Zwei blutjunge Poetry-Wilde vom See

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Zwei blutjunge Poetry-Wilde vom See
Tages-Anzeiger · Donnerstag, 31. Januar 2008
Ausschnitte aus : Und Du atmest
Und du atmest
Und du lebst
Und du atmest
Und du liebst
Und du atmest
Und du gibst
Mir
Nicht ein Wort
Das Wahres bedeutet
Entlang der Strasse
Der Sprache geheuchelt
Hast du
Etwas
Das ich besonders brauche?
So sehr vermisse
Ich
Die Scherben
Am Boden
Klitzeklitzeklitze
Kleine Lichtfragmente
Weh mir
Weh weh wehe
wenn ich das
Sehe
Was so nicht hätte sollen
Oder soll ich mich bücken
Dir vom Platze rücken
Um das zu wollen
Mein Herz zerdrücken
Und du bist
Doch genau das
Was ist
Und finden zu müssen
Was Lüge ist
Und was Wahr war
All die Stückchen
Sie werden nicht mehr eins
Was vorher ein Herz
Jetzt ist es Keins
Winzig winzig winzig
Kleine Schattenspiele
Die mir sagen
Dass ich dich
Dass ich dich
Am liebsten mit dem Kopf
Voran in Klo schubsen würde
Dann ist es auch mal GAMEOVER
Mit deiner Würde
Und gebraucht sollte es sein
So richtig verdreckt soll es sein
Ja so eine richtige Frauentoilette
Mit Sprüchen
Zum klopfen
Und Schüssel
Zum Kotzen
Und OHNE Klopapier
Zum Rotzen
SOLL ES SEIN!
So eine Toilette
Soll dein holdes Haupt schmücken
Und an diesem Örtchen
Liegt nichts mehr
In tausend Stücken
Doch du bist
Genau das
was ist
www.dadadari.jimdo.com
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Zwei blutjunge Poetry-Wilde vom See
Zwei junge Stäfner Dichter
machen sich einen Namen in
der Schweizer Literaturszene.
An so genannten Poetry-Slams
kehren sie ihr Innerstes nach
aussen. Mit Erfolg.
Von Marcus May
Stäfa. – Da wird immer behauptet, die
heutige Jugend verliere ihre Sprache vor
lauter TV und Videospielen. Da wird behauptet, unsere Kinder seien nicht mehr
fähig, einen ganzen Satz korrekt zu schreiben und ihre Sprache verkümmere. Falsch!
Abgesehen davon, dass junge Schweizer
an Pisa-Tests immer ganz gut abschneiden, gibt es eine stetig wachsende Szene
Jugendlicher, die ihre Lust an der Sprache
kreativ umzusetzen wissen.
Nur: Sie tun dies nicht mehr in der
sprichwörtlichen Einsamkeit des Dichters,
fristen nicht mehr ein zurückgezogenes
Mauerblümchen-Dasein in den Abgründen der eigenen, selbst gewählten Abgeschiedenheit. Nein, sie gehen hinaus, klatschen ihre Poesie einem hochinteressierten – mehrheitlich jugendlichen – Publikum um die Ohren und stellen sich und
ihre sprachliche Fertigkeit an den Pranger.
Slam–Poetry nennt sich diese – ursprünglich aus Amerika kommende – moderne
Form der Lesung. Die jungen Poeten treten in einem Contest gegeneinander an
und lassen sich vom Publikum beurteilen
(siehe Box).
Phibi Reichling (20) und Darienne Hunziker (19), beide aus Stäfa, sind solche
Slam-Poeten. Seit zwei Jahren sind sie ein
Teil der «Slamily», jener eingefleischten
Truppe aus Dichtern und Poeten aus der
Schweiz, Deutschland und Österreich, die
sich wöchentlich irgendwo im deutschsprachigen Raum zu einem Poetry-Slam
treffen. Und beide nehmen ihre Arbeit
durchaus ernst. «Seit ich 8-jährig bin,
schreibe ich meine Gedanken auf. Ich
schreibe, um meinem Denken und Handeln eine Struktur zu geben», erklärt Dari
Hunziker, eine zerbrechlich wirkende
junge Frau mit leiser Stimme (siehe Text
in der linken Spalte).
«Eine völlig sinnlose Tätigkeit»
Es fällt schwer zu glauben, dass sie sich
vor Hunderten gestrenger Zuschauer –
den Juroren – in Szene zu setzen vermag.
Nach dem Motto «nichts macht einen
Sinn», erblickt sie im Schreiben «eine völlig sinnlose Tätigkeit». Trotzdem kann sie
nicht anders. Sie verarbeitet ihre Erfahrungen und Erkenntnisse in wunderbar
hintergründigen Texten.
Wenn sie auf der Bühne steht, ist sie ein
anderer Mensch. Sie unterstreicht ihre
Worte mit fliessender, sanfter Gestik. Gekonnt will sie «dem Publikum das geben,
BILD MICHAEL TROST
Darienne Hunziker und Phibi Reichling fristen alles andere als ein dichterisches Mauerblümchen-Dasein.
was von mir erwartet wird». Ihre Texte
sind sehr persönlich. «Sie sind nicht witzig, ich will meine Emotionen rüberbringen.» Nicht immer überzeugt sie damit.
Beim Publikum – auch dies ein Zeichen
der Zeit – ist eher das Laute, Brachiale und
Witzige angesagt. «Slams sind grundsätzlich unfair, der Beste verliert immer»,
meint Hunziker. Und sie meint es ernst.
Mindestens ein Slam pro Woche
Diese Erfahrung musste auch Phibi
Reichling machen. Zwar stand der Stäfner
Maturand letzten Samstag im Zürcher
Schiffbau im Finale – «damit hatte ich nie
gerechnet» –, doch hatte er gegen den beliebten und bekannten Slam-Poeten Gabriel Vetter aus Schaffhausen, Gewinner
des Salzburger Stiers, nicht den Hauch einer Chance. Zu verhalten wirkte seine
Bühnenpräsenz. Zu wenig authentisch
kam seine Performance rüber.
Auch Phibi Reichling ist ein Dichter
aus Überzeugung. Seine Maturaarbeit
bestand darum auch aus Slam-Texten.
Die Note «hervorragend» spricht für sich.
«Dichten und Slammen ist im Moment
das Ding in meinem Leben.» Mindestens
einen Slam pro Woche bestreitet er
zurzeit. Damit verdient er, der noch zu
Hause bei den Eltern lebt, ein ordentliches
Taschengeld. Im Herbst beginnt er ein
Philosophiestudium.
Auch Bildungspolitiker haben mittler-
weile den literarischen Wert dieser Events
erkannt. Die Abteilung Schule und Kultur
des kantonalen Volksschulamts organisierte in den letzten Monaten im Rahmen
der altbewährten Reihe «Literatur aus erster Hand» eine Vortragsreihe und schickte
sowohl Hunziker als auch Reichling zusammen mit dem Slammer-Urgestein Wewalt Koslowski – deutscher Slammer der
ersten Stunde und seit Jahren auf Abschiedstournee – auf eine Vortragsreihe
quer durch die Zürcher Oberstufen. Ziel
Ursprünglich ist der Poetry-Slam eine
amerikanische Erfindung aus den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts.
Im deutschsprachigen Raum werden
seit Mitte der Neunzigerjahre Slams
und Meisterschaften durchgeführt. Ein
Slam ist ein energiegeladener Schlagabtausch zwischen Dichtern. Geslammt
wird in drei Kategorien: Einzel-, U-20und Teamwettkämpfe.
Jeweils zehn bis zwölf Dichter – die
Reihenfolge wird kurz vor dem Auftritt
ausgelost – treten, aufgeteilt in zwei
Gruppen, einzeln gegeneinander an.
Hilfsmittel sind keine erlaubt. Es gilt
das nackte Wort, das auch abgelesen
Männedorfs Singfrauen nehmen
ihr Publikum mit «Souvenirs,
Souvenirs – Die Schönsten Schlager und Evergreens» auf eine
Reise in die Vergangenheit mit.
die Mimi nie ins Bett» oder die Rosen, welche das Blumenmädchen in «Träume mit
mir» verteilt, sowie der riesige, glitzernde
Klunker im Nabel der Bauchtänzerin in
«Leila», die ihr Becken kreisen lässt wie
Shakira, oder die sündige Wäsche beim
sündhaften «Striptease-Tango» (keine
Angst, das Programm ist jugendfrei).
Von Willy Neubauer
Französisches Energiebündel
Männedorf. – Eine Stimme wie Bill Ramsey hat keine von ihnen. Aber seine alten
Hits intonieren sie meisterlich. «Souvenirs, Souvenirs», das Ramsey 1959 an die
Spitze der damaligen Hitparade gespült
hat, ist sozusagen die Titelmelodie von
«Souvenirs, Souvenirs – Die schönsten
Schlager und Evergreens». So heisst das
Konzert, das die Singfrauen Männedorf
morgen Freitag in der Aula Blatten in
Männedorf als Premiere geben.
Das Programm, das die rund 40 singenden Frauen bieten, ist ein Streifzug durch
die Welt des Schlagers vor allem aus den
Fünfziger- bis zu den Siebzigerjahren. Die
Jüngste der singenden Frauen mag wohl
die neueren Songs, wie den Abba-Ohrwurm «Money, Money, Money» von 1976,
gerade noch knapp in der Wiege gehört
haben (wenn überhaupt), während die älteste Sängerin zum Lied «Leila» aus dem
Jahr 1928 als kleines Mädchen den Bauchtanz geübt haben könnte.
Auch die Choreografie überzeugt. Erstaunlich, was die wirblige Sabine Mouscardès, dieses französische Energiebündel,
aus den Frauen herausholt. Sie springt auf
die Bühne, zeigt vor, wie sie es haben
möchte, und sorgt immer wieder für einen
Lacher im Chor. «Ich bin sehr zufrieden, es
war eine spannende Zusammenarbeit und
eine gute Erfahrung mit dem Chor», meint
sie mit ihrem charmanten Frankodeutsch.
«Singen mit einer Choreografie mussten
die Frauen zuerst lernen, aber jetzt klappt
es recht gut», hält sie abschliessend fest.
Die erfahrene Chorleiterin Marie-Luise
Vaihinger ist ebenfalls zufrieden. Die Profis Philippe Kocher, Klavier, Danny Hertach, Bass, und Andreas Schmid, Schlagzeug, tragen das Ihre zum gelungenen Anlass bei. «Souvenirs, Souvenirs – Die
schönsten Schlager und Evergreens» der
Singfrauen Männedorf verdient das Prädikat «absolut sehens- und hörenswert».
Bond-Vorgänger Lemmy
Die sympathischen Damen der Singfrauen Männedorf üben nämlich nicht nur
die verschiedensten Berufe aus, da singt
auch jung neben älter zusammen. Und so
BILD ESTHER MICHEL
besingen die Damen beim erwähnten Auftaktsong «Souvenirs, Souvenirs» etwa
«die Pistole von Eddie, mit der er Gangster
fällt». Eddie Constantine, der in den Sechzigern als FBI-Agent Lemmy Caution die
Leinwände unsicher machte, war eine Art
Vorläufer von James Bond, der mit Ironie
und harten Fäusten die Welt der Bösen
aufmischte.
«Wir haben uns in der Gruppe für das
Schlagerprogramm entschieden und jetzt
beinahe ein Jahr lang die Lieder geübt», erklärt die Juristin Nina Dajcar von den
Singfrauen. «Im Januar ist die Choreografie dazugekommen, und jetzt klappt es
ganz gut», meint sie weiter.
Es ist wirklich eine schöne Show, welche
die Frauen auf die Bühne bringen. Nicht
nur der Gesang ist gut. Auch die kleinen,
liebevollen Details in Choreografie und
Ausstattung überzeugen. Zum Beispiel die
farbigen Bettsocken bei «ohne Krimi geht
www.slam-it.ch
Applaus entscheidet über den Sieg
Eine perfekte Show der Singfrauen in Männedorf
Es fehlt nur die Stimme von Bill Ramsey beim musikalischen Streifzug.
der Aktion: den jugendlichen Schülern die
Dichtkunst und die Poesie wieder näher
zu bringen.
«Das Feedback war überwältigend»,
sagt Julia Frehner, Literaturverantwortliche beim Volksschulamt. «Mit diesen Vorträgen fördern wir auch den Nachwuchs
unter den Slammern.» Nicht dass sich
diese über Nachwuchsprobleme beklagen
müssten. Denn: Mitmachen kann jeder.
«Souvenirs, Souvenirs – Die schönsten
Schlager und Evergreens», Freitag, 1.,
Samstag, 2. Februar, 20 Uhr; Sonntag,
3. Februar, 17 Uhr, in der Aula Blatten,
Männedorf. Abendkasse, Tür- und Baröffnung: eine Stunde vor Konzertbeginn,
Billette Papeterie Pfister, 044 920 05 57.
werden darf. Die Zeit ist auf sechs Minuten limitiert. Wird überzogen, unterbrechen die MCs (Masters of Ceremony), und es gibt Abzüge.
Publikum ist Jury
Die Jury ist meistens das Publikum.
Entscheidend ist neben den Texten
auch die Art der Performance. Die Lautstärke des Applauses entscheidet
schliesslich über Sieg oder Niederlage.
Die jeweiligen Sieger der beiden Gruppen treten am Schluss gegeneinander
an. Der Gewinner erhält traditionsgemäss eine Flasche Whisky. (may)
Urs Fellmann folgt
auf Gisela Neukomm
Zollikon. – Der 58-jährige Psychologe Urs
Fellmann (FDP), Direktionsmitglied einer
Versicherung, wird neuer Zolliker Gemeinderat. Wie FDP-Ortsparteichef Marc
Raggenbass gestern Mittwoch mitteilte,
sind bis zum Ablauf der Nachfrist definitiv
keine neuen Vorschläge eingegangen. Damit sei die Stille Wahl, die der Gemeinderat
heute Donnerstag bestätigen wolle, zu
Stande gekommen (TA vom 19. 1.). Fellmann ersetzt Gesundheitsvorsteherin Gisela Neukomm, die aus gesundheitlichen
Gründen zurückgetreten war. (has)
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Dari Hunziker:
«Und Du atmest»
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Offen von Montag bis Freitag von 9.30 – 12.30 und 13.30
– 19.30 Uhr. Samstag von 9.30 durchgehend bis 16.30 Uhr
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