E 96 - die Villa der Zukunft
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E 96 - die Villa der Zukunft
E 96 - die Villa der Zukunft VON PHILIPP VON KAPHERR Hamburgs verrücktestes Haus steht an der Elbchaussee. Direkt neben dem feinen Restaurant Landhaus Dill ragt es wie ein gelandetes Ufo in den Himmel. Mit dem phantastischen Bau hat sich der Hamburger Architekt Heinrich Stöter (46) ein Heim so ganz nach seinem Geschmack geschaffen. Nach 16 Monaten Bauzeit ist "Raumstation E 96" endlich fertig. 2,24 Millionen Mark verschlang der Bau des Wohn- und Arbeitshauses. Mit einem Quadratmeterpreis von 2800 Mark liegt das Objekt nach Angaben des Architekten sogar unter den Kosten für sozialen Wohnungsbau. Denn "wir haben alle Baustoffe (Glas, Stahl, Beton und Kunststoffe) direkt vom Händler gekauft", verrät Marion Stöter. Als Ort der Begegnung, der Kunst und Kommunikation versteht das Ehepaar Heinrich und Marion Stöter ihr futuristisch-schönes Haus. Lange schon gilt das aufwendig gestaltete Gebäude als ultimativer Blickfang an der Elbe. Besonders Autofahrer scheinen sich für den modernen Bau zu begeistern. Viele bremsen, wollen schauen, wer dort wohnt. So auch der Fahrer des nostalgischen Porsche Carrera. "Ich hörte einen dumpfen Knall, da war der Porsche nur noch Schrott", berichtet Architektengattin Marion Stöter. "So etwas geht uns natürlich ziemlich nahe." Immerhin: Probleme mit Nachbarn und Behörden kennen die Stöters nicht. "Wir freuen uns jeden Tag über dieses tolle Haus", schwärmt Nachbar Dr. Günther Schröter. Der nette Physiker von gegenüber hat sein Büro von der Elbseite extra zur Straße hin verlegt: "Von Anfang an verfolgen wir die Bauarbeiten. Jetzt ist das große Kunstwerk endlich fertig!" Eigentlich wollten der Architekt und seine Frau "doch nur ein Haus zum Wohnen bauen". Daß ihre 800-Quadratmeter-Villa für derartiges Aufsehen sorgt, hätten beide nicht gedacht. Der Baustil des "poetischen Hightech-Barocks" stellt in der Hansestadt ein Novum dar. "Unter diesem Stil verstehen wir ökologisches Bauen mit Blick in die Zukunft", verrät Marion Stöter, ehemalige PR-Beraterin. "Wir setzen modernste Technologie ein, um umweltbewußt zu leben." Ihr Verständnis für die Umwelt beginnt bei der Ausnutzung natürlicher Ressourcen, wie Wärme, Wasser und Licht. Große Solarzellen auf dem Dach, Wärmekollektoren an der Häuserwand, ein Abgas- turbo im Wintergarten - ökologisch wie ökonomisch sind die Stöters auf dem Stand der Technik. Was bei ihnen im großen Stil passiert, wird künftig jeder Bauherr haben können. Denn Architekt Stöter hat schon ein Konzept für Reihen- und Doppelhäuser entwickelt. "Dann gibt es unser Haus bald auch in klein", freut sich Marion Stöter, die häufig von begeisterten Passanten angesprochen wird. Wenn man sich mit einem so auffälligen Haus in die Öffentlichkeit begibt, "muß man sich auch präsentieren, Interessierten stellen", meint der Architekt. Nicht zuletzt zeigt Stöter, wie modern man bauen kann. Eine aktuelle, aber zeitgemäße Architektur, die ankommt. Was ist das Geheimnis? Auch darauf hat Stöter, passionierter Rockmusiker, eine - kritische - Antwort: "Der Durchschnittsarchitekt lebt konservativ im englischen Landhausstil, hat das obligatorische Reetdachhaus auf Sylt, aber zwingt den Mitmenschen seinen kargen und kalten Baustil auf." Stöter: "So richtig ehrlich ist das nicht."