Die Heimat der Pommesgabel
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Die Heimat der Pommesgabel
Bericht | Text: Tom Dietzel | Fotos: Tom Dietzel und Ina Wienmeier Die Heimat der Pommesgabel Phänomen Wacken Wir befinden uns im Jahre 2011 n. Chr. Ganz Germanien ist von Ruhe und Frieden beherrscht. Ganz Germanien? Nein! Ein von unbeugsamen Wackingern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den oft schwarz gewandeten Pilgern aus aller Welt jährlich eine Heimstatt für ihren Kreuzzug zu bieten. Und das Leben ist nicht leicht für die ruhenden Germanier, die als Besatzung in den befestigten Lagern Schenefeldum, Itzehoeum, Brunsbüttelum und Burgum liegen. Jedes Jahr am ersten Wochenende im August strömen zehntausende von böse aussehenden Metalfreaks nach Schleswig-Holstein um das 1.800 Seelen Dorf Wacken in eine große Party zu verwandeln. In diesem Jahr hinterließen fast 86.000 Menschen, inklusive Tom Dietzel und Ina Wienmeier von ~, ihre Fußabdrücke im sonst so beschaulichen Dithmarscher Ackerland. Bereits zum 22 Male jährt sich das Mekka der Anhänger der etwas raueren Stromgitarre. Aus allen Ecken dieser Welt strömten die Fans in den Norden Deutschlands, um friedlich zu feiern. Über Jahre hinweg hat sich dieses Festival zu einem Kultevent entwickelt. Jedes Jahr etwas größer und mit immer mehr Attraktionen ausgestattet. Als 1990 das erste Mal ein Festival von einigen Einheimischen auf die abgeernteten Felder gebracht wurde, hatte noch niemand an die Ausmaße gedacht, die das heutige Wacken Open Air (WOA) einmal annehmen würde. Damals kamen nicht mal 800 Besucher und alle beteiligten Bands waren aus Deutschland und höchstens regional bekannt. Heute gibt es 125 Bands auf 7 Bühnen, Kino, Comedy, Pfahlsitzen, Wrestling, Poker, Mittelalter-Zeltstadt, Ritterkämpfe, Feuershows, Wettbewerbe, unzählige Verkaufstände, Wet-T-Shirt Contest, eine eigene täglich erscheinende Festivalzeitung, Poststation und vieles mehr. Traditionell wird der Eröffnungsgig des wilden Treibens von der örtlichen Feuerwehrblaskapelle, den „Wacken Firefighters“ gespielt. Viele Puristen beklagen den immer steigenden Kommerz und das in ihren Augen völlig überflüssige Drumherum, das sich natürlich auch in den Eintrittspreisen niederschlägt. Bei einem Ticketpreis von 120,00 Euro für das diesjährige Festival, stoßen vor allem jüngere Fans schon an ihre finanziellen Grenzen. Und für 2012 sind die Ticketpreise noch mal auf 140,00 Euro gestiegen. Trotz alledem ist das WOA seit Jahren ausverkauft. Warum dieses Festival so beliebt ist, konnten wir am eigenen Leib erfahren. Es sind die Menschen, die es zu etwas Besonderem machen. Familienväter, die für ein 6 verlängertes Wochenende Schlips und Anzug gegen Nietenarmband und verblichenes AC/DC Shirt tauschen, schieben mit ihren Kindern und der Ehefrau, die endlich mal wieder ihren Lederrock ohne heimliches Geflüster der Nachbarn ungestraft ausführen darf, lässig und Bierbecher tragend über das Feld, junge Hardcore-Aktivisten stehen mit OldSchool-Metallern am Würstchenstand und teilen friedlich Senf und Ketchup. Damen fortgeschrittenen Rentenalters in ehrenvoll verblichenen Kutten mischen sich unter junge Mädels, die es ohne den Einfluss der manchmal doch störenden Eltern zum ersten Mal so richtig krachen lassen wollen. Neben den vielen Fans gab es auch zahlreiche Berühmtheiten, mit denen wir einige Worte wechseln durften. Auch hier herrschte trotz der Ausmaße, die das WOA mittlerweile besitzt, ein eher familiärer Umgangston. Ausgestattet mit einem Presseausweis machten wir uns dann das erste Mal auf, um in den Pressebereich zu gelangen. Nach einem prüfenden Blick des wirklich großen Security Mitarbeiters, betraten wir nach einem wohlwollenden Kopfnicken des schwarz gekleideten Sicherheitsmannes, den VIP Bereich. Promis soweit das Auge reichet. Also erst mal locker rumsitzen und den Eindruck vermitteln, das wir schon seit Jahrzehnten dabei wären. Plötzlich kam Bewegung in das Pressezelt. Wer würde es sein, Lemmy von Motörhead, Rob von Judas Priest, die Kanzlerin? Glücklicherweise war es jemand, den man hier zwar nicht vermutet hätte, der aber wenigstens weiß, was er tut, und dabei noch komisch ist: Bülent Ceylan! Ein Komiker auf Wacken? Der Türk, wie er sich selber nennt, ist bekennender Metal Fan und, wie jeder Headbanger neidlos anerkennen muss, hat er die richtigen Haare dafür. Die bekannte Schauspielerin Sabine Kaack sprach unsere Fotografin an, weil Respekt und Toleranz zeichnen diese Gattung von Fans aus. Deswegen war es wie fast jedes Jahr auch diesmal ein friedlicher Event ohne besondere Vorkommnisse auf dem Gelände. Das zeigte sich auch bei den offiziellen Mitteilungen der Polizei, die sich insgesamt auch sehr zurückhaltend verhielt und trotz großer Präsenz zu keinem Zeitpunkt übermäßig reagierte. Nach einem im letzten Jahr ausgesprochenen Glasflaschenverbot auf dem Festivalgelände sind laut Deutschem Roten Kreuz, in diesem Jahr die Schnittverletzungen um 80% zurückgegangen. Auch sonst war es für die freiwilligen Helfer im Sanitätsdienst ein gewöhnlicher Einsatz. Knochenbrüche, kleinere Verletzungen und natürlich einige Besucher, die etwas mehr Alkohol intus hatten als sie gewohnt waren, wurden freundlich und professionell behandelt. Selbst geistlichen Beistand konnte man sich vor Ort holen. Kirchliche Unterstützung aller Konfessionen war ebenso zugegen, um den Festivalbesuchern gegebenenfalls bei Problemen zur Seite zu stehen. Auch die sonst eher grimmig daherkommenden Security Mitarbeiter waren trotz der langen Schichten, die zu bewältigen waren, sehr freundlich und hilfsbereit. Damit es auch in den nächsten Jahren so bleibt, arbeiten die Veranstalter kontinuierlich an neuen Sicherheits- und Verkehrskonzepten. Metallfans) entgegengehalten wurde, mussten wir nach der Rückkehr in die Realität erst wieder lernen, dass die ältere Wurstfachverkäuferin beim Metzger unseres Vertrauen doch lieber ein freundliches „Guten Morgen“ hört, anstatt mit der obszön anmutenden Handsymbolik und dem lauten Ruf „Wacköööönn!!“ begrüßt zu werden. # Anzeige www.chance-muenster.de diese eine Strumpfhose trug, die ihr auffallend gut gefiel. Kennt man Frau Kaack doch eher aus seichten Vorabendserien wie „Die Drombuschs“ und „Die Camper“, waren wir um so erstaunter, dass sie den Heavy Metal schon seit ihrer frühsten Jugend im Blut hat. Besonders Motörhead und Avantasia gehören zu ihren Favoriten, deren Konzerte sie dann natürlich auch wild Kopf schüttelnd verfolgte. Die begeisterte Motorradfahrerin gab uns später bei ein paar Bier Einblicke in ihr soziales Engagement. In Wacken konnte sie ein soziales Projekt mit ihrer Musikleidenschaft verbinden und präsentierte dort fair gehandelten Kaffee. Ein Teil des Erlöses kommt der Wacken Foundation zugute, die junge Metal Bands fördert. Frau Kaack würdigte auch die Arbeit von Straßenmagazinen und bemängelte, das solchen Zeitungen viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Gruppe Betontod aus dem nordrhein-westfälischen Rheinberg, kam auf uns zu, als sie mitbekam, dass wir ein Straßenmagazin waren und luden uns direkt zu ihrer neuen CD-Veröffentlichung nach Essen ein. Möbel und Trödel Nachdem uns drei Tage lang überall die Pommesgabel (Gruß der 2. Hand-Möbel · Porzellan · Bücher Glas-Accessoires · Trödel · u.v.m. Möbel-Trödel Friedrich-Ebert-Str. 7/15, Tel.: 62088 -10 Mo. - Fr.: 9.30 - 19.00 Uhr, Sa.: 9.30 - 16.00 Uhr Diese Seite wird von Siegfried Kurz gesponsort. 7