Religion: Rituale
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Religion: Rituale
„Wege zur Unsterblichkeit?“: Weg „Religion“ (Rituale) Religion: Rituale Christentum Taufe Die Taufe ist der Grundritus des Christentums. Über das Haupt des Täuflings wird Wasser geleert oder er wird untergetaucht, während die trinitarische Taufformel gesprochen wird. Dazu kommen zahlreiche symbolische Handlungen: Ölsalbung, Entzünden der Taufkerze, weisse Bekleidung und der Effata-Ritus zur Öffnung der Ohren für den Glauben. Der Mensch tritt mit der Taufe in die Gemeinschaft der Kirche ein und ist damit ein von Gott Herausgerufener. Dabei wird ihm alle Schuld vergeben, da er dem Bösen widersagt und seinen Glauben an den dreieinigen Gott bezeugt. Bei der Kindertaufe nehmen Eltern und Paten stellvertretend für den Täufling diese Funktion wahr. Beichte Der Christ macht sich immer wieder schuldig gegenüber Gott, gegenüber den Mitmenschen, der Mitwelt und gegenüber sich selber. Das Bekennen der Schuld, die Reue darüber und die Wiedergutmachung sind Voraussetzungen, dass Sünde und Schuld vergeben werden. Im Sakrament der Versöhnung schenkt die Kirche durch Christus Verzeihung und ermöglicht einen Neuanfang. Erstkommunion Gemäss der röm.-kath. Tradition nimmt das Kind im Alter von etwa zehn Jahren zum ersten Mal voll an der Eucharistie teil. Nach längerer Vorbereitungszeit erhält es nun den Leib Christi und auch sein Blut. Dies ist ein wichtiger Schritt, in die Glaubensgemeinschaft hineinzuwachsen und am verheissenen ewigen Leben in Fülle teilzuhaben. Eucharistie/Abendmahl Vor seiner Kreuzigung hat Jesus von Nazareth zusammen mit seinen Anhängern ein Abschiedsmahl gefeiert. Dabei hat er über Brot und Wein den Segen gesprochen und die beiden Zeichen auf sein eigenes Leben und Sterben hin gedeutet. An diesem Akt der Hingabe an die Menschen sollen alle, die ihm folgen, teilhaben. So sind die Eucharistie (röm.-kath.) und das Abendmahl (evangelisch) zum zentralen christlichen Ritus geworden, worin sich die Kirche als Gemeinschaft konstituiert. Bei der Lesung aus der Heiligen Schrift und in Erinnerung an Jesu Tod und Auferstehung wird Christus in den Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig. In der Feier wird der Bund zwischen Gott und der Gemeinschaft der Gläubigen vollzogen. Konfirmation/Firmung Die Taufe des Kleinkinds bedurfte der Eltern und/oder Paten, die den Glauben an Tod und Auferstehung Christi stellvertretend bezeugen. In der Konfirmation (evangelisch) und der Firmung (röm.-kath.) wird der junge erwachsene Christ aufgefordert, in eigener Verantwortung zu seinem Christsein Ja zu sagen. Damit wird er ein erwachsenes Mitglied der Glaubensgemeinschaft mit all seinen Rechten und Pflichten. Die Verpflichtung auf die Heilige Schrift wird besonders in der evangelischen Kirche hervorgehoben. In der röm.-kath. Tradition wird diese Besiegelung der Taufe als Verleihung des Heiligen Geistes gefeiert, die der Bischof durch Ölsalbung vornimmt. Text aus der Sonderausstellung „Wege zur Unsterblichkeit? Dialog mit Religion, Naturwissenschaft, Spiritualität“, 19.9.03-30.11.03 im Schweizerischen Landesmuseum Zürich. www.musee-suisse.ch „Wege zur Unsterblichkeit?“: Weg „Religion“ (Rituale) Hochzeit Aus röm.-kath. Sicht ist die Ehe ein Sakrament, das den unerschütterlichen Bund zwischen Gott und den Menschen repräsentiert. Daher ist die in ihr versprochene Treue unauflöslich. Die Eheleute spenden sich im Ja-Wort gegenseitig das Sakrament, während der Priester oder Diakon es von der Kirche her bezeugt und entgegennimmt. Die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau dient der gegenseitigen Hilfe und Liebe und muss grundsätzlich für Nachkommenschaft offen sein. Aus reformatorischer Sicht ist die Ehe ein „weltlich Ding“ (Martin Luther). Im Gottesdienst wird die Beziehung von Mann und Frau vor Gott und die Gemeinde gebracht und gesegnet. Priesterweihe Auch die Priesterweihe ist eine Hoch-Zeit. Die röm.-kath. Kirche kennt das sakramentale Priesteramt, das dreifach gegliedert ist: Bischof, Priester, Diakon. Der Priester repräsentiert in der Gemeinschaft der Gläubigen Christus, mit der Priesterweihe ist er dazu legitimiert. Das Spenden der Sakramente und die Verkündigung des Evangeliums und der christlichen Diakonie sind die drei Hauptaufgaben des Priesters. Die reformierte Kirche kennt kein sakramentales Amt. Die Ordination beauftragt Männer und Frauen, nach der theologischen Ausbildung ein Pfarramt in der Kirche zu übernehmen. Religiöse Gelübde Neben dem Ehestand und dem Priesteramt kennt die röm.-kath. Kirche die Lebensform von Ordensleuten. Sie legen die Gelübde (Hoch-Zeit) der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab und leben in Frauen- bzw. Männergemeinschaften. Die Gelübde sind keine Sakramente. Einige Ordensleute sind Mönche und Nonnen und leben in Klöstern. Das Ordensleben ist eine besondere Form der Christusnachfolge und wird von Gebet und Meditation getragen. Krankensalbung Körperliche Heilung und seelisches Heil hängen eng zusammen. Krankenheilungen, oft als Wunder gesehen, gehören zum Kern der Tätigkeit von Jesus aus Nazareth. In der Ölsalbung von Händen und Stirn wird Schwerkranken Heilung von Christus zugesprochen und vermittelt. Die Krankensalbung wird nicht nur zur Gesundung gespendet, sondern auch Sterbenden zu einem guten Tod. Das körperliche Hinscheiden soll im spirituellen Heil des Menschen aufgehoben werden. Begräbnis Die Erdbestattung war bis vor einigen Jahren alleiniger Ausdruck des christlichen Auferstehungsglaubens. Der Mensch ist von der Erde genommen, dahin soll er zurückkehren. Der Leib wird nicht eigenmächtig zerstört; er wird der Erde übergeben oder in eine Grabkammer gelegt. Am Ende der Tage wird der Mensch mit Leib und Seele auferweckt. Die „Auferstehung des Fleisches“ will besagen, dass nicht nur ein geistiger Teil des Menschen ins ewige Leben eingehen wird, sondern die ganze Person. Die Kremation, die im Christentum im Gegensatz zu Judentum und Islam Einzug gehalten hat, nimmt auf diese Glaubenssymbolik keine Rücksicht mehr. Jahrzeit Die Erinnerung an die Verstorbenen wird in der röm.-kath. Kirche in verschiedenen Formen gepflegt. Des Todestages eines Menschen wird über Jahre hinweg gedacht, indem sein Grab besucht wird. Die Verstorbenen gehören zusammen mit den Heiligen zur himmlischen Kirche bei Gott. Mit ihr verbinden sich die Gläubigen in jeder Eucharistie, denn die trennende Macht des Todes ist in Christus überwunden. In der Eucharistie am Jahrestag des Verstorbenen wird dieser namentlich erwähnt. Text aus der Sonderausstellung „Wege zur Unsterblichkeit? Dialog mit Religion, Naturwissenschaft, Spiritualität“, 19.9.03-30.11.03 im Schweizerischen Landesmuseum Zürich. www.musee-suisse.ch „Wege zur Unsterblichkeit?“: Weg „Religion“ (Rituale) Islam Azan-Ruf Als Zeichen dafür, dass die ganze Welt das Werk Gottes ist und von seinem alleinigen Willen abhängt, wird schon dem neugeborenen Muslim der erste Teil des islamischen Gebetsrufes (Allahu akbar = Gott ist gross, jeweils viermal) in das rechte und das Glaubensbekenntnis (Ich bezeuge, es gibt keinen Gott ausser Gott. Ich bezeuge, Muhammad ist der Gesandte Gottes) in das linke Ohr geflüstert. Beschneidung Nach islamischer Tradition werden Kinder – je nach Land – zwischen dem 7. Tag nach der Geburt und dem 15. Lebensjahr beschnitten. Als religiöser Ritus symbolisiert die Beschneidung die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen. Pflichtgebet Das Pflichtgebet gehört zu den so genannten fünf Pfeilern oder fünf Grundpflichten des Islam (Glaubensbekenntnis, Pflichtabgabe, Fasten, Pilgerfahrt nach Mekka). Mit dem täglich fünfmal verrichteten Pflichtgebet unterbricht der gläubige Muslim rituell seinen Alltag und richtet somit seine gesamte Aufmerksamkeit auf Gott – als Zeichen der Hingabe und des Gehorsams gegenüber Gott. „Das Gebet ist für die Gläubigen eine für bestimmte Zeiten festgesetzte Vorschrift“ (Koran 4, 103). Mit dem täglich rituell demonstrierten Gehorsam gegenüber Gott ist auch das erhoffte Endziel des gottgefälligen Lebens verbunden: das ewige Leben im Paradies. Diesbezüglich heisst es im Koran: „(...) und die geduldig sind und dabei immer nur ihren Herrn vor Augen haben, und die das Gebet verrichten, (...) die haben dereinst die letzte Behausung zu erwarten, die Gärten von Eden, in die sie eingehen werden“ (13, 22–23). Sterberituale Dem sterbenden Muslim wird als geistliche Hilfe am Sterbebett leise die Sure 36 (Ya sin) rezitiert. Die rituelle Bedeutung dieser Sure für die Sterbephase kommt in ihrem auf das Leben nach dem Tod und auf die Auferstehung und das Jüngste Gericht bezogenen Inhalt zum Ausdruck. Dies insbesondere im Vers 12: „Wir allein machen die Toten wieder lebendig. Und wir schreiben auf, was sie früher getan, und die Spuren, die sie mit ihrem Lebenswandel hinterlassen haben. Alles haben wir in einem deutlichen Hauptbuch aufgezählt.“ Kommentar zur Ehe im Islam Nach dem Koran gehört die Institution der Ehe zur göttlichen Schöpfungsordnung („Und Gott hat euch aus euch selbst Gattinnen gemacht, und von euren Gattinnen Söhne und Enkel gemacht", Koran, 16, 72) und erfüllt als solche einen dreifachen Zweck: Nachkommenschaft, Lebensgemeinschaft, Befriedigung und Kanalisierung des Geschlechtstriebs. Nach islamischer Vorstellung ist die Ehe zwar eine Verpflichtung für jeden Muslim und jede Muslimin, formal gesehen ist sie jedoch ein zivilrechtlicher Vertrag und somit vom Ehesakrament der christlichen Tradition zu unterscheiden. Text aus der Sonderausstellung „Wege zur Unsterblichkeit? Dialog mit Religion, Naturwissenschaft, Spiritualität“, 19.9.03-30.11.03 im Schweizerischen Landesmuseum Zürich. www.musee-suisse.ch „Wege zur Unsterblichkeit?“: Weg „Religion“ (Rituale) Judentum Beschneidung Der jüdische Knabe wird am achten Tag nach der Geburt an seiner Vorhaut beschnitten. Dazu wird er zuerst auf den Stuhl des Propheten Elija gelegt, der als Bote des Bundes verehrt wird. Dann hält der Pate das Kind, während es der Mohel (Beschneider) beschneidet. Damit trägt der Knabe das Zeichen des Bundes zwischen Gott und dem jüdischen Volk an seinem Körper. Dieses Zeichen der Zugehörigkeit zum Volk, das bereits Abraham an sich vollzog und in der Thora mehrmals gefordert wird, ist zum zentralen, rituellen Zeichen geworden. Auch von säkular lebenden Juden wird die Beschneidung vollzogen. Eine Beschneidung von Frauen kennt das Judentum nicht. Bar Mitzwa/Bat Mitzwa In einer feierlichen Synagogenliturgie wird der Zwölfjährige in die Rechte und Pflichten des erwachsenen Juden eingeführt. Dabei darf er zum ersten Mal rituell aus der Thora vor versammelter Gemeinde vorlesen und diese sogar auslegen. Als Sohn des Gebots (Bar Mitzwa) ist er nun zur Thorabefolgung angehalten. Durch die Gebote im rituellen, ethischen und rechtlichen Bereich heiligt der Jude das alltägliche Leben und setzt es überall und zu jeder Zeit in Bezug zu Gott. Das Reformjudentum kennt für das Mädchen eine Bat Mitzwa, wo sie „Tochter des Gebots“ wird. Die Frauen dürfen hier auch öffentlich aus der Thora vorlesen. Sabbat Die wöchentliche Feier des Sabbats prägt das jüdische Familienleben stark. Am Sabbat wird darauf verzichtet, in den Gang der Schöpfung einzugreifen und ökonomisch tätig zu sein. Dieser zweckfreie Tag des Ruhens soll ganz auf Gott und auf das gemeinsame Feiern ausgerichtet sein. Er erinnert an die Schöpfung, die mit dem Ruhen Gottes ihre Vollendung findet, und an die Befreiung aus der Sklavenarbeit in Ägypten. Der Tag wird am Freitagabend mit dem Empfang des Sabbat eröffnet (Kabbalat Sabbat) und am Samstagabend mit der Havdala-Feier, die den heiligen Tag vom Arbeitstag scheidet, beendet. Der Tag stellt eine Vorwegnahme des Lebens im Angesicht Gottes dar. Hochzeit Bei der jüdischen Hochzeit wird die Frau dem Manne anvertraut. Der oft wunderbar gestaltete Ehevertrag bezeugt diesen Akt. Das Paar wird wie König und Königin unter dem Traubaldachin gefeiert. Begräbnis Die Toten werden im Judentum ausschliesslich beerdigt. Der Auferstehungsglaube gebietet dies. Die Gräber werden nicht aufgehoben und die Toten dürfen nicht mehr angerührt werden bis zum Tag der Auferweckung durch Gott. Während in der Diaspora im Sarg begraben wird, werden die Verstorbenen im Land Israel, nur in den Gebetsschal gehüllt, direkt in die Erde gelegt. Dass das jüdische Volk letztlich im eigenen Land zur Ruhe kommen soll, wird damit unterstrichen. Familiengräber sind sehr beliebt. Am Grab wird das Qaddisch, das Totengebet, gesprochen. Jahrzeit Die Erinnerung an die Verstorbenen am dreissigsten Tag nach der Beerdigung und an den Jahrestagen wird gepflegt. Die Verbundenheit des gesamten Volkes durch die Generationen hindurch wird damit betont. Oft brennen in den Synagogen Lichter bei den Namen der Verstorbenen des laufenden Jahres. Text aus der Sonderausstellung „Wege zur Unsterblichkeit? Dialog mit Religion, Naturwissenschaft, Spiritualität“, 19.9.03-30.11.03 im Schweizerischen Landesmuseum Zürich. www.musee-suisse.ch