Kommentar von Mark Lawrence
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Kommentar von Mark Lawrence
25 Jahre ISOE: Tagung „Lost in the Anthropocene? – Nachhaltige Wissenschaft in der Epoche der Menschheit“ Prof. Dr. Mark Lawrence, Institute for Advanced Sustainability Science – IASS, Potsdam Freitag, 21. November 2014, Frankfurt am Main Thomas Jahn hat uns die Frage gestellt, „Are we lost in the Anthropocene?“ und Heike Egner hat uns eine tolle Antwort gegeben: “Yes we are lost in the Anthropocene“. Daher ist es ganz sinnvoll, dass ich die logische Anschlussfrage: „Sind wir schon auf dem Weg zu Anthropozän 2.0?“ stelle. Und glauben Sie es oder nicht, das war nicht abgesprochen. Sie fragen sich sicherlich, was um Himmel Willen ist überhaupt ein „Anthropozän 2.0“? Zu dieser Frage komme ich gleich. Zunächst möchte ich mit einem gemeinsamen Ausgangspunkt anfangen: dem Klimawandel! Sie alle wissen um die schwierigen Erfahrungen, die wir gemacht haben – international und auf lokaler Ebene mit Mitigation oder Adaptation als Antwort auf den Klimawandel. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann die Frage für viele: Was nun? Wir haben natürlich die Möglichkeit unsere Emissionen zu reduzieren. Wir haben natürlich die Möglichkeit – so schwer das auch ist – uns an die meisten Folgen des Klimawandels anzupassen. Und dann stellt sich für viele die Frage: „Was kommt als nächstes?“ Und manche stellen die naheliegende Frage, ob wir gegebenenfalls der Atmosphäre etwas von dem CO2 entziehen könnten? Dieses nennen wir im Allgemeinen Greenhouse Gas Removal, oder bezogen auf das CO2, als dem Hauptverursacher des Klimawandels Carbon Dioxide Removal. Inzwischen gibt es Dutzende verschiedene Ideen, wie man CO2 aus der Atmosphäre entziehen könnte: über relativ einfache, wie die großflächige Aufforstung oder die Produktion von Biokohle, die im Boden gemischt wäre oder den Zusammenschluss von Bioenergie mit Carbon Capture and Sequestration oder Düngung der Ozeane usw. Zusammenfassend kann man über diese Techniken folgendes sagen: erstens, natürlich wäre es von Nutzen, wenn wir irgendwie in einer sinnvollen Weise CO2 aus der Atmosphäre entfernen könnten. Dabei wird aber das Problem der Zeitskalen relevant. Zum einen müssten wir eine enorme Infrastruktur dafür aufbauen. Für die meisten Techniken in der Größe der Ölindustrie, um das, was wir durch die fossile Brennung in die Atmosphäre pusten, wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Das bedarf in der Regel großer Mengen an Energie. Gleichzeitig ist jedoch nicht sicher wie groß die Speicherkapazitäten sein müssten. Damit kommen wir zu dem zweiten Punkt - der Zeitachse. Große Mengen CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen würde sehr lange dauern. Es ist etwas worüber wir reden können, aber wir reden wirklich über Jahrzehnte, bevor diese Maßnahmen effek- 1| tiv den CO2-Haushalt in der Atmosphäre beeinflussen würden. Darüber hinaus kommt es natürlich, wie fast alles im Anthropozän, zu kaum kalkulierbaren Nebenwirkungen. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann die Frage nach weiteren Alternativen. Gibt es irgendwelche Quick Fixes? Sie kennen diese Quick Fixes aus Ihrem täglichen Leben, wie beispielsweise Kaffee, wenn der Redner ein bisschen langweilig ist nachmittags. Oder Fast Food, besonders in dem Land wo ich herkomme, wenn man nicht die Zeit hat, in Ruhe zu essen. Bezogen auf den Klimawandel wird jedoch auf einer ganz anderen Ebene gedacht. Und zwar in der Tat wird intensiv über solche Quick Fixes nachgedacht – etwa unter dem Namen Solar Radiation Management oder Planetary Albedo Modification. Gemeint ist damit die Idee, dass man irgendwie die Erdoberfläche absichtlich abkühlen könnte, in dem man die Reflexion des Sonnenlichts zurück ins All erhöht. Als Faustregel bräuchte man ungefähr eine 1%Erhöhung der Sonnenlichtreflexion, um die globale gemittelte Erdoberflächentemperatur um ein Grad abzukühlen. Die Ideen sind vielfältig, es gibt sogar ein Buch mit dem Titel „66 Ways to cool the Planet.“ Viele der in diesem Buch skizzierten Ideen sind tatsächlich Science Fiction, wie etwa große Spiegel im All oder Intelligent Particles. Andere Ideen bewegen sich im Bereich des Unmöglichen, wie die Idee, die Wüsten mit Alufolie oder mit Kunststoff abzudecken. Ich habe das mal durchgerechnet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass man mehrere Billionen Euro bräuchte, um alle Wüsten abzudecken. Es gibt aber auch Ideen, die wirklich ernsthaft angegangen werden, so beispielsweise das Injizieren von Schwefelpartikeln in die Stratosphäre zur Verstärkung der Partikelschicht, wodurch mehr Sonnenlicht reflektiert würde. Diese Idee gibt es bereits seit den 70er Jahren. Sie wurde von Paul Crutzen „revitalisiert“. Modellerkenntnisse sowie große historische Vulkanausbrüche zeigen, dass es prinzipiell möglich wäre, die Erdoberfläche durch solche Strategien abzukühlen. Und zwar in einer relativ geringen Zeit und vielleicht sogar zu relativ geringen Kosten. Die Schätzungen liegen bei 10 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Schätzungen sind aber mit Unsicherheiten behaftet, denn egal, wie man es angehen würde, müsste man mit ungleichmäßigen regionalen Auswirkungen auf Temperatur und Niederschläge rechnen. Und die Versauerung der Ozeane würde dadurch nicht reduziert! Ein weiteres Risiko: Sobald wir aufhören mit diesen Maßnahmen, würden die Temperaturen in die Höhe schnellen und dies könnte weitaus gravierendere Folgen für die Ökosysteme haben, als ein stetiger CO2 Anstieg. Und schaut man schließlich auf die gesellschaftlichen Auswirkungen des Climate-Engeneering, ist vor allem die Governance enorm problematisch, wie aktuelle Forschungen zeigen: Es gibt diese schönen, einfachen Darstellungen von einer Welt, in der Climate-Engeneering eingesetzt wird. Diese Bilder zeigen auf der einen Seite CO2-Entfernung aus der Atmosphäre, die zumindest gegen die physikalischen, nicht gegen die gesellschaftlichen Ursachen des Klimawandels wirkt. Auf der anderen Seite sind die Ideen für Planetary Albedo Modification, die nur symptomatisch wirken. Manche Kollegen halten das für eine „schöne neue Welt“. Zumeist kommen sie aus dem Land wo ich geboren worden bin. Gleichzeitig gibt es viele Menschen, die das wirklich als eine Dystopie bzw. als ein Schreckensbild der Zukunft ansehen, vor allem in dem Land, in dem ich jetzt lebe. Wenn wir dieses Spannungsfeld zusammenbringen, stellt sich die Fragen, ob wir auf ein Anthropozän 2.0 zusteuern? Der jetzige Zeitalter, das Anthropozän, ist durch unbeabsichtigte und unkoordinierte Aktionen entstanden. Mit den Ideen und Plänen, die unter dem Stichwort Climate-Engeneering derzeit diskutiert werden, würden wir |2 jedoch an einen Punkt kommen, an dem wir einen koordinierten, beabsichtigten Einfluss auf das globale Erdsystem ausüben. Und diesen Zustand bezeichne ich dann als das Anthropozän 2.0. Das Thema Climate-Engineering wirft sehr viele schwierige Fragen auf. Erstens die physikalische Seite und hier die Frage, wie gut überhaupt diese verschiedenen Ideen funktionieren würden? Da wissen wir heute bei manchen Fragen ein wenig mehr, während wir bei anderen noch ganz am Anfang stehen. Neben den naturwissenschaftlichen Fragen müssen wir zusätzlich auch Antworten finden für eine Reihe gesellschaftlicher Fragen, beispielsweise: Sollen wir oder dürfen wir so eine DesignerUmwelt erzeugen? Ist es ein „Moral Hazard“ oder „Moral Imperative“, dieses anzugehen? Auf welcher Skale dürften wir eine Designer-Umwelt erzeugen? Solche Eingriffe akzeptieren wir heute bereits, wenn es darum geht, das „Klima“ in Gebäuden zu regulieren oder das Mikroklima im städtischen Bereich. Aber würden wir das Climate Engineering auch auf globaler Ebene akzeptieren – also den Versuch, ganze Ökosysteme zu regulieren? Dürfen wir dies überhaupt diskutieren? Ist oder soll das wirklich ein Tabuthema bleiben? Paul Crutzen hat diese Fragen gestellt und damit Tabus gebrochen, die lange unter Wissenschaftlern galten. Daher stellt sich jetzt die Frage, wie weit wir zum jetzigen Zeitpunkt mit unserer Forschung gehen wollen? Was passiert, wenn die Politik oder andere Climate Engineering ausprobieren wollen? Besonders diskutiert werden mögliche Feldversuche, die jetzt angedacht werden. Oft wird das begründet mit einem Notfallplan, den wir in der Hinterhand haben sollten für den Fall, dass etwas schiefgeht. Und dann kommt die Frage des Anthropozän 2.0: Dürfen wir – oder sollen wir – und was würde passieren, wenn wir das als eine unvermeidbare Zukunft sehen und erwarten würden? Mich erinnert die gesellschaftliche Debatte, die wir beim Climate Engineering führen müssen teilweise an jene um die Gentechnik und das Klonen. Neben diesen ethischen Fragen sind auch jene zum Thema Governance von großer Bedeutung: Wer darf die Entscheidungen treffen, wenn es um Geo-Engeneering geht und auf welcher Basis? Wie gehen wir mit den enormen Unsicherheiten um, in so einem Anthropozän 2.0? Wer könnte das dann überhaupt regulieren, wenn diese Entscheidungen getroffen werden? Wie stellen wir sicher, dass Entscheidungen überhaupt befolgt werden? Oder anders formuliert: Wenn wir einen großen Thermostat für die Erde hätten, wir müssten wir dann klären, wer die Temperatur über diesen Thermostat regeln dürfte? Und schließlich sind zwei weitere große Fragen zu stellen: Erstens, wie weit geht überhaupt unsere Hybris im Anthropozän? Was wäre die Richtung in ein Anthropozän 2.0? Es gibt viele Geschichten, die einem klar machen, wie weit das tatsächlich geht. Bereits die Sowjets in den 50er hatten hierzu bereits die Idee, einen Ring von Partikeln, saturnähnlich, um die Erde zu stellen, damit das Sonnenlicht stärker in Richtung Sibirien reflektiert würde und Stalin auf diese Weise ein großes Agrargebiet für seine Armeen hätte. Wenn die Erde nicht genug ist für unsere Phantasie, gibt es natürlich auch unsere Nachbarplaneten. Denken Sie kurz zurück: im Titel der Tagung heute stand ein Fragezeichen „Lost in the Anthropocene?“ Mein Titel „Steuern wir auf ein Anthropozän 2.0?“ trägt ebenfalls ein Fragezeichen. Aber hier auf dem Cover des Life Magazins steht kein Fragezeichen. „Our Next Home“, und da ist ein 15-seitiges “glossy pullout“, das zeigt, wie man in 300 Jahren den Mars begrünen könnte. Damals gab es 3| tatsächlich Forschung zu diesem Thema an der NASA, und zurzeit gibt es hierzu ein Forschungsprojekt am ESA. Da geht unsere Hybris relativ weit, würde ich sagen. Eine andere Frage, die wir in Nature Climate Change kürzlich gestellt haben, ist: Wie gehen wir damit um, wenn die Modelle uns zeigen würden, dass der Einsatz von Techniken wie etwa das Einbringen von Partikeln in die Stratosphäre mehr Risiken als Chancen böte, um den Klimawandel zu reduzieren? Wie gehen wir mit den ethischen Bedenken um, wenn solche Technologien erst einmal existieren. Anders gefragt: Wollen wir überhaupt auf das Anthropozän 2.0 steuern? In welchem Anthropozän wollen wir leben? Und was für ein Anthropozän erschaffen wir zurzeit? Sie kennen die sogenannte Great Acceleration. Hier werden die Änderungen, die derzeit stattfinden alle auf einer Achse dargestellt, also etwa Aussagen zur Bevölkerungsund Temperaturentwicklung, zum CO2 Ausstoß aber auch zur Zahl der McDonald Restaurants. Die meisten dieser Werte sind seit den 50er Jahren enorm gestiegen. Dies ist das Anthropozän, das wir erschaffen. Meine Frage an Sie ist: In welchem Anthropozän – oder ggf. in welchem Anthropozän 2.0 – wollen wir aber wirklich leben? Vielen Dank! |4