während seines Aufenthalts in London in den späten
50ern des 18. Jahrhunderts komponierte und veröffentlichte er mehrere Sonaten für eine oder
zwei Violinen mit Basso continuo, die er auch selbst zur Aufführung brachte. Ebenso
komponierte er einige Arien für die Oper „L'inconstanza delusa" sowie eine reichhaltige
Liedfolge von „Favourite Italian Songs".
Der Graf von Saint Germain verbrachte seine letzten Jahre auf Louisenlund beim Landgrafen
Carl von Hessen-Kassel, mit dessen Unterstützung er das „Carlsmetall" entwickelte sowie neue
Färbe- und Gerbverfahren als Direktor der Otte'schen Manufakturen in Eckernförde.
Am 27. Februar 1784 starb er in Eckernförde und wurde in der dortigen St.-Nicolai-Kirche
beigesetzt, wie ein Eintrag im Kirchenbuch bezeugt, wenn auch Stimmen behaupten, ihn nach
seinem Tode noch gesehen zu haben.
Die Instrumentalwerke
Die uns vorliegenden Werke des Grafen von Saint Germain wurden in den Jahren 1745 bis 1760
in London veröffentlicht. Wie beschrieben, war das Komponieren nicht der Hauptberuf des
Grafen, doch läßt die Qualität seiner Kompositionen und das ihm von Zeitgenossen nachgesagte
vollendete Beherrschen mehrerer Instrumente neben seinem Hauptinstrument, der Violine,
darauf schließen, daß er eine profunde musikalische Ausbildung genossen haben muß. Wann,
wo und bei wem, ist nicht bekannt; auch ein intensives autodidaktisches Studium ist denkbar.
Stilistisch gesehen bewegt sich diese Musik im Geschmack ihrer Zeit, d.h. wir erleben Ansätze
barocker Polyphonie - in den Triosonaten, deren einzelne Sätze fast ausschließlich als Fugato
konzipiert sind - befinden uns aber in der Leichtigkeit der Frühklassik, zuweilen auch als Rokoko
bezeichnet. Wir haben es mit einer für die Zeit typischen, höfischen „Unterhaltungsmusik" zu
tun, die gesellschaftlichen Anlässen den festlichen Rahmen gab - vordergründig.
Der Graf von Saint Germain hat im Vergleich mit seinen Zeitgenossen, wie z. B. den BachSöhnen, eine unverwechselbare Handschrift. Ideen, die das kompositorische Handwerk seiner
Zeit nicht bereithält - so erscheint z. B. in der Durchführung des schnellen 2. Satzes der Sonata II
für Violine unvermittelt das Anfangsmotiv des 2. Themas aus dem langsamen 1. Satz über dem
weitereilenden Basso continuo - , überraschen den aufmerksamen Hörer ebenso wie der häufige
Verzicht auf die Weiterentwicklung begonnener Themen oder der Improvisationscharakter
einiger Durchführungen.
So, wie er sich in seinem abenteuerlichen Leben über viele Regeln, die er gleichzeitig vollendet
beherrschte, hinwegsetzte, um Neues zu erreichen, mag dem Grafen von Saint Germain das
bloße Bedienen der erlernten Kompositionstechnik nicht genügt, die Ausführung der spontanen
Idee manches Mal über der Erfüllung der formalen Gesetze gestanden haben.
Und seine Kompositionen verfehlen - heute wie zu seiner Zeit - ihre Wirkung nicht.
Wir erleben beim Anhören dieser Musik ihre Strahlkraft, ihre entspannende „Einfachheit", in der
Humor und Witz wie auch Tiefe und Weite ihren Ausdruck finden.
Durch das ganz eigene Zusammenwirken der Melodieführung mit dem rhythmischen Duktus
erscheint diese Musik zuweilen, als spräche jemand, als läge dieser Musik ein zu verstehender
Text zugrunde.
Die Arien
Betrachtet man das Gesamtwerk des Grafen von Saint Germain, machen die 46 Arien den
weitaus größten Teil aus, was verwundert, hätten wir doch von dem virtuosen Geiger Saint
Germain den Schwerpunkt bei Kompositionen für sein Instrument vermutet. Seine Vorliebe für
das vertonte Wort könnte eine Erklärung sein für den oben beschriebenen Sprachduktus vieler
seiner Violinkompositionen.
Die bei vollständigem Studium der Arientexte modulhaft anmutende Austauschbarkeit ihrer
Reihenfolge erklärt sich am besten anhand ihrer Verwendung im Rahmen der so genannten
„Pasticcio"-Technik. Gemäß dieser seinerzeit verbreiteten Technik wurden einzelne Arien, auch
die verschiedener Komponisten, zu „Kurzopern" zusammengestellt, die bei Gesellschaften
aufgeführt wurden. Für diesen Zweck mußten die einzelnen Arien natürlich so beschaffen sein,
daß sich weder ihr Anfang inhaltlich zwangsläufig auf eine vorausgehende noch ihr Ende auf
eine folgende Arie beziehen darf, die Möglichkeit, diese Beziehung herzustellen, aber durchaus
in jeder Arie enthalten sein muß. Die Oper „L'Inconstanza Delusa", die die Arien des Grafen von
Saint Germain, aber auch die Arien anderer Komponisten seiner Zeit enthält, ist so ein Beispiel.
Die vollständige Oper ist leider nicht erhalten, sondern nur die beliebtesten Arien in einer
Sonderedition unter dem Titel „The Favourite Songs in the Opera Call'd L'Inconstanza Delusa".
In den Arien zeigt sich eine weitere Facette seines musikalischen Schaffens: Während seine
Instrumentalwerke geprägt sind von innigem Ausdruck in den langsamen und virtuoser
Lebendigkeit in den schnellen Sätzen, formt er die Inhalte seiner Arien mit großer Geste.
Eindringlich und dramatisch kommen diese daher, die klare, eingängige Thematik wird
konsequent entwickelt zum reflektierenden Mittellteil hin, der das wiederkehrende Da Capo wie
ausgewechselt erscheinen läßt. Im Aufbau durchaus immer gleich, erscheint jede der Arien als
Unikat mit unverwechselbarem Charakter.
Das Lied „Gentle Love" ist ganz im englischen Stil seiner Zeit gehalten, wie auch eine Reihe
anderer Lieder aus der Feder des Grafen mit englischem Text. Wie bei den italienischen Arien
zeigt sich auch hier seine verblüffende Fähigkeit, sich in verschiedene Genres einzufühlen, ohne
zu kopieren, sondern im jeweiligen stilistischen Umfeld Eigenständiges zu schaffen.
Mehr Information, CDs, Noten und Bücher:
HAHN-ENGEL Konzertagentur & Verlag • Am Gymnasium 2 • D-24768 Rendsburg
0049 (0) 4331 - 6978178 • [email protected]
www.hahn-engel.de • www.saintgermain.biz
Die Musik des Grafen von St. Germain
(1696 – 1784)
Goetheanum Dornach 30.12.2011
Programm
Aus den „Six Sonatas For Two Violins
With A Bass For The Harpsichord Or Violoncello“
SONATA III Con Soli in Es-Dur
Adagio - Non tanto Allegro - Andante - Cantabile Affettuosissimo
Aus der „Musique raissonnée“
“Non v’è piu barbaro...”
Contr’alto (Gesangsstimme im Violoncello) Sostenuto
Aus den altenglischen Liedern
“The Self Banished”
(Gesangsstimme in der Violine) Amoroso
Aus den „Seven Solos For A Violin“
SONATA III in c-moll
Adagio - Allegro - Andante - Allegro
Aus den altenglischen Liedern
“O Wouldst Thou Know”
(Gesangsstimme in der Violine) Grazioso
Aus der „Musique raissonnée“
“Volga’l Ciel, felici amanti...”
(Gesangsstimme im Violoncello) Amabile – Con passione
Aus den „Six Sonatas For Two Violins
With A Bass For The Harpsichord Or Violoncello“
SONATA IV Con Soli in g-moll
Tempo Giusto - Adagio - Cantabile
Ensemble PHOENIX :
Hans-Christian Jaenicke Violine
Nicola Kruse Violine Arthur Weinbrenner Cembalo Matthias Hahn-Engel Violoncello

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