Autorenrichtlinie für die Tagung Werkstoffprüfung 2009
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Autorenrichtlinie für die Tagung Werkstoffprüfung 2009
Charakterisierung der Hochtemperaturermüdungsrissausbreitung durch kombinierte optische und resistometrische Risslängenmessung K. Wackermann, Universität Siegen U. Krupp, Hochschule Osnabrück H.-J. Christ, Universität Siegen Zusammenfassung In Turbinen unterliegen Werkstoffe einer kombinierten Beanspruchung aus mechanischer und thermischer Belastung. Dadurch kann ein atmosphärenabhängiges Risswachstum resultieren, welches z.B. in der Flugzeugindustrie sicherheitsrelevante Bauteile betrifft. Aus diesem Grund besteht die Notwendigkeit, das Ermüdungsrisswachstum umfassend in Luft und vergleichend in Vakuum für ein besseres Verständnis der relevanten Schädigungsmechanismen zu dokumentieren. Dies wird in diesem Beitrag durch eine kombinierte optische und resistometrische Rissverfolgung, appliziert in einer servohydraulischen Ermüdungsprüfmaschine mit Vakuumkammer und Induktionsheizung, an Corner-Notch-Proben durchgeführt. Für die optische Oberflächenrissverfolgung wird ein Fernfeldmikroskop genutzt, welches die Rissverfolgung durch einen Fensterflansch der Vakuumkammer ermöglicht. Die Verfolgung des Risswachstums im Vollmaterial wird durch eine Wechselstrompotentialsonde (ACPD) ermöglicht. Gegen die Schwankung des Messsignals durch eine Selbstinduktion wurde eine strikte Kabelführung mit teilweise abgeschirmten Kabeln entwickelt. Im Beitrag werden exemplarisch Versuchsergebnisse vorgestellt und diskutiert, die sich auf den Schädigungsmechanismus dynamische Versprödung von Nickelbasislegierungen beziehen. Stichwörter: Wechselstrompotentialsonde, Ermüdungsrissausbreitung, Hochtemperaturermüdung, Alloy718, Dynamische Versprödung 1 Einleitung Nickelbasislegierungen sind aufgrund ihrer Hochtemperaturermüdungsfestigkeit und ihrer Korrosionsbeständigkeit gepaart mit guten Kriecheigenschaften die Standardwerkstoffe für Turbinenschaufeln und -scheiben. Bei Vergleichsuntersuchungen an Laborluft und Vakuum wird für Vakuumversuche in der Regel eine wesentlich höhere Versagensbruchlastspielzahl nachgewiesen [1,2]. An Luft führen Haltezeiten bei maximaler Kraft zu deutlich reduzierten Bruchlastspielzahlen, was in einem mittleren Temperaturbereich, in dem Kriechprozesse noch nicht ausgeprägt sind, durch die Sauerstoffdiffusion entlang der Korngrenzen und Sauerstoffanreicherung an der Rissspitze erklärt werden kann. Vakuumversuche weisen nur einen geringen Einfluss der Haltezeit auf (siehe Bild 1) [3]. Die Bruchfläche an Luft ohne Haltezeit ist durch eine transkristalline Rissausbreitung mit Schwingstreifen gekennzeichnet und wechselt mit längerwerdender Haltezeit zu einer interkristallinen Bruchfläche. Vakuumversuche haben unabhängig von der Haltezeit eine transkristalline Rissausbreitung zur Folge. Der verursachende Mechanismus wird die dynamische Versprödung bezeichnet. Der Luftsauerstoff diffundiert thermisch aktiviert und spannungsunterstützt in die Korngrenzen und erzeugt eine rapide, spröde und interkristalline Rissausbreitung [3][5]. Für ein besseres Verständnis des Mechanismus ist quantitative Charakterisierung der Rissausbreitung nötig. Zu diesem Zweck wird eine servohydraulische Ermüdungsmaschine mit Vakuumkammer um eine optische und resistometrische Risslängenmessung erweitert, die folgend vorgestellt wird. (a) (b) Bild 1 2 Gesamtdehnungsgeregelte Ermüdungsversuche ( Δε/2 = 0,7 %; T=650°C): (a) Wechselverformungskurve im Vakuum [4]; (b) Wechselverformungskurve an Luft [3]. Material, Probengeometrie und Versuchsstand Als Probenmaterial wurden radial zylindrische Probenrohlinge aus einer geschmiedeten Turbinenscheibe der Nickelbasislegierung IN718 erodiert. Die Probenrohlinge wurden folgender Standardwärmebehandlung unterzogen: 1. 2. 3. 4. Lösungsglühen für 20 Minuten bei 1050°C Abschrecken in Wasser Auslagern für 12 Stunden bei 718°C mit Abkühlgeschwindigkeit über 12 Stunden auf 620°C Abkühlung an Luft anschließender konstanter Als Probengeometrie wurde die Corner-Notch-Probe entsprechend ASTM E 647 [6] mit einem quadratischen Querschnitt von 7 mm in der Testlänge gewählt. Die Probenoberfläche wurde für die Versuche mechanisch mit Tonerde bis zu 1 µm poliert. Mittig in einer der Probenkanten wurde ein 0,25 mm Starterkerb erodiert, aus dem anschließend mit Diamantdraht die Oxidschicht abgetragen wurde. Zur Erzeugung eines scharfen Anrisses von ca. 0,5mm bis 1mm Länge wurden die Proben vor den Versuchen bei Raumtemperatur mit einer Frequenz von bis zu 5 Hz kraftkontrolliert angeschwungen. Die Spannungsamplitude wurde dabei kontinuierlich reduziert, um eine kleine plastische Zone für ein schnellen Rissstart im folgenden Rissausbreitungstest zu erreichen. Der Versuchsstand besteht aus einer servohydraulischen Ermüdungsmaschine, an die eine Vakuumkammer mit Fensterflansch appliziert ist. Eine Induktionsheizung ermöglicht Versuchstemperaturen von bis zu 1050°C. Durch den einseitigen Fensterflansch wird die optische Oberflächenrissverfolgung durch ein Fernfeldmikroskop des Typs Questar QM 1 ermöglicht (siehe Bild 2). Die Tiefeninformation des Risses wird mit einer Wechselstrompotentialsonde des Typs Matelect CGM7 gemessen. Bild 2 Servohydraulische Hochtemperaturermüdungsmaschine mit Vakuumkammer und aufgebauten Fernfeldmikroskop. 3 Die Wechselstrompotentialsonde Es gibt zwei Arten von Potentialsonden, die Wechselstrompotentilasonden (ACPD) und die Gleichstrompotentialsonden (DCPD). Welches Messverfahren günstig ist, wird von der Anwendung bestimmt. So hat die ACPD ein höheres absolutes Signal-Rausch-Verhältnis und kann ohne eine elektrische Probenisolierung gegenüber der Ermüdungsmaschine mit einer hohen Messgenauigkeit betrieben werden [7,8], während die DCPD unbedingt eine Isolierung benötigt [9]. Die ACPD kann simultan mit einer Induktionsheizung betrieben werden, indem ein Frequenzfilter das ACPD-Signal isoliert. Die ACPD kann entweder mit Skineffekt genutzt oder in einem Quasi-DCPD Modus betrieben werden. Mit Skineffekt wird nur eine Oberflächeninformation des Risses gemessen und theoretisch eine höhere Auflösung erreicht. Im Quasi-DCPD Modus wird wie bei einer DCPD eine Tiefeninformation des Risses gemessen. Hochauflösende Messsysteme haben neben des Kanal zur Rissmessung einen Referenzkanal, welcher Temperaturschwankungen und wechselnde mechanische Spannungen kompensiert. Nachteilig bei ACPD ist, dass Wechselstrom zu einer Selbstinduktion führen kann, wodurch der Messwert durch eine Kabelbewegung enorm schwankt [7]. Daher wurde eine Kabelhalterung konstruiert, welche die Kabelbewegung durch eine reproduzierbare Geometrieführung und eine Kabelschirmung auf ein Minimum reduziert. Zwischen dem ACPD-Messsystem und der Außenseite der Vakuumkammer sind Koaxialkabel im Einsatz. Von der Innenseite der Vakuumkammer bis unmittelbar vor die Induktionsspule wird eine strikte Kabelführung bestehend aus Messingrohren verwendet (siehe Bild 2a). Die Überbrückung zur Probenoberfläche erfolgt durch an die Probe geschweißte Drähte, die von Miniaturkrokodilklemmen aufgenommen werden (siehe Bild 2b). Aus Platzgründen sind die Stromzuführung und der Spannungsabgriff in einer Ebene parallel verlegt. Besser für eine geringere Selbstinduktion wäre ein rechtwinkliger Versatz. Versuche mit und ohne applizierten Referenzkanal belegen ein deutlich besseres Messsignal für Versuche mit Referenzkanal. (b) (a) Bild 2 (a) Kabelführung vom Rand der Vakuumkammer zur Induktionsspule; (b) Kabelführung zur Probenoberfläche. Die Wechselstromsonde wurde für die Versuche mit einer Frequenz von 3974 Hz und einem Strom von 1 A betrieben. Bei dieser Paarung von Frequenz und der magnetischen Permeabilität des Materials wird die ACPD ohne Skin-Effekt und ohne Resonanz zur Netzfrequenz betrieben. Daher wird eine Tiefen- und nicht nur eine Oberflächeninformation des Risses gemessen. Die Risslänge wird vom gekerbten Rand der Probe zur Probenmitte gemessen. Für Risse bis 4 mm Tiefe ist ein linearer Zusammenhang zwischen der Risstiefe und dem ACPD-Spannungssignal an Luft nachgewiesen worden, vgl. auch [8,10].. Größere Risse führen zu einem parabolisch steigenden Messsignal. Ob eine Temperaturabhängigkeit des ACPD-Signals auftritt ist materialabhängig. So zeigen Corner-Notch-Proben aus IN718 mit gesägten Rissen nahezu keine Temperaturabhängigkeit, während für Baustahl das ACPD-Signal sehr stark von der Temperatur abhängt (siehe Bild 3). Werkstoff: Baustahl S235JR 8 Risslänge (mm) 8 6 4 Raumtemperatur 2 700°C Bild 3 4 6 4 500°C 2 Raumtemnperatur 0 0,5 (a) Risslänge (mm) Werkstoff: IN718 0,7 0,9 1,1 elektr. Spannung ACPD (V) 0 0 0,5 1 1,5 elektr. Spannung ACPD (V) 2 (b) ACPD-Spannungssignal für je zwei Temperaturen gemessen an (a) IN718 und (b) des Baustahl S235JR. Das Fernfeldmikroskop Das Fernfeldmikroskop ermöglicht die Oberflächenrissverfolgung. Oxidschichten bei Hochtemperaturversuchen erschweren die Rissverfolgung dabei allerdings erheblich (siehe Bild 4). Die beste Oberflächenbeobachtung wurde an mechanisch polierten Proben erreicht. Ein elektrolytisches Polieren führte zu einer besser spiegelnden Probenoberfläche, aber auch zu einer welligen Oberfläche, welche den Risskontrast erheblich reduzierte. (a) Bild 4 5 (b) (a) Riss bei Raumtemperatur und (b) bei 650°C aufgenommen mit dem Fernfeldmikroskop Die Rissverfolgung Die resistometrische Rissverfolgung des Gesamtsystems wird anhand eines Ermüdungsversuchs mit 1,3 mm Starterriss bei einem Spannungsverhältnis R=0, einer Spannungsschwingbreite von ΔF=25 kN (entspricht einer nominalen Maximalspannung von σ max =510 MPa und einer Minimalspannung von σ min =0 MPa) und einer Versuchstemperatur von 650°C an Laborluft dargestellt. Jeder Ermüdungszyklus bestand aus 296 Sekunden Haltezeit bei maximaler Kraft und Kraftrampen von 2 Sekunden. Der Versuch wurde bei der kritischen Risstiefe von 4 mm beendet, die Probe im Zugversuch an Raumtemperatur aufgebrochen, die Risslänge ausgemessen, die Länge linear mit dem Spannungssignal korreliert und so die Risslänge für den jeweiligen Ermüdungszyklus bestimmt (siehe Bild 5a). Wird die Rissausbreitungsgeschwindigkeit direkt aus der gemessenen Rissverlängerung pro Zyklus berechnet (siehe Bild 5b), so ergibt sich eine deutliche Variation. Die polynomische Glättung nach ASTM E 647 liefert einen gleichmäßigeren Rissanstieg. 4,5 Risslänge (mm) 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 10 20 30 40 Ermüdungszyklus (a) Bild 5 (b) Rissausbreitungversuch mit dem Spanunngsverhältnis R = 0 bei 650°C: (a) Risslänge aufgetragen über den Ermüdungszyklus; (b) Risswachstumsgeschwindigkeit aufgetragen über die Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktor Trotz dieser Glättung zeigt die Rissausbreitungsgeschwindigkeit einen unstetigen Verlauf. Ursächlich dafür sind die insgesamt nur 27 Ermüdungszyklen, von denen glättungsbereinigt 23 verbleiben. Darüber hinaus hat die ACPD systembedingt ein Messrauschen. Ein Abgleich der gemessenen Rissläng den Werten aus den Bildern des Fernfeldmikroskops wird bei Hochtemperaturversuchen an Luft durch die Oxidschicht erschwert. Ein Rissausbreitungstest bei Raumtemperatur an IN718 mit der Spannungsamplitude ΔF = 27 kN und dem Spannungsverhättnis von R = -1 zeigt eine Übereinstimmung zwischen der optischen und resistometrischen Risslänge, so dass bei Vakuumversuchen auch eine erfolgreiche optische Rissverfolgung zu erwarten ist. Weiterhin kann somit der lineare Zusammenhang zwischen der Risslänge und dem Potentialsignalwerte nachgewiesen werden (siehe Bild 6). (a) Bild 6 (b) Rissausbreitungversuch: Spanunngsverhältnis R = 0, Spannungsamplitude ΔF = 27 kN, Raumtemperatur, Laborluft: (a) Risslänge aufgetragen über die Ermüdungszyklenzahl; (b) Nachweiß des linearen Zusammenhangs zischen optischer und resistometrischer Risslänge. 6 Schlussfolgerung aus Ausblick Es wurde die Möglichkeit zur kontinuierlichen Verfolgung der Ermüdungsrissausbreitung durch eine kombinierte resistometrische und optische Risslängenmessmethode anhand von Versuchen in Luft bei 650°C und Raumtemperatur an der Nickelbasislegierung IN718 gezeigt. Bei optischer Risslängenmessung wird bei Raumtemperaturversuchen ein hohes Kontrastverhältnis des Risses zur Probenoberfläche erreicht, so dass eine kombinierte Aufzeichnung des Rissfortschritt durch resistometrische und optische Messung möglich ist. An Laborluft bei 650°C verhindert die Oxidschicht eine zuverlässige optische Rissmessung, so dass hier eine Aussage nur über die resistometrische Messung möglich ist. Für die geplante Vakuumversuche wird erwartet, dass die Rissverfolgung unterstützend zur resistometrischen Messung auch optisch möglich sein wird.. Für die Rissverfolgung mittels einer Wechselstrompotentialsonde wurde eine optimierte Kabelführung entwickelt, die nur minimale Kabelbewegungen und daher nur eine sehr kleine Selbstinduktion zulässt. Dies führt zu reproduzierbaren Ergebnissen. Damit wurde eine kontinuierliche in-situ Rissverfolgung in einem Induktionsfeld erreicht. Durch den Betrieb der Wechselstromsonde ohne einen Skin-Effekt wird eine Tiefeninformation der Rissgröße gemessen. Die sehr schnelle Messmethode ermöglicht die Messung des Rissfortschritts innerhalb eines Ermüdungszyklus. In den geplanten weiterführenden Arbeiten soll die Werkstoffmikrostruktur mit dem Rissfortschrittsverhalten korreliert werden. Langfristig soll die Tauglichkeit des Systems für die Erfassung der Ermüdungsrissausbreitung unter thermomechanischen Beanspruchungsbedingungen gezeigt werden. 7 Literaturverzeichnis [1] Kang, B.S.; Zhang, G.; Liu, P., Ellathur, M.: Stress accelerated grain boundary oxygen diffusion embrittlement on creep crack growth of Ni-base superalloys, in: Fatigue and Fracture at Elevated Temperatures, A. Nager (Hg.), American Society of Mechanical Engineers, New York, 1995, 225-254. [2] Wei, R.; Miller, C.; Huang, Z.; Simmons, G., Harlow, D.: Oxygen enhanced crack growth in nickel-based superalloys and materials damage prognosis. Engineering Fracture Mechanics 76 (2009), 715–727. [3] Krupp, U.; Wagenhuber, E.-G.; Kane, W., McMahon, C.: Improving resistance to dynamic embrittlement and intergranular oxidation of nickel based superalloys by grain boundary engineering type processing. Material Science and Technology 21 (2005), 1247–1254. [4] Krupp, U.: Arbeitsbericht zum Forschungsvorhaben KR1999/7-1. Quasispröde zeitabhängige Rissausbreitung während Hochtemperaturermüdung der Nickelbasis-Superlegierung IN718 – Einflüsse der Mikrostruktur und Beanspruchungsbedingungen. [5] Krupp, U.: Dynamic embrittlement - time dependet quasi-brittle intergranular fracture at high temperatures. International Materials Review 50 (2005), 83–97. [6] American Society For Testing and Materials: Standard Test Method for Measurement of Fatigue Crack Growth Rates, ASTM International, West Conshohocken, Pa., 2008. [7] Wei, R., Brazill, R.: An assessment of A-C and D-C potential systems for monitoring fatigue crack growth, in: Fatigue Crack Growth Measurement and Data Analysis.ASTM STP 738, S.J. Hundak, Jr. und R.J. Bucci (Hg.), American Society For Testing and Materials, Philadelphia, 1981, 103–119. [8] Matelect: The ACPD Technique: A User Manual. For use with Matelect ACPD products. [9] Černý, I.: The use of DCPD method for measurement of growth pf cracks in large components at normal and elevated temperatures. Engineering Fracture Mechanics 71 (2004), 837–848. [10] Wojcik, A.G.: Potential Drop Techniques for crack characterisation. Materials world: The Journal of the Institute of Materials 3 (1995), 379–381.