Spiritualität - von Martin Ludwig

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Spiritualität - von Martin Ludwig
Martin Ludwig
Referat
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Philipps-Universität Marburg
FB 03 - Gesellschaftswissenschaften und Philosophie
Studiengang B. A. Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaften
Wintersemester 2009/2010
Religionswissenschaft
SE: Religiöse Pluralität in Afrika. Das Fallbeispiel Äthiopien.
Leitung: Dr. Konstanze Runge
Essay
Abgabe: 25.11.2009
Rastafari als Ausdruck afrikanischer Spiritualität
Martin Ludwig
Matrikelnummer: 2208580
Ernst-Lemmer-Straße 101
B. A. Vergleichende Kultur- und
35041 Marburg
Religionswissenschaften
[email protected]
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Einleitung
Im folgenden Beitrag werde ich die afrikanische Religionsbewegung der Rastafari
untersuchen und erläutern. Dies geschieht im weiteren Rahmen durch die Darlegung der
Hintergründe und Bestandteile dieser Religion, die gerade im afrikanischen Kulturkreis als
Ausdruck afrikanischer Spiritualität gilt. „We Africans will fight - we find it necessary; - and
we know we shall win as we are confident in the victory of good over evil. “1 , sang der
jamaikanische Sänger Bob Marley 1976, da er, wie in vielen seiner zahlreichen Lieder, auch
hier die Botschaft der Rastafari-Bewegung verbreitete. Im westlichen Kulturkreis wird die
Lebensweise dieser religiösen Gruppierung mehr als kritisch beäugt. Auf viele
Außenstehende wirken die Leitgestalten und ihre Visionen, aber auch die bevorzugte
Lebensweise mehr als skurril. Rastafari wird häufig mit der Reggae-Musik oder dem
exzessiven Marihuana-Konsum in Verbindung gebracht.2 Dennoch ist Rastafari mehr als eine
Kampfansage. Es ist daher nicht ratsam, exotische Religionen von vornherein abzulehnen und
zu verallgemeinern. Was unter dem Begriff „Rastafari“ zusammengefasst wird, entpuppt sich
bei genauerer Untersuchung als ein vielfältiges Phänomen mit unterschiedlichen Riten und
einer transzendenten Lebenseinstellung. Eine genaue Differenzierung ist also notwendig, um
eine sachlich richtige Beschreibung sowie ein daraus resultierendes aussagekräftiges
Gesamtbild erstellen zu können. Ich werde zum allgemeinen Verständnis die historische
Entwicklung darstellen, ehe ich den Zusammenhang zwischen der Glaubensstruktur und
afrikanischer Spiritualität darlege. Für diese Thematik steht umfangreiches Arbeitsmaterial
zur Verfügung. Ich werde daher sowohl auf die einschlägige wissenschaftliche Sachliteratur
zu diesem Thema zurückgreifen, als auch Internetquellen zu diesem Thema verwenden. Ich
hatte mich in der Vergangenheit hauptsächlich mit der voodooistischen Religion der
Westafrikaner auseinandergesetzt, es ist also eine interessante Erfahrung, einmal eine andere
afrikanische Weltanschauung zu untersuchen. Daher hatte ich ein großes Interesse daran, im
Rahmen des Seminars „Religiöse Pluralität in Afrika. Das Fallbeispiel Äthiopien.“ mich mit
einer solchen Religion im Kontext Äthiopiens auseinanderzusetzen.
1
Quelle: Marley, Bob: War, http://www.songtexte.bz/55771--War-songtexte.html (07.11.09)
Quelle: vgl. Schmid, Georg: Rastafari – Bewegung aus Babylon, http://www.relinfo.ch/rastafari/info.html
(07.11.09)
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Was bedeutet „Rastafari“?
Der Begriff „Rastafari“ ist eine Ableitung vom Geburtsnamen des ehemaligen äthiopischen
Kaisers Haile Selassie, dessen bürgerlicher Name Ras Tafari Makonnen war. Als dieser am
02.11.1930 zum Kaiser von Äthiopien gekrönt wurde, war es für die afrikanischen
Straßenprediger den Anlass, die Rastafari-Bewegung ins Leben zu rufen. Sie beriefen sich
dabei auf die Prophezeiung des religiös-motivierten Nationalisten Marcus Mosiah Garvey, der
bereits 1916 die Krönung eines schwarzen Monarchen in Afrika vorhersagte und dabei die
Befreiung der afrikanischen Bevölkerung von der Vorherrschaft der Weißen verkündete.
Auch das Ras Tafari Makonnen sich den Herrschertitel Haile Selassie (Kraft der Dreieinigkeit)
gab und damit eine Verknüpfung zur biblischen Offenbarung des Johannes herstellte, wurde
als göttliches Zeichen gewertet.
3
Der hauptsächliche Zweck dieser Religion ist die
ideologische Befreiung von der weißen Vorherrschaft sowie der körperlichen oder spirituellen
Rückkehr nach Afrika. Vorerst fand die heterogene und dynamische Rastafari-Bewegung
allenfalls in der jamaikanischen Unterschicht ihre Anhänger. Der Grund hierfür waren die
sozialen Spannungen, die aufgrund der damaligen Weltwirtschaftskrise auch vor der
britischen Kolonie Jamaika nicht Halt machte. Eine enorme Arbeitslosigkeit, fehlende
Mitbestimmungsrechte und die rapide fortschreitende Verarmung der schwarzen Bevölkerung
wirkten als Katalysator für die ohnehin schon konfliktgezeichnete gesellschaftliche Situation.
Es kam 1938 zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Unterschicht und der Regierung,
welche der britischen Regierung klar machten, wie bedrohlich die Rastafaris für ihre
politische Kontrolle über Jamaika geworden waren. Aufgrund der wachsenden Popularität
war es der britischen Regierung jedoch nicht möglich, die Rastafari-Bewegung durch Verbote
oder Polizeigewalt einzudämmen oder auszuschalten. In den 60er Jahren hielt sich die
Rastafari-Bewegung längst nicht mehr in der Unterschicht auf, sondern hatte seinen Einfluss
auf alle gesellschaftlichen Schichten ausgeweitet. Weder die Unabhängigkeit Jamaikas 1962,
noch der Tod Haile Selassies 1975 bedeuteten ein Ende dieser Bewegung, im Gegenteil. Der
Kampf für die Gleichberechtigung der afrikanischen Bevölkerung auf der ganzen Welt, sowie
die spirituelle und körperliche Rückkehr zu den afrikanischen Wurzeln ist für die Rastafaris
längst noch nicht abgeschlossen.4 Der Rastafarismus selbst ist eine Mischung aus christlichen
Werten und afrikanischer Weltanschauung. So stellt er keine eigenständige Religion, sondern
viel mehr eine Strömung im Christentum dar. Kernelement dieser Strömung ist die
3
Quelle: vgl. Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991, S.
21-26 und Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 14-15
4
Quelle: vgl.: Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 15-31
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Rückbesinnung auf afrikanische Wurzeln, was sich mit der Historie und dem
Selbstverständnis der Afrikaner begründen lässt.
Rückbesinnung auf afrikanische Wurzeln
Im Zuge des Kolonialismus wurden ab Beginn des 16. Jahrhunderts viele afrikanische
Menschen aus ihren Dorfgemeinschaften gerissen und als Sklaven an europäische Händler
verkauft. Obwohl die Kolonisten sie intensiv zum christlichen Glauben zwangen, versuchten
die Sklaven sowohl an ihrer ursprünglichen Religion, als auch an ihrer eigenen traditionellen
Identität festzuhalten. Die besondere Schwere der Versklavung und Zwangsmissionierung
und der damit einhergehenden Schändung der afrikanischen Kultur, lässt sich unter anderen
damit begründen, dass die Afrikaner ein sehr starkreligiöses Volk sind und ihre Religion eines
der stärksten Elemente in ihrem Leben ist. Die afrikanische Weltanschauung beinhaltet ein
Ausfüllen der Religion in allen Lebensbereichen, ohne dass eine weltliche und spirituelle
Trennung vorgenommen wird. Die Afrikaner und ihre Religion sind untrennbar miteinander
verbunden und eine Lossagung von ihrer Religion hat den Verlust ihrer Identität zur Folge.5
Die Kolonisten waren auf die Arbeitskraft der Sklaven angewiesen, da sie durch
eingeschleppte Krankheiten und Zwangsarbeit die Bevölkerung der neuen amerikanischen
und karibischen Kolonien stark dezimiert hatten und nun eine Vielzahl an neuen und billigen
Arbeitskräften benötigten. Zusammen mit den Sklaven kam auch ihre Religion in die
Kolonien und etablierte sich besonders stark in Haiti. Die Kolonialherren verboten die
Naturreligion der Sklaven und ordneten eine systematische Zwangsmissionierung an. Da die
Sklaven durch Folter und Brandmarkung bestraft wurden, wenn sie ihre Religion weiter
ausübten, mussten sie auf zahlreichen Tricks zurückgreifen, um ihre religiösen Rituale
heimlich beizubehalten. Sie tarnten ihre Rituale als Haushaltsaktivitäten oder sangen
christliche Lieder zu alten afrikanischen Rhythmen. Die Sklaven beugten sich den christlichen
Ritualen, lebten aber ihre Religion weiterhin unter dem christlichen Tarnmantel unbemerkt
aus. Die Angst der Kolonialherren vor der Afrikanischen Spiritualität rührt daher, dass eine
Vielzahl von Sklaven religiöse Praktiken (darunter auch voodooistische Rituale) zum Schaden
ihrer Unterdrücker einsetzten. Ab dem 18. Jahrhundert gab es vermehrt blutige
Auseinandersetzungen zwischen nationalistischen Afrikanern und den konservativen
Kolonialherren, die in einem Aufstand zahlreicher Kolonien gipfelte und schließlich zu der
Unabhängigkeit Haitis um 1804 führte. Die katholische Kirche war jedoch nicht bereit, ihren
Einfluss aufzugeben und verfolgte weiterhin sowohl die afrikanischen Religionen, als auch
5
Quelle: vgl. Mbiti, John S.: Afrikanische Religion und Weltanschauung, Walter de Gruyter Verlag,
Berlin 1974, S. 1-7
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deren Vermischung mit dem Christentum. Mit dem unaufhaltsamen Wachstum von
Unabhängigkeitsbewegungen, wie am Rastafarismus zu sehen ist, gelang es den ehemaligen
Sklaven zumindest zum Teil zu ihren Traditionen und ihren religiösen Identitäten
zurückzukehren.6
Glaubensstruktur der Rastafari
Rastafari selbst ist weniger eine Rückkehr zu den religiösen ursprünglichen Identitäten der
Afrikaner, sondern viel mehr ein Ausdruck afrikanischer Spiritualität. Eine vollständige
Rückkehr ist nahezu unmöglich, da auch die Sklaverei und Missionierung identitätsstiftend
war. Der heutige Afrikaner ist einerseits von seinem kulturellen Erbe durchdrungen, aber auch
durch sein jahrzehntelanges Leiden geprägt. Auch wenn das Christentum nicht zur
traditionellen Religion ihrer Vorfahren gehörte, haben die Afrikaner hier ein Gleichgewicht
zwischen Christentum und afrikanischer Religion gefunden.7 Die ursprünglichen ethnischen
Religionen kannten keine Heiligen Schriften, da ihre Mythen auf mündlicher Tradierung
beruhten.8 Inzwischen scheinen die Rastafaris viel zu sehr im Christentum verankert zu sein,
als das sie zu ihren traditionellen Mythen zurückkehren könnten. Da das traditionelle
Christentum für sie jedoch nur eine Version des weißen Mannes darstellt, mussten sie
zwangsläufig ihre eigene Version von der biblischen Offenbarung ableiten. Dies geschieht
durch eine Exegese, die sich völlig von der kirchlich gebundenen Bibelwissenschaft abgrenzt.
Da schwarze und weiße Völker niemals dieselbe physische Umwelt oder dieselben sozialen
Erfahrungen geteilt haben, liegt der Bibel-Auslegung der Rastafaris ein völlig anderes
Wirklichkeitsverständnis zugrunde. Die Bibel gilt als ein Werk voller Symbole, die
entschlüsselt und auf das Leben der Gemeinschaft übertragen werden müssen oder sogar eine
historische Selbstidentifikation mit ihrer eigenen Vergangenheit darstellen. So gilt die
babylonische
Gefangenschaft
der
Israeliten
als
Synonym
für
das
westliche
Gesellschaftssystem, welches die afrikanischen Vorfahren ebenso verschleppt und versklavt
haben soll, wie die Babylonier mit den Israeliten verfahren sind. Die Rastafaris glauben in
diesem Babylon-System schädliche Einflüsse, wie Materialismus, Korruption, Unterdrückung
sowie Rassismus zu erkennen und versuchen sich davon zu befreien. Die religiöse Praxis
ethnischer Religionen ist pragmatisch ausgerichtete, das heißt es werden nur solche Kräfte
verehrt, die helfen können und auch helfen sollen. Die Anhänger des Rastafarismus vertreten
6
Quelle: vgl. Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991, S.
5-20
7
Quelle: vgl. Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 34-37
8
Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279
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eine Version des Christentums, die sich auf das Leben bezieht und ihre Anhänger nicht auf
das Jenseits vertröstet. Sie sind davon überzeugt, dass das westliche Gesellschaftssystem sie
zu überzeugen versucht, Gott im Jenseits zu suchen. Die Rastafaris jedoch suchen Gott in sich
selbst und glauben an das Reich Gottes auf Erden, das sie bereits im Diesseits erwartet. Das
religiöse Leben bezieht sich nicht auf den Glauben an einen an einen Gott, sondern auf das
direkte Erfahren des Göttlichen. So spielt Jesus Christus, wie es im Christentum üblich ist,
auch bei ihnen eine zentrale Rolle, wenn auch sein Auftreten anders gedeutet wird. Sein erstes
Auftreten sollte die Weißen beeindrucken und dem Göttlichen, so wie sie es erfahren, ein
Stück näher bringen. Gleichzeitig wollte er sie darauf vorbereiten, dass er als Afrikaner
zurückkehren und in Afrika ein göttliches Reich schaffen würde. 9 Somit ist Haile Selassie die
Reinkarnation von Christus und die Verkörperung der göttlichen Kraft. Äthiopien ist zu gleich
das Gelobte Land, in dem das göttliche Reich auf Erden beginnen und sich ausbreiten würde.
Aufgrund Selassies Göttlichkeit werden die Berichte über den physischen Tod von Haile
Selassie im August 1975 für reine Propaganda gehalten. Wer diese Art der Propaganda glaubt
oder verbreiten ist ein Ungläubiger und zu dem noch mit dem Teufel im Bunde. Wie bereits
geschildert, ist der Glaube ein Teil der afrikanischen Identität und so ist der Unglaube an die
gesellschaftlichen Vorstellungen des Göttlichen auch in den traditionellen afrikanischen
Ethnien völlig unmöglich gewesen. Wer sich gegen das Glaubenssystem auflehnte, gehörte
nicht mehr zur Gesellschaft dazu. Auch die heutigen Rastafaris verfahren nach diesem
Schema. Wer die Göttlichkeit Haile Selassies anzweifelt oder hinterfragt, gehört nicht mehr
zur Gemeinschaft und kann nur zwangsläufig dem Bösen angehören.10 Naturreligionen sind
oft an die einfachen Sozialstrukturen gebunden und die lokalen Gottheiten unterscheiden sich
von Stamm zu Stamm und der jeweiligen wirtschaftlichen Funktion der Stammesangehörigen.
Auch das Glaubenssystem der Rastafaris ist keinesfalls einheitlich. Wie es für die ethnischen
afrikanischen Gemeinschaften üblich war, so gibt es auch in der Rastafari-Bewegung
verschiedene Gruppierungen, die allesamt unterschiedliche Glaubensansichten haben.
Während sich die Anhänger von „House of Nyabinghi“ hauptsächlich zu Haile Selassie als
göttliche Reinkarnation bekennen, steht bei den Mitgliedern der „Twelve Tribes of
Israel“ mehr das Leben und Wirken von Jesus Christus im Mittelpunkt.
11
Worüber sich
jedoch alle Anhänger der Rastafari-Bewegung einig sind, das ist das Teufelsbild. Der Teufel,
also das Böse, steht für die entgegengesetzten Werte des Göttlichen.
9
Quelle: vgl. Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991, S.
29-54
10
Quelle: vgl. Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 66-79
11
Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 und
Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 25-30
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Der katholische Papst gilt für die Mehrheit der Rastafari als die Reinkarnation des Teufels
und die Weißen sind alle seine Anhänger. Aufgrund ihrer negativen Erfahrungen in der
Vergangenheit sind die Rastafari der Ansicht, das westliche Gesellschaftssystem sei ihnen
noch immer diskriminierend und feindselig gegenüber eingestellt. Die Weißen gelten als
materialistisch und dekadent und haben im Laufe ihrer (dämonischen) Entwicklung so viel
Hass und Gewaltpotential aufgebaut, dass sie der afrikanischen Kultur auch heute noch
schaden wollen. Sich zum Rastafarismus zu bekennen, bedeutet für die Anhänger gleichzeitig,
dieses verblendete Babylon-System zu bekämpfen. Das ideologische Leben sieht sich im
Endzeitalter angesiedelt. Die Vertreibung aus dem Paradies begann mit der Sklaverei und
Zwangsmissionierung und hatte eine Zeit der Identitätssuche zur Folge. Die zweite Rückkehr
von Christus in Gestalt Haile Selassies war für die Gläubigen gleichbedeutend für den Aufruf
zum endzeitlichen Kampf zwischen Gut und Böse. Jeder Rastafari ist nun angehalten, Gott in
sich selbst zu suchen und das teuflische Gesellschaftssystem der Weißen zu bekämpfen.12
Weitere Schnittstellen zwischen dem christlich geprägten Glaubenssystem der Rastafari und
den traditionellen Wurzeln der Afrikaner sind der Gebrauch von Marihuana und die so
genannten Draedlocks. Die Anhänger ethnischer Religionen sehen sich im Gleichgewicht
zwischen weltlicher Gesellschaft und göttlicher Natur. Mit den Draedlocks demonstrieren die
Rastafari eine Naturverbundenheit, wie sie in traditionellen afrikanischen Gesellschaften
üblich waren. Gleichzeitig werden sie als Symbol der Abgrenzung zu der westlichen Ästhetik
der weißen Unterdrücker und somit als Zeichen des Widerstands verstanden. Draedlocks sind
Strähnen verfilzter Haare, die eben nicht künstlich beim Friseur angefertigt werden, sondern
in ihrer künstlichen Form belassen werden. Sie werden weder geschnitten noch gekämmt,
sondern wachsen frei und verfilzen. Die Pflege basiert ausschließlich auf reinen
Naturprodukten. 13 In vielen Ethnischen Weltanschauungen gilt das gewöhnliche Leben als
reine Illusion, hinter der sich die Welt der Träume, manchmal auch die Wahrheit verbirgt.
Psychoaktive Drogen werden daher als Eintrittskarte in diese Welt der Wahrheit oder der
Träume verstanden. Die Rastafari benutzen diesen Brauch ebenfalls. Auf der einen Seite gilt
der Gebrauch als kommunikativer Akt, der eine Verbindung zur eigenen Göttlichkeit
herstellen soll und auf der anderen Seite entfernen solche Drogen den Schleier aus Lügen und
westlicher
12
Verdorbenheit
und
offenbaren
die
Wahrheit.
Das
die
westlichen
Quelle: vgl. Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 40-42 und
56-58
13
Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 und
Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 105-110
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Gesellschaftssysteme ihre „heiligen Kräuter“ illegalisieren, ist für sie ein weiteres Anzeichen
für ihre Bösartigkeit, die es zu bekämpfen gilt. 14
Schlussbetrachtung
Die Rastafari-Bewegung wirkt auf mich wie eine Brücke zwischen der afrikanischen
Vergangenheit und der christlichen Moderne. Umso erschreckender ist es, dass die Anhänger
dieser Weltanschauung das westliche Gesellschaftssystem ablehnen und sogar bekämpfen.
Wenn man bedenkt, was die ehemaligen Kolonialmächte für einen Schaden bei den
afrikanischen Gesellschaften verursacht haben, ist eine Dämonisierung der Weißen jedoch
keineswegs überraschend. Auch wenn der Hass und die Rückbesinnung auf traditionelle
afrikanische Wurzeln nur allzu verständlich scheint, darf nicht außer Acht gelassen werden,
dass der religiöse Kampf gegen das Böse nur allzu leicht in Ungerechtigkeit und Verblendung
abgleiten kann. Es wurde von den westlichen Gesellschaften lange Zeit außer Acht gelassen,
dass sich die Afrikaner zwar vom Aussehen her von den Weißen unterscheiden, jedoch
ebenso stark kulturell und religiös geprägt sind, wie alle Menschen. Jeder Mensch wird durch
die dieselbe spirituelle Macht durchdrungen und es ist ein hohes Maß an gegenseitiger
Toleranz nötig, damit die Kulturen sich gegenseitig respektieren, ohne einander zu bekämpfen
oder einem anderen seinen Glauben aufzuzwingen. Die Menschen westlicher Kulturkreise
können nur versuchen gemeinsam mit den Afrikanern herauszufinden, wie man die
wissenschaftlichen Erkenntnisse mit der afrikanischen Spiritualität verbinden kann, um
Menschen hier wie dort wirksam zu helfen. Auch können die Menschen unterschiedlichster
Kulturen voneinander lernen. Wenn die Afrikaner bereit sind, den westlichen Gesellschaften
beizubringen, wie sie zu ihren traditionellen kulturellen Wurzeln zurückfinden können, dann
könnten diese den afrikanischen Ethnien beibringen, wie sie sich in der Moderne
zurechtfinden, ohne dabei ihre Identität aufzugeben. Denn im Grunde geht es nicht um Gut
oder Böse, sondern um Gleichberechtigung und Mitbestimmung in einer globalisierten
friedlichen Welt.
"Every man gotta right to decide his own destiny"15, sang Bob Marley 1979 in seinem Lied
“Zimbabwe” und bezog sich dabei nicht ausschließlich auf seine afrikanischen Landsleute,
sondern auf den Menschen an sich.
14
Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 und
Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 114-118
15
Quelle: Marley, Bob: Zimbabwe, http://www.songtexte.bz/3484-Bob-Marley-Zimbabwe-songtexte.html
(08.11.09)
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6. Literatur- und Quellenverzeichnis
Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996
Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003
Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln
1991
Schmid, Georg: Rastafari – Bewegung aus Babylon, http://www.relinfo.ch/rastafari/info.html
(07.11.09)
Mbiti, John S.: Afrikanische Religion und Weltanschauung, Walter de Gruyter Verlag,
Berlin 1974
Marley, Bob: War, http://www.songtexte.bz/55771--War-songtexte.html (07.11.09)
Marley, Bob: Zimbabwe, http://www.songtexte.bz/3484-Bob-Marley-Zimbabwesongtexte.html (08.11.09)