AQUANAUT: Schlauchboote für Taucher
Transcription
AQUANAUT: Schlauchboote für Taucher
A U S R Ü S T U N G Schlauch boote FÜR TAUCHER in Boot vergrössert den Aktionsradius eines Tauchers erheblich: Mit einem Boot sind viele Punkte auf dem Wasser erreichbar, an die man von den üblichen Einstiegsstellen aus niemals gelangen würde. Zu den meisten Wracks gelangt man nur vom Boot aus. Nach diversen organisierten Bootstauchgängen fragt man sich irgendwann: Warum nicht selbst ein Schlauchboot kaufen und in den Urlaub mitnehmen? Wenn man sich die Schlauchboote der Tauchbasen genauer ansieht, stellt man allerdings fest: Nicht nur ihrer Grösse wegen sind diese Arbeits- E boote nicht zum Zerlegen gedacht. Diese „Tauchertaxis“ gehören meist zur Gattung „RIB“ – „rigid inflatable boat“ – starres aufblasbares Boot. Mit diesem Begriff wird die Art von Schlauchbooten bezeichnet, die einen steifen, unteilbaren Boden (meist aus GFK) mit fest montierten Tragschläuchen haben. Die „RIBs“ können wie feste Boote nur auf einem Trailer transportiert werden. „RIBs“ gibt es in Dimensionen, für die der Ausdruck Schlauchboot kaum noch angemessen ist: Boote mit 250-PS-Antrieb, festem Steuerstand, Funk und Radar. Mit solchen Boo- ten kann man fast alles machen – ausser sie zu zerlegen. Boote mit durchgehend festen Boden, der von den Luftschläuchen trennbar ist („semi-rigid“), können noch mit dem Auto transportiert werden; das Bodenteil kommt dabei auf den Dachträger. Noch besser transportabel sind Modelle mit Plattenboden sowie mit Luftboden. Unbrauchbar für Bootstauchgänge sind einfache Badeboote, die meist aus PVC-Folie gefertigt werden. Bei den stabileren Booten wird beschichtetes PVC oder Hypalon, ein synthetischer Kautschuk, verwendet. 1-2/2009 Aquanaut 67 Unterwegs zum Tauchplatz – natürlich im Schlauchboot. Schlauchboote dieser Grösse und mit festen Steuerstand können praktisch nicht mehr zusammengefaltet werden A U S R Ü S T U N G ZUERST MUSS MAN ÜBERLEGEN, WELCHES BOOT MAN NOCH IN DEN KOFFERRAUM BRINGT... Schlauchboote, die sowohl „tauchertauglich“ wie auch transportabel sind, sind in der Regel zwischen 2,50 und 4,80 Meter lang. Mit der Länge wird das Aussenmass bezeichnet – der nutzbare Innenraum ist erheblich geringer. Je nach Typ können Boote dieser Grösse mit Motoren bis zu 30 PS angetrieben werden. Von der angegebenen „zulässigen Personenzahl“ können Taucher getrost die Hälfte abziehen: Inklusive Tauchausrüstungen ist ein 3,80 Meter langes Boot mit zwei oder drei Personen gut besetzt – auch wenn es für sechs Personen zugelassen ist. Ein sehr wichtiges Kriterium beim Kauf eines Schlauchbootes ist der Stauraum im Auto, der für den Transport des zusammengelegten Bootes zur Verfügung steht. Und da kommt manches Auto schnell an seine Grenzen. Nach dem Einladen eines mittelgrossen Schlauchbootes, des Aussenborders, der Tauchausrüstungen und dem persönlichem Gepäck bleiben in einem kleineren Pkw gerade noch die beiden vorderen Sitze frei. Letzte Absprachen vor dem Wracktauchgang. Als „Tauchertaxi“ sind solche Boote sehr gut geeignet 68 Aquanaut 1-2/2009 DIE VERSCHIEDENEN SCHLAUCHBOOTTYPEN Für die Stabilität, das Fahrverhalten, das Gewicht und dementsprechend den Einsatzzweck eines Schlauchbootes ist der Boden das entscheidende Kriterium. Abgesehen von den Lattenrostbooten sind alle „aufgekimmt“, d.h. am Unterwasserschiff ist ein fester Kiel oder ein längslaufender Luftschlauch angebracht. Bei manchen Air-Deck-Modellen ist der Boden komplett V-förmig. Ohne Kiel ist ein Boot nicht spurtreu. Bei Wellengang taucht es nicht in die Wellen ein, sondern klatscht sehr unsanft auf die Wasseroberfläche auf. Je V-förmiger das Unterwasserschiff ist, desto besser ist die Dämpfung beim Aufschlag auf die Wellen. Grundsätzlich gilt: Ein „semirigid“-Boot mit festem Kiel teilt die Wellen besser und fährt dementsprechend ruhiger als ein Boot mit Platten- oder Air-Deck-Boden. Die Motorleistung entscheidet darüber, ob ein Boot als „Verdränger“ oder als „Gleiter“ fährt. Allerdings: Schon bei leichtem Wellengang schlägt ein Boot in Gleitfahrt hart auf die Wogen auf. Da ein Schlauchboot trotz aller Aufkimmung einen flacheren Boden als ein festes Boot hat, wird dieser Effekt in einem Schlauchboot besonders störend empfunden. Je stärker der Wellengang ist, umso mehr muss man Geschwindigkeit zurücknehmen, sofern man nicht die Rückenmuskulatur eines Rodeo-Reiters hat. Ein Lattenrostboden wird ausschliesslich für kleinere Boote verwendet, die mit geringer Motorleistung angetrieben werden. Boote mit Lattenrostboden werden mitunter als Roll-Up-Modelle bezeichnet. Vorteil des Lattenrostbodens ist das geringe Gewicht: Ein 2,40 Meter langes Schlauchboot mit Lattenrostboden wiegt (ohne Motor) weniger als 20 Kilogramm. Weitere Pluspunkte sind die einfache Handhabung beim Auf- und Abbau und die günstigen Herstellungskosten. Die Nachteile sind die geringe Stabilität und Spurtreue des Bootes. Am Lattenrostboden ist kein Kiel möglich – bei stärkerem Wind fährt das Boot ebenso seitwärts wie vorwärts. Für Bootstauchgänge auf dem Meer kann ein solches Schlauchboot nur bei absolut ruhiger See verwendet werden. Air-Deck-Modelle sind Boote mit einem speziellen Luftboden. Diese Bodenfläche besteht aus zwei Schichten, die innen lamellenartig miteinander verbunden sind. Der Luftboden wird mit 0,8 bar, also mit höherem Druck als die Tragschläuche befüllt (man benötigt dafür eine besondere Luftpumpe) und erreicht so eine hohe Stabilität. Die Luftschläuche selbst werden bei den Zodiac-Booten mit 0,3 bar befüllt. Der grösste Vorteil des „AirDeck-Bodens“ gegenüber eines Plattenbodens ist das geringere Gewicht. Auch der Zusammenbau des Bootes ist wesentlich einfacher und angenehmer, da keine festen Teile verspannt werden müssen. Ein Nachteil ist, dass ein Luftboden leichter beschädigt werden kann als ein Holzboden. Auch können logischerweise keine Transportkisten oder Halterungen für Pressluftflaschen am Boden verschraubt werden. Ein Luftbodenboot erreicht nicht die Stabilität eines Plattenboden- oder eines Festrumpfbootes. Dementsprechend ist die Motorisierung begrenzt. Ein AirDeck-Boot, das bis 15 PS motorisiert werden kann, wiegt circa 40 bis 55 kg. Ein solches Boot ist ein brauchbarer Kompromiss zwischen Gewicht und Seetüchtigkeit. Ein Boden aus miteinander verbundenen Platten ist die häufigste Konstruktionsweise. Diese Platten werden meistens am Rand mit einer Metallschiene versteift. Das Material der Bodenplatten ist Marinesperrholz oder Aluminium. Aluminium hat die unangenehme Eigenschaft, dass es bei starker Sonneneinstrahlung Ein Schlauchboot dieser Grösse ist für etwa 3 Taucher samt Ausrüstung geeignet. Der Aufbau dauert etwa eine halbe Stunde sehr heiss werden kann. Aluminiumplatten sind etwas leichter als Holzplatten. Sind die Platten aus Holz, so sind sie meist mit einem Metallrahmen versehen. Diese Bauweise sorgt für eine sehr hohe Stabilität und lässt dementsprechend eine hohe Motorleistung zu. Auch können auf den Boden Ausrüstungsteile verschraubt werden. Der Nachteil dieser Bauweise ist das höhere Gewicht und der teilweise schwierige Auf- und Abbau der Boote. Dieser Aspekt darf nicht vernachlässigt werden – man sollte sich vom Verkäufer nicht nur das fertige Boot, sondern auch den Aufbau zeigen lassen! Die Platten benötigen zum Transport viel Platz – vor dem Kauf muss man prüfen, ob die Grundfläche des Pkw-Kofferraums ausreichend gross ist. Mit Plattenboden wiegt ein 3,5 Meter langes Boot etwa 80 Kilogramm. Übrigens: Wer ein solches Boot gebraucht kauft, sollte sich die Stellen genau ansehen, an denen die Kanten der Bodenplatten die Luftkammern berühren. Diese Punkte werden konstruktionsbedingt am meisten beansprucht und Reparaturen sind hier kaum möglich. Ziemlich einzigartig ist die Konstruktion des „Hobby“ der Firma Grabner. Dieses Schlauchboot kann nämlich – je nach Einsatzzweck und nach Motorleistung – mit oder ohne Einlegeboden verwendet «Manchmal treiben wir es echt bunt hier in Gozo. Schau mal vorbei» Der Schwarm aus Marsalforn Austrasse 50, CH-3175 Flamatt, 031-744 15 15 www.diveandtravel.ch [email protected] 1-2/2009 Aquanaut 69 A U S R Ü S T U N G werden. Mit einem „Grundgewicht“ von circa 38 Kilogramm ist das Boot recht gut zu transportieren. Der opionale Einlegeboden wiegt allerdings weitere 27 Kilogramm. DER MOTOR Der grösste Vorteil der Zweitaktaussenborder ist das geringere Gewicht im Vergleich zu einem Viertaktmotor bei gleicher Leistung. Konkret heisst dies: ein 15-PS-Motor wiegt als Viertakter ca. 50 Kilogramm, als Zweitakter 35 kg. 30-PSMotoren bringen als Viertakter etwa 100 kg auf die Waage, als Zweitakter nur 50 kg. Auch der Wartungsaufwand ist geringer. Die Vorteile des Viertaktmotors sind die geringere Lärmemission, der geringere Treibstoffverbrauch und die besseren Abgaswerte. Boote mit Zweitaktmotoren bekommen wegen ihres lauteren Geräusches grundsätzlich keine Bodenseezulassung. Die Form des Heckspiegels des Bootes entscheidet darüber, ob ein Aussenborder mit Langschaft (52 cm) oder mit Kurzschaft (38 cm) gewählt werden muss. Ein Elektrostarter am Motor benötigt als zusätzliches Bauteil den Anlasser und eine Batterie und erhöht damit das Gewicht sowie das Packmass (und den Preis.) Aussenborder ohne Elektrostarter werden über einen Handzug in Betrieb gesetzt – wie beim Rasenmäher. Der Motor muss eine Reissleine haben, mit welcher der Antrieb sofort abgeschaltet wird. Die Angaben, welche Geschwindigkeit mit welcher Motorleistung erreicht werden kann, schwanken je nach Hersteller erheblich. Mein eigenes Boot (Quicksilver 430 HD) erreicht mit einem 30-PSZweitakter bei absolut ruhiger See laut GPS-Messung 25 Knoten (45 km/h). Weitere Informationen gibt es bei den Schlauchbootclubs: www.wiking-schlauchbootclub.de www.schlauchbootclub.de www.schlauchbootclub.ch Hersteller und Händler ohne Anspruch auf Vollständigkeit: www.allpa.nl I www.allroundmarin.com www.pischel-bolero.de I www.deutsche-schlauchboot.de www.esterel.de I www.jokerschlauchboote.de www.koeser-marine.de I www.lankhorst-hohorst.de www.marinepower.com I www.maxxon.de www.nauticpro.de I www.ribline.de I www.plastimo.de www.siegel-boote.de I www.sun-marine.de, www.suzuki.de www.volvopenta.de I www.bonnke.de I www.keckeis.de www.wikingschlauchboote.com I www.yamaha-motor.de www.aquadutch.com I www.zodiac-kern.de www.grabner-sports.at 70 Aquanaut 1-2/2009 HERSTELLER UND PREISE Die Preise für ein circa 2,5 Meter langes Boot mit Rollboden liegen zwischen 750 und 1000 Euro. Ein 3,80 Meter langes Boot mit Luftboden kostet circa zwischen 1700 und 4000 Euro. Bei einem 4,30 Meter langen Boot mit Plattenboden geht die Preisspanne ungefähr von 3500 bis 5000 Euro. Ein 5-PS-Motor kommt auf etwa 1000 Euro, ein 15-PS-Motor auf ca. 2000 Euro und ein 30-PS-Motor auf 2500 Euro. Bis 30 PS kann mit Pinnensteuerung gefahren werden. Für stärkere Motoren ist eine Lenkradsteuerung nötig. Für den Aufbau der Lenkradsteuerung samt den Verbindungen zum Motor benötigt man viel Zeit. Für transportable Boote kommt dieses Bauteil damit faktisch nicht in Frage. Mit Verhandlungsgeschick oder beim Kauf auf einer Messe kann der Endpreis wesentlich tiefer liegen. Auch wird der Preis meistens erheblich günstiger, wenn man Boot und Motor zusammen kauft. ZUBEHÖR FÜRS SCHLAUCHBOOT Wer sein Boot ausschliesslich auf einem Trailer transportiert, kann entsprechend „aufrüsten“: So ist eine Bügelsteuerung mit Lenkrad und Einhebelschaltung angenehmer als die üblichen Pinnensteuerung mit Gasdrehgriff. Auch eine feste Sitzbank, ein Jockeysteuerstand und eine Windschutzscheibe sind empfehlenswert. An einem Geräteträger können Positionslampen, Signalhörner, Flaggen und gegebenenfalls Antennen angebracht werden. Alle diese Zubehörteile sind jedoch nicht sinnvoll, wenn das Schlauchboot zum Transport wieder abgebaut wird. Folgende Ausrüstungsteile sind für ein zerlegbares Boot nützlich: Eine Handpumpe ist meistens im Lieferumfang enthalten. Elektrische Pumpen sind dann sinnvoll, wenn sie speziell für Schlauchboote (d.h. für ein grosses Luftvolumen und für einen begrenzten Druck) konstruiert sind. Paddel sind meist ebenfalls gleich beim Kauf mit dabei. Da ein Schlauchboot inklusive Motor und Tank je nach Bauart zwischen 80 und 200 Kilogramm wiegt, ist der Transport an Land nicht so einfach. Heckräder oder Handwagen sind deshalb unerlässlich. Heckräder sind entweder dauerhaft am Boot angebracht und werden bei Bedarf heruntergeklappt, oder sie können in spezielle Vorrichtungen eingesteckt werden. Klappbare Räder vergrössern das Packmass des zusammengerollten Bootes. Auf jeden Fall muss man auf eine stabile Ausführung und auf die Breite der Räder achten. Häufig wird man das Boot über Sand ziehen – schmale Reifen sind hier chancenlos. Sliprollen, d.h. mit Luft gefüllte Schläuche, die man unter das Boot legt und dieses darüber wälzt, sind für eine sehr kurze Strecke ebenfalls geeignet. Nicht nur für das Wracktauchen ist ein Anker unerlässlich. Im Innerraum des Schlauchbootes bleibt der Anker und die Ankerkette trotz einer etwaigen Halterung immer ein lästiges Ausrüstungsteil und ist doch unverzichtbar. Besonders geeignet sind Klappanker. Je schwerer die Anker sind, umso besser „greift“ er. Ein Anker muss mindestens 4 Kilogramm wiegen, 6 oder 8 Kilogramm sind besser. (Taucher sind es ja gewöhnt, Gewichte zu schleppen.) Direkt am Anker sollte kein Seil sondern eine Kette angebracht sein, der sogenannte Kettenvorlauf. Beim Tauchen vom Schlauchboot aus lässt man sich mit einem elegantem Schwung nach hinten fallen. Doch wie kommt man wieder hinein? In Taucherausrüstung ist es schwierig, ohne eine Badeleiter wieder ins Boot zu kommen. Immerhin kann der Aussenborder – bei abgezogener Reissleine! – als Tritthilfe verwendet werden. Strickleitern, die seitlich über den Tragschlauch gelegt werden, helfen nicht viel: Beim Aufstieg werden sie unter das Boot gedrückt. Wer nicht optimal trainierte Bauchmuskeln hat, schafft es kaum, sich auf diese Weise über den Tragschlauch zu robben. Man muss daher genau prüfen, welche klappbare Leiter am Heckspiegel des jeweiligen Bootes angebracht werden kann. Für viele Bootstypen gibt es keine brauchbare Badeleiter! Häufig ist durch örtliche Vorschriften das Mitführen von „Rettungsmitteln“ vorgeschrieben. In manchen Regionen (z.B. auf dem Gardasee) ist man auch zum Mitführen von Signalmitteln, Verbandskasten und Taschenlampe verpflichtend. Das wichtigste Kommunikationsmittel im Küstenbereich ist inzwischen das Handy. Die weltweit tätige Rettungsleitstelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger erreicht man aus allen deutschen Handynetzen mit 124 124, vom Ausland aus mit 0049-421-53 68 70. Die einzigen festen Teile sind die Sitzbretter. Deshalb ist das „Schlauch-Kanu“ in kaum 10 Minuten aufgebaut NICHT FÜR TAUCHGÄNGE, ABER FÜR TAUCHER MIT FAMILIE: AUFBLASBARE KANUS Und wenn man nicht nur Tauchen will – oder vielmehr nicht immer Tauchen darf? Genauer gesagt, wenn wie im Falle des Autors die Töchter vehement (und berechtigt) die Ansicht vertreten, dass Papa sich für sie ebenso Zeit nehmen sollte wie fürs Tauchen? Gerade auch an den Wochenenden oder im Urlaub? Dann kann man Ferien auf dem Bauernhof buchen. Wenn aber der Papa nur ein sehr begrenztes Interesse an Misthaufen und Kuhstall hat, sondern auch mit Kindern jedenfalls relativ nahe an seinen Urlaubsträumen bleiben will? Dann sucht man sich eben einen Kompromiss. Kleine Kinder kann man nicht unter Wasser, aber natürlich aufs Wasser mitnehmen. Genau das tun wir auch und haben uns dafür das entsprechende Boot gekauft. Kanufahren ist eine sehr familienfreundliche Sportart. Auf einem ruhigen Fluss können Kinder mitpaddeln oder auch einfach nur im Boot sitzen, Enten und Vögel beobachten und das fliessende Wasser hautnah erleben. Nebenbei erwähnt gewöhnt man sie damit an Wassersport und ebnet so den Weg dafür, dass sie in späteren Jahren zusammen mit Papa tauchen wollen. Taucher haben bei allen Aktivitäten am Wasser zweifellos den Vorteil, dass sie von der Materie – und von den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen – etwas verstehen. (Man kennt ja den bösen Spruch: Es gibt nur zwei Arten von Tauchern: Vernünftige Taucher und tote Taucher. Unter Kanuten hat sich das noch nicht so herumgesprochen, aber auch unter denen gab es schon genügend traurige Ereignisse.) Die wichtigste Regel ist ganz klar: Kein Kind, dass nicht sehr gut schwimmen kann, darf ohne passende(!) Schwimmweste auf ein Boot. Abgesehen davon sollte man bei jeder Art von Wassersport nur solche Ausrüstung einsetzen, auf die man sich verlassen kann. Gerade im „Spielzeugbereich“ auf dem Wasser ist das häufig nicht der Fall! Wer etwas von Schlauchbooten versteht, wird sich zuerst genau überlegen, wo und zu welchem Zweck er das Boot verwenden wird. Fürs Planschen im 800 Meter breiten Baggersee reicht ein PVC-Boot aus dem Supermarkt für Euro 39,95. Ein bis zwei Sommer lang wird man damit Spass haben. Wer auch auf Flüssen unterwegs sein will, braucht natürlich ein Boot, das mit Muskelkraft gut zu bewegen ist. Ein Schlauchboot mit der herkömmlichen Oval-Form kommt dafür nicht in Frage. Man wird sich also für ein Paddelboot entscheiden, das mehr oder weniger die Form eines Indianerkanus hat. Für den Einsatz als „Familienkutsche“ muss das Boot gross genug sein, dass die Kinder sich im Boot bewegen können. Alle Boote mit einzelnen Luken scheiden damit aus. Wer Wert auf dauerhaftes Material legt, merkt schnell: Sehr gross ist die Auswahl nicht. Es gibt keinen deutschen Hersteller mehr, der aufblasbare Kanus herstellt. Dafür recht viele „namenlose“ Anbieter von Badebooten, meist aus Fernost oder aus Tschechien. Wer als Taucher „richtige“ Schlauchboote gewöhnt ist, fragt natürlich zu Recht nach der Stabilität des Bootes. „Normale“ Schlauchboote, die mit Aussenborder ausgerüstet werden können, sind jedenfalls insoweit geprüft, dass man sie mit der angegebenen PSZahl motorisieren kann. Ein solches Kriterium fehlt natürlich bei den Nur-LuftBooten. Da alle aufblasbaren Paddelboote keine festen Böden oder andere Versteifungen haben, wird die Stabilität allein durch die Luftschläuche erzeugt – oder auch nicht. Uns ist nur ein Hersteller bekannt, dessen aufblasbare Kanus mit dem selben Luftdruck wie die Zodiac-Boote befüllt werden. Die 0,3 bar sind zwar deutlich weniger als der Druck in einem Autoreifen – für den Schlauchbootbereich ist das jedoch ganz ordentlich und reicht aus, um dem Boot eine erhebliche Stabilität zu geben. Wenn ein No-name-Boot nur mit 0,1 bar aufgeblasen werden darf, so zeigt das recht deutlich, wie stabil der 1-2/2009 Aquanaut 71 A U S R Ü S T U N G as „Adventure“ ist im Kanuten-Amtsdeutsch ein „offener Canadier“, also ein Boot, das sitzend oder kniend mit Stechpaddel gefahren wird. Ein klassisches Faltboot ist hingegen ein „Zweier-Kajak“, das mit ausgestreckten Beinen in tieferer Sitzposition mit Doppelpaddel angetrieben wird. Bevor man sich für einen Bootstyp entscheidet, sollte man ausprobieren, ob man lieber Canadier oder Kajak fährt. Für Familien mit kleinen Kindern sind offene Kanus zweifellos die beste Wahl. Es gibt zwar auch viersitzige Faltboote, doch in einem solchen Boot kann keiner unterwegs den Platz wechseln oder andere unterschiedliche „Sozial- und Kommunikationsformen“ wählen. Klare Vorteile eines aufblasbaren Kanus gegenüber einem GFK-Boot oder einem Faltboot mit Holz- oder Alugerippe: Der Transport ist erheblich leichter und der Aufbau ist wesentlich einfacher. Alle Boote aus glasfaserverstärktem Polyester können nur auf dem Autodach oder auf einem Anhänger transportiert werden. Meist hat man in diesem Fall als „Buddy“ den Ehepartner „zur Hand“. Sofern der – genauer gesagt die – nicht als geübte Gewichtheberin die Techniken „Reissen“ und „Stossen“ perfekt beherrscht, wird ihr beim Kanuverladen bald die Lust vergehen. Denn insbesondere bei einem Auto mit hohem Dach kann es äusserst mühsam werden, das Boot hochzuhieven – zumal ein 4,80 Meter langes Kanu nicht nur schwer, sondern auch äusserst unhandlich ist. Zur Problematik mit dem Aufladen kommt der erheblich grössere Luftwiderstand beim Fahren. Und: Mit Kanu auf dem Dach lässt sich bei vielen Kombis die Heckklappe nicht mehr vollständig öffnen. Faltboote sind einfacher zu transportieren. Aber auch bei einem Faltboot muss man genau prüfen, ob das Kofferraumvolumen – samt Urlaubsgepäck – dafür ausreicht. Der Aufbau eines Faltbootes dauert länger als das Aufblasen eines Kanus. Auch muss der Aufbau der komplizierten Holzkonstruktion sorgfältig geübt werden. Neben dem Packmass liegt auch das Gewicht eines Faltbootes höher als bei einem aufblasbaren Boot. Gute Luftboote sind weit unempfindlicher als man denkt. Entscheidend dafür ist natürlich das Material der Bootshaut. Die Haut der Grabner-Boote besteht aus drei Schichten: Die Aussenseite besteht aus Kautschuk-Hypalon, in der Mitte liegt ein Trägergewebe aus Trevira und innen sorgt ein Butyl-Naturkautschukmischung für Luftdichtheit. PVC (Polyvinylchlorid) hingegen hat eine sehr geringe Abriebfestigkeit. Da hilft es auch nichts, wenn man dem PVC einen fantasievollen Markennamen verpasst. Bei Booten aus PVC-Gewebe sind häufig auch die Verklebungen der Nähte eine gefährliche Schwachstelle. Übrigens werden Paddelboote aller Art beim Ins-Wasser-lassen über eine Böschung mehr strapaziert als im Fluss selbst. Steine oder Äste im Flussbett stellen kein Problem dar. Gegen Gemeinheiten wie Angelhaken oder gegen hochgradige Dummheit wie Brandlöcher durch Zigaretten ist natürlich alles aufblasbare Material machtlos. Aber selbst wenn – wie beim „Adventure SL“ – tatsächlich einmal eine von drei Luftkammern undicht würde, könnte das Boot noch lange nicht sinken, und der Schaden wäre auch schnell repariert. D 72 Aquanaut 1-2/2009 Hersteller die Nähte seines Bootes einschätzt. Es gibt aufblasbare Boote, deren Haut nicht viel stärker als eine Plastiktüte ist. Nebenbei: PVC wird nicht – anders als manche Billiganbieter offensichtlich denken – dadurch stabiler, dass man diesem Material einen wohlklingenden Kunstnamen verpasst. Die Nähte, d.h. da, wo die Luftschläuche zusammengeklebt werden, sind bei allen Booten die übliche Schwachstelle. Wie „fest“ ein aufblasbares Boot ist, hat auch erhebliche Konsequenzen für die Fahreigenschaften auf dem Wasser. Ist das Boot zu weich, lässt es sich schwerer steuern. Auch beim Vorwärtwärtspaddeln „versackt“ dann ein Teil der Bewegung im Nachgeben des Bootskörpers. Unsere Wahl fiel auf das „Adventure SL“ der Firma Grabner, und zwar aus mehreren Gründen: Gross genug für eine vierköpfige Familie, leicht genug, dass Papa das Boot allein tragen und verladen kann, Da wir angesichts des Alters unserer Kinder – Kathinka ist 2 Jahre alt, Emanuelle 31/2 wohl noch sehr lange Familientouren auf dem Wasser unternehmen wollen, ist dies auf lange Sicht eine sinnvolle Investition. Billigmaterial dümpelt auf dem Wasser schon genügend umher, gerade auch bei Familien mit Kindern! An unser Familienboot stelle ich ebenso hohe Anforderungen wie an ein grosses Schlauchboot für Bootstauchgänge. Ans „Adventure“ könnte man übrigens auch eine Besegelung oder einen 3-PS-Aussenborder montieren. Doch fürs Fahren mit Motor bevorzuge ich ein Zodiac mit mindestens 30 PS. Allerdings: Offensichtlich glauben unsere Töchter, dass es zwischen einem aufblasbaren Kanu und einem Schlauchboot mit Aussenborder keinen wesentlichen Unterschied gibt, jedenfalls was die Position der Antriebsmaschine angeht. Denn für sie ist es auch im Kanu selbstverständlich, dass Papa Wer ein Boot dabei hat, kann den Familienspaziergang aufs Wasser verlegen steif genug im bewegten Wasser, weil man es eben mit einem Druck von 0,3 bar aufblasen kann, stabile Lage im Wasser Dank grossem Auftrieb auch in den seitlichen Schläuchen und aus ein sehr stabiles Material. Dabei sind die Bordwände recht hoch, was meinem Sicherheitsbedürfnis als Vater zweier kleiner Töchter sehr entgegen kommt. Erstaunlicherweise – jedenfalls wenn man normale Schlauchboote gewöhnt ist – kann man das „Adventure“ sehr kompakt zusammenlegen. Klarer Nachteil aller Boote vom österreichischen Hersteller Grabner: Der Preis. Das „Adventure SL“ kostet mit knapp 2200 Euro deutlich mehr als Boote aus Fernost. Aber auch die Qualität ist deutlich anders. hinten im Kanu für Vorwärtsfahrt und für alle Lenkmanöver sorgt, während sie vorne auf den Passagierplätzen sitzen und sich vergnügen. „Aktiv“ sind unsere Töchter natürlich auch im Kanu, nämlich mit ständig ihre Plätze tauschen, mit Essen und Trinken und Entenfüttern und mit gelegentlichem „Paddelbaden“. Immerhin: Dem Urlaub auf dem Bauernhof sind wir mit diesem Boot wohl erfolgreich entgangen, denn unsere Töchter haben zweifellos Spass am Wasser. Und das wird in den kommenden Jahren zweifellos noch „vertieft“ werden! Text: Dr. Dietrich Hub Fotos: Coelestina Lerch und Dr. Dietrich Hub