Fachkräftemigration aus der Sicht von Partnerländern

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Fachkräftemigration aus der Sicht von Partnerländern
Fachkräftemigration
aus der Sicht von Partnerländern
Wege zu einer entwicklungsorientierten Migrationspolitik
Herausgegeben von:
Vorwort
Viele Industrieländer kämpfen aufgrund des demografischen Wandels mit einem dramatischen Rückgang ihres
Fachkräftepotenzials: Jüngsten Szenarien zufolge werden
diesen Staaten in 20 Jahren über 200 Millionen qualifizierte Fachkräfte fehlen. In einigen europäischen Ländern
wird in den kommenden zwei Jahrzehnten die Zahl der
Erwerbstätigen um bis zu ein Drittel abnehmen, wenn es
nicht gelingt, zusätzliche Potenziale zu erschließen
(Angenendt 2012: 10). Ein Lösungsansatz liegt in der
Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Die Idee:
Der wachsende Bedarf an Fachkräften in den geburtenschwachen Staaten könnte durch die jungen Bevölkerungsgruppen zahlreicher Entwicklungs- und Schwellenländer zum Teil abgedeckt werden. Zuwanderung ist für
viele Staaten keine Option, sondern ein Muss, wenn sie
ihre Konkurrenzfähigkeit erhalten möchten. Der globale
Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte – insbesondere im
Gesundheitssektor und in mathematisch-technischen
Berufen – hat längst begonnen.
Das verstärkte Engagement von Anwerbestaaten in
Entwicklungs- und Schwellenländern wird jedoch auch
kritisch gesehen. Eine Abwanderung von Fachkräften,
häufig als Brain Drain bezeichnet, kann die Innovationskraft des Herkunftslandes hemmen oder zu Engpässen
führen, z.B. im Gesundheitswesen. Dem steht die
Erkenntnis gegenüber, dass die Migration von Fachkräften
viele positive Effekte haben kann: Geld und Ideen fließen
in die Herkunftsländer der Fachkräfte und viele
Auswanderer kehren befristet oder auf Dauer zurück und
tragen so zur Entwicklung ihres Heimatlandes bei.
2
Vor diesem Hintergrund gilt es, Strategien zu entwickeln,
überzeugt, dass ein entwicklungspolitisch sensibles
um die positiven Effekte von Migration gezielt zu fördern
Vorgehen bei der Fachkräftegewinnung auch die Attrakti-
und mögliche negative Folgen der Abwanderung von
vität des Standortes Deutschland in der Migrationspolitik
Fachkräften für die Entwicklungs- und Schwellenländer
steigert.
abzuwenden. Das kann nur im Dialog mit den Herkunfts-
Erste Ergebnisse wurden Mitte Dezember 2012 in einem
ländern gelingen. Um die Interessen der Herkunftsländer
Fachsymposium in Berlin präsentiert und diskutiert. Die
zu erfassen und Anregungen für eine entwicklungsorien-
zentralen Resultate der Dialogreihe werden im vorlie-
tierte Fachkräftemigrationspolitik zu bekommen, hat das
genden Studienbericht zusammengefasst und stehen
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
damit allen Interessierten zur Verfügung.
und Entwicklung die Dialogreihe „Maximierung des
entwicklungspolitischen Nutzens von Fachkräftemigra-
Ich danke dem Projektteam der Deutschen Gesellschaft
tion“ in Auftrag gegeben. Das Projekt wurde vom
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH herzlich
Geschäftsbereich Migration der Deutschen Gesellschaft
für die engagierte und schnelle Umsetzung der Maß-
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH von
nahme und allen Gesprächspartnern für ihre Bereitschaft,
August bis Dezember 2012 durchgeführt. Der Ansatz ist
mit uns in einen offenen Dialog zu treten.
innovativ und experimentell, denn bislang fanden die
Diskussionen über geeignete Fachkräftemigrationsstrate-
Eine spannende Lektüre wünscht Ihr
gien überwiegend in den Anwerbestaaten statt. Unser Ziel
war es, die Perspektive der Entsendeländer in den
Vordergrund zu stellen. Im Rahmen von Experteninterviews und Dialogveranstaltungen wurde in Armenien,
Georgien, Indien, Kolumbien, Marokko, Tunesien und
Vietnam eruiert, wie nachhaltige Modelle der Fachkräfte-
Dr. Werner Bruns
migration geschaffen werden können. Der Fokus lag auf
Leiter der Abteilung Zentrale Dienste;
Modellen, von denen sowohl die Migrantinnen und
Zivilgesellschaft; Wirtschaft
Migranten als auch das Aufnahmeland und das
Bundesministerium für wirtschaftliche
Herkunftsland profitieren können.
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Insgesamt soll das Projekt einen Beitrag dazu leisten,
Migrationspolitik in Deutschland partizipativ unter
Einbeziehung der Interessen und Sichtweisen der
Herkunftsländer zu gestalten. Darüber hinaus sind wir
3
Inhalt
Vorwort .................................................................................................................................................................................................... 2
Abkürzungen ..........................................................................................................................................................................................7
Zusammenfassung ...............................................................................................................................................................................8
1. Ausgangslage und methodischer Hintergrund ................................................................................. 11
1.1 Ausgangslage ........................................................................................................................................................................... 11
1.2 Methodische Vorgehensweise ......................................................................................................................................... 11
1.3 Begriffliche Abgrenzung .................................................................................................................................................... 13
1.4 Fachkräftemigration und ihre entwicklungspolitischen Auswirkungen ................................................... 14
2. Fachkräftemigration begreifen: Abwägung von Chancen und Risiken .................... 17
2.1 Phase 1: Abwanderung ins Ausland .............................................................................................................................. 17
2.2 Phase 2: Aufenthalt im Ausland ..................................................................................................................................... 19
2.3 Phase 3: Mögliche Rückkehr ............................................................................................................................................ 20
3. Fachkräftemigration bewerten: Rahmenbedingungen auf dem Prüfstand ......... 23
3.1 Rechtlicher und administrativer Kontext in den Aufnahmeländern .......................................................... 23
3.2 Rahmenbedingungen in den Herkunftsländern ................................................................................................... 25
3.3 Internationaler Kontext ..................................................................................................................................................... 27
4
4. Fachkräftemigration gestalten: Verbesserungsvorschläge unterbreiten ................. 31
4.1 Arbeitsmarktanalyse, Monitoring, Kommunikation ........................................................................................... 31
4.2 Vorbereitung der migrierenden Fachkräfte ............................................................................................................. 32
4.3 Rekrutierung und Vermittlung der migrierenden Fachkräfte ........................................................................ 32
4.4 Willkommenskultur und Integrationsförderung .................................................................................................. 33
4.5 Zusammenarbeit mit der Diaspora .............................................................................................................................. 34
4.6 Optimierung der Verwendung von Geldtransfers ................................................................................................ 35
4.7 Rückkehranreize und Reintegrationsförderung .................................................................................................... 36
5. Fazit ................................................................................................................................................................................................ 38
Annex I: Länderberichte ................................................................................................................................................. 41
Armenien ......................................................................................................................................................................................... 41
Georgien ........................................................................................................................................................................................... 45
Indien ................................................................................................................................................................................................. 49
Kolumbien ....................................................................................................................................................................................... 53
Marokko ............................................................................................................................................................................................ 57
Tunesien ........................................................................................................................................................................................... 61
Vietnam ............................................................................................................................................................................................ 65
Annex II: Liste der Interview- und Diskussionspartner ................................................................. 68
Annex III: Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 71
5
6
Abkürzungen
ANAPEC. . . . . Agence Nationale de Promotion de l’Emploi et des Compétences
(marokkanische Arbeitsagentur)
ANETI. . . . . . . Agence Nationale pour l’Emploi et le Travail Indépendant (tunesische Arbeitsagentur)
BA. . . . . . . . . . . Bundesagentur für Arbeit
BIP. . . . . . . . . . Bruttoinlandsprodukt
BMAS . . . . . . . Bundesministerium für Arbeit und Soziales
BMWi . . . . . . . Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
BMZ. . . . . . . . . Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
CNU. . . . . . . . . Colombia Nos Une Programm
DDR. . . . . . . . . Deutsche Demokratische Republik
DOLAB. . . . . . Department of Overseas Labour Affairs (Vietnam)
EU. . . . . . . . . . . Europäische Union
EURES. . . . . . . European Employment Services
EZ. . . . . . . . . . . Entwicklungszusammenarbeit
FARC. . . . . . . . Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens)
GIZ . . . . . . . . . Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH
H1B. . . . . . . . . Vorübergehendes Arbeitsvisum für besondere Berufszweige in den USA
ISCED. . . . . . . International Standard Classification of Education
IT. . . . . . . . . . . Informationstechnik
MEDA. . . . . . . Mésures d’accompagnement financiers et techniques (EU Programm zur finanziellen und
technischen Begleitung für die Implementierung der euro-mediterranen Zusammenarbeit)
MOIA . . . . . . . Ministry of Overseas Indian Affairs (Indien)
MINT . . . . . . . Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Informatik
NGO. . . . . . . . . Non-Governmental Organization
OCI . . . . . . . . . Overseas Citizenship of India
ODA. . . . . . . . . Official Development Assistance
PhD. . . . . . . . . philosophiae doctor, wissenschaftlicher Doktorgrad
PIO. . . . . . . . . .Person of Indian Origin
USA. . . . . . . . . United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika)
7
Zusammenfassung
Die Studie untersucht, wie die entwicklungspolitischen
mitbringen. Dann können Rückkehrer als Entwicklungs-
Effekte von Fachkräftemigration maximiert werden
akteure wirken, und sie können eine Vorbildwirkung im
können. Um diese Frage aus der Perspektive der
Herkunftsland haben, indem sie deutlich machen, dass
Herkunftsländer zu beantworten, führte die Deutsche
sich Investitionen in Bildung und Ausbildung lohnen. Im
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
Fall einer dauerhaften Abwanderung setzen die Experten
GmbH in sieben ausgewählten Ländern – Armenien,
Hoffnungen in eine verstärkte Kooperation mit der dabei
Georgien, Indien, Kolumbien, Marokko, Tunesien und
entstehenden Diaspora.
Vietnam – mit zahlreichen Experten Interviews.
Zusätzlich wurden fünf Dialogveranstaltungen mit jeweils
Aus den Interviews wird deutlich, dass die angestrebten
60 bis 90 Teilnehmern organisiert, wovon zwei Veranstal-
positiven Wirkungen für Herkunftsländer, Aufnahme-
tungen regionalen Charakter hatten (Maghreb,
länder und Migranten (Triple Win) keine Selbstverständ-
Südkaukasus).
lichkeit darstellen. Neben den bereits angesprochenen
Risiken für die Herkunftsländer sehen die Interview-
Die zentrale Erkenntnis lautet: Die meisten Gesprächs-
partner im Wesentlichen drei mögliche negative
partner bewerten die Migration von Fachkräften als
Wirkungen. Diese werden insbesondere befürchtet, wenn
positiv und gewinnbringend, und sie betrachten sie als
der Migrationsprozess ungeregelt stattfindet, wie dies bei
einen Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und
weniger qualifizierten Tätigkeiten häufig der Fall ist. Hier
unterqualifizierter Beschäftigung im Herkunftsland. Viele
gibt es kaum legale Zugangsmöglichkeiten zu den
Experten weisen darauf hin, dass eine geregelte
Arbeitsmärkten der Industrieländer, was in den Augen der
Abwanderung auch von gut ausgebildeten Fachkräften
Herkunftsländer irreguläre Migrations- und Beschäfti-
zumindest dann nicht als Brain Drain gewertet werden
gungsmuster fördert, bei denen ein hohes Ausbeutungs-
kann, wenn diese im Herkunftsland keine geeigneten
risiko besteht. Daher wird angeregt, auch für diese
Beschäftigungsmöglichkeiten finden können. Allerdings
Berufsbilder legale Migrationsmöglichkeiten zu schaffen
wird durchaus befürchtet, dass eine ungeregelte und
und Arbeitsmarktzugänge nicht nur Personen mit
massive Abwerbung im Herkunftsland dort zu Engpässen
hochwertigen Abschlüssen zu ermöglichen. Ein zweites
führen kann. Geldtransfers aus dem Ausland werden als
nicht zu unterschätzendes Risiko sehen viele Gesprächs-
ein wichtiger Beitrag zur Armutsreduktion im
partner in einer unterqualifizierten Beschäftigung im
Herkunftsland gesehen. Zudem bewerten die Experten die
Aufnahmeland. Ein solcher Brain Waste resultiert häufig
zwischenstaatlichen Effekte und insbesondere die
aus einer mangelhaften Beherrschung der Sprache des
Stärkung von partnerschaftlichen Beziehungen als positiv.
Ziellandes. Ein dritter Problembereich betrifft die
Aus Sicht der Herkunftsländer ergeben sich vor allem
Belastungen und Probleme, die sich aus der Trennung für
dann positive Effekte, wenn die Fachkräfte zurückkehren
die Familie ergeben können.
und dabei zusätzliche Qualifikationen und Kapital
8
Um den oben genannten Herausforderungen zu begegnen
partner außerdem auf faire Rekrutierungs- und Vermitt-
und Fachkräftemigration entwicklungspolitisch
lungsprozesse mit transparenten und nachvollziehbaren
nachhaltig zu gestalten, halten die Gesprächspartner vor
Verfahren. Als äußerst wichtig wird sodann die Gleichbe-
allem bessere Möglichkeiten für eine legale Migration für
handlung der Migranten mit einheimischen Fachkräften
unabdingbar. Hier geht es insbesondere um eine
erachtet, insbesondere bei Löhnen, Arbeitsbedingungen
erleichterte Visumerteilung. Innerstaatlich werden
und sozialer Absicherung. Außerdem wünschen sich die
vorrangig eine strategische Gestaltung der nationalen
Interviewpartner, dass den Migranten im Zielland mit
Migrationspolitik sowie eine verbesserte Koordination der
einer Willkommenskultur begegnet wird, d.h.
beteiligten Behörden gefordert. Darüber hinaus sind die
insbesondere mit Wertschätzung für ihre Persönlichkeit
Ausbildungssysteme in vielen Herkunftsländern nicht auf
und ihre kulturelle Identität, aber auch mit konkreten
die Bedarfe des Arbeitsmarktes abgestimmt – hier besteht
Hilfestellungen bei der Integration in die aufnehmende
aus Sicht der Experten dringender Handlungsbedarf.
Gesellschaft. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der
Aufgeworfen wird auch die Frage, wie eine investive
Diaspora lautet die Einschätzung der Gesprächspartner,
Verwendung der Geldtransfers gefördert werden kann. Im
dass migrationsinteressierte Fachkräfte sowie das
internationalen Kontext wünschen sich Herkunftsländer
Herkunftsland von den Erfahrungen und Qualifikationen
eine partnerschaftliche und faire Gestaltung der
der bereits im Ausland lebenden Fachkräfte enorm
Zusammenarbeit sowie eine engere Kooperation
profitieren können. Konkrete Verbesserungsmöglich-
insbesondere mit der Europäischen Union. Darüber
keiten werden schließlich für die Gestaltung der Rückkehr
hinaus befürworten die Gesprächspartner die
und Reintegration gesehen, insbesondere in Bezug auf den
Entwicklung von internationalen Aus- und Weiterbil-
Informations-, Beratungs- und Erfahrungsaustausch.
dungskooperationen.
Die Gesprächspartner zeigen konkrete Handlungsfelder
auf, die für eine nachhaltigere Ausgestaltung von
Fachkräftemigration von zentraler Bedeutung sind.
So werden eine bessere Abstimmung von Fachkräfteangebot und -nachfrage und ein entsprechender Informationsaustausch vorgeschlagen. Ferner wird die gründliche
Vorbereitung der Migranten – durch fachliche sowie
sprachlich-interkulturelle Aus- und Weiterbildung – als
ein notwendiges Element für einen erfolgreichen Start im
Zielland betrachtet. Großen Wert legen die Gesprächs-
9
10
1. Ausgangslage und
methodischer Hintergrund
Im Mittelpunkt dieser Studie stehen die verschiedenen
ausländische Absolventen deutscher Universitäten 2012
Sichtweisen der Entsendeländer zum Thema Fachkräfte-
deutlich verbessert. Sie wirbt seit Mitte 2012 mit dem
migration, wobei der Fokus auf folgenden Fragen liegt: Ist
Onlineportal Make it in Germany im Ausland aktiv um
Fachkräftemigration entwicklungsfördernd? Wie kann der
Arbeitskräfte3.
entwicklungspolitische Nutzen und der damit verbundene
Fachkräfte sollten vor allem dort rekrutiert werden, wo
Win-Effekt für die Herkunftsländer maximiert werden?
sie in einem Überangebot vorhanden sind. Dieses
Überangebot kann entweder kurzfristig konjunkturell
bedingt sein, oder auf längerfristige strukturelle,
wirtschaftliche Schwächen eines Landes zurückgehen.
1.1 Ausgangslage
Eine dritte Ursache liegt häufig in einem sehr starken
Bevölkerungswachstum, das selbst bei hohen volkswirt-
Die Bundesregierung geht in ihrer Fachkräftestrategie
schaftlichen Wachstumsraten eine steigende Arbeits-
davon aus, dass das deutsche Erwerbspersonenpotenzial1
losigkeit hervorrufen kann.
von 2010 bis 2025 um 6,5 Millionen Menschen
schrumpfen wird, wenn es nicht gelingt, zusätzliche
Potenziale zu erschließen (Bundesministerium für Arbeit
1.2 Methodische Vorgehensweise
und Soziales 2011: 6). Dem drohenden Fachkräftemangel
soll zunächst durch eine verbesserte Ausschöpfung des
inländischen Fachkräftereservoirs entgegen gewirkt
werden, vor allem durch eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren und durch Qualifizierungs-
Der größte Teil der weltweit migrierenden Fachkräfte
maßnahmen. Da dies zur Deckung des Fachkräftebedarfs
stammt aus bevölkerungsreichen Ländern. In Relation zur
langfristig jedoch nicht ausreichen wird (Hochrangige
Bevölkerungszahl kann die Abwanderung in bevölke-
Konsensgruppe 2011), hat die Bundesregierung die
rungsärmeren Ländern wesentlich größere Ausmaße als
Zuwanderungsmöglichkeiten für qualifizierte Zuwandere-
in bevölkerungsreichen Ländern erreichen. (Dumont et al.
rinnen und Zuwanderer2 und die Bleibemöglichkeiten für
2010: 27) . Daher wurden für die Dialogreihe sehr
1 Der Begriff Erwerbspersonenpotenzial bezeichnet nach dem Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung (Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit) die Summe aus
Erwerbstätigen, Arbeitslosen und „Stiller Reserve“. Letztere besteht aus nicht erwerbstätigen
Personen, die Arbeit suchen, ohne bei den Agenturen für Arbeit als Arbeitslose registriert zu
sein oder die bei aufnahmefähigerem Arbeitsmarkt ihre Arbeitskraft anbieten würden.
Das Erwerbspersonenpotenzial ist somit die maximale Anzahl aller erwerbsfähigen Personen
in Deutschland.
3 Das so genannte „Willkommensportal“ www.make-it-in-germany.com wirbt um die Gunst
ausländischer Fachkräfte, indem es umfangreiche Informationen zu Leben und Karriere in
Deutschland bereithält. Es ist ein Kernelement der gemeinsamen Fachkräfte-Offensive des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi), des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales (BMAS) und der Bundesagentur für Arbeit (BA). Weitere Informationen unter
www.fachkraefte-offensive.de.
2 Zur Erleichterung der Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf des Textes nur die männliche Form
verwendet, jedoch ist die weibliche Form dabei explizit mit eingeschlossen.
11
unterschiedliche Länder ausgewählt. So war mit Indien
●●Einbeziehung von Ländern unterschiedlicher Größe,
wirtschaftlicher Bedeutung und geographischer Lage
das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der Welt
beteiligt. Mit rund 1,2 Milliarden Einwohnern leben dort
●●Forschungspraktische Gegebenheiten
mehr als doppelt so viele Menschen wie in der Europäischen Union. Armenien – das bevölkerungskleinste Land
Als zentrales Erhebungsinstrument wurde ein qualitativer,
dieses Dialogvorhabens – weist hingegen nur knapp drei
teilstrukturierter Interviewleitfaden entwickelt. Dieser
Millionen Einwohner auf.
ermöglichte es, dass ausgewählte Interviewpartner aus der
Sicht ihres jeweiligen Landes und vor dem Hintergrund
8
15
6
und wie sie beurteilt werden.
10
4
10 wurden umfassende InterIn den sieben Dialogländern
5
2
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%
Mio
5
views mit Gesprächspartnern
aus folgenden Bereichen
strukturen
Emigrants in millions
●●NGOs bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Migration and Remittances Factbook 2nd
editon (The World Bank 2011)
●●Wissenschaft mit Bezug zum Thema Fachkräfte-
migration
Folgende Kriterien wurden bei der Auswahl der Dialogländer berücksichtigt:
●●Alumni-Organisationen
●●Wirtschaft mit Bezug zum Thema Fachkräftemigration
●●Interesse der jeweiligen Regierungen an einer aktiven
●●Universitäten bzw. Berufsschulen
Gestaltung von Migrationspolitik
●●Gewerkschaften und Interessensverbände
●●Berücksichtigung von Ländern, die eine Mobilitätspart-
nerschaft mit der EU abgeschlossen haben bzw. diese
Mit dieser Auswahl sollte sichergestellt werden, dass
derzeit verhandeln
möglichst alle Themen, die in politischen Debatten zur
4 Auswanderungsquote (engl. emigration rate): Im Ausland geborene Einwohner des jeweiligen
Herkunftslandes in anderen Ländern der Welt (Daten der Aufnahmeländer, teilweise
Schätzungen), bezogen auf die Bevölkerung des Landes.
5 Eine Liste der Interview- und Diskussionspartner (Name und Funktion) ist nach Ländern
sortiert im Annex II zu finden.
12
m
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Emigrants as a percentage of the pop
●●Entwicklungszusammenarbeit
Abbildung 1: Auswanderung4 aus den Dialogländern – absolute und relative Zahlen
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●●Mit der Migrationsthematik befassten Verwaltungsfach-
Ausgewanderte in Prozent der Bevölkerung
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25
Fachkräftemigration aus ihrem
Land eine Rolle spielen
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30
ihrer Fachexpertise erläutern
konnten, welche Aspekte für
10
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12
25
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30
1. Ausgangslage
und methodischer
Hintergrund
Fachkräftemigration in den jeweiligen Ländern eine Rolle
Vor dem Hintergrund steigender Fachkräftebedarfe der
spielen, zumindest durch einen Interviewpartner zur
Industriestaaten sollte im Rahmen der Studie ein
Sprache gebracht werden. Das Gespräch wurde jeweils von
umfassendes Bild über Chancen und Risiken von größeren
einer Person geführt, wobei eine zweite Person die
Migrationsbewegungen gewonnen werden. Zahlreiche
Kernaussagen protokollierte. Insgesamt wurden auf diese
Gesprächspartner begrüßten dieses Anliegen und
Weise circa 1.500 Kernaussagen dokumentiert, welche die
beklagten zugleich, dass in den bisherigen Anwerbepro-
analytische und inhaltliche Basis für die Erarbeitung des
zessen die Konsequenzen von Migration für die
vorliegenden Studienberichts darstellen. Die Aussagen
Herkunftsländer von den Zielländern gar nicht oder nicht
wurden in mehreren Schritten zusammengefasst,
hinreichend in Betracht gezogen worden seien.
verglichen und im Projektteam diskutiert, um zu
Eine erste Präsentation der Ergebnisse fand am 10.
verhindern, dass Einzelaussagen ein zu hohes Gewicht
Dezember 2012 in der GIZ-Repräsentanz in Berlin statt.
erhalten. Im folgenden Ergebnisteil wird auf einige dieser
Im Rahmen eines Fachsymposiums erörterten Vertreter
Kernaussagen Bezug genommen. Den Interviewpartnern
von Bundesministerien, Politik, Wirtschaft und Zivilge-
wurde eine anonyme Zitierung zugesichert, sodass die in
sellschaft erste Schlussfolgerungen für die Weiterent-
dieser Studie dargestellten Kernaussagen nur in Bezug
wicklung der deutschen Migrationspolitik.
zum jeweiligen Dialogland gesetzt werden.
Darüber hinaus wurden fünf Dialogveranstaltungen zur
Fachkräftemigrationsthematik mit landes- bzw. regional-
1.3 Begriffliche Abgrenzung
spezifischem Themenschwerpunkt durchgeführt. Zwei
dieser Veranstaltungen wurden regional abgehalten:
Dies betraf die Maghreb-Region (Marokko, Tunesien)
Die begriffliche Abgrenzung von „Migration“ und
sowie die südliche Kaukasus-Region (Armenien,
„Fachkräften“ ist Gegenstand von Auseinandersetzungen
Georgien). So wurde ein Austausch zwischen staatlichen
in Wissenschaft und Politik.6 Das für dieses Dialog-
und zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie Vertretern der
vorhaben gewählte Begriffsverständnis wurde den
Wirtschaft und Wissenschaft angeregt. An den Dialogver-
Interviewpartnern erläutert.
anstaltungen nahmen jeweils zwischen 60 und 90
Personen teil.
6 Vgl. zu unterschiedlichen Begrifflichkeiten das Glossar des Europäischen Migrationsnetzwerks
(Europäische Kommission 2012)
13
1.4 Fachkräftemigration und
ihre entwicklungspolitischen
Auswirkungen
Internationale Arbeitsmigration: Unter internationaler
Arbeitsmigration wird hier verstanden, dass eine Person
ihren Wohnsitz in ein anderes Land verlagert, um dort
eine bezahlte Arbeit aufzunehmen. Dieser breite Begriff
schließt die erstmalige Arbeitszuwanderung vom
Geburtsland in ein anderes Land ein, aber genauso die
Fachkräftemigration kann sich auf die ökonomische,
Rückkehr ins Herkunftsland zu Erwerbszwecken und
soziale und kulturelle Entwicklung eines Herkunftslandes
wiederholte Wanderungen in beide Richtungen. Solche
auswirken (z.B. Lindley 2012). Hier werden Effekte bei
wiederholten Wanderungen werden hier als zirkuläre
Abwanderung, während eines Auslandsaufenthalts und
Migration bezeichnet, ob sie nun ursprünglich so
bei eventueller Rückkehr unterschieden und somit kurz-,
beabsichtigt waren und politisch gefördert wurden oder
mittel- und langfristige Effekte beachtet. In der nationalen
nicht. Arbeitsmigranten werden zu einem Teil der
wie internationalen Debatte dominieren zwei zentrale
Diaspora, unter der hier alle Auswanderer und ihre
Argumentationsmuster, die im Folgenden unter den
Nachkommen verstanden werden, die noch Bezug zum
Stichworten Brain Drain und Triple Win zusammengefasst
Herkunftsland haben (Skeldon 2010: 151).
werden.
Fachkräfte: Als Fachkräfte werden hier Arbeitskräfte mit
Brain Drain: Wenn qualifizierte Menschen eine Region
berufsqualifizierenden Abschlüssen in der internationalen
verlassen, wird dies als Verlust betrachtet – entweder weil
Klassifizierung von Bildungsstandards von Level 3 bis 8
sie als Innovationsmotoren gelten, oder weil ihre
(UNESCO 2011) verstanden. Dabei werden zwei Niveaus
Abwanderung zu Engpässen (z.B. in der Gesundheitsver-
unterschieden:
sorgung) führt. Es profitieren die Aufnahmegebiete, bei
denen es sich entweder um größere Städte in den
●●Hochqualifizierte Fachkräfte: Fachkräfte mit
Hochschulabschluss, die eine Universität oder
Herkunftsländern oder um wirtschaftlich besser
vergleichbare Einrichtung erfolgreich abgeschlossen
entwickelte Zielländer handelt, während die peripheren
haben (ISCED Level 5-8) und dabei einen Abschluss
Regionen in den weniger entwickelten Ländern verlieren
erwarben, der zur Ausübung eines Berufs qualifiziert.
(Faist 2010: 69). Das Brain Drain-Argument wurde in den
Aufnahmeländern zur Rechtfertigung restriktiver
●●Fachkräfte ohne Hochschulabschluss: Sie haben an
einer Fachschule oder im dualen System eine
migrationspolitischer Regelungen genutzt. So soll im
Ausbildung absolviert, die zur Ausübung eines Berufs
Interesse der Herkunftsländer auf eine Zuwanderung von
qualifiziert (ISCED Level 3-4).
Fachkräften verzichtet werden. Für Studierende ist
vorgesehen, dass sie wieder in ihre Ursprungsländer
zurückkehren. Solche Brain Drain-Argumentationen
14
1. Ausgangslage
und methodischer
Hintergrund
waren in den 1970er und 1980er Jahren verbreitet, haben
mit Chancen oder mit Risiken verknüpft ist? Welche
jedoch im vergangenen Jahrzehnt ihre Dominanz
Rahmenbedingungen sind erforderlich, um sicherzu-
gegenüber Argumentationen verloren, die positivere
stellen, dass die Herkunftsländer einen Nutzen aus der
Aspekte der Fachkräftemigration in den Mittelpunkt
Fachkräftemigration ziehen? Was können Herkunfts- und
stellten.
Aufnahmeländer unternehmen, um den entwicklungspolitischen Gewinn der Fachkräftemigration zu
Triple Win: Eine positive Sicht auf die Potenziale von
maximieren?
Fachkräftemigration dominiert seit mehreren Jahren in
europäischen und internationalen politischen Debatten.
Dies wird auch in den vorbereitenden Diskussionen zum
geplanten zweiten „UN High Level Dialogue on Migration
and Development“ im Oktober 2013 deutlich (United
Nations General Assembly 2013). Wenn qualifizierte
Migranten wandern, wird dies im Triple Win-Ansatz als
Gewinn für drei Seiten betrachtet: Die Aufnahmeländer
beseitigen wachstumshemmende Engpässe im Arbeitsmarkt, während die Herkunftsländer ihre Arbeitsmärkte
um überschüssige Arbeitskräfte entlasten und zunächst
durch Heimatüberweisungen der Migranten (Remittances)
und Technologietransfer gewinnen. Zudem profitieren sie
von intensivierten internationalen Beziehungen und
erhalten im Falle der Rückkehr einer Fachkraft einen
besser qualifizierten Experten mit Innovationspotenzial
und internationaler Vernetzung. Die Migranten selbst
gewinnen unmittelbar durch höhere Einkommen im
Aufnahmeland und möglicherweise längerfristig durch
bessere Positionen aufgrund ihrer erweiterten Kenntnisse
bei einer Rückkehr.
In den nächsten Kapiteln werden die Antworten auf
folgende Fragen zusammengefasst: Ist Fachkräftemigration ein Phänomen, das für die Gesprächspartner eher
15
16
2. Fachkräftemigration begreifen:
Abwägung von Chancen und Risiken
2.1 Phase 1: Abwanderung ins
Ausland
Die Auswirkungen von Fachkräftemigration auf die
Entwicklung des Herkunftslandes werden sowohl in der
Politik als auch in der Wissenschaft intensiv diskutiert.
Viele Effekte der Fachkräftemigration sind umstritten,
wobei in der Forschung als unumstritten gelten kann, dass
Die Verringerung der Arbeitslosigkeit und der unterquali-
Fachkräftemigration nicht per se „schlecht“ ist. Unter
fizierten Beschäftigung im Herkunftsland wird von vielen
bestimmten Bedingungen können Migranten einen
Interviewpartnern als positiver Effekt der Fachkräftemig-
Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in ihrem
ration genannt und erläutert. Gründe hierfür können in
Heimatland leisten – die Rückkehrer in Ostasien gelten
einem Ungleichgewicht zwischen dem nationalen
hier als ein Beispiel von vielen (Skeldon 2010). De Haas
Arbeitsmarkt- und dem vorhandenen Fachkräfteangebot
(2010) zeigt auf, dass die Debatte um die potenziellen
oder an einer schlechten wirtschaftlichen Situation liegen.
Effekte von Migration lange Zeit zwischen den Polen der
Arbeitslosigkeit im Herkunftsland wurde vor allem bei
„Entwicklungsoptimisten“ und der „Entwicklungspessi-
den Interviewpartnern in Armenien, Tunesien, aber auch
misten“ pendelte, bevor sich erst seit Ende der 1990er-
in Kolumbien und Vietnam thematisiert.
Jahre differenziertere Sichtweisen herausbildeten.
„Fachkräftemigration ist für Kolumbien ganz klar ein
Die Frage nach Chancen oder Risiken ist also keine
Vorteil. Wir haben zu viele Fachkräfte im Land, die
„Entweder-oder-Frage“. Dies wurde auch im Rahmen der
hier keine Arbeit finden. Es gibt eine Schwemme von
Dialogreihe deutlich, in der sehr unterschiedliche, zumeist
Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Ärzten auf dem
auch außerordentlich differenzierte Beiträge gesammelt
nationalen Arbeitsmarkt.“ (Kolumbien)
werden konnten. Die Darstellung orientiert sich
nachfolgend an den drei Phasen eines hypothetischen
Die Mehrheit der Gesprächspartner aus allen sieben
Migrationsverlaufes: Die Phase der Abwanderung, die
Dialogländern bewertet die Migration von Fachkräften
Phase des Aufenthaltes im Aufnahmeland und die einer
auch unter dem Aspekt der beruflich-fachlichen Weiter-
möglichen Rückkehr.
bildung als positiv für das Herkunftsland.
„Da es in Marokko keine solide berufliche Ausbildung
gibt, kann es für mittelqualifizierte Fachkräfte Sinn
machen, ins Ausland zu gehen, um dort zusätzliche
Kompetenzen zu erwerben.“ (Marokko)
17
Diese Äußerung greift bereits den Aspekt der Rückkehr
Daneben werden auch soziale Effekte thematisiert.
der Migranten in ihr Herkunftsland auf. Die Interview-
Insbesondere in Georgien und Armenien, vereinzelt auch
partner begreifen die Qualifikationsentwicklung der
in Kolumbien, Tunesien und Vietnam, machen die
Migranten im Ausland mehrheitlich dann als Chance für
Interviewpartner auf Probleme aufmerksam, die durch die
das Herkunftsland, wenn die Fachkräfte zu einem
Trennung von Familien entstehen.
späteren Zeitpunkt wieder zurückkehren.
„Die Migration reißt nicht nur Familien auseinander,
Gleichzeitig sehen viele Gesprächspartner auch gewisse
sie wirft auch neue Fragen und Probleme bezüglich der
Risiken für ihr Land. Insbesondere in Armenien, Georgien,
Versorgung und Pflege älterer Familienmitglieder auf.“
Tunesien und Marokko betrachten die Interviewpartner
(Vietnam)
abwandernde Fachkräfte als Verlust, der mittel- bis
„Die sozialen Effekte von Migration sind ein sehr sensibles
langfristig als hemmender Faktor für die wirtschaftliche
Thema. Oft gründen Männer im Ausland neue Familien
Entwicklung des Landes gewertet wird.
und kehren nicht mehr zurück. Darüber wird aber kaum
„Marokko ist ein Schwellenland und kann es sich nicht
gesprochen.“ (Armenien)
leisten, dass qualifizierte Fachkräfte abwandern.“
Es wird auch auf durch Migration entstehende demogra-
(Marokko)
phische Ungleichgewichte in Bezug auf Alter und
„Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Migration
Geschlecht sowie deren Auswirkungen auf die gesamtge-
immer selektiver wird. Dabei handelt es sich um eine
sellschaftliche Situation hingewiesen.
ungleiche Beziehung. Oft verlässt nur die Elite das Land.“
„Fachkräftemigration ist in Georgien sicher ein
(Tunesien)
Genderthema. Anfang der 1990er Jahre gingen viele
Teilweise führt die zunehmende Fachkräftemigration
Frauen ins Ausland, was die Männer in eine unerwartete
auch zu Engpässen in den Arbeitsmärkten der Dialog-
und schwierige Lage brachte und viele Familien
länder. Insbesondere in Armenien und Georgien merken
destabilisierte.“ (Georgien)
die Interviewpartner an, dass die Abwanderung qualifizierter Kräfte in einigen Sektoren (z.B. IT) zum Problem
geworden ist. In solchen Konstellationen, so beklagen
einige Gesprächspartner, erscheint es als unfair, dass das
Herkunftsland neben dem Verlust an Humankapital auch
die Kosten für die Ausbildung der abwandernden Kräfte
tragen muss.
18
2. Fachkräftemigration begreifen:
Abwägung von Chancen und Risiken
2.2 Phase 2: Aufenthalt im
Ausland
Bundesstaaten) träge, und politische Änderungen
Geldtransfers werden von fast allen Interviewpartnern
Geldtransfers stehen Äußerungen zu Investitionen von
verlangsamen sich.“ (Indien)
In engem Zusammenhang mit Aussagen zu den
Migranten. In nahezu allen Dialogländern wird der
als höchst positiver Effekt und als größte Entwicklungs-
Auslandsaufenthalt von Fachkräften von den Interview-
chance für das Herkunftsland gewertet. Die finanzielle
partnern als Chance für die wirtschaftliche Entwicklung
Unterstützung wird als Instrument zur Armutsreduzierung beschrieben und trägt zum wirtschaftlichen
des Landes gewertet.
Aufstieg der Familien bei.
„Es ist egal, von wo aus auf der Welt die Menschen zur
In der Mehrheit der Dialogländer führen die Geldtransfers
wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes beitragen.
darüber hinaus auch maßgeblich zur Erhöhung der
Sie müssen nicht vor Ort sein.“ (Vietnam)
Kaufkraft. So entsprechen sie in Armenien einem Anteil
„Migranten tätigen viele Investitionen in ihrem
von 8,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (vgl. Annex I).
Herkunftsland. Für Auslandsmarokkaner ist Marokko ein
Die Rückkehr von Migranten wird mit Blick auf diesen
Markt.“ (Marokko)
Aspekt von einigen Interviewpartnern nicht als
notwendig beurteilt.
Die meisten Interviewpartner vertreten die Auffassung,
Auf der anderen Seite werden Geldtransfers auch als
Auslandsaufenthaltes erfolge, aber dass optimale
sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheitsfaktor
Wirkungen sich erst nach der Rückkehr eines Migranten
bewertet, da nur solche Familien (und somit auch
entfalten würden. Umgekehrt ermögliche es gerade der
Regionen) von den Geldtransfers profitieren, die
Auslandsaufenthalt, positive zwischenstaatliche Effekte zu
Fachkräfte ins Ausland entsenden. Einzelne Gesprächs-
generieren und das Image des Herkunftslandes zu fördern.
partner gehen zudem davon aus, dass Geldtransfers auch
Die im Ausland lebende Diaspora wird als „Türöffner“,
negative Wirkungen entfalten können, etwa indem sie
„Botschafter“ und „Lobbyist“ bezeichnet, welche die
Anreize zur Eigeninitiative reduzieren oder den
partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den
Reformdruck auf Behörden der Herkunftsländer mindern.
Herkunfts- und Aufnahmeländern stärken kann.
„Remittances nach Indien kommen vor allem
„Natürlich ist jeder Kolumbianer im Ausland auch
den privaten Haushalten zugute. Das hat zwei
ein Botschafter unseres Landes. Er kann dabei helfen,
unterschiedliche Effekte: Zum einen steigen einige
ein gutes Image zu verbreiten und Investitionen nach
Familien wirtschaftlich auf, zum anderen werden in
Kolumbien zu kanalisieren.“ (Kolumbien)
dass ein Wissenstransfer zwar auch schon während des
manchen Fällen die lokalen Regierungen (z.B. in den
19
Dabei wird durchaus auch reflektiert, dass es nicht allein
vertragliche Vereinbarungen die Rückkehr der Fachkräfte
auf die Qualifikation einer Fachkraft ankommt, sondern
sicherstellen sollen. Chancen eröffnen sich im Rückkehr-
auf ihren qualifizierten Einsatz. Die Gefahr der unterquali-
prozess insbesondere durch die mitgebrachten Qualifika-
fizierten Beschäftigung im Aufnahmeland (Brain Waste)
tionen, Ideen und finanziellen Mittel. Allgemein wird die
wird zwar bei gezielter Fachkräfteanwerbung über
Hoffnung artikuliert, dass rückkehrende Fachkräfte als
offizielle Programme als gering eingeschätzt, insbesondere
Entwicklungsakteure für ihre Herkunftsländer agieren,
von Interviewpartnern aus Georgien und Kolumbien,
indem sie Arbeitsplätze schaffen und die wirtschaftliche
jedoch als häufige Begleiterscheinung ungeregelter
Entwicklung vorantreiben.
Migration gesehen. Zudem sei eine höhere Betroffenheit
„Viele Migranten kehren zurück, um ein Unternehmen
von Frauen zu verzeichnen, die im Ausland oft
aufzubauen. Es gibt einige gute Beispiele von
unabhängig von ihrem Ausbildungsgrad für geringer-
Rückkehrern, die heute ein erfolgreiches Unternehmen
wertige Tätigkeiten in privaten Haushalten, der Kinderbe-
führen.“ (Armenien)
treuung oder Altenpflege beschäftigt werden. Als Gründe
für die unterqualifizierte Beschäftigung führen die
„Bei den Rückkehrern profitiert Kolumbien vor allem von
Gesprächspartner unzureichende Sprachkenntnisse,
den Sozialkompetenzen, vom Know-how, den Werten, der
fehlende Berufsanerkennungen und einen fehlenden
Kultur und den gelernten Verhaltensweisen.“ (Kolumbien)
Aufenthaltsstatus an.
Als positiver Effekt wird eine Qualitätssteigerung der
Erzeugnisse und Dienstleistungen beschrieben. Im
Herkunftsland sind Fachkräfte mit internationaler
Arbeitserfahrung daher häufig sehr gefragt. In Bezug auf
2.3 Phase 3:
Mögliche Rückkehr
den Gesundheitssektor erkennen kolumbianische
Interviewpartner besondere Chancen.
„Krankenschwestern, die im Ausland häufig in der
In allen Dialogländern wird die Rückkehr von Fachkräften
Altenpflege arbeiten, sammeln bereits wichtige und
in ihre Heimat als Chance für das Herkunftsland bewertet.
zukunftsorientierte Arbeitserfahrungen, da auch in
Trotzdem stehen viele Gesprächspartner einer
Kolumbien die Gesellschaft altern wird.“ (Kolumbien)
erzwungenen Rückkehr nach einer befristeten Aufenthaltsphase kritisch gegenüber. Sie sind überwiegend der
Weniger häufig genannt, aber dennoch relevant, ist die
Überzeugung, dass eine Rückkehr freiwillig geschehen
mögliche Vorbildfunktion von rückkehrenden
sollte. Lediglich in Georgien und Armenien äußert eine
Fachkräften:
größere Zahl von Interviewpartnern den Wunsch, dass
20
2. Fachkräftemigration begreifen:
Abwägung von Chancen und Risiken
„Erfolgreiche rückkehrende Fachkräfte motivieren junge
internationalen Kliniken und gehen damit dem
Menschen dazu, mehr in ihre eigene Bildung und Karriere
öffentlichen Gesundheitssektor verloren.“ (Vietnam)
zu investieren.“ (Vietnam)
Die Gespräche zeigten auch, dass die Rückkehr manchmal
Insbesondere die Interviewpartner, die bei der
als problematisch gewertet wird, wenn Rückkehrer sich
Abwanderung von Fachkräften auf die sozialen Probleme
gegenüber Gebliebenen einen Vorteil auf Märkten
durch Familientrennung hinwiesen, sehen im Umkehr-
verschaffen können. So beklagen einzelne Gesprächs-
schluss in der Rückkehr der Fachkräfte die positiven
partner aus Tunesien, Marokko und Vietnam einen
Effekte für genau diese Familien.
Preisanstieg bei Häusern und Grundstücken.
„Familien, die Geldtransfers erhalten, geht es bestimmt
besser als anderen Familien. Familien, zu denen die
Migranten zurückkehren, geht es natürlich noch besser!“
(Georgien)
Mit der Rückkehr von Fachkräften bringen die Interviewpartner nur in geringem Maße negative Effekte für ihr
Herkunftsland in Verbindung. Reintegrationsprobleme
– und dadurch entstehende Arbeitslosigkeit, unterqualifizierte Beschäftigung oder soziale Probleme – sowie soziale
Konflikte mit Nicht-Migrierten werden von den Interviewpartnern sehr selten und nur im Zusammenhang mit
unfreiwilliger Rückkehr genannt.
In den Gesprächen in Vietnam wurde deutlich, dass die
Interessen rückkehrender Fachkräfte nicht notwendigerweise entwicklungsförderlich sind. Wenn Fachkräfte
ihre Erfahrungen nach ihrer Rückkehr für einen
beruflichen Aufstieg nutzen, hilft dies der Allgemeinheit
unter Umständen eher wenig.
„Rückkehrende Fachkräfte, die im Gesundheitsbereich
arbeiten, finden häufig gute Jobs in privaten,
21
22
3. Fachkräftemigration bewerten:
Rahmenbedingungen auf dem
Prüfstand
3.1 Rechtlicher und administrativer Kontext in den Aufnahmeländern
Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit
die Herkunftsländer von der Wanderung ihrer Fachkräfte
profitieren? Dieser Frage widmen sich die Gesprächspartner im zweiten Teil der Interviews. In Bezug auf die
Aufnahmeländer werden vor allem die migrationspolitischen Regelungen von der Visavergabe bis hin zur
Legale Migration und Visa-Erteilung
Rückkehrförderung diskutiert. Auch wenn diese in erster
Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen zur Aufnahme
Linie das Aufnahmeland und die Migranten selbst
von Fachkräften sehen viele Interviewpartner Verbesse-
betreffen, haben sie dennoch Rückwirkungen auf das
rungspotenzial und erhoffen sich eine Unterstützung
Herkunftsland. Cassarino (2010) zeigt, dass die Auswir-
durch die Aufnahmeländer.
kungen der Rückkehr von Fachkräften und anderen
„Die Regierungen der Zielländer sollten entsprechende
Migranten sehr stark davon abhängen, wie gut die
rechtliche Bedingungen herstellen, sodass Fachkräfte
Rückkehr geplant, vorbereitet und durch das Zielland
einfacher auf legalem Weg ein- und ausreisen können.“
gefördert wird. Andere Autoren betonen etwa den Einfluss
(Armenien)
grundlegender und nur langfristig beeinflussbarer
Rahmenbedingungen im Herkunftsland, insbesondere in
Außer dem Wunsch, Möglichkeiten für eine dauerhafte
Hinsicht auf Rechtssicherheit und politische Stabilität.
Migration zu schaffen, liegt den Interviewpartnern auch
Emigrierte und zurückkehrende Fachkräfte können sich
viel daran, dass bessere temporäre Wanderungsmöglich-
demnach dann produktiv einbringen, wenn in den
keiten erzeugt werden. Interessant ist, dass viele
Herkunftsländern wirtschaftliche und gesellschaftliche
Gesprächspartner es als unfair erachten, wenn nur
Entwicklung stattfindet (Skeldon 2010: 153).
bestimmten Personen die Auswanderung erleichtert wird
Bemerkenswert ist auch die wachsende Bedeutung der
– insbesondere in Tunesien, Armenien und Georgien wird
doppelten Staatsangehörigkeit, welche Fachkräften
dies thematisiert.
dauerhaft eine Rückkehr offenhält und eine gleichzeitige
„Die aktuelle europäische Politik gegenüber Tunesien
Integration in zwei Gesellschaften ermöglicht (Khadria
ist paradox: Man verhindert die legale Migration der
2010: 185). Viele Länder haben sich deshalb darum
Unqualifizierten und schöpft die Besten ab.“ (Tunesien)
bemüht, den eigenen Migranten staatsbürgerliche Rechte
zuzusichern, selbst wenn die Aufnahmeländer – wie etwa
„Es kommen nur die Armenier wieder zurück, die in
Deutschland – eine doppelte Staatsangehörigkeit nicht
Europa nicht gewollt werden. Die ,Schlechten‘ werden
zulassen. So gibt es in Indien einen speziellen Rechtsstatus
zurückgeschickt, die ,Guten‘ behalten. Das ist nicht fair.“
für ausländische Staatsbürger indischer Herkunft
(Armenien)
(Naujoks 2009).
23
soziale Aspekte der Mobilität von Menschen.“ (Marokko)
Einzelne Stimmen aus Georgien, Armenien und Marokko
machen auf die Situation von Staatsbürgern aufmerksam,
Ebenso wird die Inkohärenz der Migrationspolitik
die sich illegal in Europa aufhalten. Dies schließt auch
europäischer Mitgliedstaaten kritisiert.
qualifizierte Fachkräfte mit ein, selbst wenn sie nicht als
solche beschäftigt sind. Die Gesprächspartner weisen
„Mir scheint, in Europa ist man derzeit etwas unsicher,
darauf hin, dass insbesondere irreguläre Migranten in
ob Migration erwünscht ist oder nicht. Insgesamt ist die
einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren
Debatte zu stark emotional aufgeladen.“ (Marokko)
Arbeitgebern stehen. Sie sind häufig unterhalb ihres
Ausbildungsniveaus beschäftigt und können ihre Rechte
Zirkuläre Migration
(z.B. faire Löhne) nicht einklagen.
Zirkuläre Migrationsmodelle werden von den Gesprächspartnern unterschiedlich verstanden und aufgefasst.
„Meiner Meinung nach liegt einer der Hauptgründe für
Mangels eines einheitlichen Begriffsverständnisses halten
die illegale Migration gerade im Schengen-Abkommen
einige Interviewpartner zirkuläre Migration für eine
und der Mystifizierung von Europa als dem Eldorado für
immer wiederkehrende Migrationsbewegung mit
Arbeitssuchende.“ (Marokko)
mehrfachem Ein- und Ausreisen von einem ins andere
Von den Dialogländern, die im Rahmen der Nachbar-
Land (z.B. Erntehelfer). Andere definieren eine Migrations-
schaftspolitik mit der Europäischen Union kooperieren,
bewegung als zirkulär, sobald eine Rückkehr erfolgt.7 In
wird von der EU gefordert, eine generelle „Blockade-
den Gesprächen und Diskussionsrunden in den Dialog-
Haltung“ bei Visa-Regelungen zu beenden und soziale
ländern wurden zirkuläre Migrationsmodelle
Aspekte stärker in den Vordergrund der Migrationspolitik
insbesondere im Kontext der Rückkehrmodalitäten
zu rücken.
diskutiert.
„Der Zugang zur EU und insgesamt zu den westlichen
Vertragliche, im Vorfeld des Migrationsprozesses
Nationen ist schwierig geworden und hat ein
getroffene Vereinbarungen, werden insbesondere von
fragwürdiges, jedoch legales Visa-Business nach sich
Interviewpartnern aus Georgien und Armenien als
gezogen.“ (Armenien)
sinnvolle Steuerungsmöglichkeit für zirkuläre Migrations-
„Den europäischen Ländern geht es in erster Linie
prozesse betrachtet. Dies sei speziell bei qualifizierten
um sicherheitstechnische Fragen, dann um politisch-
Fachkräften sinnvoll, um Brain Drain entgegenzuwirken.
finanzielle Angelegenheiten und erst an dritter Stelle um
7 Zur unterschiedlichen Verwendung des Begriffs „zirkuläre Migration“ vgl. Angenendt (2007)
24
3. Fachkräftemigration bewerten:
Rahmenbedingungen auf dem
Prüfstand
3.2 Rahmenbedingungen in
den Herkunftsländern
„Es ist aus einer individuellen Sicht das gute Recht jedes
Armeniers, ins Ausland zu gehen, volkswirtschaftlich
betrachtet, müssen bilaterale Verträge jedoch sicherstellen, dass diese Spezialisten wieder zurückkommen.“
Nationale Migrationspolitik
(Armenien)
Die Interviewpartner in den Dialogländern, insbesondere
Im Gegensatz dazu äußern andere Gesprächspartner, dass
in den EU-Nachbarstaaten, gehen kritisch mit der
Rückkehrklauseln nicht praktizierbar sind.
Entwicklung ihrer nationalen Migrationspolitik um und
„Was die Rückkehr von Tunesiern in ihr Herkunftsland
formulieren auch Verbesserungsvorschläge an die eigenen
betrifft, da sind strikte Regelungen nicht passend. Es
Regierungen. In Georgien wird u.a. die fehlende oder
wird häufig diskutiert, ob Rückkehr- oder Rückzahlungs-
falsche Allokation von staatlichen Mitteln zur Flankierung
klauseln bei Stipendien vereinbart werden sollen. Solche
von Migrationsprozessen kritisiert.
Vereinbarungen sind nicht anwendbar und auch nicht
„Es gibt keine staatliche Behörde, welche
der richtige Weg.“ (Tunesien)
Migrationsaktivitäten und Auslandaufenthalte
„Die Rückkehr von Fachkräften sollte immer freiwillig
koordiniert und unterstützt – das wäre aber hilfreich.“
sein.“ (Indien)
(Georgien)
Sofern zirkuläre Wanderungsbewegungen gewünscht
Ein armenischer Interviewpartner fordert die Regist-
sind, erscheint es vielen Gesprächspartnern sinnvoll, mit
rierung armenischer Migranten bei einer staatlichen
Anreizsystemen statt mit rechtlichen Verpflichtungen zu
Stelle, um Migrationsströme besser steuern zu können.
arbeiten. So sollten Migranten die Gewissheit haben,
Auch marokkanische Gesprächspartner formulieren den
jederzeit in ihr Herkunftsland zurückkehren zu können,
Wunsch zur Schaffung einer staatlichen Institution.
aber durch eine Rückkehr nicht das Aufenthalts- und
„Es wäre hilfreich, eine Mobilitätsagentur aufzubauen,
Arbeitsrecht im Aufnahmeland verlieren. Zudem kommt
welche die Interessen des privaten und öffentlichen
im Zusammenhang mit der Realisierung von zirkulären
Sektors zusammenführt und die notwendigen Aktivitäten
Migrationsmodellen dem Aspekt der sozialen Sicherheit
koordiniert.“ (Marokko)
eine große Bedeutung zu; vor allem die Übertragbarkeit
von Sozialversicherungsleistungen wird als wichtiger
Tunesische Gesprächspartner beklagen hingegen die
Aspekt genannt.
Vielzahl von unkoordiniert agierenden staatlichen
Akteuren und das Fehlen einer nationalen Migrationsstrategie.
25
„Es gibt weder eine passende Politik noch eine Strategie
„Die strukturellen Voraussetzungen im Gesundheits-
im Bereich Migration. Es befassen sich einfach zu viele
bereich sind oftmals nicht gegeben, z.B. in der Hygiene
Akteure mit diesem Thema – z.B. das Außenministerium,
und bei der Medizintechnik. Das macht es für indische
das Sozialministerium und das Arbeitsministerium.
Ärzte, die im Ausland arbeiten, häufig so schwer, wieder
Keines dieser Ministerien ist jedoch hauptverantwortlich.“
zurückzukommen.“ (Indien)
(Tunesien)
Nationale und berufliche Bildungssysteme
Wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsmarkt
Die Entwicklung von Systemen und Programmen der
Im Kontext der Wanderungsbewegungen von Fachkräften
beruflichen Aus- und Weiterbildung und die Ausrichtung
formulieren viele Interviewpartner auch Verbesserungs-
der nationalen Bildungssysteme auf die Bedürfnisse des
vorschläge für die wirtschaftliche und arbeitsmarktpoli-
Arbeitsmarktes sind weitere Aspekte, die von den
tische Entwicklung in den Herkunftsländern. Hierbei
Gesprächspartnern insbesondere in Tunesien, Georgien
wünschen sie sich Unterstützung von den nationalen
und Marokko und vereinzelt auch in Vietnam und Indien
Regierungen.
gefordert werden.
„Damit Fachkräftemigration zu einem nachhaltigen
„Was wir brauchen, das sind bessere Informationen
Modell werden kann, müssen wir mehr Arbeitsplätze
über die Arbeitsmarktbedürfnisse und entsprechende
für Rückkehrer schaffen und die Unternehmen von
Verknüpfungen mit dem Bildungssystem. Wir wissen
den im Ausland erworbenen Kenntnissen überzeugen.“
nicht einmal, wie viele Ärzte gebraucht werden.“
(Kolumbien)
(Georgien)
Die Vorschläge der Interviewpartner betreffen vor allem
Die geförderten Ausbildungen seien nicht auf das Arbeits-
die Verbesserung der Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitneh-
platzangebot abgestimmt, was in Georgien u.a. zu vielen
merrechte, Dauer der Arbeitswoche) und die Anhebung
Arbeitsverhältnissen führe, in denen Arbeitskräfte nicht
von Löhnen und Gehältern im eigenen Land. Darüber
entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt werden.
hinaus gibt es Forderungen, den formellen Arbeitssektor
Umschulungsmaßnahmen würden bisher nicht
zu stärken, Korruption zu bekämpfen und die staatliche
ausreichend gefördert. In Tunesien wird insbesondere das
Gesundheitsversorgung zu verbessern. Außerdem werden
Ungleichgewicht zwischen der Vielzahl an Hochschulab-
Investitionen in bestimmten Sektoren und wirtschaftlich
schlüssen und den unzureichenden Arbeitsmöglichkeiten
unterentwickelten Regionen, Exportförderung sowie die
für Akademiker beanstandet.
Schaffung (infra-)struktureller Voraussetzungen (z.B.
„Die Bildungspolitik des alten Regimes verfolgte das
Arbeitsausstattung, v.a. im Forschungs- und Gesundheits-
Ziel, so viele junge Menschen wie nur möglich zu einem
sektor) angeregt.
Studium zu motivieren. Lange galt die Devise: Bereitet
26
3. Fachkräftemigration bewerten:
Rahmenbedingungen auf dem
Prüfstand
dem Volk Vergnügen und gebt ihm Diplome! Wir müssen
nicht einfach auf die Zusammenarbeit mit anderen
nun aber auch die berufliche Ausbildung fördern, denn
Ländern übertragen lassen und dass deshalb passende
es gibt keinen Markt für all die Universitätsabsolventen. “
bilaterale Modelle und Projekte entwickelt werden
(Tunesien)
müssen.
Insgesamt erscheinen den Gesprächspartnern die Aus-
„Die Länder sollen das Thema Fachkräftemigration
und Weiterbildungssysteme der Herkunftsländer stark
auf bilateraler Ebene noch viel intensiver miteinander
verbesserungsbedürftig. Häufig wird der Blick auf das
diskutieren.“ (Georgien)
deutsche duale Berufsbildungssystem gerichtet.
„Migration soll geregelt und würdevoll ablaufen.
Schließlich fragen sich die Gesprächspartner, wie der
Bilaterale Regierungsabkommen schaffen hierfür den
Bedarf der Zielländer in der nationalen Politik der
richtigen Rahmen.“ (Kolumbien)
Herkunftsländer eine stärkere Berücksichtigung finden
Als Gründe für den Wunsch nach zwischenstaatlicher
kann. Dies erfordere eine arbeitsmarktorientierte Form
Zusammenarbeit auf Basis klarer rechtlicher Regelungen
der Vorbereitung.
(Abkommen etc.) werden u.a. die Schaffung von legalen
„Wir richten unseren Arbeitskräfteexport an der
Migrationsmöglichkeiten, bessere Koordinationsmöglich-
internationalen Nachfrage aus, d.h. wenn eine hohe
keiten, die Vermeidung von Arbeitskräfteausbeutung, die
Nachfrage nach unqualifizierten Arbeitskräften besteht,
Herstellung von Synergieeffekten sowie die Schaffung
fokussieren wir uns auf diesen Bereich. Werden bestimmte
und Umsetzung des Triple Win-Gedankens genannt.
qualifizierte Kräfte gesucht, prüfen wir dort unsere
„Abkommen zwischen den Regierungen beider Länder,
Angebotssituation.“ (Vietnam)
d.h. ein direktes Migrationsmanagement von staatlicher
Seite, vermeiden die Ausbeutung der migrierenden
Fachkräfte.“ (Vietnam)
3.3 Internationaler Kontext
Von den Aufnahmeländern fordern die Gesprächspartner
vor allem, dass Verhandlungen partnerschaftlich geführt
werden. Bei der Gestaltung der Migrationspolitik sei es
Migrationskooperationen und -partnerschaften
wichtig, die unterschiedlichen Systeme (z.B. Arbeitsmarkt,
Der Wunsch und die Forderung nach mehr Migrations-
Bildung, Gesundheit) zunächst besser zu verstehen.
kooperationen und -partnerschaften bestimmen viele
Gespräche in den Dialogländern maßgeblich. Viele
„Bei der Entwicklung von Migrationspolitik muss man
Gesprächspartner sind der Überzeugung, dass sich
sich in die Lage des Gegenübers hineinversetzen.“ (Indien)
erfolgreiche Migrationsmodelle und -partnerschaften
27
„Um tatsächlich einen Triple Win erzielen zu können,
Aus Sicht der Herkunftsländer wird im Rahmen der
müssen die europäischen Länder auch einen Teil ihrer
Mobilitätspartnerschaften viel zu selten thematisiert,
Souveränität opfern, vor allem aber Gespräche in einem
welchen Beitrag die europäischen Mitgliedsstaaten zu
ernsthaften und partnerschaftlichen Klima führen.“
einer erhöhten Mobilität leisten könnten. Marokko
(Marokko)
reduziert beispielsweise mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung der EU irreguläre Wanderungen
Die meisten Dialogländer haben bereits Abkommen und
aus Subsahara-Afrika und erwartet dafür ein Entgegen-
Kooperationserklärungen mit anderen Ländern
kommen für die eigenen Staatsbürger.
abgeschlossen und führen diese häufig in Form von
konkreten Projekten mit einem bestimmten Schwerpunkt
„Hinsichtlich der Mobilitätspartnerschaft sind wir guten
(z.B. Kooperation in bestimmten Sektoren oder Berufska-
Willens, partnerschaftliche Verhandlungen mit der EU
tegorien) durch. Während kleinere Länder Partnerschaften
zu führen. Marokko ist ‚Gendarm‘ Europas, aber im
auf nationaler Ebene bevorzugen, wird für Indien
Gegenzug wollen wir auch mehr Mobilität.“
aufgrund seiner Größe von verschiedenen Gesprächs-
„Ich halte nicht viel von der Mobilitätspartnerschaft
partnern vorgeschlagen, eher lokale oder regionale
zwischen Tunesien und der EU: Wie kann man von
Partnerschaftsverträge zu schließen.
Partnerschaft reden, wenn man die Herkunftsländer
zwingt, zunächst Rückübernahmeabkommen auch für
Zusammenarbeit mit Europa
Drittstaatenangehörige zu unterzeichnen?“ (Tunesien)
Die in der Nähe der EU gelegenen Staaten begrüßen eine
enge Kooperation mit der EU und wünschen sich eine
Gesprächspartner aus Tunesien und Marokko formulieren
Intensivierung der Beziehungen. Hinsichtlich der
des Weiteren den Wunsch nach einer regionalen Migrati-
Zusammenarbeit mit Europa gibt es aber auch viel Kritik
onspolitik, die es Ländern südlich des Mittelmeers
– sowohl bezüglich der Verhandlungen zu künftigen
ermöglicht, als gleichwertige Partner an Verhandlungen
Mobilitätspartnerschaften als auch der Gestaltung der
teilzunehmen.
bereits bestehenden Partnerschaften.
„Was wir brauchen, ist eine gemeinsame
„Die EU investiert im Rahmen der
Migrationspolitik der gesamten Maghreb-Region.
Mobilitätspartnerschaft überwiegend in technische
Damit könnten wir eine Nord-Süd-Kooperation mit der
Zusammenarbeit (80%), kaum jedoch in konkrete
Europäischen Union vereinfachen. Es wird jedoch viel
Programme (20%). Wir wissen, wie es geht; wir
Zeit brauchen, eine solche Vision umzusetzen.“ (Tunesien)
brauchen keine technische Hilfe, sondern wollen
Migrationsprogramme entwickeln und durchführen.“
(Armenien)
28
3. Fachkräftemigration bewerten:
Rahmenbedingungen auf dem
Prüfstand
Internationale Aus- und Weiterbildungskooperationen
„Unsere Arbeitskräfte sind ein „gutes Produkt‘. Wir
Länderübergreifend werden konkrete Wünsche und
exportieren sie; die Aufnahmeländer müssen dafür
Forderungen zur verstärkten Bildungskooperation an die
bezahlen.“ (Armenien)
Aufnahmeländer gerichtet.
Darüber hinaus ist auch die Anerkennung von im Ausland
„Unsere Partnerländer sollten uns verstärkt im Bereich
erworbenen Berufs- und Ausbildungsabschlüssen ein
der beruflichen Bildung unterstützen – zum Beispiel
wiederkehrendes Thema, da diese häufig eine wichtige
mit Lehrkräften, technischer Ausstattung oder der
Voraussetzung für die erfolgreiche Integration von
Durchführung von Sprachkursen.“ (Vietnam)
Fachkräften darstellt. Hierbei werden mehr Entgegenkommen und eine höhere Kompromissbereitschaft von
„Die Aufnahmeländer sollten sich in der beruflichen
den Aufnahmeländern (z.B. bei der Abschaffung der
Bildung in Marokko engagieren und gezielt Leute auf
Vorrangprüfung) gewünscht.
ihren Bedarf hin ausbilden.“ (Marokko)
„Die vietnamesischen Ausbildungsstandards werden oft
Darüber hinaus wird auch der Wunsch nach mehr
international nicht anerkannt. Zwar muss Vietnam hier
Kooperationen im universitären Bereich formuliert,
auch noch einiges leisten, die Aufnahmeländer sollten uns
z.B. in Form von Universitätspartnerschaften und einem
jedoch genauso entgegenkommen.“ (Vietnam)
verstärkten Angebot von bilateralen Studiengängen.
„Die Nachfrage an Fachkräften in Europa muss mit den
Im Kontext der Förderung der beruflichen Bildungs-
bestehenden Qualifikationen tunesischer Fachkräfte
kooperationen wird auch mehrfach auf den Aspekt der
zusammengebracht werden. Hierbei müssen Tunesien
Finanzierung und Kostenübernahme eingegangen.
und die EU Kompromisse finden.“ (Tunesien)
Hierbei fordern die Interviewpartner von den Aufnahmeländern, sich insbesondere an den Ausbildungskosten der
Fachkräfte zu beteiligen, die sie in ihren eigenen Ländern
einsetzen.
„Es gibt gute Modelle, in denen sich Herkunfts- und
Aufnahmeland die Kosten für die Ausbildung der
benötigten Fachkräfte teilen. Es ist aber auch schon
wertvoll, Unterstützung bei der Gestaltung der Curricula
zu bekommen.“ (Kolumbien)
29
30
4. Fachkräftemigration gestalten:
Verbesserungsvorschläge unterbreiten
Welche konkreten Ansätze gibt es, um die Migration von
sinnvoll diskutiert und wo Kooperationsmöglichkeiten
Fachkräften entwicklungspolitisch in Wert zu setzen? Es
gesehen werden.
gibt nur wenige gesicherte Erkenntnisse über die entwicklungsfördernden Effekte von migrationsbezogenen
Maßnahmen. Zugleich ist oft unklar, ob eventuelle Effekte
4.1 Arbeitsmarktanalyse,
Monitoring, Kommunikation
nur aufgrund komplexer Wirkungszusammenhänge nicht
nachweisbar oder nicht vorhanden sind. Mit Blick auf die
Literatur konstatiert Ratha (2008: 4) z.B. keinerlei
nachweisbaren Effekt ethischer Rekrutierungsstrategien;
Meyer (2011) fächert einen Katalog von Beispielen für das
„Angebot und Nachfrage des Arbeitsmarkts müssen
Engagement hochqualifizierter Diaspora-Netzwerke auf,
entsprechend analysiert werden. Dies ist ein notwendiger
die jedoch oft in ihrer Reichweite und Nachhaltigkeit sehr
erster Schritt.“ (Armenien)
begrenzt geblieben sind; Dumont und Spielvogel (2008:
Eine dem Migrationsprozess vorgelagerte Analysephase
163) schätzen institutionelle Rahmenbedingungen als
wird von vielen Interviewpartnern als eine wichtige
potenziell wichtig ein, sehen aber keine nachweisbaren
Grundlage für einen erfolgreichen Vermittlungs- und
Effekte von Rückkehrförderungspolitiken. Faist und
Migrationsverlauf erachtet. In diesem Zusammenhang
Fauser (2011) verweisen darauf, dass grenzüberschreitende
werden von einzelnen Gesprächspartnern u.a. folgende
Kooperation gelingen kann, wenn engagierte Akteure auf
Instrumente und Maßnahmen vorgeschlagen und als
lokaler Ebene auf beiden Seiten beteiligt sind, wie sie das
wichtig betrachtet: die Durchführung von Arbeitsmarkt-
in Fallstudien für die Kooperation zwischen Migrantenor-
analysen (sowohl in den Herkunfts- als auch in den
ganisationen aus zwei spanischen Städten untersucht
Aufnahmeländern) zur Ermittlung von Angebot an und
haben. In Bezug auf Mexiko und Marokko, die inzwischen
Nachfrage nach Fachkräften, ein einheitliches System zum
eine fast vierzigjährige migrationspolitische Erfahrung
Monitoring der Migrationsbewegungen, umfassende
haben, kommt Iskander (2010) zu durchaus positiven
nationale Migrationsinformationssysteme in den
Bewertungen der institutionellen Rahmenbedingungen.
Herkunftsländern sowie die Evaluation von bereits
Allerdings fehle es an der Umsetzung konkreter migrati-
bestehenden Instrumenten und Maßnahmen.
onspolitischer Projekte. Wie Zweig (2008) analysiert, kann
Diese Maßnahmen sollten von den Aufnahmeländern und
es auch darum gehen, dass der Staat den Wanderungsab-
von den Herkunftsländern – bestenfalls gemeinsam –
sichten potenzieller Migranten nicht im Wege steht. Bei
initiiert werden, z.B. durch die vermittelnden Organisa-
aller Skepsis, zu der die Literatur Anlass gibt, ist es wichtig,
tionen. Darin sehen viele Gesprächspartner die Voraus-
zunächst einmal wahrzunehmen, welche Art von
setzung, um nationale Migrationsstrategien besser planen
konkreten Interventionen in den Herkunftsländern als
31
zu können und auf nationaler wie bilateraler Ebene
die Entwicklung von besseren Ausbildungs- und Qualifi-
effizienter zusammenzuarbeiten.
kationsstandards beziehen.
Ein weiterer Aspekt, der vor allem von indischen Inter-
„Im Bereich der Qualifikationsentwicklung von
viewpartnern hervorgehoben wird, ist der Informations-
indischen Fachkräften orientieren wir uns an den
austausch zwischen Aufnahme- und Herkunftsländern
Ausbildungsstandards der Länder, die uns positiv bei der
und das konkrete Benennen und Kommunizieren des
Ausstellung von Visa gesinnt sind.“ (Indien)
Fachkräftebedarfs. Dies sei u.a. wichtig, damit die
In Bezug auf die sprachlich-interkulturelle Vorbereitung
indischen Fachkräfte bedarfsgerecht ausgebildet werden
wird hervorgehoben, dass ihr noch größere Beachtung
können. Von positiven Praxisbeispielen, z.B. mit Kanada
geschenkt werden muss. Hier wird nicht nur von den
und Japan, wird in diesem Zusammenhang berichtet.
Aufnahmeländern ein verstärktes Engagement erwartet,
„Viele indische Arbeitskräfte können die teuren
sondern auch auf die Bedeutung geeigneter Maßnahmen
Ausbildungen und Sprachtests nicht absolvieren, ohne
in den Herkunftsländern hingewiesen.
zu wissen, ob sie im Ausland tatsächlich gebraucht
„Der Schlüssel für einen gelungenen Auslandaufenthalt
werden. Sie müssen darüber Gewissheit haben. Daher ist
ist die sprachliche Qualifizierung und die Vorbereitung
es für Indien wichtig zu erfahren, wie viele Fachkräfte im
auf die kulturellen Unterschiede. In diesem Bereich
Ausland benötigt werden.“ (Indien)
müssen wir uns noch deutlich verbessern.“ (Vietnam)
„Die Marokkaner müssen auf ihre Ausreise vorbereitet
werden, denn viele wissen nicht, was sie im Zielland
4.2 Vorbereitung der
migrierenden Fachkräfte
erwartet, z.B. in Bezug auf Kultur, Klima und Sprache.
Dies ist für die Mittel- und Geringqualifizierten noch
wichtiger als für die Hochqualifizierten.“ (Marokko)
Die fachliche Ausbildung sowie die sprachlich-interkulturelle Weiterbildung werden von den Interviewpartnern
als zentrale Aspekte während der Vorbereitungsphase des
4.3 Rekrutierung und
Vermittlung der migrierenden
Fachkräfte
Migrationsprozesses genannt. Viele Interviewpartner sind
der Überzeugung, dass eine solide Ausbildung im
Herkunftsland die Chancen der erfolgreichen Migration
ins Ausland erhöht. Aus Georgien, Kolumbien und Indien
wird von positiven Praxisbeispielen berichtet, die sich auf
Die Forderung nach fairen Rekrutierungsprozessen findet
32
4. Fachkräftemigration gestalten:
Verbesserungsvorschläge
unterbreiten
besondere Erwähnung bei den Interviewpartnern.
ländern. Deshalb regen zahlreiche Gesprächspartner an,
Konkrete Praxisbeispiele zum Rekrutierungs- und
Botschafts- und Konsulatsmitarbeiter entsprechend zu
Vermittlungsprozess werden nur vereinzelt benannt und
schulen und somit zu gewährleisten, dass Migranten
beziehen sich vor allem auf den privaten Vermittlungs-
bereits bei der Beantragung des Visums einen positiven
sektor, der überwiegend negativ bewertet wird.
Eindruck von Deutschland bekommen.
„Der private Vermittlungssektor agiert häufig sehr
Integration im Aufnahmeland
undurchsichtig und mit zweifelhaften Methoden.“
Interviewpartner aus allen Ländern wünschen sich für
(Vietnam)
ihre abgewanderten Landsleute faire Bedingungen und
„Es gibt in Kolumbien ein großes Korruptionsproblem.
eine offene Einstellung gegenüber Migranten im Aufnah-
Der größte Schaden geht von vermittelnden Privat-
meland, Unterstützung bei der Integration sowie Schutz
unternehmen im Personalleasing aus.“ (Kolumbien)
vor Ausbeutung.
Zur Korruptionsbekämpfung wird insbesondere eine
„Eine humane und würdevolle Fachkräftemigration setzt
stärkere Kontrolle von privaten Agenturen vorgeschlagen.
voraus, dass für alle das gleiche Arbeitsrecht gilt und alle
Fachkräfte sozial abgesichert sind.“ (Kolumbien)
Um die Qualität der Rekrutierung und Vermittlung von
Fachkräften im Allgemeinen zu verbessern und Vermitt-
„Die Migrationspolitik muss auch in den Köpfen der
lungsprozesse bedarfsgerecht zu gestalten, wird
Deutschen ankommen. Sie müssen ihre Einstellung
empfohlen, die Arbeitgeber bei der Vermittlung einzube-
gegenüber Migranten ändern.“ (Indien)
ziehen, da sie wissen, welche Kompetenzen im Betrieb
Die Aufnahmeländer müssen die entsprechenden
gefragt sind.
Grundvoraussetzungen schaffen, damit Fachkräfte zu
ihnen kommen:
„Qualifizierte Fachkräfte gehen in Länder, wo sie aus
4.4 Willkommenskultur und
Integrationsförderung
ihrer Arbeit den maximalen Nutzen für sich selbst ziehen
können. Genauso wollen sie sich auch ,zu Hause‘ fühlen.
Das geschieht nur, wenn die Fachkräfte ihre Familien
dabei haben dürfen, ein Netzwerk vor Ort haben und dort
Alle Dialogländer wünschen sich von Ländern, die
auch willkommen sind.“ (Indien)
Fachkräfte aufnehmen, Offenheit und Unterstützung der
Migranten während des Integrationsprozesses. Die
Daneben fordern die Gesprächspartner eine bessere
Willkommenskultur beginnt bereits in den Herkunfts-
Vorbereitung der Arbeitgeber auf den Umgang mit
33
Migranten. Die Gesprächspartner machen darauf
Aus Sicht der Gesprächspartner in Georgien soll die
aufmerksam, dass sich die Migrationspolitik der Aufnah-
Diaspora stärker in die konkrete Ausgestaltung von
meländer nicht zu häufig ändern dürfe: Migranten
einzelnen Komponenten in Migrationsprogrammen
können nur dann perspektivisch planen, wenn die
einbezogen werden:
Migrationspolitik konstant bliebe. Bei Änderungen in der
„Die Diaspora und die Rückkehrer sollten eine größere
Migrationspolitik solle es einen zeitlichen Rahmen geben,
Rolle bei der Vorbereitung der Migranten auf ihren
der es Migranten ermöglicht, auf diese Wechsel zu
Auslandsaufenthalt übernehmen, als Ansprechpartner
reagieren.
zur Verfügung stehen und Hilfestellung bei der
„Wenn sich die Migrationspolitik in den
Entscheidung leisten, ins Ausland zu gehen.“ (Georgien)
Aufnahmeländern zu häufig verändert, kann das Chaos
Auch in Indien ist die Mehrheit der Interviewpartner
verursachen. Viele Migranten stellen sich bereits bei ihrer
davon überzeugt, dass das Land davon profitiert, mit der
Studienwahl oder bei ihrer Ausbildung auf den Status quo
Diaspora zusammenzuarbeiten.
der Migrationspolitik des Ziellandes ein.“ (Indien)
„Die verschiedenen Diaspora-Netzwerke machen unsere
jeweiligen Wirtschaftsräume wettbewerbsfähig.“ (Indien)
In der praktischen Zusammenarbeit haben einige indische
4.5 Zusammenarbeit mit der
Diaspora
Bundesstaaten bereits begonnen, in anderen Ländern
Auslandsbüros zu errichten, um die Zusammenarbeit mit
der Diaspora zu erleichtern. Die Durchführung
Die Zusammenarbeit mit der Diaspora eines Landes spielt
gemeinsamer Projekte wird insofern einfacher, als dass die
insbesondere in der Migrationspraxis in Marokko und
indische Politik rechtliche Rahmenbedingungen
Indien eine relevante Rolle. Marokko betreibt bereits seit
geschaffen hat. Mit der Einführung von neuen Staatsbür-
mehreren Jahrzehnten eine aktive Politik in diesem
gerschaftsmodellen wie „Overseas Citizenship of India“
Bereich und kann nach Aussagen der Interviewpartner
(OCI) oder „Person of Indian Origin“ (PIO) können z.B.
bereits auf Vereine und bestehende Netzwerke in anderen
indischstämmige Deutsche bei einer Rückkehr oder
Ländern zurückgreifen. Darin sehen die Interviewpartner
Geschäftstätigkeit in Indien ähnliche Rechte wie ansässige
vor allem die Möglichkeit, die Erfahrungen und Qualifika-
indische Staatsangehörige wahrnehmen.
tionen der im Ausland lebenden Marokkaner für das Land
und für migrationsinteressierte Fachkräfte nutzbar zu
machen.
34
4. Fachkräftemigration gestalten:
Verbesserungsvorschläge
unterbreiten
4.6 Optimierung der Verwendung von Geldtransfers
und Schwierigkeiten des investitionsbereiten
Die Bedeutung der Geldtransfers (Remittances) von
eine stärker investive statt rein konsumtive Verwendung
Migranten für die Herkunftsländer wird durchweg hoch
von Geldtransfers. Der übergreifende Vorschlag besteht
eingeschätzt und überwiegend positiv bewertet.
häufig darin, die Geldtransfers so zu steuern, dass sie einen
„Das große Potenzial der Remittances ist vielen noch
wirksameren volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Dabei
Auslandsmarokkaners hat.“ (Marokko)
Viele Gesprächspartner postulieren Förderprogramme für
werden Wünsche für konkrete Investitionen im Bildungs-
nicht ganz bewusst. Die Remittances betragen 4 Milli-
bereich, bei der Förderung und Entwicklung von kleinen
arden US-Dollar in unserem Land und liegen damit weit
und mittelständischen Unternehmen und wirtschaftlich
über den Einnahmen des Hauptexportprodukts Kaffee.“
schwachen Regionen formuliert.
(Kolumbien)
„Remittances sollten besser investiert werden und dazu
Die Frage, ob der Staat Geldtransfers fördern und ihre
beitragen, dass neue Jobs entstehen. Migration soll
Verwendung steuern kann, ist daher immer wieder
Entwicklung schaffen!“ (Armenien)
Gegenstand von Überlegungen. Viele Interviewpartner
verteidigen explizit den privaten Charakter dieser Gelder,
Dabei werden auch in anderen Ländern angewandte
welche durch Arbeit von Migranten entstehen.
Maßnahmen als Beispiel genommen, so etwa Vorschläge,
„Der Staat kann keine Vorgaben machen, wie das Geld
bei denen der Staat investiv verwendete Geldtransfers
durch Zuschüsse unterstützt, wie etwa bei dem in Mexiko
auszugeben ist, aber er kann unterschiedliche Optionen
praktizierten Programm Tres por uno8.
und Auswirkungen aufzeigen.“ (Georgien)
Als Verbesserungsvorschläge werden mehrmalig auch die
Kritisiert werden fehlende Beratungsmöglichkeiten zur
Einrichtung von Beratungs- und Servicecentern (z.B.
effektiven Nutzung der Geldtransfers (Armenien) sowie zu
Informationen zu Investitionsmöglichkeiten, rechtlichen
viele administrative Hürden für investitionsbereite, im
Rahmenbedingungen) sowie die stärkere Bewerbung von
Ausland lebende, Migranten (Marokko).
wirtschaftlichen Investitionen durch die Diaspora
„Es ist wichtig, dass es eine geeignete Anlaufstelle in
genannt.
Marokko gibt, die Verständnis für die Bedürfnisse
8 In Partnerschaftsfonds wie dem „Tres por Uno“ (3x1) finanzieren Migranten und die
mexikanische Regierung gemeinsam Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur in den
Heimatorten der Auswanderer. Die Migranten zahlen einen bestimmten Beitrag, die öffentliche
Hand steuert das Dreifache dazu.
35
4.7 Rückkehranreize und
Reintegrationsförderung
entlassen werden. Kolumbien weiß bislang noch nicht,
Ein besonders differenziertes Bild ergibt sich bei den
Als allgemeines Hindernis für die Rückkehr wird die
Aussagen zur Rückkehr und der Reintegration von
Nichtübertragbarkeit von Sozialversicherungsleistungen
Fachkräften in ihr Herkunftsland. Es wird von positiven
genannt. Neben Sozialversicherungsabkommen sollen
und auch von negativen Praxisbeispielen berichtet. Die
auch Anreize geschaffen werden, um es Fachkräften zu
Gesprächspartner formulieren sowohl Verbesserungsvor-
ermöglichen, auf freiwilliger Basis ihren sozialen
schläge für die Aufnahmeländer als auch für die
Sicherungsstatus im Herkunftsland zu erhalten.
wie das Potenzial dieser rückkehrenden Fachkräfte
genutzt werden kann.“ (Kolumbien)
Herkunftsländer.
„Es müssen Anreize für die Auslandskolumbianer
„Als Staat kann ich meine Bürger nicht verpflichten,
geschaffen werden, damit sie in ihr Land zurückkehren.
zurückzukommen; aber ich kann Anreize schaffen.“
Es gibt das Programm ‚Kolumbianer, sicher im Ausland‘.
(Kolumbien)
Dieses eröffnet Auslandskolumbianern die Möglichkeit,
freiwillig in die kolumbianische Rentenkasse einzuzahlen,
„Vorbereitende Maßnahmen in Europa sind
ein Konto zu eröffnen und damit Zugang zum Kredit-
ausschlaggebend für eine erfolgreiche Rückkehr.“
und Bankensystem in Kolumbien zu bekommen.“
(Marokko)
(Kolumbien)
„Wir bieten rückkehrenden Fachkräften Trainingskurse
Konkrete Verbesserungsvorschläge bei der Gestaltung der
an, in denen wir ihnen u.a. zeigen, wie sie sich bei in
Rückkehr und Reintegration von Fachkräften werden von
Vietnam ansässigen internationalen Unternehmen
Interviewpartnern in nahezu allen Ländern gemacht.
bewerben, oder wie sie ihr eigenes Business starten
können.“ (Vietnam)
Dabei überwiegen Forderungen, die an das Herkunftsland
Negative Erfahrungen und Beispiele in Bezug auf die
serung der Informationsbereitstellung zur Rückkehrvor-
Rückkehr werden u.a. mit der aktuellen Wirtschafts- und
bereitung hin. Es gäbe u.a. zu wenig Transparenz über die
Finanzkrise in Europa in Verbindung gebracht. Arbeitsmi-
Möglichkeiten der Wiederaufnahme von Arbeit im
granten müssen ungeplant zurückkehren und finden es in
Herkunftsland. Gefordert werden Informationssysteme
einer solchen Situation oft schwierig, im Heimatland Fuß
und Austauschplattformen, z.B. in Form von Internet-
zu fassen.
portalen, die über die Rückkehr ins Herkunftsland
gestellt werden. Viele Aussagen weisen auf die Verbes-
informieren sowie konkrete Anlaufstellen (z.B. Behörden)
„Im Fall von Spanien zeigt sich, dass aufgrund der dort
für rückkehrende Fachkräfte.
herrschenden Krise viele kolumbianische Fachkräfte
36
4. Fachkräftemigration gestalten:
Verbesserungsvorschläge
unterbreiten
„Es gibt kein Webportal der Regierung, wo Interessierte
konkrete Informationen über Rückkehr und Jobsituation
erhalten.“ (Georgien)
„Die Regierung sollte Institutionen – ähnlich der
deutschen Bundesagentur für Arbeit – einrichten, um
eine einzige Anlaufstelle für Rückkehrer und allgemein
Arbeitssuchende anbieten zu können.“ (Georgien)
Ebenso wird die Förderung und Unterstützung von
Unternehmensgründungen gefordert und darauf
aufmerksam gemacht, dass in diesem Bereich in den
Herkunftsländern nur wenig Wissen dazu besteht, wie
man rückkehrende Fachkräfte in diesem Zusammenhang
unterstützen kann.
„Man müsste in Kolumbien noch mehr in Richtung
,Start-Up‘-Unterstützung tun. Das ist auch ein Feld
für Kooperationen mit Deutschland: Wer deutsche
Maschinen und Materialien kennt, wird diese später
genauso in Kolumbien einsetzen wollen.“ (Kolumbien)
In Richtung der EU werden – insbesondere aus Georgien
und Marokko – weitere konkrete Forderungen laut: Die
bestehenden Programme und Budgets für Rückkehr- und
Reintegrationsprogramme seien unzureichend, weitere
Unterstützung durch die EU wäre wünschenswert.
„Die Programme der EU hinsichtlich der Unterstützung
von Rückkehrern nach Marokko sind lächerlich. Die EU
müsste hier viel mehr tun.“ (Marokko)
37
5. Fazit
Qualifizierte Arbeitskräfte werden immer knapper. Schon
kleiner Bevölkerung, wie etwa Armenien und Georgien, ist
heute werden Krankenpfleger und Softwareingenieure
die Sorge vor dem Verlust von Arbeitskräften und
weltweit gesucht. Der vom demographischen Wandel
möglichen negativen Effekten sehr viel stärker als in
verursachte Mangel an Fachkräften ist in den geburten-
Ländern mit großer Bevölkerung, wie etwa in Indien oder
schwachen Staaten deutlich spürbar. Junge und gut
Vietnam. Aus diesem Grund wird in den kleineren Staaten
ausgebildete Fachkräfte aus Entwicklungs- und Schwel-
vor allem ein Interesse an zirkulären Migrationspro-
lenländern werden stark umworben. Auf der Suche nach
grammen geäußert und auch das Thema Rückkehr hat ein
besseren Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten
größeres Gewicht. Viele Gesprächspartner weisen zudem
sind viele von ihnen bereit, ihr Heimatland zu verlassen
auf den besonderen Schutz hin, den Arbeitsmigranten
und eine Karriere auf dem internationalen Arbeitsmarkt
benötigen. Ausbeutung, schlechte Arbeitsbedingungen
zu beginnen.
und Ausgrenzung sollen unbedingt vermieden werden.
Migranten sollen nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch
Das verstärkte Interesse der Industrie- und Schwellen-
als Menschen wahrgenommen werden, denen man
länder an Zuwanderern und die zunehmenden Anwerbe-
Wertschätzung entgegen bringt. In den Interviews wird
bemühungen werden jedoch nicht von allen Seiten
viel Wert auf die faire Gestaltung von Migration gelegt, die
begrüßt. Einige Entwicklungsexperten unterstellen den
beinhaltet, dass die Rechte von Migranten gesichert
Befürwortern einer migrationspolitischen Öffnung, dass
werden.
sie den Brain Drain fördern, wenn sie die „klügsten Köpfe“
abwerben.
Auffallend ist, dass nahezu alle Gesprächspartner einen
Dialog auf Augenhöhe fordern. Insbesondere die in die
Die Studie zeigt hingegen, dass in den untersuchten
EU-Nachbarschaftspolitik einbezogenen Staaten beklagen,
Partnerländern ein überwiegend positives Bild der
dass ihre Interessen im Rahmen der Mobilitätspartner-
Fachkräftemigration vorherrscht. Unter den Experten
schaften nicht hinreichend berücksichtigt werden.
besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Migranten
Bilaterale Abkommen bieten aus Sicht der Herkunfts-
einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung ihres Herkunfts-
länder eine ideale Grundlage für eine faire Partnerschaft.
landes leisten. Von nahezu allen Gesprächspartnern wird
Sie seien zugleich notwendige Bedingung für die
in diesem Kontext die enorme Bedeutung der
Erzielung eines Triple Win. So sei es beispielsweise
Geldtransfers hervorgehoben. Darüber hinaus betonen
erforderlich, dass Herkunfts- und Zielland sich
viele Interviewpartner die Wirkung von Knowhow- und
gemeinsam darauf verständigen, in welchen Berufsbildern
Wissenstransfers.
konkrete Kooperationsvorhaben initiiert werden können,
Allerdings wird auch deutlich, dass die Migration von
ohne dass Brain Drain-Effekte entstehen. Ferner weisen
Fachkräften durchaus Risiken birgt. In Ländern mit
einige Gesprächspartner darauf hin, dass in solchen
38
Abkommen auch Eckpfeiler zur Gleichbehandlung der
ausländische Fachkräfte steigern und sich damit im
Migranten mit einheimischen Fachkräften, zur Integrati-
zunehmenden Wettbewerb um internationale Fachkräfte
onsförderung, zur Sprachausbildung etc. festgelegt werden
behaupten. Mit einer entwicklungssensitiven
können.
Ausgestaltung der Fachkräftemigration kann Deutschland
zudem seiner politischen Verantwortung gegenüber den
Unter dem Gesichtspunkt einer fairen Lastenteilung
Herkunftsländern gerecht werden.
sprechen die Experten aus den Dialogländern immer
wieder auch die stärkere Beteiligung der Zielländer an den
Auf dem Weg zu einer partnerschaftlich orientierten
Ausbildungskosten in den Herkunftsländern an. Zudem
Migrationspolitik gibt es jedoch noch viel zu tun. Die
wird eine enge Kooperation bei der Gestaltung der
Ergebnisse der Dialogreihe zeigen insbesondere folgende
Lehrpläne und Ausbildungsgänge angeregt, die wiederum
Handlungsfelder auf:
die schnelle Anerkennung von Berufs- und Ausbildungs-
●●Eine Verbesserung der Kohärenz zwischen den
abschlüssen im Zielland erleichtern soll. Dies kommt
verschiedenen Politikfeldern bzw. Ressorts ist
nicht nur der erfolgreichen Integration der Fachkräfte
unabdingbar; es bedarf einer einheitlichen und klaren
zugute, sondern trägt auch dazu bei, Brain Waste zu
Migrationspolitik.
vermeiden.
●●Engpässe und Überangebote müssen klar kommuniziert
werden.
Nicht zuletzt geht aus den Interviews auch die wachsende
●●Rekrutierungs- und Vermittlungsprozesse müssen
Bedeutung der zu erwartenden Lebensqualität als
transparent sein, um Ausbeutung zu vermeiden.
Kriterium für die Wahl der Zielländer von Migranten
●●Zuwanderer bereichern unsere Gesellschaft auf
hervor. Hier spielt die Willkommenskultur eine
entscheidende Rolle. Vielfach wird in den Interviews der
vielfältige Weise, und es ist notwendig, diese
Wunsch nach Unterstützung der Migranten im Integrati-
Einschätzung auch den Migranten zu vermitteln.
onsprozess geäußert. Gute Deutschkenntnisse schaffen die
Der in Deutschland eingeschlagene Kurs einer weiteren
Basis für einen Austausch mit der einheimischen
Öffnung gegenüber Fachkräften aus aller Welt sollte
Bevölkerung, und sie fördern die Integration der
beibehalten werden. Wer sich um gleichberechtige
Migranten in Deutschland. Vorbereitende Sprachkurse
Migrationspartnerschaften, faire Aufnahmebedingungen
und eine aktive Integrationsbegleitung steigern die
für Migranten und kohärente Steuerungsmechanismen
Attraktivität Deutschlands als Einwanderungsland für
bemüht, wird belohnt.
Zuwanderer.
Wenn diese Hinweise aus den Herkunftsländern berück-
Ein Triple Win ist möglich – aber er muss gestaltet
sichtigt werden, kann Deutschland seine Attraktivität für
werden!
39
40
Annex I: Länderberichte
Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der Dialogreihe nach Ländern getrennt vorgestellt. Da der unterschiedliche
historische Kontext und die jeweiligen politischen und ökonomischen Verhältnisse sich auch in unterschiedlichen
Gesprächsschwerpunkten niedergeschlagen haben, werden die Länderberichte jeweils durch eine kurze Beschreibung
der migrationspolitischen Rahmenbedingungen eingeleitet.
Armenien
Nr.
Indikator [Jahr]
Armenien
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010]
28,2
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
9.265
3
Netto-ODA (in Mio.US$) [2010]
343
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
824
5
Verhältnis Remittances/ ODA [2010]
2,4
6
Remittances in % des BIP [2010]
8,9
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
Russland, USA, Ukraine, Aserbaidschan, Georgien
9
Human Development Index / Platzierung [2012]
0,729/ 87 (von 186) - High Human Development
10
Fläche des Landes in km²
29.743
11
Einwohnerzahl [2013]
2.974.184
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
Die ehemalige Sowjetrepublik Armenien im südlichen
„Man unterscheidet die „alte“ Diaspora des 19.
Kaukasus ist traditionell durch massive Auswanderung
Jahrhunderts und die „neue“ Diaspora, deren Zerstreuung
gekennzeichnet. Die weltweite Diaspora von Menschen
in den 1990er Jahren stattgefunden hat. Die alte Diaspora
mit armenischen Wurzeln wird auf bis zu 9 Millionen
versucht die junge Diaspora zu ermutigen, wieder nach
geschätzt,9 während in Armenien selbst heute nur rund
Armenien zurück zu kehren.“
2,9 Millionen Menschen leben.
9 Quelle der zusammenfassenden Darstellung ist – wenn nicht anders angegeben – ein
Länderbericht von Manasyan und Poghosyan (2012). Für weiterführende Literatur siehe auch
www.carim-east.eu.
41
Anfang der 1990er Jahre haben der Übergang von der
quantitativ keine geschlechtsspezifischen Unterschiede
Planwirtschaft zur Marktwirtschaft und der Krieg mit
mehr gibt.“
Aserbaidschan um Bergkarabach, der 1994 mit einem
Viele armenische Auswanderer halten sich irregulär im
vorläufigen Waffenstillstand endete, eine massive
Aufnahmeland auf. Dies führt dazu, dass sie oft in
Auswanderungswelle hervorgerufen. So gibt es heute
unqualifizierten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten,
noch eine extrem hohe Quote von Emigranten. Dement-
obwohl sie über eine qualifizierte Ausbildung oder ein
sprechend wichtig sind die Geldtransfers, die von 1995 bis
Studium verfügen.
2010 zwischen fünf und zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrugen. Während Armenien zu Beginn des
„Die Personen, die einer Fremdsprache mächtig waren,
neuen Jahrtausends eine wirtschaftliche Erholung
haben eine qualifizierte Arbeit im Ausland gefunden.
verzeichnete, leiden heute viele Armenier im In- und
Diejenigen, die keine Fremdsprache beherrschten, haben
Ausland unter der Wirtschaftskrise.
häufig nur schlecht bezahlte Jobs annehmen können, die
nicht ihrer Qualifikation entsprachen.“
„Viele Familien leben von den Remittances, welche zur
Armutsreduzierung beitragen.“
Trotz massiver Abwanderung gibt es in Armenien
weiterhin einen Fachkräfteüberschuss, u.a. im Gesund-
Armenische Männer wanderten schon zu Sowjetzeiten
heitsbereich. In Armenien selbst arbeitet nahezu die Hälfte
häufig für befristete Beschäftigungsverhältnisse aus.
der Bevölkerung in informellen Beschäftigungsverhält-
Zielländer waren insbesondere Russland, die Ukraine
nissen (International Labour Organization 2012).
sowie Kasachstan, wo die Migranten vor allem in der
Bauwirtschaft und in Handelsbetrieben der armenischen
Die Regierung ist sich der bedeutenden Rolle der
Diaspora arbeiteten. Diese Praxis setzt sich, begünstigt
Migranten bewusst und nimmt u.a. über eine staatliche
durch visafreie Einreisemöglichkeiten, bis heute fort. Die
Migrationsagentur und ein Diasporaministerium Einfluss.
Wege in den Westen, in die USA und zunehmend auch
Es gibt Arbeitsmigrationsabkommen mit ehemaligen
nach Europa führen über das Studium, Asylanträge,
Sowjetrepubliken, EU- und Golfstaaten (Aghababyan
Familiennachzug bzw. Heiratsmigration und irreguläre
2012). Mit der EU wurde 2011 eine Mobilitätspartnerschaft
Migration. Hier ist zwar der Frauenanteil höher, insgesamt
abgeschlossen, die bisher primär auf die Bekämpfung
dominieren aber Migrationsmuster mit primärer Männer-
irregulärer Migration und Rückkehrförderung
migration und Frauennachzug.
ausgerichtet ist.
„Bis 2009/2010 sind hauptsächlich Männer abgewandert.
„In Europa leben viele armenische Migranten irregulär.
Nun emigrieren auch vermehrt Frauen, sodass es heute
Sie kehren nicht zurück, weil sie dann nie wieder nach
42
Europa gehen könnten.“
Armenien eine Rückkehr der Migranten begünstigen
würde.
Die mit armenischen Experten geführten Gespräche über
Fachkräftemigration zeigen den Wunsch auf, dass ein
„Es ist sehr bitter für uns, dass wir aufgrund der
größerer Teil der Migration in einem gesetzlich geregelten
schlechten Bedingungen im Land – insbesondere
Rahmen durchgeführt werden sollte.
hervorgerufen durch Korruption, soziale Ungerechtigkeit
und schlechte Berufsaussichten – die Leute nicht im Land
„Wenn der Migrationsprozess reguliert und kontrolliert
halten oder später wieder erfolgreich zurückgewinnen
abläuft, dann gibt es positive Effekte für das
können.“
Herkunftsland. Die Migranten tätigen Geldtransfers in
einem beträchtlichen Ausmaß und bringen Innovationen
Während einige Gesprächspartner vor allem hervorheben,
nach Armenien.“
dass eine bessere Wirtschaftsentwicklung mit weniger
Korruption und mehr Rechtssicherheit in Armenien die
Damit verbinden die Experten die Hoffnung, dass die
Rückkehr fördern könnte, verlangen andere staatliche
unterqualifizierte Beschäftigung im Ausland sinkt,
Anreize für eine Rückkehrförderung.
Arbeitsrechte in höherem Maße respektiert werden, eine
Rückkehr seltener unfreiwillig erfolgt und sich der
„Erstens muss sichergestellt werden, dass
Frauenüberschuss in Abwanderungsregionen verringert.
Fachkräftemigration zirkulär ist, zweitens soll das
Aufnahmeland die Ausbildung unterstützen und drittens
Die Rückkehr von Fachkräften wird von armenischen
müssen attraktive Strukturen im Herkunftsland die
Gesprächspartnern grundsätzlich als positiv und
Rückkehr fördern.“
wünschenswert betrachtet. Um diese zu gewährleisten,
werden konkrete Rückkehrklauseln gefordert:
„Um dem Brain Drain entgegenzuwirken, muss vor
allem bei Fachkräften darauf geachtet werden, dass die
Migration lediglich von temporärer Natur ist.“
„Armenien braucht ganz dringend ernst gemeinte
Programme für zirkuläre Migration. Das ist unsere
einzige Hoffnung für die Entwicklung des Landes.“
Dabei machten mehrere Gesprächspartner deutlich, dass
vor allem eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in
43
44
Georgien
Nr.
Indikator [Jahr]
Georgien
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010]
25,1
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
11.667
3
Netto-ODA(in Mio. US$) [2010]
625
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
824
5
Verhältnis Remittances/ ODA [2010]
1,3
6
Remittances in % des BIP [2010]
9,2
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
Russland, Armenien, Ukraine, Griechenland, Israel
9
Human Development Index / Platzierung [2012]
0,745 / 72. (von 186) - High Human Development
10
Fläche des Landes in km²
69.700
11
Einwohnerzahl [2013]
4.555.911
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
Ähnlich wie Armenien weist auch die ehemalige Sowjetre-
Seit der Unabhängigkeit ist Georgiens Geschichte durch
publik Georgien seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 eine
interne Konflikte, wie die Rosenrevolution im Jahr 2003
sehr hohe Abwanderungsquote auf. Auf eine Bevölkerung
und durch externe Konflikte mit Russland, welche die
von rund 4,5 Millionen Menschen kommen mehr als 1,1
Grenzregionen Abchasien und Südossetien betreffen,
Millionen in Georgien geborene Personen, die im Ausland
geprägt. Nach der letzten Eskalation im August 2008 sind
leben. Darunter befinden sich auch viele Angehörige von
die Grenzregionen de facto unabhängig unter russischer
Minderheiten, die gar keine Verbindung mehr mit
Protektion. Die Grenzen nach Russland – ein traditionelles
Georgien
haben.10
Auswanderungsgebiet – sind den Georgiern seitdem
verschlossen.
„Fachkräftemigration ist grundsätzlich etwas Positives,
aber es gibt auch einige negative Aspekte. Nur etwa die
„Am Anfang sind die meisten Migranten nach Russland
Hälfte der qualifizierten Migranten kehrt nach Georgien
oder in die Türkei ausgewandert. Seit dem Jahr 2000 stellt
zurück.“
Russland aber kaum mehr Visa für Georgier aus.“
10 Quelle der zusammenfassenden Darstellung ist – wenn nicht anders angegeben – ein
Länderbericht von Badurashvili und Nadareshvili (2012). Für weiterführende Literatur siehe auch
www.carim-east.eu.
45
Die Türkei, die seit 2006 eine visumfreie Einreise gewährt,
sich laut einer Umfrage 71 Prozent der Georgier als
aber auch die EU- und die Golfstaaten sind als Zieleländer
arbeitslos. Angesichts des intern kaum regulierten
wichtiger geworden. Dadurch haben auch Migrations-
Arbeitsmarktes ist es wenig verwunderlich, dass es in den
muster zugenommen, bei denen zunächst Frauen
Fachgesprächen widersprüchliche Aussagen dazu gibt, ob
auswandern und Männer zurückbleiben oder ggf. später
in einzelnen Sektoren, wie etwa dem Gesundheitswesen,
nachziehen. Geringqualifizierte männliche Migranten
ein Fachkräftemangel oder ein Überschuss herrscht.
dominieren die überwiegend temporäre Arbeitsmigration
„Man kann nicht pauschal sagen, ob es in Georgien einen
in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, wo sie vor allem
Mangel oder Überschuss in bestimmten Berufsgruppen
im Bausektor sowie in Landwirtschaft und Industrie
gibt; es sind vielmehr in jedem Bereich Fachkräfte
Arbeit finden.
vorhanden, die gebraucht werden, und solche die nicht
„Russland wäre vor allem im Engineering-Bereich
gebraucht werden.“
attraktiv, aber die Einreisebestimmungen sind sehr
Der Staatsminister für Europäische und Euroatlantische
restriktiv.“
Integration ist für die seit 2009 bestehende EU-Mobilitäts-
Bei der Migration nach Europa und in die USA ist der
partnerschaft zuständig. Hier konzentrierte sich die
Frauenanteil hoch. In Deutschland lag dieser im Jahr 2010
Zusammenarbeit in der Vergangenheit hauptsächlich auf
bei 64 Prozent (Statistisches Bundesamt 2011: Tabelle 3).
die Migrationskontrolle und Rückkehr von ehemaligen
Ein Teil der Migrantinnen wandert zu Studienzwecken
Asylbewerbern und irregulären Migranten. In der
aus. Viele sind legal oder illegal im Erziehungsbereich (u.a.
staatlichen Migrationsstrategie spielt Fachkräftemigration
als Au-pair) oder im Pflegebereich beschäftigt.
bisher keine explizite Rolle. Es werden jedoch Abkommen
zur befristeten Arbeitsmigration angestrebt, die auch die
„Überwiegend gehen Frauen mit hohem Bildungsstand
Entwicklung von Qualifikationen berücksichtigen sollen.
ins Ausland und arbeiten unter ihrer Qualifikation –
zumeist in privaten Haushalten.“
„Was in Georgien zum Thema Fachkräftemigration
passiert, geschieht im Wesentlichen aufgrund von
Der Konflikt mit Russland hat die wirtschaftliche
kleinen Programmen und der Zusammenarbeit auf
Entwicklung, die sich Mitte der 2000er Jahre beschleunigt
institutioneller Ebene. Der Staat tut hier nicht viel.“
hatte und die mit hohen ausländischen Direktinvestitionen verbunden war, wieder gebremst. Trotz des
In Georgien werden eine Vielzahl von Projekten mit
wirtschaftlichen Wachstums ist die Beschäftigungssi-
begrenzter Reichweite mit internationaler Finanzierung
tuation noch äußerst schwierig. Während ein großer Teil
durchgeführt, während Arbeitsmigrationsabkommen
der Bevölkerung nach offiziellen Angaben in der
noch in der Verhandlungs- oder Erprobungsphase stecken.
Landwirtschaft selbstständig erwerbstätig ist, betrachten
Allerdings gibt es schon eine Website, welche die indivi-
46
duelle Suche nach einem Arbeitsplatz über EURES, dem
„Legal zwischen zwei Ländern frei hin und her zu
Europäischen Portal zur beruflichen Mobilität,
reisen, ist der erste Schritt, der Menschen letztendlich
unterstützen soll und auch einen landeskundlichen
dazu bewegt, wieder langfristig nach Georgien
Führer zu Deutschland mit vielen Kontaktadressen
zurückzukommen.“
beinhaltet.11
Die Interviewpartner sehen die positiven Effekte der
Die besondere Bedeutung des Themas Rückkehr für
Fachkräftemigration primär beim produktiven Einsatz der
Georgien spiegelt sich auch in den Fachgesprächen im
Rückkehrer und bei ihren im Ausland erworbenen
Rahmen des Dialogvorhabens wider. Rückkehr wird
Fähigkeiten. Die Geldtransfers sind für Georgien ebenfalls
überwiegend als wünschenswert betrachtet, wobei sich die
sehr wichtig.
Interviewpartner bewusst sind, dass die wirtschaftliche
Entwicklung Georgiens relevant für die Entscheidung für
eine Rückkehr ist. Darüber hinaus gibt es sehr
unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Politiken
zur Rückkehrförderung zentral sind:
„Die Regierung muss den Hoffnungen und Bedürfnissen
potenzieller Rückkehrer gerecht werden und eine
Strategie entwickeln, wie positive Rahmenbedingungen
für die Rückkehr gesetzt werden können. Die Rückkehrer
sollen ihre erworbenen Fähigkeiten in Georgien effektiv
einsetzen können.“
„Der Schlüssel wäre ein gezielteres, koordiniertes
Migrationskonzept der beiden beteiligten Partnerländer,
worin vertraglich auch die Rückkehr ins Heimatland,
sprich nach Georgien, festgelegt würde.“
11 Die Website kann eingesehen werden unter: http://www.informedmigration.ge/en/
publications_IOM
47
48
Indien
Nr.
Indikator [Jahr]
Indien
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010]
0,9
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
1.729.010
3
Netto-ODA (in Mio. US$) [2010]
2.800
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
55.000
5
Verhältnis Remittances/ ODA [2010]
19,6
6
Remittances in % des BIP [2010]
3,2
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
Vereinigte Arabische Emirate, USA, Saudi-Arabien,
Bangladesch, Nepal
9
Human Development Index / Platzierung [2012]
0,554/ 136. (von 186) - Medium Human Development
10
Fläche des Landes in km²
3.287.263
11
Einwohnerzahl [2013]
1.220.800.359
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
Das Territorium Indiens ist kleiner als das der Europä-
Bereits in der Kolonialzeit bildeten sich in allen Teilen
ischen Union, die Bevölkerung ist mit ca. 1,2 Milliarden
des britischen Weltreichs indische Minderheiten, durch
Einwohnern jedoch mehr als doppelt so
groß.12
Migranten, die als Kontraktarbeiter oder als Händler
Es bestehen gewaltige Einkommensunterschiede inner-
dorthin kamen. Noch heute sind die englischsprachigen
halb und zwischen den Regionen. Außerdem gibt es
Länder Hauptziele von indischen Auswanderern. Die
einen großen informellen Sektor, eine substanzielle
Zuwanderung nach Europa ist durch Fachkräftezuwan-
Binnenmigration sowie Konflikte zwischen religiösen
derung, studentische Migration sowie durch irreguläre
und ethnischen Gruppen. Rund 30 Prozent der Bevölke-
Migration gekennzeichnet. Nach China ist Indien das
rung gelten in Indien als arm. Das Land ist heute ein
größte Entsendeland von Studierenden, woran sich
demokratischer Rechtsstaat, der allerdings unter massiver
oftmals Arbeitsaufenthalte anschließen.
Korruption leidet.
„In den 1970er Jahren sind bereits viele Inder
ausgewandert. Damals gab es jedoch tatsächlich keine
Arbeit in Indien.“
Erst Anfang der 1990er Jahre wurde die indische
Wirtschaft liberalisiert und für die Weltwirtschaft
geöffnet. Sie wächst derzeit trotz der weltweiten
„Die hochqualifizierte und irreguläre Migration in Indien
ist von Männern dominiert. Indische Frauen emigrieren
vor allem als Haushaltshilfen und Krankenschwestern.“
Wirtschaftskrise. Schon wegen der absoluten Größe des
immer noch wachsenden Arbeitskräftepotenzials und
des indischen Marktes ist das Interesse an Indien in den
fortgeschrittenen Industrieländern groß.
12 Die Einführung in die indische Migrationssituation beruht im Wesentlichen auf Naujoks
(2009). Es gibt eine Vielzahl aktueller Texte zu Einzelaspekten, die im Rahmen des EU-Projekts
CARIM India erarbeitet wurden. http://www.india-eu-migration.eu.
49
Die befristete Arbeitsmigration in den Persischen
zunächst drei Jahre gültig und kann einmal um weitere
Golfstaaten setzte in den 1970er Jahren ein und wuchs
drei Jahre verlängert werden. Dieses Visum bietet die
rasch.
Möglichkeit, Universitätsabsolventen für ausgewählte
Berufe, insbesondere in der Informationstechnologie, für
„Viele Inder, vor allem die ungelernten und die niedrig
qualifizierten, emigrieren derzeit in die Golfstaaten —
bestimmt auch deshalb, weil diese Indien geographisch
sehr nahe sind. Würden sie jedoch in anderen Ländern
— in Europa oder den USA – Arbeit bekommen, gingen sie
auch dorthin.“
die genannte Dauer in die USA zu holen. Nach Verlängerung um drei Jahre kann der Arbeitgeber den Daueraufenthalt des Arbeitsmigranten beantragen. Durch die
H1B-Zuwanderung konnten Inder zu einer relevanten
Größe in der amerikanischen Computerindustrie werden.
Auch europäische Staaten haben Inder angeworben –
Von den Interviewpartnern wird mehrfach betont, dass
Deutschland vor allem im Rahmen der „Greencard“-
Indien die Migration von Fachkräften weder fördert noch
Initiative von 2000 bis 2005. In den 1960er und 1970er
verhindert, dies gelte auch für die Rückkehr. Vielmehr
Jahren hatte es in Deutschland auch schon Anwerbungen
würden Strukturen zur Verfügung gestellt, die von
indischer Krankenschwestern gegeben.
migrationsinteressierten Indern genutzt werden können.
„Die indischen Migranten, die in die USA gehen, bleiben
häufig dort. Jene, die in die Golfstaaten gehen, wollen dort
vor allem Geld verdienen und hier damit auftrumpfen,
wenn sie zurück sind.“
„Der Migrationsmarkt in Indien funktioniert. Wir
brauchen keine Anreize für die indischen Migranten.“
In absoluten Zahlen erhält Indien weltweit die höchsten
Geldtransfers. Durch die Auswanderung in die Golfre-
Indien hat im Bereich der Informationstechnologie in
gionen sind diese vor allem in Südindien (z.B. im südwest-
hohem Maße vom Wissen von Auslandsindern profitiert
lichen Bundesstaat Kerala) stark gestiegen und machen
und wissensintensive Produktion mit Hilfe von Auslands-
einen erheblichen Teil des Sozialproduktes aus.
indern nach Indien gezogen. Dies ist besonders auf die
Verbindungen zwischen Kalifornien und Bangalore
„In Kerala machen Remittances 30 Prozent des BIP
aus: Das führt dazu, dass dort die Ausbildung gut ist,
die Menschen gesund sind und die Entwicklung gut
voranschreitet. Es hat jedoch zur Folge, dass es dort
wenig Industrie gibt: Da die Leute genügend Geld haben,
möchten sie nicht mehr in der Industrie arbeiten.“
zurückzuführen. Beide Pole konnten von Verlagerungen
von Menschen, Material und Produktionsanlagen
profitieren.
„Es gibt bestimmte Regionen und Bundesstaaten
aus denen die Bewohner häufig in dieselben Länder
auswandern. Ihre Vorfahren haben bereits den Weg
geebnet.“
In diesem Zusammenhang vermitteln mehrere Interviewpartner den Eindruck, dass Indien nicht primär an der
Rückkehr der Migranten interessiert sei, sondern vielmehr
Indische Diaspora-Netzwerke gelten als relativ effizient
an den Geldtransfers und an den Investitionen im Land.
(Meyer 2011: 168f). Der große Erfolg von Auslandsindern
hat dazu beigetragen, das Image Indiens als Land großer
„Das physische Zurückkehren der indischen Migranten
ist nur ein Aspekt in der Migrationsthematik. Man
kann auch durch Remittances etwas an sein Land
zurückgeben.“
Armut zu verändern und Vertrauen in indische Qualifikationen zu fördern. Indien gilt als Paradebeispiel dafür, dass
Migranten, Herkunfts- und Aufnahmeländer
gleichermaßen von Fachkräftemigration profitieren
„Vor allem die Investitionen in den indischen IT-Sektor
waren Investitionen, die aus dem Ausland kamen. Das
war quasi unser Brain Gain.“
können. So haben etwa aus den USA zurückgekehrte Inder
In den letzten Jahren sind auch die Rücküberweisungen
Aufträge an indische Firmen.
erfolgreiche Software-Unternehmen gegründet und den
Handel mit den USA erweitert. Mittlerweile vergeben
indische Unternehmer im amerikanischen Silicon Valley
von Hochqualifizierten aus westlichen Ländern stark
„Seit der Jahrtausendwende haben die Menschen in
Indien begonnen zu begreifen, welchen Nutzen die
qualifizierte Migration für ihr Land hat. Vor allem,
angestiegen. Für Personen mit besonderen Qualifikationen gibt es in den USA das H1B-Visum, dessen größte
Empfängergruppe aus Indien stammt. Ein H1B-Visum ist
50
weil sie gesehen haben, welche bahnbrechenden
Entwicklungen im ‚Silicon Valley‘ durch indische
Ingenieure zustande gekommen sind.“
Geldtransfers stünden erhebliche Abflüsse gegenüber, die
indische Familien für das Studium junger Inder im
Ausland zahlen. Vor allem würden die Industrieländer
über die Anwerbung von fortgeschrittenen Studierenden
In den Gesprächen vor Ort wurde der Brain Drain nicht
und Doktoranden die Elite jedes Jahrgangs abschöpfen
als relevantes Thema bezeichnet. Hingegen wurde in den
(Khadria 2010).
Interviews eine Haltung deutlich, nach der Indien
„In Bezug auf die Remittances gibt es einen dynamischen
Interessenskonflikt: Einerseits fließen zwar Remittances
aus den Zielländern zurück nach Indien, anderseits wird
dieses Geld aber wieder in die Ausbildung von jungen
Indern in eben diesen Ländern investiert.“
problemlos Fachkräfte für den internationalen
Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen kann. Von potenziellen Aufnahmeländern werden insbesondere eine
direkte Kommunikation ihres Fachkräftebedarfes und
klare Erwartungen an die Zusammenarbeit gefordert.
„Die Ausbildung in Indien, besonders im Ingenieurwesen,
ist eine der günstigsten auf der Welt. Es ist in Ordnung für
uns, wenn Studenten nach der Ausbildung ins Ausland
gehen. In der Regel kommen sie zurück oder unterstützen
die Entwicklung des Landes mit Remittances.“
Im letzten Jahrzehnt betreibt die indische Regierung eine
koordinierte Politik gegenüber der indischen Diaspora, die
inzwischen auf 18,5 Millionen Menschen geschätzt wird.
Für Indischstämmige mit ausländischer Staatsangehörigkeit wurde ein spezieller Status eingeführt. So sind
diese von Meldeauflagen, ökonomischen Restriktionen
„An die Aufnahmeländer kann ich nur folgenden Appell
richten: Kommuniziert eindeutig, wie viele Fachkräfte
ihr braucht, errichtet entsprechende Systeme, die
Migrationsprozesse erleichtern, und setzt klare Anreize,
vor allem durch die erleichterte Ausstellung von Visa.
Wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, können wir
spezielle Ausbildungszentren für internationale Bedarfe
in Indien errichten und Fachkräfte ausbilden.“
und den Visabeschränkungen für Ausländer weitgehend
ausgenommen. Im Jahr 2004 wurde das Ministry of
Overseas Indian Affairs (MOIA) eingerichtet, das Kontakte
und politische Programme mit Diaspora-Bezug
koordiniert. Die indische Diaspora ist insbesondere in den
USA gut organisiert und bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten.
„Wenn das Herkunftsland einen guten Kontakt zu
seiner Diaspora pflegt, hat das auch eine geopolitische
Auswirkung.“
Darüber hinaus werden von Interviewpartnern vereinzelt
auch kritische Stimmen laut und Wünsche an die
Entwicklung im eigenen Land formuliert. Kritisiert wird
„Indien verfolgt eher den Gedanken, dass die Diaspora
in das Land investiert. Dafür gibt es allerdings keine
speziellen Anreize. Es ist schön, wenn die Menschen ihr
Land unterstützen, aber es ist nicht wesentlich.“
u.a. die unzureichende Entwicklung von Institutionen, der
Infrastruktur und des formellen Arbeitsmarktes. Auch die
Entwicklung eines Berufsbildungssystems wird in diesem
Zusammenhang gefordert.
„Indien braucht ein ‚institutional setting‘, damit
Fachkräfte nach einer Rückkehr auf dem indischen
Arbeitsmarkt eine Chance haben, ihre neu erlernten
Fähigkeiten einzusetzen.“
Indische Fachkräfte haben oft die Wahl zwischen
verschiedenen Zielländern, so dass für sie nicht nur die
Arbeitsbedingungen, sondern auch die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Die Rolle der Willkommenskultur im Aufnahmeland und dessen grundsätzliche
„Die indische Gesellschaft ist noch nicht dafür gerüstet,
dass indische Migranten, besonders die qualifizierten,
zurück ins Land kommen. In Indien müssen sich vor
allem die Möglichkeiten im Bereich ‚Forschung und
Entwicklung‘ – sowie allgemein die Arbeitsbedingungen –
enorm verbessern.“
Attraktivität wurde in einigen Expertengesprächen betont.
„In den USA sind die Einheimischen zu den Indern
freundlicher als zu anderen Migrantengruppen, da sie
realisiert haben, dass die indischen Migranten Gutes für
das Land gebracht haben.“
Ebenso würden die Kosten der Reintegration von
temporären Migranten und die Schwierigkeiten zurückgebliebener Familien unterschätzt. Dem Geldzustrom durch
51
52
Kolumbien
Nr.
Indikator [Jahr]
Kolumbien
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010] 4,6
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
288.189
3
Netto-ODA (in Mio. US$) [2010]
901
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
3.942
5
Verhältnis Remittances/ ODA [2010]
4,4
6
Remittances in % des BIP (Angabe in %) [2010]
1,4
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
USA, Venezuela, Spanien, Ecuador, Kanada
9
Human Development Index / Platzierung [2012]
0,719/ 91. (von 186) – High Human Development
10
Fläche des Landes in km²
1.138.910
11
Einwohnerzahl [2013]
45.745.783
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
Kolumbien hat rund 46 Millionen Einwohner. Ein
Migranten. Die Auswanderung in die USA in den 1960er
jahrzehntelanger, teils schwelender, teils eskalierender
und 1970er Jahren bestand zu einem großen Teil aus
Bürgerkrieg, in den staatliche Truppen, linksgerichtete
hochqualifizierten Fachkräften wie Ärzten und
Guerillas (FARC), rechtsgerichtete Paramilitärs und die
Ingenieuren und hat schon früh das Bewusstsein
Drogenmafia involviert waren, scheint überwunden. Der
gefördert, dass Bildung auch Mobilitätschancen bietet.
Konflikt hat jedoch dazu geführt, dass viele Kolumbianer
Später kamen geringer Qualifizierte in großer Zahl hinzu.
aus ihrem Land geflohen sind.
Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, dass Hochqualifizierte
nur minimale Rückkehrchancen sehen, während die
„Kolumbien ist kein armes Land – ganz im Gegenteil!
Rückkehr für Migranten mit mittlerer Qualifikation eher
Das Problem liegt vielmehr in der sozialen Ungleichheit.
attraktiv ist (Ramirez et al. 2010:14).
Wir haben eine korrupte politische Klasse, kriminelle
paramilitärische Kräfte, die Drogenmafia und ähnliche
„Warum sollte man als hochqualifizierter, im Ausland
Gruppierungen.“
ausgebildeter kolumbianischer Forscher ins eigene Land
zurückkehren, wenn es dort nicht einmal die nötige
Die Nachbarländer Venezuela und Ecuador waren sowohl
Forschungsausstattung gibt?“
das Ziel von Fluchtbewegungen als auch von Arbeitsmigration. Die USA – dort hauptsächlich die Staaten New York
und Florida – sind das traditionelle Hauptziel der
53
Die Wirtschaftskrise um die Jahrtausendwende erzeugte
„Wenn man von Fachkräftemigration in die USA
eine besonders große Auswanderungswelle, die sich erst
oder nach Europa spricht, kommen neben kulturellen
allmählich wieder abschwächte. Gleichzeitig wurden die
und sprachlichen Barrieren natürlich auch die
Zugangsmöglichkeiten in das Hauptaufnahmeland USA
Aufnahmebedingungen der Zielländer ins Spiel.“
beschränkt, was zu einem Anstieg der irregulären
Die kolumbianische Diaspora hatte ursprünglich wenig
Migration, insbesondere zu einem sprunghaften Anstieg
Interesse an einer institutionalisierten Kooperation mit
der Auswanderung nach Spanien führte. Hierbei waren
Regierungsstellen im Herkunftsland, was auch mit dem
Frauen leicht in der Überzahl. In Spanien wuchs die Zahl
großen Misstrauen zu erklären sein mag, das staatlichen
der Kolumbianer von weniger als 10.000 Menschen in den
Stellen während der politischen Unruhen entgegenge-
1990er Jahren auf nahezu 300.000 Menschen im Jahr 2009
bracht wurde (Meyer et al. 1997). Inzwischen ist es
(Eurostat 2013). Danach kam es krisenbedingt zu einem
offizielles Ziel der kolumbianischen Regierungspolitik, die
Rückgang. Die Einreise erfolgte in der Regel mit einem
Kontakte zur Diaspora zu intensivieren. Im Rahmen des
Touristenvisum, gefolgt von einem illegalen Aufenthalt
„Colombia Nos Une Programm“ (CNU) wurden bereits
und zum Teil einer späteren Legalisierung (Bérubé 2005).
mehrere Projekte realisiert. Seit 2004 wird an einer
„Viele Leute, die in den 1990er Jahren nach Spanien
integrierten Politik für Auslandskolumbianer und
gegangen sind, hätten sich Programme zur Begleitung
Einwanderer in Kolumbien gearbeitet. Eine Rückkehr wird
der Rückkehr gewünscht.“
positiv betrachtet und auch im Rahmen der CNU
gefördert.
„Unsere ersten Erfahrungen mit Spanien gingen schon
in die Richtung, dass viele Fachkräfte auswanderten und
„Kolumbien soll Mechanismen schaffen, um die Rückkehr
nur ganz wenige zurückkehrten.“
zu fördern und die im Ausland erworbenen Kompetenzen
der Migranten zu nutzen.“
Im Januar 2002 begegnete Spanien dem Anstieg der nicht
autorisierten Zuwanderung mit der Einführung einer
Der Fachkräfteexport wird mehrheitlich positiv betrachtet
Visumspflicht, wobei ein Arbeitsmigrationsabkommen
und als Teil der Entwicklungsstrategie gesehen. Der
(allerdings mit einem geringen Volumen von unter 2000
Abschluss von Arbeitsmigrationsabkommen für eine
Personen pro Jahr) einen Ausgleich bilden sollte (Bérubé
geregelte Migration wird vorangetrieben. Es bestehen
2005). Die Arbeitsmigration in andere europäische Länder
bereits Abkommen mit Kanada, Peru, Portugal und
hat für Kolumbien bisher kaum Bedeutung. Die Interview-
Spanien – weitere werden verhandelt. Generell herrschte
partner vor Ort berichten, dass derzeit viele kolumbia-
in den Gesprächen eine pragmatische Sichtweise auf die
nische Migranten aufgrund der Wirtschafts- und
gegebenen Verhältnisse vor. Es wurde insbesondere
Finanzkrise in Spanien wieder zurückkehren.
zwischen langfristig wünschenswerten Verbesserungen in
54
Kolumbien sowie kurz- und mittelfristig sinnvollen,
aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten.
geregelten Migrationsbewegungen unterschieden, die sich
„Es gibt so viele Ärzte in Kolumbien, dass einige
gegenseitig nicht ausschließen sollten.
sogar als Taxifahrer arbeiten müssen, um sich ihren
„Eigentlich wollen wir die Leute davon überzeugen,
Lebensunterhalt zu verdienen.“
in Kolumbien zu bleiben. Erstens ist deren Ausbildung
„Migration von Krankenschwestern ins Ausland ist
volkswirtschaftlich betrachtet teuer, zweitens stellen sich
schlecht für unser Gesundheitssystem. Es gibt hier nicht
viele die Migration zu einfach vor.“
einmal genügend Fachkräfte für eine flächendeckende
„Das kolumbianische Arbeitsministerium fördert die
Versorgung, trotzdem haben wir Arbeitslosigkeit.“
Migration der Kolumbianer, sofern diese reguliert ist und
Viele Interviewpartner wünschen sich bei der
unter würdigen Bedingungen stattfindet.“
Vorbereitung von Migranten auf deren Auswanderung
Entsprechend gibt es in Kolumbien bereits konkrete
sowie beim Prozess der Rückkehr nach Kolumbien mehr
Überlegungen, wie Arbeitsmigrationsmöglichkeiten mit
Unterstützung.
besseren Rückwirkungen auch auf das Herkunftsland
„Bei einigen Pilotmaßnahmen mit Kanada haben wir
gestaltet werden können.
festgestellt, dass die Migranten nicht ausreichend auf die
„Wenn mehr Mobilität nach Deutschland gewünscht
kulturellen und klimatischen Umstellungen vorbereitet
wird, sind drei Dinge zu tun: Die Anerkennung der
waren. Es ist also wichtig, dass die Migranten vorbereitet
akademischen Ausbildung, eine Vereinfachung der
und während des gesamten Migrationsprozesses begleitet
Einreisebestimmungen sowie eine sprachliche und
werden.“
kulturelle Vorbereitung.“
„Einen wesentlichen Anreiz zur Rückkehr würde die
Übertragbarkeit der Sozialversicherungsansprüche
darstellen.“
In den Interviews in Kolumbien wurde die Sonderrolle des
Gesundheitssektors mit seiner starken Abhängigkeit von
staatlicher Regulierung und Finanzierung besonders
deutlich angesprochen. Einerseits sehen die Interviewpartner einen ungedeckten Bedarf an Arbeitskräften,
andererseits beklagen sie Fachkräftearbeitslosigkeit
55
56
Marokko
Nr.
Indikator [Jahr]
Marokko
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010]
9,3
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
91.196
3
Netto-ODA (in Mio. US$) [2010]
993
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
6.447
5
Verhältnis Remittances / ODA [2010]
6,5
6
Remittances in % des BIP [2010]
7,1
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
Frankreich, Spanien, Italien, Israel, Belgien
9
Human Development Index / Ranking [2012]
0,591/ 130. (von 186) – Medium Human Development
10
Fläche des Landes in km²
446.550
11
Einwohnerzahl [2013]
32.649.130
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
Im gesamten 20. Jahrhundert fand überwiegend eine
Marokko kommen rund 3 Millionen in Marokko
männliche Arbeitsmigration aus dem Königreich Marokko
Geborene, die im Ausland leben (The World Bank 2011).
in französischsprachige Gebiete statt. Zunächst erfolgte
„Migration hat sich innerhalb Marokkos auf alle
diese größtenteils nach Algerien, später auch verstärkt
Regionen und alle sozialen Schichten ausgebreitet.“
nach Frankreich sowie nach den ersten Anwerbeabkommen 1963 auch nach Belgien, in die Niederlande und
Marokkanische Fachkräfte wurden von den USA und
nach Deutschland. Nach den Anwerbestopps in den
Kanada angeworben, doch die Fachkräftemigration hat im
EU-Ländern Anfang der 1970er Jahre wurde die
Verhältnis zur früheren Auswanderung niedrig Qualifi-
Zuwanderung in diese Staaten durch Familienzusammen-
zierter noch ein geringes Niveau. Die arabischen Ölstaaten
führung fortgesetzt. Seit den 1980er Jahren hat die
rekrutieren ebenfalls in Marokko, aber rund 86 Prozent
Bedeutung von Spanien und Italien als neue Aufnahme-
der bei den marokkanischen Botschaften registrierten
länder zugenommen (de Haas 2009). Dort arbeiteten die
Auslandsmarokkaner leben in Europa (Di Bartolomeo et
Migranten zunächst häufig illegal in der Landwirtschaft
al. 2009).
und wurden später legalisiert, so dass seit Anfang des
„Tendenziell wandern in die USA und nach Kanada
Jahrtausends mehr marokkanische Staatsbürger in
eher qualifizierte Fachkräfte ab, nach Europa dafür eher
Spanien als in Frankreich leben (Eurostat 2013). Auf eine
Studenten.“
Bevölkerung von rund 32 Millionen Menschen in
57
„Geringqualifizierte Marokkaner gehen selten in
aber nun auch eine Unterstützung der heimischen
die Golfstaaten. Für die Hochqualifizierten sind die
Wirtschaft beginnen, d.h. Migration sollte als
Golfstaaten nach Europa die zweitwichtigste Zielregion.“
strategischer Entwicklungsfaktor genutzt werden.“
Nachdem die Entwicklung des Landes sich jahrzehntelang
Bereits seit Beginn der Arbeitsmigration in den 1960er
auf die Industrialisierung des Küstenstreifens und die
Jahren boten Freundschaftsgesellschaften kulturelle
Städte konzentriert hatte, werden zunehmend – auch
Dienstleistungen an. Seit 1990 bemühen sich staatliche
unter dem Einfluss von Migrantenorganisationen – die
Organisationen und königliche Stiftungen mit
zurückgebliebenen ländlichen Regionen einbezogen
wechselnder Intensität und Ausrichtung um Auslandsma-
(Iskander 2010). Ausbildung und Arbeitsmarkt sind nach
rokkaner, wobei phasenweise eher partizipativ
den Aussagen vieler Interviewpartner schlecht
ausgerichtete mit kontrollierenden Bemühungen
aufeinander abgestimmt. In diesem Zusammenhang
wechselten. Zahlreiche Regierungs- und Nichtregierungs-
wurden in den Interviews auch Wünsche nach einem
organisationen sind in diesem Bereich engagiert (Di
Berufsbildungssystem deutscher Prägung formuliert.
Bartolomeo et al. 2009). Der Wunsch nach einer
verstärkten Zusammenarbeit mit der marokkanischen
„Eine Änderung des Ausbildungssystems ist nötig.
Diaspora wird auch in den Interviews deutlich. Hierbei
Marokkanische Unternehmen sind dafür schon bereit,
sehen die Interviewpartner insbesondere in den
was wichtig für den Bereich der beruflichen Bildung ist.“
wirtschaftlichen Investitionen durch Auslandsma-
Generell ist die Auswanderung von Fachkräften bisher
rokkaner eine Chance für die Entwicklung des Landes.
kein wichtiges Thema in Marokko, ist aber aufgrund der
Gefordert werden in diesem Zusammenhang
hohen Akademikerarbeitslosigkeit erwünscht.
hauptsächlich bessere Informations- und Beratungsangebote.
„Hierzulande gibt es viele Akademiker, die arbeitslos sind.
Es ist daher sehr wertvoll, wenn jemand die Möglichkeit
„Viele investitionsfreudige Auslandsmarokkaner haben
hat, nach dem Abschluss im Ausland Erfahrungen zu
Geld, aber keine Ahnung, wie sie investieren können. Ihre
sammeln.“
Möglichkeiten und die Rahmenbedingungen sind sehr
unklar.“
Zunehmend werden die gut ausgebildeten Nachkommen
der „alten“ Arbeitsmigranten als interessantes Potenzial
In vielen Fachgesprächen des Dialogvorhabens waren
für Marokko betrachtet.
sowohl Fördermaßnahmen zur Einbeziehung der
Diaspora in den marokkanischen Entwicklungsprozess als
„Die Unterstützung der Familien durch
auch die optimierte Nutzung von Geldtransfers und
Auslandsmarokkaner ist ein wichtiger Beitrag. Es sollte
Investitionen von Auslandsmarokkanern zentrales Thema.
58
Hier überwog die kritische Kommentierung vorhandener
Aspekten wie der Verringerung der Arbeitslosigkeit auch
Programme und die Klage über fehlende Maßnahmen.
langfristige Auswirkungen wertschätzend hervor.
„Die Politik interessiert sich nur für die Remittances
„Natürlich nützt Migration auch Marokko: Sie bringt
der Auslandsmarokkaner und unterstützt große
Devisen, sie senkt die Arbeitslosigkeit und ermutigt Leute,
Investitionsvorhaben. Klein- und Mittelständler werden
sich weiterzubilden.“
nicht gefördert, obwohl gerade diese einen wichtigen
In den langjährigen Kooperationsbeziehungen mit der
Beitrag zur Entwicklung des Herkunftslandes leisten.“
Europäischen Union werden vor allem mehr Partner-
Marokko hat zahlreiche bilaterale Arbeitsmigrationsab-
schaft und bessere Migrationsmöglichkeiten – nicht nur
kommen abgeschlossen. Die staatliche marokkanische
für Fachkräfte – eingefordert.
Arbeitsagentur ANAPEC arbeitet zudem auch im Rahmen
„Von den europäischen Ländern erwarte ich mir eine
des EU-finanzierten MEDA-Projektes „Institutionelle
vorsichtige Anwerbung von Fachkräften aus Marokko
Förderung legaler Migration“ mit europäischen Einrich-
mit einer sensiblen Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse
tungen zusammen und führt in diesem Zusammenhang
Marokkos.“
u.a. Bewerberdatenbanken. Seit in der letzten Dekade das
Thema „Migration und Entwicklung“ in internationalen
Debatten an Bedeutung gewonnen hat, wird Marokkos
langjährige Erfahrung vielfach beachtet. Im
Zusammenhang mit den Vermittlungsleistungen von
ANAPEC werden jedoch auch kritische Stimmen laut.
„Ich bin nicht zufrieden mit der Rolle, die ANAPEC
derzeit in der marokkanischen Migration spielt. Die
Agentur setzt sich nicht genug für die Rechte der
Migranten ein, sondern erfüllt nur die Wünsche der
Unternehmen. Außerdem lässt sich die Organisation ihre
Dienstleistungen nicht von den Zielländern bezahlen.“
Die Abwanderung gut ausgebildeter Akademiker wird von
den Gesprächspartnern einerseits bedauert und als
„Geschenk für Europa“ bezeichnet, andererseits heben
viele Gesprächspartner neben kurzfristig positiven
59
60
Tunesien
Nr.
Indikator [Jahr]
Tunesien
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010]
6,3
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
44.291
3
Netto-ODA (in Mio. US$) [2010]
550
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
1.960
5
Verhältnis Remittances / ODA [2010]
3,6
6
Remittances in % des BIP [2010]
4,4
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
Frankreich, Italien, Libyen, Deutschland, Israel
9
Human Development Index / Ranking [2012]
0,712 / 94. (von 186) – High Human Development
10
Fläche des Landes in km²
163.610
11
Einwohnerzahl [2013]
10.835.873
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
Tunesien ist mit knapp 11 Millionen Einwohnern nach
„In Tunesien verlassen jährlich 500.000 junge Leute
den Staaten des südlichen Kaukasus das Land mit der
Universitäten mit einem Abschluss. Unser Arbeitsmarkt
drittkleinsten Bevölkerung in diesem Dialogvorhaben.
kann diese Absolventen unmöglich alle absorbieren.“
Nach den politischen Umwälzungen zu Beginn des Jahres
Seit den 1950er Jahren gibt es eine intensive Arbeitsmig-
2011 („Jasmin-Revolution“, „Arabischer Frühling“) wurde
ration von Tunesien nach Europa: zunächst vor allem
eine Übergangsregierung gewählt. Die Wirtschaft, die auch
individuell organisiert in die ehemalige Kolonialmacht
einen bedeutenden Tourismusanteil aufweist, leidet unter
Frankreich, danach im Rahmen von Anwerbeabkommen
der politisch unsicheren Lage. Die wirtschaftlichen und
nach Deutschland, Belgien, in die Niederlande und nach
sozialen Ungleichgewichte zwischen den Küstenregionen
Ungarn. Es migrierten hauptsächlich niedrig qualifizierte
und dem Landesinneren sind groß.
Männer, die in der Industrie arbeiteten. Nach dem
Obwohl das Land zu den wirtschaftlich erfolgreichsten
Anwerbestopp in diesen Ländern kehrten viele Migranten
Staaten Afrikas zählt, ist die Arbeitslosigkeit hoch (nach
zurück, andere holten ihre Familien nach und richteten
offiziellen Angaben beträgt sie 14 Prozent). Personen mit
sich auf einen langen Aufenthalt oder eine dauerhafte
höherem Bildungsabschluss sind überdurchschnittlich
Auswanderung ein.
und in zunehmendem Maße betroffen – die Arbeitslo-
Ab den 1980er Jahren stieg vor allem der Anteil der
senquote ist bei dieser Personengruppe zwischen 2007
tunesischen Universitätsabgänger unter den Arbeitsmi-
und 2012 von 20 auf 34 Prozent gestiegen (Angenendt et
granten. Es ist anzunehmen, dass die Abwanderung zum
al. 2012: 2)
61
Studium mit anschließendem Verbleib im Ausland die
Arbeitsmigranten überwiegend temporär dorthin
wichtigste Quelle darstellt, aus der sich die tunesisch-
abwanderten. Auch aktuell ist Libyen wieder ein wichtiges
stämmige Auslandselite rekrutiert. Die Rückkehrquoten
Aufnahmeland. Die Golfstaaten mit ihren weitgehend
von tunesischen Studierenden in ihr Herkunftsland
offenen Arbeitsmärkten und aktiven Anwerbepolitiken
werden als gering eingeschätzt (Katterbach 2010:11).
(v.a. Katar) haben eine wachsende Bedeutung.
„Viele tunesische Studierende bleiben nach ihrem
„Es gibt starke Migrationsbewegungen zwischen Tunesien
Studium im Ausland – vor allem in Europa. Die Rückkehr
und Libyen, die teilweise historisch und teilweise
dieser gut ausgebildeten Gruppe ist jedoch sehr wichtig
geografisch bedingt sind. In Libyen stehen den Tunesiern
für das Land. Der Brain Drain existiert vor allem bei
sehr viele Möglichkeiten offen.“
Studenten.“
Während der langjährigen Erfahrung mit Arbeitsmig-
Italien hat als neues Aufnahmeland an Bedeutung
ration haben tunesische Regierungen immer den Kontakt
gewonnen, wobei die Abwanderung auch hier häufig
zu Auslandstunesiern gehalten, um sie zu unterstützen
zunächst illegal war, und Migranten dann zu einem
und positive Entwicklungseinflüsse zu fördern. Während
späteren Zeitpunkt legalisiert wurden. Nachdem beim
zunächst die Förderung von Investitionen durch
Zusammenbruch der staatlichen Ordnung im Januar 2011
Rückkehrer und Geldtransfers im Vordergrund standen,
die Zahl der illegalen Bootseinreisen zunächst stark
hat sich der Schwerpunkt seit den 1990er Jahren auf die
gestiegen war, bemühte sich die Übergangsregierung um
Förderung von Diaspora-Kontakten mit dem Ziel des
eine Unterbindung der unkontrollierten Auswanderung
Wissenstransfers und der Investition durch Auslandstu-
mit Booten nach Italien (BAMF 2011). Im Gegenzug haben
nesier verlagert. Hier fand eine Vielzahl von Instrumenten
mehrere EU-Staaten eine verstärkte Prüfung von legalen
Anwendung (Katterbach 2010:23). Wie in den Gesprächen
Migrationsmöglichkeiten zugesagt.
mit tunesischen Experten deutlich zu erkennen war, wird
auch die Funktion von Arbeitsmigranten als Botschafter
„Die illegale Migration von Tunesien nach Europa ist
Tunesiens im Ausland wahrgenommen.
inakzeptabel.“
„Mit der im Ausland lebenden tunesischen Diaspora
„Wir können die irreguläre Migration nicht alleine
müssen wir verstärkt zusammen arbeiten. Sie kann die
eindämmen. Wir brauchen hierbei die ernsthafte
wirtschaftliche Entwicklung Tunesiens vorantreiben.“
Unterstützung von Europa.“
Insgesamt wird weniger das Fehlen von Instrumenten
Mit dem Nachbarland Libyen verbindet Tunesien eine
beklagt, sondern vielmehr Funktionsmängel sowie die
wechselhafte Migrationsgeschichte mit Abwanderungs-
fehlende Koordination zwischen einer Vielzahl von
und Rückkehrphasen, seit in den 1970er Jahren die ersten
Akteuren. Gefordert werden in diesem Kontext mehr
62
Koordination und Zusammenarbeit. Als erster Schritt in
„Wir haben in Tunesien viele gut ausgebildete
diese Richtung wird u.a. der von der Übergangsregierung
Wissenschaftler, wie etwa Historiker und
geschaffene Posten eines Staatssekretärs für Migration
Sozialwissenschaftler, die hier keine Arbeit finden. Hier
erwähnt.
besteht ein besonders hohes Ungleichgewicht zum
nationalen Arbeitsmarkt.“
Der tunesische Erfahrungsschatz in Bezug auf bilaterale
Kooperationen liefert Vorbilder und Anknüpfungspunkte
In diesem Kontext werden Forderungen formuliert, um
für weitere Partnerschaftsmodelle in bestimmten
das Ausbildungs- und das Arbeitsmarktsystem stärker
Sektoren oder für bestimmte Berufsgruppen.
aufeinander abzustimmen und ein Berufsbezeichnungssystem einzuführen. Außerdem wird der Wunsch
„Im Rahmen der Migrationspartnerschaft mit der
geäußert, mehr Aus- und Weiterbildungsangebote zu
Schweiz geben wir jungen Tunesiern gute Chancen.
entwickeln.
Zum einen können irreguläre Migranten freiwillig
zurückkehren und bekommen Geld, um sich in Tunesien
„Wir müssen die Aus- und Weiterbildung stärker mit den
selbstständig zu machen, zum anderen können 150
Bedürfnissen des Arbeitsmarktes zusammenbringen.“
Berufsanfänger in der Schweiz ein Jahr lang erste
„In Tunesien gibt es kein Berufsbezeichnungssystem.
Arbeitserfahrungen sammeln und anschließend entweder
Das führt zu fehlender Stabilität: Rund 20 Prozent dieses
bleiben oder zurückkehren.“
Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage
„Zwischen Tunesien und Österreich gab es in den 1990er-
auf dem Arbeitsmarkt sind auf unterschiedliche
Jahren eine sehr erfolgreiche Migrationspartnerschaft
Berufsbezeichnungen zurückzuführen.“
bei der Vermittlung von 600 Krankenschwestern. Alle
Beteiligten wurden im Vorfeld sehr detailliert informiert
und gut vorbereitet. Sie waren anschließend mit den
Ergebnissen sehr zufrieden.“
Ein wichtiges Thema in vielen Gesprächen waren Missverhältnisse zwischen dem Bildungssystem, das stark auf
akademische Abschlüsse ausgerichtet ist, und dem
Arbeitsmarkt, in dem auch mittlere Qualifikationen stark
nachgefragt werden, die jedoch von Universitätsabsolventen nicht als besonders interessant angesehen werden.
63
64
Vietnam
Nr.
Indikator [Jahr]
Vietnam
1
Anteil der Emigranten an der Gesamtbevölkerung in % [2010]
2,5
2
BIP (in Mio. US$) [2010]
103.572
3
Netto-ODA (in Mio. US$) [2010]
2.940
4
Remittances (in Mio. US$) [2010]
7.215
5
Verhältnis Remittances / ODA [2010]
2,45
6
Remittances in % des BIP [2010]
7,0
7
Top 5 Emigrationsländer [2011]
USA, Australien, Kanada, Kambodscha, Deutschland
9
Human Development Index / Platzierung [2012]
0.617 / 127. (von 186) – Medium Human Development
10
Fläche des Landes in km²
331.210
11
Einwohnerzahl [2013]
92.477.857
(Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Bank 2011, UNDP 2013, OECD 2012, CIA 2013)
In der Sozialistischen Republik Vietnam wurden seit 1986
„Die vietnamesische Diaspora ist zwar groß, inklusive der
marktwirtschaftliche Reformen („Doi Moi“) durchgeführt,
zweiten Generation wird die weltweite Zahl der Việt Kiều
die Privatinitiativen in gewissem Umfang zuließen und
auf etwa 3 Millionen Menschen geschätzt, aber sie ist
ein rasches Wirtschaftswachstum auslösten, während die
vergleichsweise nicht besonders gut vernetzt.“
politische Liberalisierung 2006 eher zögerlich
begann.13
Die organisierte Arbeitsmigration begann in den 1980er
Die Arbeitslosigkeit ist offiziell sehr niedrig, ebenso wie die
Jahren mit Migrationsabkommen mit osteuropäischen
Löhne. Rund 75 Prozent der Bevölkerung leben in
Staaten, darunter der DDR. Sie hatte in der Regel die Form
ländlichen Regionen und sind überwiegend niedrig
von Kontraktarbeit, bei der Vietnamesen isoliert
qualifiziert. Die Bevölkerung von rund 92 Millionen
eingesetzt wurden und auch lebten. Seit 2000 ist die Zahl
Menschen ist jung und muss jährlich rund 1,7 Millionen
der Arbeitsmigranten, die meist befristet als Werkvertrags-
Neuzugänge im Arbeitsmarkt integrieren. Viele Jahre lang
arbeiter ins Ausland gehen, rasch angestiegen. Im Jahr
waren die Möglichkeiten zur Migration ins Ausland
2010 gingen mehr als 85.000 Vietnamesen mit
begrenzt, und Vietnamesen kamen als Flüchtlinge in alle
sogenannten Arbeitsexportfirmen ins Ausland, wobei der
Welt, vor allem aber in die USA, wo heute die größte
Frauenanteil seit Beginn der 1990er Jahre von 10 auf 30
Bevölkerung der Auslandsvietnamesen („Việt Kiều“) lebt.
Prozent gestiegen ist.
13 Quelle der zusammenfassenden Darstellung ist ein Bericht für die vietnamesische Regierung
(Consular Department of the Ministry of Foreign Affairs of Viet Nam 2012).
65
Die Migration von Fachkräften wird von staatlicher Seite
„Abkommen zwischen Regierungen beider Länder
gefördert und ist zentraler Bestandteil der Regierungs-
– sozusagen ein direktes Migrationsmanagement
politik. Brain Drain wird nicht als Gefahr für das Land
von staatlicher Seite – vermeiden die Ausbeutung der
gesehen. Die Interviewpartner vermitteln ein großes
migrierenden Arbeitskräfte.“
Interesse an der Entsendung von Fachkräften und
Bis Anfang der 1990er Jahre wurde die Vermittlung von
betonen die Nachfrageorientierung ihrer Fachkräf-
Arbeitskräften ausschließlich über staatliche Institutionen
testrategie.
abgewickelt. Auf Grundlage von Regierungsabkommen
„Der Arbeitskräfteexport ist zentraler Bestandteil der
mit anderen Ländern wählte das Department of Overseas
Regierungspolitik, da der inländische Arbeitsmarkt keine
Labour Affairs (DOLAB) Arbeitskräfte aus. Seither dürfen
ausreichenden Potenziale bietet.“
auch private Unternehmen Arbeitskräfte ins Ausland
vermitteln – auch direkt an Unternehmen. Für den
„Bis jetzt sehen wir nicht die Gefahr eines Brain Drains –
privaten Vermittlungssektor wird von Interviewpartnern
die Leute stünden bei uns doch auf der Straße. Wir sind in
mehr Transparenz bei den Verfahren gefordert.
der Pflicht, ihnen dabei zu helfen, Arbeit zu finden.“
„Heute erfüllen etwa 170 private Vermittlungsagenturen
Nach Schätzung des vietnamesischen Arbeitsministeriums
ca. 90 Prozent der Vermittlungsleistung, die übrigen zehn
arbeiten rund eine halbe Million Vietnamesen temporär
Prozent gehen auf staatliche Vermittlung, z.B. durch das
im Ausland. Ein illegaler Verbleib während oder nach
DOLAB, zurück.“
Ablauf eines Arbeitsvertrages kommt häufig vor. Der
überwiegende Teil der Arbeitsmigranten arbeitet in
„Der private Vermittlungssektor agiert häufig sehr
unqualifizierten Beschäftigungen, wobei sich die
undurchsichtig und mit zweifelhaften Methoden.“
ausgeübten Tätigkeiten stark in den Aufnahmeländern
Die Zahl der vietnamesischen Studierenden im Ausland ist
unterscheiden. In Europa leben in Frankreich,
in den letzten Jahren rasch gewachsen, wobei das Studium
Deutschland und Tschechien die meisten Menschen mit
meist selbstfinanziert ist. Rund 60 bis 70 Prozent finden im
vietnamesischen Wurzeln.
Ausland Beschäftigung und bleiben dort, was die Inter-
„Bei unserem Arbeitskräfteexport verfolgen wir
viewpartner teilweise sehr bedauern.
geographisch gesehen keine spezifische Strategie, sondern
Die vietnamesischen Gesprächspartner betonen, dass sie
richten uns eher nach der Nachfrage der anderen Länder.“
bestrebt sind, internationale Ausbildungsstandards zu
erreichen. Dabei wünschen sie sich mit den Aufnahme-
Vietnam hat Arbeitsmigrationsabkommen vor allem mit
und Partnerländern eine verstärkte Zusammenarbeit.
asiatischen und arabischen Ländern (sowie außerdem
zahlreiche bilaterale Memoranden) abgeschlossen. Die
„Die vietnamesischen Ausbildungsstandards werden oft
bilateralen Kooperationen werden vor allem als Schutz
international nicht anerkannt. Zwar muss Vietnam hier
der im Ausland arbeitenden Arbeits- und Fachkräfte
auch noch einiges leisten, die Aufnahmeländer sollten uns
bewertet.
jedoch auch entgegen kommen.“
66
„Seit September 2011 haben wir in Vietnam einen
entsenden wir rund 1000 Ingenieure nach Japan, einige
standardisierten Abschluss für Krankenpflegerinnen und
auch nach Kanada oder Australien. Wir konzentrieren
Krankenpfleger. Ziel ist es, die Lücke zu den ausländischen
unseren Fachkräfteexport auf den Gesundheits- und den
Standards zu schließen.“
MINT-Bereich.“
Die Rückkehr von im Ausland lebenden Vietnamesen wird
Auch im Fall Vietnam werden Besonderheiten des
nach Aussagen der Interviewpartner verstärkt gefördert.
Gesundheitsbereiches deutlich, in dem es einerseits
Gut ausgebildete Fachkräfte, die nach Vietnam zurück-
Versorgungslücken gibt, andererseits Fachkräfte
kehren, sind nicht selten mit weniger attraktiven Lebens-
unbeschäftigt sind.
bedingungen sowie dem Problem konfrontiert, dass ihre
„Wir würden gerne noch mehr Ärzte,
im Ausland erworbenen Kompetenzen nicht gefragt sind.
Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger ins Ausland
Hinzu kommt, dass es oft an Infrastrukturen und
senden, da wir in diesem Bereich in Vietnam keinen
technischer Ausstattung mangelt.
Mangel aufweisen.“
„Die Regierung bemüht sich zunehmend,
„Wir haben keinen Überschuss an Krankenpflegerinnen
Auslandsvietnamesen zu einer Heimkehr zu bewegen,
und Krankenpflegern, eher im Gegenteil. Das Problem
um hier zur ökonomischen Entwicklung des Landes
ist nur, dass der Staat die qualifizierten Kräfte nicht
beizutragen.“
bezahlen kann.“
„Viele rückkehrende Fachkräfte sind unglücklich in
Maßnahmen im gesamten Migrationsprozess sollen dazu
Vietnam. Die Löhne sind schlecht, die Arbeitsbedingungen
beitragen, dass der arbeitsrechtliche Schutz der
häufig auch und die Reintegration in die Familie
Vietnamesen im Ausland gewährleistet wird. Als
funktioniert oftmals nicht so, wie erwartet.“
besonders wichtig werden Vorbereitungstrainings vor der
Die Geldtransfers von vietnamesischen Arbeitsmigranten
Ausreise angesehen. Da eine Rückkehr sowohl von
sind hoch und wichtig für die vietnamesische Wirtschaft.
qualifizierten als auch unqualifizierten Arbeitskräften
Die Regierung ist daran interessiert, sie auch durch
erwartet wird, kann es bei der Reintegration von
Förderung der befristeten Arbeitsauswanderung zu
Fachkräften in den weniger entwickelten vietnamesischen
erhöhen. Die aktive Förderung der temporären Arbeitsmi-
Arbeitsmarkt zu Schwierigkeiten kommen. Aufstiegsaspi-
gration im Rahmen legaler Programme wird als wichtiges
rationen werden ebenfalls als problematisch betrachtet.
Ziel der vietnamesischen Politik gesehen. Die Verbes-
„Problematisch ist, dass viele rückkehrende Fachkräfte
serung der „Qualität und Effektivität des Arbeitsexports“
nicht mehr in ihrem früheren Bereich arbeiten, sondern
ist ein Ziel der nationalen Entwicklungsstrategie für den
höhere Positionen auf Managementebene anstreben, und
Zeitraum 2011 bis 2020. Arbeitsmigration wird positiv
somit ihre Arbeitserfahrungen nicht konkret mit in den
gesehen und staatlich gefördert.
Arbeitsalltag hier vor Ort einbringen.“
„Wir wollen den Anteil der qualifizierten Kräfte im
Rahmen unseres Arbeitskräfteexports erhöhen. Jedes Jahr
67
Annex II: Liste der Interview- und
Diskussionspartner14
Armenien
Tatevik BEZHANYAN
Head
People in Need, International NGO
Irina DAVTYAN
Deputy head
State Migration Service of the RA Ministry of Territorial
Administration
Arman KHACHATRYAN
Second Secretary of EU Division
RA Ministry of Foreign Affairs
Karine KUYUMJYAN
Head of Population Census and
Demography Division
National Statistical Service
Heghine MANASYAN
Country Director
Caucasus Research Resource Center
Garik SAHAKYAN
Deputy Head
State Employment Service Agency of the RA Ministry of Labour and
Social Issues
Ruben YEGANYAN
President
Armenian Social-Demographic Initiative
Irina BADURASHVILI
Director
Georgian Centre of Population Research
Kakhaber CHELIDZE
Dean of Faculty for Physical Medicine and Tbilisi State Medical University
Rehabilitation
Nato GAGNIDZE
Director
Keti GOMELAURI
Head of Department for Cooperation with Ministry of Justice of Georgia; Civil Service Development Agency
Donor Organizations
Bela HEJNA
Project Director
Targeted Initiative Georgia, EU-Georgia Mobility Partnership
Giorgi JASHI
Head of Migration Commission
Secretariat Unit
Civil Service Development Agency, Georgia
Mariam KABURIA
Coordinator of the State Minister's Office
The Office of the State Minister of Georgia for Diaspora Issues
Ketevan KHUTSISHWILI
Project Manager – Justice, Freedom,
Security
European Union Delegation in Georgia
Manana LOBZHANIDZE
Head of the Department of Scientific
Researches and Development
Tbilisi State University, Faculty of Economics and Business
Tornike NOZADZE
Department of European Integration
Office of the State Minister of Georgia on European and Euro-Atlantic
Integration
Maia TSERETELI
Executive Director
Key Management Solutions, Full Service HR Recruitment & Consulting
Agency
Georgien
Innovations and Reforms Center, Georgia
14 Die Funktionen und Positionen der Interview- und Diskussionspartner beziehen sich auf den
Zeitpunkt der Durchführung der Dialogreihe (Oktober/November 2012).
68
Indien
Shikhar AGRAWAL
Advisor to the Prime Minister
National Council on Skill Development
Guido CHRIST
Deputy Director General
Indo-German Chamber of Commerce, New Delhi
Dipankar GUPTA
Sociologist and Professor
(formerly at) Jawaharlal Nehru University
Amir HAMZA
Analyst /CIM Returning Expert
MicroSave India Foundation
Revathi JAYARAM
Consultant and Returning Expert
Mobility India
S. R. JOSHI
Deputy Director General (Social Welfare)
Ministry of Labour & Employment
Rajat KATHURIA
Director and Chief Executive
Indian Council for Research on International Economic Relations
(ICRIER)
Binod KHADRIA
Professor of Economics and Education
Zakir Husain Centre for Educational Studies, Jawaharlal Nehru
University New Delhi
Didar SINGH
Secretary General
Federation of Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI)
Atul Kumar TIWARI
Joint Secretary
Ministry of Overseas Indian Affairs (MOIA)
Programme Coordinator “Adaptation to
Climate Change in the Andean Region”
GIZ and Alumni of Germany
Kolumbien
Juan Adolfo BERMUDEZ
Álvaro CALDERON PONCE Department for Migration, Consular
DE LEON
Affairs and Citizen Service
Ministry of Foreign Affairs
Diana Isabel CARDENAS
GAMBOA
Director of Mobility and Professional
Ministry of Labour
Formation, Vice-Director for Employment
and Retirement
Julián CARDONA CASTRO
National President
Colombian Association of Engineers (ACIEM)
Gina CASALLAS
Member of the Executive Board
Association of Colombian Alumni from German Universities (ASPREA)
Ivonne FORERO
Department for Migration, Consular and
Citizen Services
Ministry of Foreign Affairs
Julio Roberto GOMEZ
ESGUERRA
President
General Confederation of Labour (CGT)
Monica GUTIERREZ
Member of the Executive Board
Association of Colombian Alumni from German Universities (ASPREA)
Henry A. LEON GALINDO
Legal advisor
Colombian Engineers Association (ACIEM)
Teresa MARTINEZ LEON
Office Manager for External Relations
University "Los Andes"
Pedro MONROY BECERRA
Coordinator of the National Public
Employment Service
National Learning Service (SENA)
Esperanza MORALES
CORREA
President
Colombian National Association of Nurses
Ginés Francisco SABATER
Director of the Department for
Employment and Social Security
Spanish Embassy in Colombia
Nidia TARAZONA
Coordinator at the Migrant Information
and Support Centre (CIAMI – CGT)
General Confederation of Labour (CGT)
César Camilo VALLEJO
Department for Migration, Consular
Affairs and Citizen Service
Ministry of Foreign Affairs
Elizabeth WARN
International Labour Migration Expert
International Organization for Migration (IOM)
69
Marokko
Mehdi ALIOUA
Professor
International University Rabat
Mohammed BERRIANE
Professor
University Mohammed V Agdal – Rabat
Taoufiq BOUDCHICHE
Director for International Cooperation
and Promotion of Economic
Development
Agency for Development of the Oriental Region
Nezha DERMOUMI
Consultant
IntEnt Morocco
Driss EL YAZAMI
President
Council for the Moroccan Community Abroad (CCME)
Moha EZZABDI
Consultant for Human Resources and
Reintegration
German Chamber of Commerce and Industry Morocco
Bachir HAMDOUCH
Professor
University Mohammed V Agdal – Rabat
Fatima ILYAS
Freelance Consultant on Migration Issues
Siham KAMEL
Consultant
IntEnt Morocco
Mohamed KHACHANI
President, Professor for Higher Education
National Association for Migration Studies (AMREM)
Faouzi LAKHDARGHAZAL
President of the working group “Scientific, Council for the Moroccan Community Abroad (CCME)
technical and economic skills for codevelopment”
Omar OUARITI
Director
National Agency for Promotion of Jobs and Skills (ANAPEC), Fès
Abdelfetha SAHIBI
Director for Migration
Ministry of Moroccans Residing Abroad
Adel ABIDI
Head of Section – International
Placement
National Agency for Employment and Self-Employment (ANETI),
Tunisia
Chokri ASLOUJE
President
Association of Tunisian Graduates from German Universities (ATDUA)
Abderrazak BEL HADJ
ZEKRI
Sociologist / Consultant for Migration
Tunisian Association for the Defence of Human Rights
Mehdi GUEDDAS
President
Association of the Tunisian Alumni of the French Grandes Ecoles
Houcine JAZIRI
State Secretary for Immigration and the
Tunisian Community Abroad
Ministry of Social Affairs
Mohamed KRIAA
Director of the Department for Economy
and Quantitative Methods
Higher Institute of Management of Tunis
Tunesien
Saloua LACHHEB FEZZANI Director for International Cooperation
National Agency for Employment and Self-Employment
Habib LOUIZI
Director General
Office for Tunisians Abroad (OTE), Ministry of Social Affairs
Ahmed MESSAOUDI
Director General
Ministry of Vocational Training and Employment
DANG NGUYEN Ahn
Head of International Department
Vietnam Academy of Social Sciences
LE VAN Hien
Director
Ministry of Construction - LILMA2 Technical & Technology College
LE VAN Thanh
Deputy Director General
Ministry of Labour, Invalids and Social Affairs - Department of
Overseas Labour (DOLAB)
NGUYEN LUONG Trao
Chairman
Vietnam Association of Manpower Supply
NGUYEN NGOC Quynh
Director General
Ministry of Labour, Invalids and Social Affairs - Department of
Overseas Labour (DOLAB)
PAN DUC Muc
Vice Director
Ministry of Health - Department of Health Care Management
Vietnam
70
Annex III: Literaturverzeichnis
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Impressum
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Deutsche Gesellschaft für
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Bonn und Eschborn
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Wilde Beissel von Schmidt GmbH, Berlin
Druck:
Druckerei Lippert, Berlin
Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier
Bildnachweis:
Seite 2, 6, 16: GIZ GmbH
Seite 10, 22: Markus Kirchgessner / GIZ
Seite 30: Ute Grabowsky / photothek.net
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Seite 44: Olga Beregelia / Fotolia.com
Seite 48: Anna Wittenborg / GIZ
Seite 52: Jesse Kraft / 123RF Stock Foto
Seite 56: Emmanuelle Combaud / Fotolia.com
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Seite 64: Michael Palis / 123RF Stock Foto
Stand:
Mai 2013
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