Spiritualität - von Martin Ludwig
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Spiritualität - von Martin Ludwig
Martin Ludwig Referat 1 Philipps-Universität Marburg FB 03 - Gesellschaftswissenschaften und Philosophie Studiengang B. A. Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaften Wintersemester 2009/2010 Religionswissenschaft SE: Religiöse Pluralität in Afrika. Das Fallbeispiel Äthiopien. Leitung: Dr. Konstanze Runge Essay Abgabe: 25.11.2009 Rastafari als Ausdruck afrikanischer Spiritualität Martin Ludwig Matrikelnummer: 2208580 Ernst-Lemmer-Straße 101 B. A. Vergleichende Kultur- und 35041 Marburg Religionswissenschaften [email protected] Martin Ludwig Referat 2 Einleitung Im folgenden Beitrag werde ich die afrikanische Religionsbewegung der Rastafari untersuchen und erläutern. Dies geschieht im weiteren Rahmen durch die Darlegung der Hintergründe und Bestandteile dieser Religion, die gerade im afrikanischen Kulturkreis als Ausdruck afrikanischer Spiritualität gilt. „We Africans will fight - we find it necessary; - and we know we shall win as we are confident in the victory of good over evil. “1 , sang der jamaikanische Sänger Bob Marley 1976, da er, wie in vielen seiner zahlreichen Lieder, auch hier die Botschaft der Rastafari-Bewegung verbreitete. Im westlichen Kulturkreis wird die Lebensweise dieser religiösen Gruppierung mehr als kritisch beäugt. Auf viele Außenstehende wirken die Leitgestalten und ihre Visionen, aber auch die bevorzugte Lebensweise mehr als skurril. Rastafari wird häufig mit der Reggae-Musik oder dem exzessiven Marihuana-Konsum in Verbindung gebracht.2 Dennoch ist Rastafari mehr als eine Kampfansage. Es ist daher nicht ratsam, exotische Religionen von vornherein abzulehnen und zu verallgemeinern. Was unter dem Begriff „Rastafari“ zusammengefasst wird, entpuppt sich bei genauerer Untersuchung als ein vielfältiges Phänomen mit unterschiedlichen Riten und einer transzendenten Lebenseinstellung. Eine genaue Differenzierung ist also notwendig, um eine sachlich richtige Beschreibung sowie ein daraus resultierendes aussagekräftiges Gesamtbild erstellen zu können. Ich werde zum allgemeinen Verständnis die historische Entwicklung darstellen, ehe ich den Zusammenhang zwischen der Glaubensstruktur und afrikanischer Spiritualität darlege. Für diese Thematik steht umfangreiches Arbeitsmaterial zur Verfügung. Ich werde daher sowohl auf die einschlägige wissenschaftliche Sachliteratur zu diesem Thema zurückgreifen, als auch Internetquellen zu diesem Thema verwenden. Ich hatte mich in der Vergangenheit hauptsächlich mit der voodooistischen Religion der Westafrikaner auseinandergesetzt, es ist also eine interessante Erfahrung, einmal eine andere afrikanische Weltanschauung zu untersuchen. Daher hatte ich ein großes Interesse daran, im Rahmen des Seminars „Religiöse Pluralität in Afrika. Das Fallbeispiel Äthiopien.“ mich mit einer solchen Religion im Kontext Äthiopiens auseinanderzusetzen. 1 Quelle: Marley, Bob: War, http://www.songtexte.bz/55771--War-songtexte.html (07.11.09) Quelle: vgl. Schmid, Georg: Rastafari – Bewegung aus Babylon, http://www.relinfo.ch/rastafari/info.html (07.11.09) 2 Martin Ludwig Referat 3 Was bedeutet „Rastafari“? Der Begriff „Rastafari“ ist eine Ableitung vom Geburtsnamen des ehemaligen äthiopischen Kaisers Haile Selassie, dessen bürgerlicher Name Ras Tafari Makonnen war. Als dieser am 02.11.1930 zum Kaiser von Äthiopien gekrönt wurde, war es für die afrikanischen Straßenprediger den Anlass, die Rastafari-Bewegung ins Leben zu rufen. Sie beriefen sich dabei auf die Prophezeiung des religiös-motivierten Nationalisten Marcus Mosiah Garvey, der bereits 1916 die Krönung eines schwarzen Monarchen in Afrika vorhersagte und dabei die Befreiung der afrikanischen Bevölkerung von der Vorherrschaft der Weißen verkündete. Auch das Ras Tafari Makonnen sich den Herrschertitel Haile Selassie (Kraft der Dreieinigkeit) gab und damit eine Verknüpfung zur biblischen Offenbarung des Johannes herstellte, wurde als göttliches Zeichen gewertet. 3 Der hauptsächliche Zweck dieser Religion ist die ideologische Befreiung von der weißen Vorherrschaft sowie der körperlichen oder spirituellen Rückkehr nach Afrika. Vorerst fand die heterogene und dynamische Rastafari-Bewegung allenfalls in der jamaikanischen Unterschicht ihre Anhänger. Der Grund hierfür waren die sozialen Spannungen, die aufgrund der damaligen Weltwirtschaftskrise auch vor der britischen Kolonie Jamaika nicht Halt machte. Eine enorme Arbeitslosigkeit, fehlende Mitbestimmungsrechte und die rapide fortschreitende Verarmung der schwarzen Bevölkerung wirkten als Katalysator für die ohnehin schon konfliktgezeichnete gesellschaftliche Situation. Es kam 1938 zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Unterschicht und der Regierung, welche der britischen Regierung klar machten, wie bedrohlich die Rastafaris für ihre politische Kontrolle über Jamaika geworden waren. Aufgrund der wachsenden Popularität war es der britischen Regierung jedoch nicht möglich, die Rastafari-Bewegung durch Verbote oder Polizeigewalt einzudämmen oder auszuschalten. In den 60er Jahren hielt sich die Rastafari-Bewegung längst nicht mehr in der Unterschicht auf, sondern hatte seinen Einfluss auf alle gesellschaftlichen Schichten ausgeweitet. Weder die Unabhängigkeit Jamaikas 1962, noch der Tod Haile Selassies 1975 bedeuteten ein Ende dieser Bewegung, im Gegenteil. Der Kampf für die Gleichberechtigung der afrikanischen Bevölkerung auf der ganzen Welt, sowie die spirituelle und körperliche Rückkehr zu den afrikanischen Wurzeln ist für die Rastafaris längst noch nicht abgeschlossen.4 Der Rastafarismus selbst ist eine Mischung aus christlichen Werten und afrikanischer Weltanschauung. So stellt er keine eigenständige Religion, sondern viel mehr eine Strömung im Christentum dar. Kernelement dieser Strömung ist die 3 Quelle: vgl. Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991, S. 21-26 und Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 14-15 4 Quelle: vgl.: Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 15-31 Martin Ludwig Referat 4 Rückbesinnung auf afrikanische Wurzeln, was sich mit der Historie und dem Selbstverständnis der Afrikaner begründen lässt. Rückbesinnung auf afrikanische Wurzeln Im Zuge des Kolonialismus wurden ab Beginn des 16. Jahrhunderts viele afrikanische Menschen aus ihren Dorfgemeinschaften gerissen und als Sklaven an europäische Händler verkauft. Obwohl die Kolonisten sie intensiv zum christlichen Glauben zwangen, versuchten die Sklaven sowohl an ihrer ursprünglichen Religion, als auch an ihrer eigenen traditionellen Identität festzuhalten. Die besondere Schwere der Versklavung und Zwangsmissionierung und der damit einhergehenden Schändung der afrikanischen Kultur, lässt sich unter anderen damit begründen, dass die Afrikaner ein sehr starkreligiöses Volk sind und ihre Religion eines der stärksten Elemente in ihrem Leben ist. Die afrikanische Weltanschauung beinhaltet ein Ausfüllen der Religion in allen Lebensbereichen, ohne dass eine weltliche und spirituelle Trennung vorgenommen wird. Die Afrikaner und ihre Religion sind untrennbar miteinander verbunden und eine Lossagung von ihrer Religion hat den Verlust ihrer Identität zur Folge.5 Die Kolonisten waren auf die Arbeitskraft der Sklaven angewiesen, da sie durch eingeschleppte Krankheiten und Zwangsarbeit die Bevölkerung der neuen amerikanischen und karibischen Kolonien stark dezimiert hatten und nun eine Vielzahl an neuen und billigen Arbeitskräften benötigten. Zusammen mit den Sklaven kam auch ihre Religion in die Kolonien und etablierte sich besonders stark in Haiti. Die Kolonialherren verboten die Naturreligion der Sklaven und ordneten eine systematische Zwangsmissionierung an. Da die Sklaven durch Folter und Brandmarkung bestraft wurden, wenn sie ihre Religion weiter ausübten, mussten sie auf zahlreichen Tricks zurückgreifen, um ihre religiösen Rituale heimlich beizubehalten. Sie tarnten ihre Rituale als Haushaltsaktivitäten oder sangen christliche Lieder zu alten afrikanischen Rhythmen. Die Sklaven beugten sich den christlichen Ritualen, lebten aber ihre Religion weiterhin unter dem christlichen Tarnmantel unbemerkt aus. Die Angst der Kolonialherren vor der Afrikanischen Spiritualität rührt daher, dass eine Vielzahl von Sklaven religiöse Praktiken (darunter auch voodooistische Rituale) zum Schaden ihrer Unterdrücker einsetzten. Ab dem 18. Jahrhundert gab es vermehrt blutige Auseinandersetzungen zwischen nationalistischen Afrikanern und den konservativen Kolonialherren, die in einem Aufstand zahlreicher Kolonien gipfelte und schließlich zu der Unabhängigkeit Haitis um 1804 führte. Die katholische Kirche war jedoch nicht bereit, ihren Einfluss aufzugeben und verfolgte weiterhin sowohl die afrikanischen Religionen, als auch 5 Quelle: vgl. Mbiti, John S.: Afrikanische Religion und Weltanschauung, Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1974, S. 1-7 Martin Ludwig Referat 5 deren Vermischung mit dem Christentum. Mit dem unaufhaltsamen Wachstum von Unabhängigkeitsbewegungen, wie am Rastafarismus zu sehen ist, gelang es den ehemaligen Sklaven zumindest zum Teil zu ihren Traditionen und ihren religiösen Identitäten zurückzukehren.6 Glaubensstruktur der Rastafari Rastafari selbst ist weniger eine Rückkehr zu den religiösen ursprünglichen Identitäten der Afrikaner, sondern viel mehr ein Ausdruck afrikanischer Spiritualität. Eine vollständige Rückkehr ist nahezu unmöglich, da auch die Sklaverei und Missionierung identitätsstiftend war. Der heutige Afrikaner ist einerseits von seinem kulturellen Erbe durchdrungen, aber auch durch sein jahrzehntelanges Leiden geprägt. Auch wenn das Christentum nicht zur traditionellen Religion ihrer Vorfahren gehörte, haben die Afrikaner hier ein Gleichgewicht zwischen Christentum und afrikanischer Religion gefunden.7 Die ursprünglichen ethnischen Religionen kannten keine Heiligen Schriften, da ihre Mythen auf mündlicher Tradierung beruhten.8 Inzwischen scheinen die Rastafaris viel zu sehr im Christentum verankert zu sein, als das sie zu ihren traditionellen Mythen zurückkehren könnten. Da das traditionelle Christentum für sie jedoch nur eine Version des weißen Mannes darstellt, mussten sie zwangsläufig ihre eigene Version von der biblischen Offenbarung ableiten. Dies geschieht durch eine Exegese, die sich völlig von der kirchlich gebundenen Bibelwissenschaft abgrenzt. Da schwarze und weiße Völker niemals dieselbe physische Umwelt oder dieselben sozialen Erfahrungen geteilt haben, liegt der Bibel-Auslegung der Rastafaris ein völlig anderes Wirklichkeitsverständnis zugrunde. Die Bibel gilt als ein Werk voller Symbole, die entschlüsselt und auf das Leben der Gemeinschaft übertragen werden müssen oder sogar eine historische Selbstidentifikation mit ihrer eigenen Vergangenheit darstellen. So gilt die babylonische Gefangenschaft der Israeliten als Synonym für das westliche Gesellschaftssystem, welches die afrikanischen Vorfahren ebenso verschleppt und versklavt haben soll, wie die Babylonier mit den Israeliten verfahren sind. Die Rastafaris glauben in diesem Babylon-System schädliche Einflüsse, wie Materialismus, Korruption, Unterdrückung sowie Rassismus zu erkennen und versuchen sich davon zu befreien. Die religiöse Praxis ethnischer Religionen ist pragmatisch ausgerichtete, das heißt es werden nur solche Kräfte verehrt, die helfen können und auch helfen sollen. Die Anhänger des Rastafarismus vertreten 6 Quelle: vgl. Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991, S. 5-20 7 Quelle: vgl. Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 34-37 8 Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 Martin Ludwig Referat 6 eine Version des Christentums, die sich auf das Leben bezieht und ihre Anhänger nicht auf das Jenseits vertröstet. Sie sind davon überzeugt, dass das westliche Gesellschaftssystem sie zu überzeugen versucht, Gott im Jenseits zu suchen. Die Rastafaris jedoch suchen Gott in sich selbst und glauben an das Reich Gottes auf Erden, das sie bereits im Diesseits erwartet. Das religiöse Leben bezieht sich nicht auf den Glauben an einen an einen Gott, sondern auf das direkte Erfahren des Göttlichen. So spielt Jesus Christus, wie es im Christentum üblich ist, auch bei ihnen eine zentrale Rolle, wenn auch sein Auftreten anders gedeutet wird. Sein erstes Auftreten sollte die Weißen beeindrucken und dem Göttlichen, so wie sie es erfahren, ein Stück näher bringen. Gleichzeitig wollte er sie darauf vorbereiten, dass er als Afrikaner zurückkehren und in Afrika ein göttliches Reich schaffen würde. 9 Somit ist Haile Selassie die Reinkarnation von Christus und die Verkörperung der göttlichen Kraft. Äthiopien ist zu gleich das Gelobte Land, in dem das göttliche Reich auf Erden beginnen und sich ausbreiten würde. Aufgrund Selassies Göttlichkeit werden die Berichte über den physischen Tod von Haile Selassie im August 1975 für reine Propaganda gehalten. Wer diese Art der Propaganda glaubt oder verbreiten ist ein Ungläubiger und zu dem noch mit dem Teufel im Bunde. Wie bereits geschildert, ist der Glaube ein Teil der afrikanischen Identität und so ist der Unglaube an die gesellschaftlichen Vorstellungen des Göttlichen auch in den traditionellen afrikanischen Ethnien völlig unmöglich gewesen. Wer sich gegen das Glaubenssystem auflehnte, gehörte nicht mehr zur Gesellschaft dazu. Auch die heutigen Rastafaris verfahren nach diesem Schema. Wer die Göttlichkeit Haile Selassies anzweifelt oder hinterfragt, gehört nicht mehr zur Gemeinschaft und kann nur zwangsläufig dem Bösen angehören.10 Naturreligionen sind oft an die einfachen Sozialstrukturen gebunden und die lokalen Gottheiten unterscheiden sich von Stamm zu Stamm und der jeweiligen wirtschaftlichen Funktion der Stammesangehörigen. Auch das Glaubenssystem der Rastafaris ist keinesfalls einheitlich. Wie es für die ethnischen afrikanischen Gemeinschaften üblich war, so gibt es auch in der Rastafari-Bewegung verschiedene Gruppierungen, die allesamt unterschiedliche Glaubensansichten haben. Während sich die Anhänger von „House of Nyabinghi“ hauptsächlich zu Haile Selassie als göttliche Reinkarnation bekennen, steht bei den Mitgliedern der „Twelve Tribes of Israel“ mehr das Leben und Wirken von Jesus Christus im Mittelpunkt. 11 Worüber sich jedoch alle Anhänger der Rastafari-Bewegung einig sind, das ist das Teufelsbild. Der Teufel, also das Böse, steht für die entgegengesetzten Werte des Göttlichen. 9 Quelle: vgl. Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991, S. 29-54 10 Quelle: vgl. Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 66-79 11 Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 und Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 25-30 Martin Ludwig Referat 7 Der katholische Papst gilt für die Mehrheit der Rastafari als die Reinkarnation des Teufels und die Weißen sind alle seine Anhänger. Aufgrund ihrer negativen Erfahrungen in der Vergangenheit sind die Rastafari der Ansicht, das westliche Gesellschaftssystem sei ihnen noch immer diskriminierend und feindselig gegenüber eingestellt. Die Weißen gelten als materialistisch und dekadent und haben im Laufe ihrer (dämonischen) Entwicklung so viel Hass und Gewaltpotential aufgebaut, dass sie der afrikanischen Kultur auch heute noch schaden wollen. Sich zum Rastafarismus zu bekennen, bedeutet für die Anhänger gleichzeitig, dieses verblendete Babylon-System zu bekämpfen. Das ideologische Leben sieht sich im Endzeitalter angesiedelt. Die Vertreibung aus dem Paradies begann mit der Sklaverei und Zwangsmissionierung und hatte eine Zeit der Identitätssuche zur Folge. Die zweite Rückkehr von Christus in Gestalt Haile Selassies war für die Gläubigen gleichbedeutend für den Aufruf zum endzeitlichen Kampf zwischen Gut und Böse. Jeder Rastafari ist nun angehalten, Gott in sich selbst zu suchen und das teuflische Gesellschaftssystem der Weißen zu bekämpfen.12 Weitere Schnittstellen zwischen dem christlich geprägten Glaubenssystem der Rastafari und den traditionellen Wurzeln der Afrikaner sind der Gebrauch von Marihuana und die so genannten Draedlocks. Die Anhänger ethnischer Religionen sehen sich im Gleichgewicht zwischen weltlicher Gesellschaft und göttlicher Natur. Mit den Draedlocks demonstrieren die Rastafari eine Naturverbundenheit, wie sie in traditionellen afrikanischen Gesellschaften üblich waren. Gleichzeitig werden sie als Symbol der Abgrenzung zu der westlichen Ästhetik der weißen Unterdrücker und somit als Zeichen des Widerstands verstanden. Draedlocks sind Strähnen verfilzter Haare, die eben nicht künstlich beim Friseur angefertigt werden, sondern in ihrer künstlichen Form belassen werden. Sie werden weder geschnitten noch gekämmt, sondern wachsen frei und verfilzen. Die Pflege basiert ausschließlich auf reinen Naturprodukten. 13 In vielen Ethnischen Weltanschauungen gilt das gewöhnliche Leben als reine Illusion, hinter der sich die Welt der Träume, manchmal auch die Wahrheit verbirgt. Psychoaktive Drogen werden daher als Eintrittskarte in diese Welt der Wahrheit oder der Träume verstanden. Die Rastafari benutzen diesen Brauch ebenfalls. Auf der einen Seite gilt der Gebrauch als kommunikativer Akt, der eine Verbindung zur eigenen Göttlichkeit herstellen soll und auf der anderen Seite entfernen solche Drogen den Schleier aus Lügen und westlicher 12 Verdorbenheit und offenbaren die Wahrheit. Das die westlichen Quelle: vgl. Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 40-42 und 56-58 13 Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 und Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 105-110 Martin Ludwig Referat 8 Gesellschaftssysteme ihre „heiligen Kräuter“ illegalisieren, ist für sie ein weiteres Anzeichen für ihre Bösartigkeit, die es zu bekämpfen gilt. 14 Schlussbetrachtung Die Rastafari-Bewegung wirkt auf mich wie eine Brücke zwischen der afrikanischen Vergangenheit und der christlichen Moderne. Umso erschreckender ist es, dass die Anhänger dieser Weltanschauung das westliche Gesellschaftssystem ablehnen und sogar bekämpfen. Wenn man bedenkt, was die ehemaligen Kolonialmächte für einen Schaden bei den afrikanischen Gesellschaften verursacht haben, ist eine Dämonisierung der Weißen jedoch keineswegs überraschend. Auch wenn der Hass und die Rückbesinnung auf traditionelle afrikanische Wurzeln nur allzu verständlich scheint, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der religiöse Kampf gegen das Böse nur allzu leicht in Ungerechtigkeit und Verblendung abgleiten kann. Es wurde von den westlichen Gesellschaften lange Zeit außer Acht gelassen, dass sich die Afrikaner zwar vom Aussehen her von den Weißen unterscheiden, jedoch ebenso stark kulturell und religiös geprägt sind, wie alle Menschen. Jeder Mensch wird durch die dieselbe spirituelle Macht durchdrungen und es ist ein hohes Maß an gegenseitiger Toleranz nötig, damit die Kulturen sich gegenseitig respektieren, ohne einander zu bekämpfen oder einem anderen seinen Glauben aufzuzwingen. Die Menschen westlicher Kulturkreise können nur versuchen gemeinsam mit den Afrikanern herauszufinden, wie man die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit der afrikanischen Spiritualität verbinden kann, um Menschen hier wie dort wirksam zu helfen. Auch können die Menschen unterschiedlichster Kulturen voneinander lernen. Wenn die Afrikaner bereit sind, den westlichen Gesellschaften beizubringen, wie sie zu ihren traditionellen kulturellen Wurzeln zurückfinden können, dann könnten diese den afrikanischen Ethnien beibringen, wie sie sich in der Moderne zurechtfinden, ohne dabei ihre Identität aufzugeben. Denn im Grunde geht es nicht um Gut oder Böse, sondern um Gleichberechtigung und Mitbestimmung in einer globalisierten friedlichen Welt. "Every man gotta right to decide his own destiny"15, sang Bob Marley 1979 in seinem Lied “Zimbabwe” und bezog sich dabei nicht ausschließlich auf seine afrikanischen Landsleute, sondern auf den Menschen an sich. 14 Quelle: vgl.: Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996, S.262-279 und Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003, S. 114-118 15 Quelle: Marley, Bob: Zimbabwe, http://www.songtexte.bz/3484-Bob-Marley-Zimbabwe-songtexte.html (08.11.09) Martin Ludwig Referat 9 6. Literatur- und Quellenverzeichnis Antes, Peter: Die Religionen der Gegenwart, Beck-Verlag, München 1996 Barsch, Volker: Rastafari: Von Babylon nach Afrika, Ventil-Verlag, Mainz 2003 Loth, Heinz-Jürgen: Rastafari – Bibel und afrikanische Spiritualität, Böhlau-Verlag, Köln 1991 Schmid, Georg: Rastafari – Bewegung aus Babylon, http://www.relinfo.ch/rastafari/info.html (07.11.09) Mbiti, John S.: Afrikanische Religion und Weltanschauung, Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1974 Marley, Bob: War, http://www.songtexte.bz/55771--War-songtexte.html (07.11.09) Marley, Bob: Zimbabwe, http://www.songtexte.bz/3484-Bob-Marley-Zimbabwesongtexte.html (08.11.09)