AQUANAUT: Schlauchboote für Taucher

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AQUANAUT: Schlauchboote für Taucher
A U S R Ü S T U N G
Schlauch boote
FÜR TAUCHER
in Boot vergrössert den Aktionsradius eines Tauchers erheblich: Mit
einem Boot sind viele Punkte auf
dem Wasser erreichbar, an die man von
den üblichen Einstiegsstellen aus niemals
gelangen würde. Zu den meisten Wracks
gelangt man nur vom Boot aus. Nach diversen organisierten Bootstauchgängen
fragt man sich irgendwann: Warum nicht
selbst ein Schlauchboot kaufen und in den
Urlaub mitnehmen? Wenn man sich die
Schlauchboote der Tauchbasen genauer
ansieht, stellt man allerdings fest: Nicht
nur ihrer Grösse wegen sind diese Arbeits-
E
boote nicht zum Zerlegen gedacht. Diese
„Tauchertaxis“ gehören meist zur Gattung
„RIB“ – „rigid inflatable boat“ – starres
aufblasbares Boot. Mit diesem Begriff
wird die Art von Schlauchbooten bezeichnet, die einen steifen, unteilbaren Boden
(meist aus GFK) mit fest montierten Tragschläuchen haben. Die „RIBs“ können
wie feste Boote nur auf einem Trailer
transportiert werden. „RIBs“ gibt es in
Dimensionen, für die der Ausdruck
Schlauchboot kaum noch angemessen ist:
Boote mit 250-PS-Antrieb, festem Steuerstand, Funk und Radar. Mit solchen Boo-
ten kann man fast alles machen – ausser
sie zu zerlegen. Boote mit durchgehend
festen Boden, der von den Luftschläuchen
trennbar ist („semi-rigid“), können noch
mit dem Auto transportiert werden; das
Bodenteil kommt dabei auf den Dachträger. Noch besser transportabel sind Modelle mit Plattenboden sowie mit Luftboden. Unbrauchbar für Bootstauchgänge
sind einfache Badeboote, die meist aus
PVC-Folie gefertigt werden. Bei den stabileren Booten wird beschichtetes PVC
oder Hypalon, ein synthetischer Kautschuk, verwendet.
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Unterwegs
zum Tauchplatz –
natürlich im
Schlauchboot.
Schlauchboote
dieser Grösse
und mit festen
Steuerstand können
praktisch nicht
mehr zusammengefaltet werden
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ZUERST MUSS MAN ÜBERLEGEN,
WELCHES BOOT MAN NOCH IN
DEN KOFFERRAUM BRINGT...
Schlauchboote, die sowohl „tauchertauglich“ wie auch transportabel sind, sind in
der Regel zwischen 2,50 und 4,80 Meter
lang. Mit der Länge wird das Aussenmass
bezeichnet – der nutzbare Innenraum ist
erheblich geringer. Je nach Typ können
Boote dieser Grösse mit Motoren bis zu
30 PS angetrieben werden. Von der angegebenen „zulässigen Personenzahl“ können Taucher getrost die Hälfte abziehen:
Inklusive Tauchausrüstungen ist ein 3,80
Meter langes Boot mit zwei oder drei Personen gut besetzt – auch wenn es für sechs
Personen zugelassen ist. Ein sehr wichtiges Kriterium beim Kauf eines
Schlauchbootes ist der Stauraum im Auto, der für den Transport des zusammengelegten Bootes zur Verfügung steht.
Und da kommt manches Auto schnell
an seine Grenzen. Nach dem Einladen
eines mittelgrossen Schlauchbootes, des
Aussenborders, der Tauchausrüstungen
und dem persönlichem Gepäck bleiben in
einem kleineren Pkw gerade noch die
beiden vorderen Sitze frei.
Letzte Absprachen
vor dem Wracktauchgang.
Als „Tauchertaxi“
sind solche Boote
sehr gut geeignet
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DIE VERSCHIEDENEN
SCHLAUCHBOOTTYPEN
Für die Stabilität, das Fahrverhalten, das
Gewicht und dementsprechend den Einsatzzweck eines Schlauchbootes ist der
Boden das entscheidende Kriterium. Abgesehen von den Lattenrostbooten sind
alle „aufgekimmt“, d.h. am Unterwasserschiff ist ein fester Kiel oder ein längslaufender Luftschlauch angebracht. Bei
manchen Air-Deck-Modellen ist der
Boden komplett V-förmig. Ohne Kiel
ist ein Boot nicht spurtreu. Bei Wellengang taucht es nicht in die Wellen ein,
sondern klatscht sehr unsanft auf die
Wasseroberfläche auf. Je V-förmiger das
Unterwasserschiff ist, desto besser ist
die Dämpfung beim Aufschlag auf die
Wellen. Grundsätzlich gilt: Ein „semirigid“-Boot mit festem Kiel teilt die Wellen besser und fährt dementsprechend
ruhiger als ein Boot mit Platten- oder
Air-Deck-Boden. Die Motorleistung entscheidet darüber, ob ein Boot als „Verdränger“ oder als „Gleiter“ fährt. Allerdings: Schon bei leichtem Wellengang
schlägt ein Boot in Gleitfahrt hart auf
die Wogen auf. Da ein Schlauchboot trotz
aller Aufkimmung einen flacheren Boden als ein festes Boot hat, wird dieser
Effekt in einem Schlauchboot besonders
störend empfunden. Je stärker der Wellengang ist, umso mehr muss man Geschwindigkeit zurücknehmen, sofern
man nicht die Rückenmuskulatur eines
Rodeo-Reiters hat.
Ein Lattenrostboden wird ausschliesslich für kleinere Boote verwendet, die
mit geringer Motorleistung angetrieben
werden. Boote mit Lattenrostboden werden mitunter als Roll-Up-Modelle bezeichnet. Vorteil des Lattenrostbodens
ist das geringe Gewicht: Ein 2,40 Meter
langes Schlauchboot mit Lattenrostboden wiegt (ohne Motor) weniger als 20
Kilogramm. Weitere Pluspunkte sind die
einfache Handhabung beim Auf- und
Abbau und die günstigen Herstellungskosten. Die Nachteile sind die geringe
Stabilität und Spurtreue des Bootes.
Am Lattenrostboden ist kein Kiel möglich
– bei stärkerem Wind fährt das Boot ebenso seitwärts wie vorwärts. Für Bootstauchgänge auf dem Meer kann ein
solches Schlauchboot nur bei absolut
ruhiger See verwendet werden.
Air-Deck-Modelle sind Boote mit einem
speziellen Luftboden. Diese Bodenfläche
besteht aus zwei Schichten, die innen lamellenartig miteinander verbunden sind.
Der Luftboden wird mit 0,8 bar, also mit
höherem Druck als die Tragschläuche befüllt (man benötigt dafür eine besondere
Luftpumpe) und erreicht so eine hohe Stabilität. Die Luftschläuche selbst werden
bei den Zodiac-Booten mit 0,3 bar
befüllt. Der grösste Vorteil des „AirDeck-Bodens“ gegenüber eines Plattenbodens ist das geringere Gewicht. Auch
der Zusammenbau des Bootes ist wesentlich einfacher und angenehmer, da keine
festen Teile verspannt werden müssen. Ein
Nachteil ist, dass ein Luftboden leichter
beschädigt werden kann als ein Holzboden. Auch können logischerweise keine
Transportkisten oder Halterungen für
Pressluftflaschen am Boden verschraubt
werden. Ein Luftbodenboot erreicht nicht
die Stabilität eines Plattenboden- oder
eines Festrumpfbootes. Dementsprechend
ist die Motorisierung begrenzt. Ein AirDeck-Boot, das bis 15 PS motorisiert
werden kann, wiegt circa 40 bis 55 kg.
Ein solches Boot ist ein brauchbarer
Kompromiss zwischen Gewicht und Seetüchtigkeit.
Ein Boden aus miteinander verbundenen Platten ist die häufigste Konstruktionsweise. Diese Platten werden meistens
am Rand mit einer Metallschiene versteift. Das Material der Bodenplatten ist
Marinesperrholz oder Aluminium. Aluminium hat die unangenehme Eigenschaft,
dass es bei starker Sonneneinstrahlung
Ein Schlauchboot
dieser Grösse ist
für etwa 3 Taucher
samt Ausrüstung
geeignet.
Der Aufbau
dauert etwa eine
halbe Stunde
sehr heiss werden kann. Aluminiumplatten sind etwas leichter als Holzplatten.
Sind die Platten aus Holz, so sind sie
meist mit einem Metallrahmen versehen.
Diese Bauweise sorgt für eine sehr hohe
Stabilität und lässt dementsprechend eine
hohe Motorleistung zu. Auch können auf
den Boden Ausrüstungsteile verschraubt
werden. Der Nachteil dieser Bauweise ist
das höhere Gewicht und der teilweise
schwierige Auf- und Abbau der Boote.
Dieser Aspekt darf nicht vernachlässigt
werden – man sollte sich vom Verkäufer
nicht nur das fertige Boot, sondern auch
den Aufbau zeigen lassen! Die Platten
benötigen zum Transport viel Platz – vor
dem Kauf muss man prüfen, ob die
Grundfläche des Pkw-Kofferraums ausreichend gross ist. Mit Plattenboden wiegt
ein 3,5 Meter langes Boot etwa 80 Kilogramm. Übrigens: Wer ein solches Boot
gebraucht kauft, sollte sich die Stellen genau ansehen, an denen die Kanten der
Bodenplatten die Luftkammern berühren.
Diese Punkte werden konstruktionsbedingt am meisten beansprucht und Reparaturen sind hier kaum möglich. Ziemlich
einzigartig ist die Konstruktion des
„Hobby“ der Firma Grabner. Dieses
Schlauchboot kann nämlich – je nach
Einsatzzweck und nach Motorleistung –
mit oder ohne Einlegeboden verwendet
«Manchmal treiben wir es
echt bunt hier in Gozo.
Schau mal vorbei»
Der Schwarm aus Marsalforn
Austrasse 50, CH-3175 Flamatt, 031-744 15 15 www.diveandtravel.ch [email protected]
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werden. Mit einem „Grundgewicht“ von
circa 38 Kilogramm ist das Boot recht
gut zu transportieren. Der opionale Einlegeboden wiegt allerdings weitere 27
Kilogramm.
DER MOTOR
Der grösste Vorteil der Zweitaktaussenborder ist das geringere Gewicht im Vergleich zu einem Viertaktmotor bei gleicher Leistung. Konkret heisst dies: ein
15-PS-Motor wiegt als Viertakter ca. 50
Kilogramm, als Zweitakter 35 kg. 30-PSMotoren bringen als Viertakter etwa
100 kg auf die Waage, als Zweitakter nur
50 kg. Auch der Wartungsaufwand ist geringer. Die Vorteile des Viertaktmotors
sind die geringere Lärmemission, der geringere Treibstoffverbrauch und die besseren Abgaswerte. Boote mit Zweitaktmotoren bekommen wegen ihres lauteren Geräusches grundsätzlich keine Bodenseezulassung. Die Form des Heckspiegels
des Bootes entscheidet darüber, ob ein
Aussenborder mit Langschaft (52 cm)
oder mit Kurzschaft (38 cm) gewählt werden muss. Ein Elektrostarter am Motor
benötigt als zusätzliches Bauteil den Anlasser und eine Batterie und erhöht damit
das Gewicht sowie das Packmass (und
den Preis.) Aussenborder ohne Elektrostarter werden über einen Handzug in Betrieb gesetzt – wie beim Rasenmäher. Der
Motor muss eine Reissleine haben, mit
welcher der Antrieb sofort abgeschaltet
wird. Die Angaben, welche Geschwindigkeit mit welcher Motorleistung erreicht
werden kann, schwanken je nach Hersteller erheblich. Mein eigenes Boot (Quicksilver 430 HD) erreicht mit einem 30-PSZweitakter bei absolut ruhiger See laut
GPS-Messung 25 Knoten (45 km/h).
Weitere Informationen gibt es bei den
Schlauchbootclubs:
www.wiking-schlauchbootclub.de
www.schlauchbootclub.de
www.schlauchbootclub.ch
Hersteller und Händler ohne Anspruch
auf Vollständigkeit:
www.allpa.nl I www.allroundmarin.com
www.pischel-bolero.de I www.deutsche-schlauchboot.de
www.esterel.de I www.jokerschlauchboote.de
www.koeser-marine.de I www.lankhorst-hohorst.de
www.marinepower.com I www.maxxon.de
www.nauticpro.de I www.ribline.de I www.plastimo.de
www.siegel-boote.de I www.sun-marine.de, www.suzuki.de
www.volvopenta.de I www.bonnke.de I www.keckeis.de
www.wikingschlauchboote.com I www.yamaha-motor.de
www.aquadutch.com I www.zodiac-kern.de
www.grabner-sports.at
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HERSTELLER UND PREISE
Die Preise für ein circa 2,5 Meter langes
Boot mit Rollboden liegen zwischen 750
und 1000 Euro. Ein 3,80 Meter langes
Boot mit Luftboden kostet circa zwischen
1700 und 4000 Euro. Bei einem 4,30 Meter langen Boot mit Plattenboden geht die
Preisspanne ungefähr von 3500 bis 5000
Euro. Ein 5-PS-Motor kommt auf etwa
1000 Euro, ein 15-PS-Motor auf ca. 2000
Euro und ein 30-PS-Motor auf 2500 Euro.
Bis 30 PS kann mit Pinnensteuerung gefahren werden. Für stärkere Motoren ist
eine Lenkradsteuerung nötig. Für den
Aufbau der Lenkradsteuerung samt den
Verbindungen zum Motor benötigt man
viel Zeit. Für transportable Boote kommt
dieses Bauteil damit faktisch nicht in Frage. Mit Verhandlungsgeschick oder beim
Kauf auf einer Messe kann der Endpreis
wesentlich tiefer liegen. Auch wird der
Preis meistens erheblich günstiger, wenn
man Boot und Motor zusammen kauft.
ZUBEHÖR
FÜRS SCHLAUCHBOOT
Wer sein Boot ausschliesslich auf einem
Trailer transportiert, kann entsprechend
„aufrüsten“: So ist eine Bügelsteuerung
mit Lenkrad und Einhebelschaltung angenehmer als die üblichen Pinnensteuerung
mit Gasdrehgriff. Auch eine feste Sitzbank, ein Jockeysteuerstand und eine
Windschutzscheibe sind empfehlenswert.
An einem Geräteträger können Positionslampen, Signalhörner, Flaggen und gegebenenfalls Antennen angebracht werden.
Alle diese Zubehörteile sind jedoch nicht
sinnvoll, wenn das Schlauchboot zum
Transport wieder abgebaut wird. Folgende Ausrüstungsteile sind für ein zerlegbares Boot nützlich: Eine Handpumpe ist
meistens im Lieferumfang enthalten.
Elektrische Pumpen sind dann sinnvoll,
wenn sie speziell für Schlauchboote (d.h.
für ein grosses Luftvolumen und für einen
begrenzten Druck) konstruiert sind. Paddel sind meist ebenfalls gleich beim Kauf
mit dabei. Da ein Schlauchboot inklusive
Motor und Tank je nach Bauart zwischen
80 und 200 Kilogramm wiegt, ist der
Transport an Land nicht so einfach. Heckräder oder Handwagen sind deshalb unerlässlich. Heckräder sind entweder dauerhaft am Boot angebracht und werden bei
Bedarf heruntergeklappt, oder sie können
in spezielle Vorrichtungen eingesteckt
werden. Klappbare Räder vergrössern das
Packmass des zusammengerollten Bootes.
Auf jeden Fall muss man auf eine stabile
Ausführung und auf die Breite der Räder
achten. Häufig wird man das Boot über
Sand ziehen – schmale Reifen sind hier
chancenlos. Sliprollen, d.h. mit Luft gefüllte Schläuche, die man unter das Boot
legt und dieses darüber wälzt, sind für eine sehr kurze Strecke ebenfalls geeignet.
Nicht nur für das Wracktauchen ist ein
Anker unerlässlich. Im Innerraum des
Schlauchbootes bleibt der Anker und die
Ankerkette trotz einer etwaigen Halterung
immer ein lästiges Ausrüstungsteil und ist
doch unverzichtbar. Besonders geeignet
sind Klappanker. Je schwerer die Anker
sind, umso besser „greift“ er. Ein Anker
muss mindestens 4 Kilogramm wiegen, 6
oder 8 Kilogramm sind besser. (Taucher
sind es ja gewöhnt, Gewichte zu schleppen.) Direkt am Anker sollte kein Seil
sondern eine Kette angebracht sein, der
sogenannte Kettenvorlauf. Beim Tauchen
vom Schlauchboot aus lässt man sich mit
einem elegantem Schwung nach hinten
fallen. Doch wie kommt man wieder hinein? In Taucherausrüstung ist es schwierig, ohne eine Badeleiter wieder ins Boot
zu kommen. Immerhin kann der Aussenborder – bei abgezogener Reissleine! – als
Tritthilfe verwendet werden. Strickleitern,
die seitlich über den Tragschlauch gelegt
werden, helfen nicht viel: Beim Aufstieg
werden sie unter das Boot gedrückt. Wer
nicht optimal trainierte Bauchmuskeln
hat, schafft es kaum, sich auf diese Weise
über den Tragschlauch zu robben. Man
muss daher genau prüfen, welche klappbare Leiter am Heckspiegel des jeweiligen
Bootes angebracht werden kann. Für viele
Bootstypen gibt es keine brauchbare
Badeleiter! Häufig ist durch örtliche Vorschriften das Mitführen von „Rettungsmitteln“ vorgeschrieben. In manchen Regionen (z.B. auf dem Gardasee) ist man
auch zum Mitführen von Signalmitteln,
Verbandskasten und Taschenlampe verpflichtend. Das wichtigste Kommunikationsmittel im Küstenbereich ist inzwischen das Handy. Die weltweit tätige
Rettungsleitstelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger erreicht man aus allen deutschen Handynetzen mit 124 124, vom Ausland aus mit
0049-421-53 68 70.
Die einzigen
festen Teile sind
die Sitzbretter.
Deshalb ist das
„Schlauch-Kanu“
in kaum 10 Minuten aufgebaut
NICHT FÜR TAUCHGÄNGE,
ABER FÜR TAUCHER MIT FAMILIE:
AUFBLASBARE KANUS
Und wenn man nicht nur Tauchen will –
oder vielmehr nicht immer Tauchen darf?
Genauer gesagt, wenn wie im Falle des
Autors die Töchter vehement (und berechtigt) die Ansicht vertreten, dass Papa sich
für sie ebenso Zeit nehmen sollte wie fürs
Tauchen? Gerade auch an den Wochenenden oder im Urlaub? Dann kann man
Ferien auf dem Bauernhof buchen. Wenn
aber der Papa nur ein sehr begrenztes
Interesse an Misthaufen und Kuhstall hat,
sondern auch mit Kindern jedenfalls relativ nahe an seinen Urlaubsträumen bleiben will? Dann sucht man sich eben einen
Kompromiss. Kleine Kinder kann man
nicht unter Wasser, aber natürlich aufs
Wasser mitnehmen. Genau das tun wir
auch und haben uns dafür das entsprechende Boot gekauft. Kanufahren ist eine
sehr familienfreundliche Sportart. Auf einem ruhigen Fluss können Kinder mitpaddeln oder auch einfach nur im Boot
sitzen, Enten und Vögel beobachten und
das fliessende Wasser hautnah erleben.
Nebenbei erwähnt gewöhnt man sie damit
an Wassersport und ebnet so den Weg dafür, dass sie in späteren Jahren zusammen
mit Papa tauchen wollen.
Taucher haben bei allen Aktivitäten am
Wasser zweifellos den Vorteil, dass sie
von der Materie – und von den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen – etwas
verstehen. (Man kennt ja den bösen
Spruch: Es gibt nur zwei Arten von Tauchern: Vernünftige Taucher und tote Taucher. Unter Kanuten hat sich das noch
nicht so herumgesprochen, aber auch unter denen gab es schon genügend traurige
Ereignisse.) Die wichtigste Regel ist ganz
klar: Kein Kind, dass nicht sehr gut
schwimmen kann, darf ohne passende(!)
Schwimmweste auf ein Boot. Abgesehen
davon sollte man bei jeder Art von Wassersport nur solche Ausrüstung einsetzen,
auf die man sich verlassen kann. Gerade
im „Spielzeugbereich“ auf dem Wasser
ist das häufig nicht der Fall! Wer etwas
von Schlauchbooten versteht, wird sich
zuerst genau überlegen, wo und zu welchem Zweck er das Boot verwenden wird.
Fürs Planschen im 800 Meter breiten Baggersee reicht ein PVC-Boot aus dem
Supermarkt für Euro 39,95. Ein bis zwei
Sommer lang wird man damit Spass haben. Wer auch auf Flüssen unterwegs sein
will, braucht natürlich ein Boot, das mit
Muskelkraft gut zu bewegen ist. Ein
Schlauchboot mit der herkömmlichen
Oval-Form kommt dafür nicht in Frage.
Man wird sich also für ein Paddelboot entscheiden, das mehr oder weniger die Form
eines Indianerkanus hat. Für den Einsatz
als „Familienkutsche“ muss das Boot
gross genug sein, dass die Kinder sich im
Boot bewegen können. Alle Boote mit
einzelnen Luken scheiden damit aus. Wer
Wert auf dauerhaftes Material legt, merkt
schnell: Sehr gross ist die Auswahl nicht.
Es gibt keinen deutschen Hersteller mehr,
der
aufblasbare
Kanus
herstellt.
Dafür recht viele „namenlose“ Anbieter
von Badebooten, meist aus Fernost oder
aus Tschechien. Wer als Taucher „richtige“ Schlauchboote gewöhnt ist, fragt natürlich zu Recht nach der Stabilität des
Bootes. „Normale“ Schlauchboote, die
mit Aussenborder ausgerüstet werden
können, sind jedenfalls insoweit geprüft,
dass man sie mit der angegebenen PSZahl motorisieren kann. Ein solches Kriterium fehlt natürlich bei den Nur-LuftBooten. Da alle aufblasbaren Paddelboote
keine festen Böden oder andere Versteifungen haben, wird die Stabilität allein
durch die Luftschläuche erzeugt – oder
auch nicht. Uns ist nur ein Hersteller bekannt, dessen aufblasbare Kanus mit dem
selben Luftdruck wie die Zodiac-Boote
befüllt werden. Die 0,3 bar sind zwar
deutlich weniger als der Druck in einem
Autoreifen – für den Schlauchbootbereich
ist das jedoch ganz ordentlich und reicht
aus, um dem Boot eine erhebliche Stabilität zu geben. Wenn ein No-name-Boot
nur mit 0,1 bar aufgeblasen werden darf,
so zeigt das recht deutlich, wie stabil der
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as „Adventure“ ist im Kanuten-Amtsdeutsch
ein „offener Canadier“, also ein Boot, das sitzend oder kniend mit Stechpaddel gefahren
wird. Ein klassisches Faltboot ist hingegen ein
„Zweier-Kajak“, das mit ausgestreckten Beinen in tieferer Sitzposition mit Doppelpaddel angetrieben wird.
Bevor man sich für einen Bootstyp entscheidet, sollte
man ausprobieren, ob man lieber Canadier oder Kajak
fährt. Für Familien mit kleinen Kindern sind offene Kanus zweifellos die beste Wahl. Es gibt zwar auch viersitzige Faltboote, doch in einem solchen Boot kann
keiner unterwegs den Platz wechseln oder andere
unterschiedliche „Sozial- und Kommunikationsformen“ wählen.
Klare Vorteile eines aufblasbaren Kanus gegenüber einem GFK-Boot oder einem Faltboot mit Holz- oder
Alugerippe: Der Transport ist erheblich leichter und
der Aufbau ist wesentlich einfacher. Alle Boote aus
glasfaserverstärktem Polyester können nur auf dem
Autodach oder auf einem Anhänger transportiert werden. Meist hat man in diesem Fall als „Buddy“ den
Ehepartner „zur Hand“. Sofern der – genauer gesagt
die – nicht als geübte Gewichtheberin die Techniken
„Reissen“ und „Stossen“ perfekt beherrscht, wird ihr
beim Kanuverladen bald die Lust vergehen. Denn insbesondere bei einem Auto mit hohem Dach kann es
äusserst mühsam werden, das Boot hochzuhieven –
zumal ein 4,80 Meter langes Kanu nicht nur schwer,
sondern auch äusserst unhandlich ist. Zur Problematik
mit dem Aufladen kommt der erheblich grössere Luftwiderstand beim Fahren. Und: Mit Kanu auf dem
Dach lässt sich bei vielen Kombis die Heckklappe nicht
mehr vollständig öffnen. Faltboote sind einfacher zu
transportieren. Aber auch bei einem Faltboot muss
man genau prüfen, ob das Kofferraumvolumen – samt
Urlaubsgepäck – dafür ausreicht. Der Aufbau eines
Faltbootes dauert länger als das Aufblasen eines Kanus. Auch muss der Aufbau der komplizierten Holzkonstruktion sorgfältig geübt werden. Neben dem
Packmass liegt auch das Gewicht eines Faltbootes höher als bei einem aufblasbaren Boot.
Gute Luftboote sind weit unempfindlicher als man
denkt. Entscheidend dafür ist natürlich das Material
der Bootshaut. Die Haut der Grabner-Boote besteht
aus drei Schichten: Die Aussenseite besteht aus Kautschuk-Hypalon, in der Mitte liegt ein Trägergewebe
aus Trevira und innen sorgt ein Butyl-Naturkautschukmischung für Luftdichtheit. PVC (Polyvinylchlorid)
hingegen hat eine sehr geringe Abriebfestigkeit. Da
hilft es auch nichts, wenn man dem PVC einen fantasievollen Markennamen verpasst. Bei Booten aus
PVC-Gewebe sind häufig auch die Verklebungen der
Nähte eine gefährliche Schwachstelle. Übrigens werden Paddelboote aller Art beim Ins-Wasser-lassen
über eine Böschung mehr strapaziert als im Fluss
selbst. Steine oder Äste im Flussbett stellen kein Problem dar. Gegen Gemeinheiten wie Angelhaken oder
gegen hochgradige Dummheit wie Brandlöcher durch
Zigaretten ist natürlich alles aufblasbare Material
machtlos. Aber selbst wenn – wie beim „Adventure
SL“ – tatsächlich einmal eine von drei Luftkammern
undicht würde, könnte das Boot noch lange nicht sinken, und der Schaden wäre auch schnell repariert.
D
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Hersteller die Nähte seines Bootes einschätzt. Es gibt aufblasbare Boote, deren
Haut nicht viel stärker als eine Plastiktüte
ist. Nebenbei: PVC wird nicht – anders
als manche Billiganbieter offensichtlich
denken – dadurch stabiler, dass man diesem Material einen wohlklingenden
Kunstnamen verpasst. Die Nähte, d.h. da,
wo die Luftschläuche zusammengeklebt
werden, sind bei allen Booten die übliche
Schwachstelle. Wie „fest“ ein aufblasbares Boot ist, hat auch erhebliche Konsequenzen für die Fahreigenschaften auf
dem Wasser. Ist das Boot zu weich, lässt
es sich schwerer steuern. Auch beim Vorwärtwärtspaddeln „versackt“ dann ein
Teil der Bewegung im Nachgeben des
Bootskörpers.
Unsere Wahl fiel auf das „Adventure SL“
der Firma Grabner, und zwar aus mehreren Gründen: Gross genug für eine vierköpfige Familie, leicht genug, dass Papa
das Boot allein tragen und verladen kann,
Da wir angesichts des Alters unserer
Kinder – Kathinka ist 2 Jahre alt, Emanuelle 31/2 wohl noch sehr lange Familientouren auf dem Wasser unternehmen
wollen, ist dies auf lange Sicht eine sinnvolle Investition. Billigmaterial dümpelt
auf dem Wasser schon genügend umher,
gerade auch bei Familien mit Kindern! An
unser Familienboot stelle ich ebenso hohe Anforderungen wie an ein grosses
Schlauchboot für Bootstauchgänge. Ans
„Adventure“ könnte man übrigens auch
eine Besegelung oder einen 3-PS-Aussenborder montieren. Doch fürs Fahren mit
Motor bevorzuge ich ein Zodiac mit mindestens 30 PS. Allerdings: Offensichtlich glauben unsere Töchter, dass es zwischen einem aufblasbaren Kanu und einem Schlauchboot mit Aussenborder
keinen wesentlichen Unterschied gibt,
jedenfalls was die Position der Antriebsmaschine angeht. Denn für sie ist es auch
im Kanu selbstverständlich, dass Papa
Wer ein Boot dabei hat,
kann den Familienspaziergang
aufs Wasser verlegen
steif genug im bewegten Wasser, weil man
es eben mit einem Druck von 0,3 bar aufblasen kann, stabile Lage im Wasser Dank
grossem Auftrieb auch in den seitlichen
Schläuchen und aus ein sehr stabiles Material. Dabei sind die Bordwände recht
hoch, was meinem Sicherheitsbedürfnis
als Vater zweier kleiner Töchter sehr entgegen kommt. Erstaunlicherweise – jedenfalls wenn man normale Schlauchboote gewöhnt ist – kann man das „Adventure“ sehr kompakt zusammenlegen. Klarer Nachteil aller Boote vom österreichischen Hersteller Grabner: Der Preis. Das
„Adventure SL“ kostet mit knapp 2200
Euro deutlich mehr als Boote aus Fernost.
Aber auch die Qualität ist deutlich anders.
hinten im Kanu für Vorwärtsfahrt und für
alle Lenkmanöver sorgt, während sie vorne auf den Passagierplätzen sitzen und
sich vergnügen. „Aktiv“ sind unsere
Töchter natürlich auch im Kanu, nämlich
mit ständig ihre Plätze tauschen, mit Essen und Trinken und Entenfüttern und mit
gelegentlichem „Paddelbaden“. Immerhin: Dem Urlaub auf dem Bauernhof sind
wir mit diesem Boot wohl erfolgreich entgangen, denn unsere Töchter haben zweifellos Spass am Wasser. Und das wird in
den kommenden Jahren zweifellos noch
„vertieft“ werden!
Text: Dr. Dietrich Hub
Fotos: Coelestina Lerch und
Dr. Dietrich Hub

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