Der Menschenfänger Captivating people

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Der Menschenfänger Captivating people
ALBERT EICKHOFF
Der Menschenfänger
Captivating people
„Wer spricht da?“, raunten die Berliner, als sie die ersten Sätze
hörten. Wer war dieser Mann, der da gelassen und doch engagiert, bescheiden und doch selbstbewusst auf der Bühne
der Deutschen Oper in Berlin vor dem Mikrofon stand? – „Auch
das ist Globalisierung“, begann er seine Rede, „die Lauffeuer
der Finanzkrise umrunden den Erdball, der Flächenbrand Aids
erreicht alle Kontinente. Keiner steht mehr auf der Gewinnerseite. Wir alle, die wir hier im Opernhaus versammelt sind, auf
dessen Bühne Abend für Abend große Dramen aufgeführt werden, nehmen Teil an den Niederlagen und Siegen, die auf fernen Kampfplätzen erlitten und errungen werden …“
Nein, das war kein Staatsmann und auch kein Intendant,
es war einer der wichtigsten europäischen Einzelhändler,
ein Mann des Luxus und der Moden, der auf Einladung der
Deutschen-Aids-Stiftung für ein sensibles Thema die richtigen
Worte fand. Ein Geschäftsmann aus Düsseldorf berührte die
Gäste der Gala bis ins Herz: Albert Eickhoff, der Modekönig
von der Königsallee.
So kann nur einer reden, der Menschen mag. Der die Kunst
der Kommunikation versteht. Doch Eickhoff beherrscht viele
Rollen. Der Grandseigneur ist ein begehrter Gesprächspartner
und exzellenter Gastgeber. Als legendär gilt sein Gespür für
Stil, das Gefühl für Qualität, sein Geschmack. – „Kann man
das lernen?“, fragen die Journalisten und er bejaht es regelmäßig. „Geschmack bildet man durch Besuche von Opern,
Konzerten, Theateraufführungen, von Museen und Galerien.“
Seine Kinder habe er schon mit 12 und 14 Jahren zu den
Salzburger Festspielen mitgenommen. Unvergessen, als
sie in der Pause der Zauber flöte zu ihm kamen und riefen:
„Es war toll!“ – Gewonnen! Von da an waren sie immer dabei.
Er hatte nicht das Glück, von seinen Eltern zur Musik, zu
Ballett und Theater geleitet worden zu sein, er musste sich
die Nähe zur Kultur – wie fast alles in seinem Leben – selbst
erarbeiten. Neugierig, fleißig, engagier t und – wie bei der
Mode – immer am Morgen, an der Zukunft interessier t.
„Wenn man da nicht rein geboren wurde, ist es ein Lernprozess.
Man dar f nicht nachlassen, muss immer mehr hören und
sehen. Und plötzlich ist man ein Fan.“
Es war ein Aufstieg aus der ostwestfälischen Provinz. Aus
dem elterlichen Gemischtwarenladen in die internationale
Modewelt. Albert Eickhoff ist einer der Unternehmer aus der
Nachkriegsära, der sein Unternehmen aus dem Nichts zu
Millionenumsätzen geführ t hat. Der jeden Winkel seines
Geschäfts kennt, nichts übersieht.
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TEXT: SYBILLE ZEHLE
PHOTO: MICHAEL DANNENMANN
Who is that talking? whispered the people of Berlin as they heard the first sentences. Who was this man standing in
front of the microphone on the stage
of the Deutsche Oper in Berlin, relaxed
yet dedicated, modest yet confident?
‘This is also globalisation’, was how he
began his speech. ‘The financial crisis is
spreading around the globe like wildfire,
the conflagration of Aids has reached all
the continents. There is nobody left on
the winning side. All of us gathered here
in the opera house, where great dramas
are staged every evening, partake in the
defeats and victories suffered and won
on distant battlegrounds …’
No, this wasn’t a statesman or a
director; it was one of the most important European retailers, a man of luxury
and fashion who at the invitation of the
German Aids Foundation found the right
words for this sensitive topic. A businessman from Düsseldorf touched the hearts
of the guests at the gala: Albert Eickhoff,
the fashion king of Königsallee.
Only a person who likes people can
talk like this. Someone who understands
the art of communication. However,
Eickhoff has many roles at his fingertips.
The grand old man is much in demand
as an interview partner, and is also an
excellent host. His sense of style, his
feeling for quality, his taste are legendary. Can this be learnt? ask the journalists, and he regularly answers in the
affirmative. ‘Taste is trained by visiting
operas, concerts, plays, museums and
galleries.’ He took his children to the
Salzburg Festival when they were just
12 and 14. It was an unforgettable moment when they came to him during the
interval of The Magic Flute and shouted,
‘It was great! You win!’. After that, they
visited the Festival every year.
Eickhoff himself was not fortunate
enough to be introduced to music, ballet
and theatre by his parents; he had to develop his affinity for culture – like almost
everything else in his life – himself.
Curious, hard-working, dedicated and –
as in fashion – always interested in
tomorrow, in the future. ‘If you aren’t born
into it, it’s a learning process. You can’t
let up, you have to keep listening and
watching. And suddenly you are a fan.’
It was a step up from rural east Westphalia. From his parents’ general store
to the international fashion world. Albert
Eickhoff is an entrepreneur from the
post-war era, who built up his company
from nothing to an empire with a revenue
of millions. He knows every angle of his
business and overlooks nothing.
When consul Hanns Bisegger, at that
time general partner of Bielefelder Jobis
KG, took him to the Salzburg Festival for
the first time at the end of the 1960s
as a token of gratitude for years of styling, Eickhoff was already standing on his
own two feet. He was also already married to Brigitte, still the lodestar of his
life today. ‘I believe we saw Everyman,’
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Als ihn Konsul Hanns Bisegger, damals Komplementär der
Bielefelder Jobis KG, Ende der sechziger Jahre zum ersten
Mal zu den Salzburger Festspielen mitnahm, als Dank für
jahrelange Mitarbeit im Styling, stand Eickhoff schon auf
eigenen Füßen. Und war bereits mit Brigitte verheiratet, bis
heute der Kompass seines Lebens. „Ich glaube, es war der
Jedermann, den wir damals sahen“, erinnert er sich, „auf
dem Domplatz, auf dem uns später John Neumeiers MatthäusPassion so tief berühren sollte.“
Über die Jahre wurde Albert Eickhoff ein Freund und Förderer der Festspiele. Und der Doyen der Modeszene. Das
Geschäft in Düsseldor f eine deutsche Institution – wie
Bergdorf Goodman für New York. Eickhoff Königsallee – für
diese Marke steht inzwischen eine ganze Familie. Anderthalb
Jahre vor dem 50. Jubiläum hat der Chef das Modehaus
offiziell an die nächste Generation übergeben, das heißt,
Regie und Drehbuch verantworten jetzt Susanne und Stefan
Asbrand-Eickhof f, Tochter und Schwiegersohn, aber der
Prinzipal gibt im Modetheater weiter den Ton an. Patriarch ist
man sein Leben lang.
Alber t Eickhof f ist ein Augenmensch. Der Mann, der
Marken wie Versace oder Cavalli als Erster nach Deutschland
holte, will auf Modemessen nicht gesehen werden, – er will
sehen. „Mit meinen Augen verdiene ich mein Geld.“ So einer
hört auch in Salzburg mit Ohren und Augen. Unvergesslich
für ihn der Don Giovanni von 2002. „Mit Thomas Hampson
in einem Rundhals-Kashmirpullover … die Prada-Kleidchen,
Palmers-Wäsche – unglaublich, wie man sich da löste von
den traditionellen Theaterwerkstätten. Und dann noch Anna
Netrebkos Salzburg-Debüt: als Donna Anna.“
Da ist es ein kleiner Sprung zu La Traviata, 2005, in der
Inszenierung von Willi Decker. Zu den kraftvollen Farben, der
grandiosen Choreografie, der idealen Besetzung. Die Netrebko
mit Ronaldó Villazon. Und, unübertroffen, Thomas Hampson
als Vater. „Das war ein solcher Höhepunkt in meinem Leben“,
sagt Eickhoff, dass er zum nächsten Gebur tstag Freunde
nach Wien eingeladen habe, in die Oper, wieder zu La Traviata.
Doch die Inszenierung war alt und verstaubt. „In dem Drahtbett
habe ich bereits vor dreißig Jahren gelegen“, meinte Anja Silja
nach der Aufführung, die große Sängerdarstellerin und Gast
von Eickhoff.
Der Modezar, meist gekleidet in ruhigem Mailänder Grau,
liebt Tradition und Klassik, das schon. Wie bei der Mode interessiert ihn aber auch in der Kunst der Aufbruch. Die Konfrontation. So schätzte er auch Gerard Mortier, den Salzburger
Intendanten, der die Festspiele nach der Karajan-Ära verjüngte.
„Er hat die Turnschuh-Generation ins Festspielhaus geholt.“
Mit Albert Eickhoff redet man nicht lange über Inszenierungen. Schnell ist man bei den Menschen angelangt, den
Künstlern, seinen Freunden. Eickhoff ist ein Menschenfänger.
Überall wirft er seine Netze aus. Viele fallen schnell wieder
durch die Maschen. Aber diejenigen, die er sich an Land zieht,
bleiben gefangen. Gefangen von seinem Charme und seiner
Großzügigkeit.
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Seine Freunde verwöhnt, betört er. „Ein Mann, der alles
hat, will alles mit allen teilen“, sagte Gertrud Höhler, seine
kluge Professoren-Freundin einmal. „Er ist der König der
Herzen, der Eroberer, der uns alle ansteckt.“ Er gibt Liebe,
braucht Liebe. Und ob Helga Rabl-Stadler, die Salzburger
Festspielchefin, Elisabeth Gürtler-Mauthner, die das Wiener
Sacher und die Spanische Hofreitschule führt, ob Iris Berben,
die schöne und engagier te Schauspielerin, oder Patricia
Riekel, die er folgreiche deutsche Chefredakteurin, für sie
alle hat er Platz in seinem Herzen, und für eine außergewöhnliche Herren-Riege noch dazu. Thomas Hampson gehört nun
schon fast zehn Jahre zur Freundesfamilie, noch länger John
Neumeier und Heinz Spoerli, die der Ballett-Maniac Eickhoff
seit Langem verehrt.
Salzburg sowie die Festspiele hat er sich nicht nur über
die Musik – „Natürlich war es Mozart!“ –, sondern auch über
die Menschen erobert. „Ganz früher waren wir doch dankbar,
wenn wir im Goldenen Hirsch im Nebenzimmer überhaupt
noch Platz bekamen“, lächelt er und setzt sein amüsier thintergründiges Satyrgesicht auf. Heute sitzt die ganze
Eickhoff-Familie bei Fürstin Marianne von Sayn-Wittgenstein
am Tisch, auf der Wiese bei einem ihrer berühmten Mittagessen. „Immer wieder ein Erlebnis – auch das ist für uns ein
Stück Salzburg.“
Das erste Treffen mit Fürstin ‚Manni‘: „Das war eine Augenbegegnung!“ Hete Hünermann, die Galeristin und Schwester
von Gabriele Henkel, bis zu ihrem frühen Tod eng verbunden
mit den Eickhof fs, hatte den Düsseldor fer Modezar der
Salzburger Society-Regentin in der Bar des Hirschen vorgestellt. „Wir haben uns unterhalten und am Ende hat sie
gesagt: Ich will Sie wiedersehen.“
Eickhoff ist ein Erzähltalent. Er beherrscht die Kunst der
leichten Konversation – abendfüllend. Weil er bei allem nüchtern kalkulierenden Geschäftssinn ein Genießer ist. Ein ernsthafter Träumer. Ein erwachsenes Kind.
Das ist vielleicht das Geheimnis seiner Nähe zu Künstlern.
Wie zum Beispiel zu dem Schauspieler Sebastian Koch (Das
Leben der anderen). Weil Eickhoff – wie dieser – Enthusiasmus
für die jeweilige Rolle mit Strenge gegenüber sich selbst
verbindet, mit Disziplin. Und weil er es braucht wie sie alle,
braucht wie die Luft zum Atmen: Anerkennung. Applaus.
2012 übernimmt Alexander Pereira, noch ein Freund, in
Salzburg das Zepter. Und eigentlich müsste er nur so walten
wie der Modemagier auf der Kö. Seinen Erfolg hat Eickhoff
der Vogue einmal so erklärt: „Ein Gespür für Stil. Zeitgeist
und gesellschaftliche Zusammenhänge. Hinzu kamen der Mut
zum Risiko, Selbstbewusstsein und die Kraft zur Konfrontation.“ – Mehr kann man sich auch von einem Intendanten
nicht wünschen.
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he reminisces, ‘in the cathedral square,
where John Neumeier’s St Matthew
Passion moved us so deeply later on.’
In due course, Albert Eickhoff became
a friend and patron of the Festival. And
the doyen of the fashion scene. The shop
in Düsseldorf is now a German institution – like Bergdorf Goodman in New
York. Eickhoff Königsallee – a whole family is now associated with this label. One
and a half years before the company’s
50th anniversary, the director of the fashion house officially handed over the reins
to the next generation. This means that
Susanne and Stefan Asbrand-Eickhoff,
daughter and son-in-law, are now responsible for the script and direction, although
the principal still has his say in the fashion theatre. After all, one is a patriarch
for the whole of one’s life.
Albert Eickhoff is a visual person. The
man who was the first to bring labels
such as Versace and Cavalli to Germany
doesn’t want to be seen at fashion shows
– he wants to see. ‘I earn my money with
my eyes.’ Such a man also listens with
his eyes and ears in Salzburg. One
unforgettable experience for him was
Don Giovanni in 2002. ‘With Thomas
Hampson wearing a crewneck cashmere
pullover … The Prada dresses, Palmers
lingerie … incredible how it broke away
from traditional theatre workshops. And
then there was Anna Netrebko’s debut in
Salzburg as Donna Anna.’
From here it is a small leap to La
Traviata, 2005, produced by Willy Decker.
To the powerful colours, the magnificent choreography, the perfect cast.
La Netrebko with Rolandó Villazon. And
Thomas Hampson unparalleled as the
Father. ‘That was such a highlight of my
life,’ says Eickhoff, that on the occasion of his next birthday, he took some
friends to the opera in Vienna to see La
Traviata again. However, this production
was old and dusty. ‘I lay in that metal
„Weil er bei allem
nüchtern kalkulierenden
Geschäftssinn ein Genießer
ist. Ein ernsthafter Träumer.
Ein erwachsenes Kind.“
‘Because despite all his sober
and calculating business sense,
he is a bon vivant. A serious
dreamer. A grown-up child.’
bed 30 years ago,’ said Anja Silja, the
great singer and Eickhoff’s guest after
the performance.
The fashion king, usually dressed in
quiet Milanese grey, loves tradition and
classicism, that much is true. However,
as with fashion, he is also interested in
the art of transformation. Of confrontation. Which is why he also admired
Gerard Mortier, the Salzburg director who
rejuvenated the Festival after the Karajan
era. ‘He brought the sneakers generation
into the Festival Hall.’
People don’t spend a long time talking
to Albert Eickhoff about productions. The
subject quickly turns to people, to the artists, to his friends. Eickhoff is a people
catcher. He casts his nets everywhere.
Many quickly fall through the mesh. But
those he draws on land remain caught.
Captured by his charm and generosity.
He pampers, enthrals his friends. ‘A
man who has everyone wants to share
everything with everyone,’ Gertrud
Höhler, his friend the clever professor
once said. ‘He is the king of hearts, the
conqueror who infects us all.’ He gives
love, needs love. And whether Helga
Rabl-Stadler, director of the Salzburg
Festival, Elisabeth Gürtler-Mauthner,
who directs the Viennese company
Sacher and the Spanish Riding School,
whether Iris Berben, the beautiful and
dedicated actress or Patricia Riekel, the
successful German editor – they all have
a place in his heart, as do his group of
unusual gentlemen associates. Thomas
Hampson has been one of his friends
for nearly 10 years, even longer John
Neumeier and Heinz Spoerli, whom the
balletomane Eickhoff has long admired.
Not only the music of Salzburg found
its way into his heart – ‘It was Mozart, of
course!’ – but also the people. ‘Years ago,
we were grateful if we managed to find
somewhere to sit in the side-room of the
Goldener Hirsch,’ he smiles, and puts on
a saturnine expression of cryptic amusement. Today, the whole Eickhoff family
is sitting at Marianne Fürstin zu SaynWittgenstein-Sayn’s table on the grass,
enjoying one of her famous lunches. ‘It’s
always an experience – and this too is
part of Salzburg for us.’
The first meeting with Princess
‘Manni’ – ‘Our eyes met of course!’. Hete
Hünermann, the gallery owner and sister
of Gabriele Henkel, closely associated
with the Eickhoffs until her early death,
introduced the Düsseldorf fashion king to
the queen of Salzburg society in the bar
of the ‘Hirsch’. ‘We talked for a while,
and at the end she said, “I want to see
you again”.’
Eickhoff is a talented narrator. He
is a master of the art of light conversation – filling a whole evening. Because
despite all his sober and calculating business sense, he is a bon vivant. A serious
dreamer. A grown-up child.
This is perhaps the secret of his closeness to many artists. For example to the
actor Sebastian Koch (Other People’s
Lives). Because Eickhoff – like Koch –
combines enthusiasm for the respective
role with stringent demands on himself,
with discipline. And because he needs it
like all of them, like the air he breathes:
recognition. Applause.
In 2012, Alexander Pereira, another
friend, will ascend the throne in Salzburg.
And in actual fact, he will have to rule just
like the fashion magician on Königsallee.
Eickhoff once explained his success to
Vogue: ‘An instinct for style. Zeitgeist
and social context. Along with the courage to take risks, self-confidence and the
power of confrontation.’ All one could ask
from a director.
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