Das Spiel mit dem Feuer
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Das Spiel mit dem Feuer
s w iss Fühle den Puls o l y m pi c Prenez le pouls Tastare il polso Tucc a il puls Fühle den Puls Prenez le pouls Tastare il polso Tucc a il puls Das Spiel mit dem Feuer Das Feuer der olympischen Fackel sollte die Herzen der Erdenbewohner erwärmen und die Freude über bevorstehende Olympische Spiele den Streit zwischen Ländern überstrahlen. In letzter Zeit verkam das Symbol der Völkerverständigung jedoch zu einer fast erlöschenden Glut. Das stolze Feuer wurde geschmäht, das Friedenszeichen in ein Symbol der Auflehnung verkehrt. Um künftige Missbräuche zu minimieren, beschränkte das IOC Ende März 2009 die Reise der Flamme auf das Gastgeberland. Text Luzia Kunz Bilder Keystone 18 Als in der Antike zum ersten Mal ein Feuer an Olympischen Spielen entzündet wurde, hätte wohl niemand gedacht, dass das Symbol für Völkerverständigung und Frieden viele Jahre später für heftige Diskussionen sorgen würde. Die Griechen sahen im heiligen Feuer ein Symbol des Lebens und der Reinheit, das mit Hilfe des Sonnenlichtes entflammt wurde. kriegerischen Handlungen zum Austragungsort und wieder zurück reisen können. Die Gewinner der antiken Olympischen Spiele ernteten als Günstlinge von Zeus Ruhm und Anerkennung. «Aber schon zu jener Zeit versuchten die Verantwortlichen ihrer Heimatstädte den Erfolg eines Athleten in politischen Prestigegewinn umzumünzen», erklärt der Berner Olympia-Experte Paul Stauffer. Das Feuer bei den alten Griechen Im antiken Olympia brannte auf dem Altar der Göttin Hestia ein ewiges Feuer, welches als Quelle für alle Götterfeuer im Heiligtum diente. Der Olympiasieger des Stadionlaufes hatte die Ehre, mit dem heiligen Feuer die Flamme auf dem Zeusaltar zu entzünden. Während der Olympischen Spiele der Antike wurde jedoch nie ein Fackellauf – wie wir ihn heute kennen – durchgeführt. Im Vorfeld der Spiele verkündeten aber Spondophoren als auserwählte Boten in den griechischen Städten den Zeitpunkt der Wettkämpfe, luden die Bevölkerung nach Olympia ein und proklamierten den olympischen Frieden «Ekecheiria». Während eines Monats vor und nach den Spielen wie über ihre gesamte Dauer sollten Athleten sowie Publikum ungefährdet von Die erste Flamme der Moderne Politische Hintergründe mochten auch bei der Erstaustragung des olympischen Fackellaufes in der Moderne im Zentrum gestanden haben. Carl Diem, Generalsekretär des Organisationskomitees für die Spiele 1936 in Berlin, schlug einen Fackellauf vor, der eine Verbindung der antiken Tradition und der historischen Stätte Olympia mit Berlin herstellen sollte. Damit war die Gefahr eines Missbrauchs der Idee für nationalsozialistische Propagandazwecke programmiert. Die ursprüngliche Idee lag jedoch nicht beim Deutschen: «Bereits der Begründer der modernen Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, sprach von einer Fackel, die von Generation zu Generation weitergegeben werden soll», sagt Paul Stauffer. Die s wi s s s p or t N r. 3 /0 9 ▶ f ü h l e d e n pu l s sellschaft und Politik reagieren. «Mit der Beschränkung auf das Austragungsland gibt das IOC keine Tradition auf», meint Paul Stauffer und ergänzt: «Es zeigt für mich keine Schwäche, sondern reagiert aktiv auf aktuelle Entwicklungen und versucht künftigen Schaden abzuwenden.» Eine vollständige Aufhebung des olympischen Fackellaufes stehe nicht zur Debatte: «In der Wahrnehmung ist die olympische Fackel integraler Bestandteil der Spiele. Es ist ein wichtiges Symbole geworden, welches die Olympischen Spiele von Welt- und Europameisterschaften unterscheidet», so der Historiker. ▎Seit bald hundert Jahren werden die Olympischen Spiele der Neuzeit mit einem Fackellauf angekündet. Im Jahre 2004 hatte Marc Rosset, Olympiasieger von 1992, die Ehre, die Fackel zu tragen. ungebrochene Fortführung des Fackellaufes seit London 1948 bis zu den Spielen in Peking 2008 kreierte eine Tradition, welche die olympische Idee versinnbildlicht. «Der Fackellauf der vergangenen Spiele hat das Image des IOC beeinträchtigt», sagt der Olympia-Experte und erläutert: «Schon die Vergabe der Spiele war umstritten. Die damit verbundene Hoffnung, dass der Sport in China als Bannbrecher in der Menschenrechtsfrage und der Tibetproblematik wirken werde, wurde zu recht kontrovers diskutiert.» Dass die Chinesen den Fackellauf vor allem in mit ihnen kooperierenden Ländern durchgeführt hatten und Halt auf dem Mount Everest – dem heiligen Berg der Tibeter – machten, konnte als Provokation gedeutet werden. «China hätte den provokativen Charakter im Ablauf erkennen und so etliche der in vielen Ländern geschehenen Proteste vermeiden können», meint Paul Stauffer. IOC begrenzt den Fackellauf Die hohen Wogen der Auflehnung, die der olympische Fackellauf in Peking warf, wusste das IOC Ende März dieses Jahres nur mit einer Limitierung auf das Austragungsland zu glätten. Die olympische Bewegung, die sich selbst unabhängig von Politik und Wirtschaft bezeichnet, versucht damit künftigen Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen. In der langen Geschichte der Olympischen Spiele musste das IOC immer wieder auf Entwicklungen in Ge- Fühle den Puls Prenez le pouls Tastare il polso Tucc a il puls Fühle den Puls Die Macht der Symbole «Die Olympischen Spiele sind in erster Linie für die Athleten gemacht; doch auch die Zuschauer nehmen auf eine besondere Art und Weise teil», sagt Paul Stauffer und erklärt dies: «Obwohl beispielsweise die Eröffnungsfeier immer länger dauert, sitzen viele Interessierte vor dem Bildschirm und verfolgen den Einmarsch der Athleten.» Das Feuer, welches im Stadion entzündet wird, die fünf Ringe, die die Verbundenheit zwischen den Kontinenten symbolisieren, und der Eid, der von den Athleten gesprochen wird, sind Teile einer einzigartigen Veranstaltung. «Symbole sind essenziell, da sie Stetigkeit, Sicherheit und Halt in einer sich stets wandelnden Welt bedeuten», erklärt Paul Stauffer. Das olympische Feuer in Zukunft Was folgt nach der Limitierung des Fackellaufes auf das Gastgeberland? «Es wird immer Unstimmigkeiten geben», meint der Olympia-Experte. Für ihn sei dies aber noch lange kein Grund, sich um die Olympischen Spiele Sorgen zu machen: «Die olympische Flamme wird immer dazu gehören.» Auch wenn die Symbole der Aktualität entsprechend einer Veränderung unterstehen – der Eid wurde bereits zwei Mal angepasst – werden die Olympischen Spiele immer ihr Mystisch-Geheimnisvolles beibehalten. Trotz Diskussionen über Austragungsländer, das Verhalten von Athleten und die Existenzberechtigung der Olympischen Spiele, bleiben sie ein weltumspannendes Event, welches mit Leib und Seele gelebt wird. Und dabei wird der olympische Fackellauf das Licht der Spiele weiterhin über die ganze Welt erstrahlen lassen – wenn auch nur noch vom Gastgeberland aus. Prenez le pouls Tastare il polso Tucc a il puls Die Serie im « swiss sport » Hier werden Fragen aufgeworfen, mit welchen sich Swiss Olympic täglich beschäftigt und welche am olympischen Kongress im November 2009 in Kopenhagen diskutiert werden. Haben Sie Antworten darauf? Interessierte Leserinnen und Leser können ihre Fragen und Standpunkte zum aktuellen Thema auf der Website von Swiss Olympic eingeben. Eine Plattform zum Austausch von persönlichen Standpunkten. Die Artikel der Serie «Fühle den Puls» 23.02.2009 Einführung in die Thematik 23.04.2009 Die Athleten 16.06.2009 Olympische Spiele 24.08.2009Die Strukturen der olympischen Bewegung 26.10.2009 Olympismus und Jugend 21.12.2009 Die digitale Revolution www.swissolympic.ch/blog sw i ss spor t N r. 3 /0 9 19