1 Prof. Dr. Burkhard Hess Study JAI A3/02/2002 Länderbericht

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1 Prof. Dr. Burkhard Hess Study JAI A3/02/2002 Länderbericht
Prof. Dr. Burkhard Hess
Study JAI A3/02/2002
Länderbericht Deutschland
Kontenpfändung
Assessor Marcus Mack, Maîtrise en Droit (Aix-en-Pce)*
1.
Zuständigkeit
1.1.
Welches Vollstreckungsorgan ist sachlich zuständig?
Für die Pfändung durch Erlass eines Pfändungsbeschlusses auf Antrag des Gläubigers ist das
das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zuständig, § 828 Zivilprozessordnung (ZPO);
funktional der Rechtspfleger, § 20 Nr. 16 Rechtspflegergesetz (RPflG).
§ 845 ZPO sieht als optionale Beschleunigungsmöglichkeit die sog. Vorpfändung vor, bei der
das Gericht zunächst nicht beteiligt ist. Hierbei stellt der Gerichtsvollzieher auf Antrag des
Gläubigers eine Benachrichtigung von der bevorstehenden Pfändung an den Drittschuldner
und den Schuldner zu. Sie beinhaltet eine Aufforderung an den Drittschuldner, nicht mehr an
den Schuldner zu zahlen, und eine Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über
die Forderung zu enthalten, § 845 I ZPO. Diese Benachrichtigung hat die Wirkung eines
Arrestes (s. Fragebogen einstweiliger Rechtsschutz). Zur Aufrechterhaltung der
Arrestwirkung (und des Ranges des damit entstandenen Pfandrechts) muss binnen eines
Monats nach Zustellung der Benachrichtigung die eigentliche Pfändung durch Zustellung des
gerichtlichen Pfändungsbeschlusses erfolgen, § 845 II ZPO.
1.1.1.
Welche juristische Qualifikation hat der Vollstreckungsbeamte?
Rechtspfleger sind Beamte des gehobenen Justizdienstes1. Sie stehen i.d.R. im Justizdienst
der Bundesländer. Rechtspflegeranwärter absolvieren im Regelfall eine dreijährige
theoretische und praktische Ausbildung an einer Fachhochschule2 (vgl. § 2 I
Rechtspflegergesetz (RPflG)), unter besonderer Berücksichtigung prozessualer Aspekte.
Beispielsweise sei genannt die Ausbildung der Rechtspfleger der Länder Baden-Württemberg, Saarland und
Rheinland-Pfalz an der Fachhochschule Schwetzingen. Sie umfasst ein insgesamt 21-monatiges Studium und
eine praktische Ausbildung von 15 Monaten. Im Einzelnen gliedert sich der Ausbildungsgang wie folgt:
- 12 Monate fachwissenschaftliches Studium und einwöchige Einführung bei einem Amtsgericht
- 13 Monate Studienpraxis bei einem Amtsgericht (auch beim Notariat/ Grundbuchamt)
- 9 Monate fachwissenschaftliches Studium zur Ergänzung und Vertiefung der gewonnenen praktischen
Erfahrungen
- 2 Monate Studienpraxis bei einer Staatsanwaltschaft.
Gegenstand der theoretischen Ausbildung sind u.a. Zivilrecht (> 400 Stunden), Europarecht und IPR (32
Stunden), Zivilprozessrecht (70 Stunden) Insolvenzrecht (80 Stunden), Zwangsvollstreckungsrecht (100
Stunden) und Grundbuchrecht (100 Stunden).3
*
Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Prof. Dr. Heß, Universität Heidelberg
Bassenge/Herbst/Roth GVG/RPflG, 9. Aufl. 2002, RPflG Vor §§ 1 Rz 6.
2
Zulassungsvoraussetzung hierfür sind (a) Abitur oder (b) drei Jahre im mittleren Justizdienst und Eignung zum
Rechtspfleger.
3
Vgl. http://www.rechtspflege-fv.de/stoffubersicht.html (Stand 2001)
1
1
1.1.2.
In
welchem
Verhältnis
Vollstreckungsgericht
steht
das
(Dienstaufsicht
Vollstreckungsorgan
-
zu
Rechtsbehelfen
zum
der
Beteiligten vgl. unten Frage 2.5.+2.7)?
§ 9 RPflG garantiert den Rechtspflegern bei der Ausübung ihres Amtes die sachliche
Unabhängigkeit. D.h., sie sind bei der Entscheidung über die bei ihnen anhängigen Verfahren
nur dem Gesetz unterworfen, nicht aber den Weisungen des Dienstvorgesetzten.4 Solange
kein Rechtsmittel eingelegt wird, wird kein Richter den Ausgang des Verfahrens überprüfen.5
Allerdings sind Rechtspfleger als Beamte im vollen Umfang der Dienstaufsicht unterworfen.
Diese wird ausgeübt durch den Präsidenten oder den Aufsicht führenden Richter des
Amtsgerichts (=Vollstreckungsgerichts), sonst durch den Präsidenten des übergeordneten
Landgerichts.6 Insbesondere überprüft dieser, ob der sog. Pensenschlüssel eingehalten wird,
d.h., ob der Rechtspfleger eine ausreichende Zahl von Fällen/Monat bearbeitet und
abschließt.7
1.2.
Örtliche / internationale Zuständigkeit
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich im deutschen Recht aus der entsprechenden
Anwendung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit.8
1) Internationale Zuständigkeit
Die internationale Zuständigkeit für eine Forderungspfändung ist in Deutschland dann
gegeben, wenn ein deutsches Gericht nach § 828 II ZPO örtlich zuständig wäre9. Ein
deutsches Gericht ist demnach für die Forderungspfändung international zuständig10, bei
(alternativ)
a) allgemeinem Gerichtsstand (= Sitz/Wohnsitz, § 12 ZPO, subsidiär der Aufenthaltsort, § 16
ZPO) des Vollstreckungsschuldners in Deutschland, §§ 828 II, 13 ZPO oder
b) allgemeinem Gerichtsstand (= Sitz/Wohnsitz) des Drittschuldners (hier: der Bank) in
Deutschland und damit Belegenheit der zu pfändenden Forderung in Deutschland, §§ 828 II
4
Bassenge/Herbst/Roth RPflG Vor §§ 1 Rz 7.
Hierzu sieht § 5 I RPflG als Ausnahme eine Vorlagepflicht des Rechtspflegers an den Richter vor bei
möglicher Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes sowie für den Fall einer untrennbaren Verbindung mit einem
vom Richter zu entscheidendem Fall. Eine Vorlagemöglichkeit besteht, wenn fremdes Recht (nicht: EU-Recht)
anzuwenden ist, § 5 II RPflG. Der Richter behandelt ihm vorgelegte Sachen, solange er es für erforderlich hält,
und kann diese auch dem Rechtspfleger zurück übertragen. In diesem Fall ist der Rechtspfleger an eine vom
Richter mitgeteilte Rechtsauffassung gebunden, § 5 III RPflG.
6
§ 22 III GVG i.V.m. Landesrecht, z.B. § 16 I 2 AGGVG Baden-Württemberg.
7
Wegen der fehlenden persönliche Unabhängigkeit des Rechtspflegers können ihm durch seine (auch gegen
seinen Willen mögliche) Versetzung auf eine andere Stelle die bei ihm bisher anhängigen Verfahren entzogen
werden (Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 2003, Rz 544). Zielt jedoch eine derartige Versetzung allerdings
darauf ab, eine Sachentscheidung zu beeinflussen und damit die sachliche Unabhängigkeit zu untergraben, kann
sich der Rechtspfleger dagegen vor dem Verwaltungsgericht wehren (Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 9 Rz 4).
8
R. Welter, Zwangsvollstreckung und Arrest in Forderungen – insb. Kontenpfändung - in Fällen mit
Auslandsberührung, 1988, S. 35; Stein/Jonas-Brehm, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 1993 ff,
ZPO § 828 Rz 7
9
Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 4. Auflage Rz. 3234, vgl. OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456 (456)
10
Geimer a.a.O. Rz. 1225
5
2
Var 2, 23 S. 2 ZPO.11 Denn § 23 S. 2 ZPO definiert / fingiert als Ort der Belegenheit einer
Forderung den Sitz / Wohnsitz des Schuldners dieser Forderung (hier: der Bank).12
c) im Inland belegener Sicherheit für die zu pfändende Forderung (ohne Rücksicht auf den
Wohnsitz des Vollstreckungschuldners oder des Drittschuldners), §§ 828 II Var 2, 23 Satz 2
Var 2 ZPO.13
Streitig ist, ob die bloße
d) Belegenheit von sonstigem Vermögen (Sachen oder Forderungen) des
Vollstreckungsschuldners die Zuständigkeit nach §§ 828 II, 23 Satz 1 ZPO begründet bzw. ob
sie eine völkerrechtsgemäße Grundlage für die internationale Zuständigkeit sein kann. Beides
bejaht die wohl herrschende Meinung.14
2) Örtliche Zuständigkeit
Hat der Schuldner seinen (Wohn-) Sitz im Inland, so ist für die Forderungspfändung das
Gericht in dessen Bezirk dieser Wohnsitz liegt, örtlich ausschließlich zuständig (§ 828 II
ZPO: „sonst“, § 802 ZPO)15, andernfalls kann der Vollstreckungsgläubiger zwischen den
nach 1) b-d zuständigen Gerichten wählen.
1.2.1.
Ist der Wohnsitz / Sitz des Drittschuldners maßgeblich?
Ein vorhandener Wohnsitz/Sitz des Drittschuldners in Deutschland begründet (alternativ) die
Zuständigkeit.16
Den fehlenden Wohnsitz des Drittschuldners in Deutschland sah eine ältere Ansicht als
völkerrechtliches Hindernis für die Zuständigkeitsbejahung deutscher Gerichte an.17 Auch
weigerten sich die Justizverwaltungen bis in die jüngere Zeit, Zustellungsersuchen an das
Ausland weiterzuleiten.18
Heute ist nach vorherrschender Ansicht eine Pfändung von Forderungen auch gegenüber
Drittschuldnern im Ausland zulässig. Nach ihr wird keine extraterritoriale Zwangswirkung
des Pfändungsaktes beansprucht, da dem Drittschuldner lediglich mitgeteilt werde, dass
11
OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456 (456)
Die h.M. sieht dabei § 23 S.2 ZPO als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens der Belegenheit einer
Forderung am Schuldnerwohnsitz (oder am Ort einer Realsicherheit) an, s. BGH IPRax 2003, 447 (448) [dort
auch zur Frage der Belegenheit einer hypothekarisch gesicherten Forderung], RGZ 36, 355 (357), RGZ 77, 250
(252), OLG Frankfurt MDR 1958, 108 (108); inzident wohl auch BGHZ 118, 151 (162); zweifelnd Marquordt,
Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. 1975, S. 21f mit älteren Nachweisen zur h.M.; a.A.
BAG IPRax 1997, 335 (337), Mössle, Internationale Forderungspfändung, Diss. 1991, S. 97f m.w.N. zur h.M.
13
Da es sich hier um eine von der Bank zu erbringende Sicherheit zugunsten des Schuldners handeln würde, ist
diese Fallgruppe im Bereich der Kontenpfändung praktisch nicht relevant.
14
Bejahend Geimer a.a.O. Rz 1225; ablehnend Mössle a.a.O. S. 93ff, insb. 94f, 106f; mit weiteren Nachweisen
für beide Ansichten.
15
Stein-Jonas/Brehm ZPO § 828 Rz 4
16
Unabhängig von dem durch den durch die neuere Rechtsprechung des EuGH ausgelösten Streit um die
deutsche Sitztheorie ist an dieser jedenfalls für die Zwecke des § 828 II ZPO auch in Hinblick auf z.B. in
England inkorporierte Gesellschaften festzuhalten. Denn § 828 II ZPO knüpft an den Mittelpunkt der
Vermögensinteressen an; dieser ist am tatsächlichen Verwaltungssitz festzumachen. M.a.W., hätte eine in
England inkorporierter Drittschuldner seinen tatsächlichem Sitz in Deutschland (sofern dies bei Banken nicht
bereits durch das öffentliche Bankrecht ausgeschlossen ist), so genügte dies für eine Bejahung der Zuständigkeit
der deutschen Gerichte.
17
Vgl. die Nachweise bei Mössle, S. 29ff
18
Mit (teilweiser) Billigung der Gerichte, vgl. OLG Bamberg (VII.) Urteil v. 10.6. 1994, Az VA 2/94,
unveröffentlicht (über Juris abrufbar); anders OLG Frankfurt MDR 1976, 321; Geimer a.a.O. Rz 1229
12
3
dessen Leistung an den Schuldner nicht mehr als schuldbefreiend angesehen werde.19 Auch
dass der Pfändungsbeschluss im Ausland möglicherweise nicht zugestellt werden wird, stellt
dabei keinen Hinderungsgrund für den Erlass des Pfändungsbeschlusses und dessen
Weiterleitung durch die Landesjustizbehörden dar.20 Im Europäischen Justizraum kann die
Zustellung dabei gemäß Art. 14 EuZustVO i.V.m. § 183 I Nr. 1 ZPO per Einschreiben mit
Rückschein erfolgen.21
Möglich ist auch eine Zustellung an eine rechtlich unselbständige Zweigniederlassung22 der
ausländischen Bank23 (dabei muss im Antrag und Pfändungsbeschluss allerdings klargestellt
werden, dass nicht nur bei dieser Filiale geführte Konten von der Pfändung umfasst sein
sollen).24 Es handelt sich dabei um eine Inlandszustellung.25
1.2.1.1.
Wenn das Konto bei einer Filiale (succursale) geführt wird - ist das
Vollstreckungsorgan am Ort der Filiale oder das am Ort der
Hauptniederlassung / Muttergesellschaft zuständig?
Sofern nicht der Schuldner seinen (Wohn-) Sitz im Inland hat26 gilt folgendes:
Befindet sich der Hauptsitz der Bank in Deutschland, so ist im Grundsatz nach ganz h.M.27
nach §§ 828 II, 23 S.2 ZPO die (internationale und örtliche) Zuständigkeit des dortigen
Gerichts gegeben. Streitig ist dies für den Fall, dass aufgrund (evtl. auch konkludenter28)
vertraglicher Abrede Zahlung nur bei einer kontoführenden Filiale im Ausland verlangt
werden kann, aber auch hier bejaht die h.M. die deutsche Zuständigkeit am Hauptsitz der
Bank.29
19
Grundlegend: Rheinstein, RabelsZ 1934, 277ff; Rosenberg, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im
internationalen Rechtsverkehr, 1930, S.3; offen gelassen in RGZ 22, 404 (408). Aktueller: Geimer, IZPR Rz
407, 1230; Schack IZPR 3. Aufl. 2002 Rz 982; vgl. auch OLG Frankfurt MDR 1976 S. 321 (zum
Arrestverfahren); a.A. Mühlhausen WM 1986, 957 (959), ders. WM 1986, 985 (988f).
20
Vgl. Nagel/Gottwald IZPR § 17 Rz 65 und bereits OLG Frankfurt MDR 1976, 321
21
Nagel/Gottwald IZPR § 17 Rz 68 (sofern nicht das ausländische Recht strengere Formanforderungen stellt)
22
Die Begriffe Zweigniederlassung und Zweigstelle werden im deutschen Recht in verwirrender Vielfalt
gebraucht und unterschiedlich definiert. Vgl. hierzu Marvede in Boos/Fischer/Schulte-Mattler,
Kreditwesengesetz, 2000, § 53 Rz 9f
23
Hierbei liegt i.d.R. (Organe der ausl. Bank werden sich selten in Deutschland aufhalten) eine Ersatzzustellung
nach § 178 I Nr.2 ZPO mit Wirkung für die Zentrale vor (vgl. Geimer IZPR Rz 3252). Soweit Geimer für
Forderungen, die einen Bezug zu dieser Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO haben (z.B. Erfüllungsort;
Kontenführung) eine Zustellung an die Niederlassung als solche annehmen will (s. Geimer IZPR Rz 3251) kann
dem nicht gefolgt werden. Diese Ansicht dürfte auf der verfehlten Annahme beruhen, die Zweigstelle sei als
solche zur Abgabe der Drittschuldnererklärung verpflichtet (so ausdrücklich AG Leipzig WM 1998, 812 (813)).
Jedoch ist bei Zweigniederlassungen einzig die sie tragende Bank Rechtssubjekt (OLG Hamm Rechtspfleger
2001,190 (190)), nur sie kann die Auskunftsverpflichtung treffen. So wie gegen die Niederlassung gerichtete
Klagen die Bank als solche zur Partei machen (BGHZ 4,62 (65)), kann auch nur die Bank Zustellungsadressat
sein – wenn auch unter der Firma der Niederlassung (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Dabei kann allerdings der
Umfang der Pfändung (und damit auch der Umfang der Auskunftsverpflichtung) auf die Geschäfte der
Niederlassung gegenständlich beschränkt sein. Dies ist aber eine Frage der Formulierung und Auslegung des
Pfändungsantrages / Pfändungsbeschlusses.
24
Vgl. Stöber Rz 156b
25
Vgl. Geimer IZPR Rz 3250
26
Dann ist das dortige Gericht ausschließlich zuständig, s.o. 1.2. 2)
27
vgl. die Nachweise in FN 29
28
vgl. Geimer Rz 3214 Rz 9
29
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 828 Rz 7, Geimer Rz 3213ff; Welter S. 69f; A.A. Mühlhausen, WM 1986,
985(989). Zu bedenken ist weiter folgendes: Vereinbarten Schuldner und Bank einen ausschließlichen
Gerichtsstand zugunsten der Gerichte am Ort der Zweigniederlassung, so setzt sich diese auch für einen
möglichen Prozess des Vollstreckungsgläubigers gegen den Drittschuldner durch (Welter S. 69, Gottwald IPRax
4
Der Sitz der kontoführenden Filiale ist demgegenüber als solcher kein relevanter
Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte:30 Der im
Erkenntnisverfahren gegebene Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO, 53 III
Kreditwesengesetz (KWG)) ist für die Zuständigkeit in der Zwangsvollstreckung nicht
relevant.31 Wenn jedoch Vermögen des Schuldners dort belegen ist (z.B. Gold in Schließfach,
nicht aber Konto; dieses ist wie bereits ausgeführt nach § 23 S. 2 ZPO am Sitz der Bank
belegen), so bejaht die h.M. (s.o. 1.2. Fallgruppe d)) auf dieser Grundlage eine (alternative)
Zuständigkeit. Auch eine Zuständigkeit nach Fallgruppe c) (Belegenheit eines
Sicherungsmittels) bleibt möglich.
1.2.1.2.
Welches Vollstreckungsorgan ist zuständig, wenn das Konto bei einer
rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft / Niederlassung geführt
wird?
In Hinblick auf einen vorrangigen allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners sowie die
alternativen Gerichtsstände (Belegenheit eines Sicherungsmittels) gilt das oben gesagte
entsprechend.
Im Übrigen ist das Gericht am Sitz der Tochtergesellschaft zuständig, da diese die
Drittschuldnerin ist.
1.2.2.
Ist der Ort der Vermögensbelegenheit des Drittschuldners maßgeblich?
Nein. Es ist nur der Wohnsitz des Drittschuldners als Ort der Belegenheit der Forderung des
Schuldners (§ 23 S. 2 ZPO, s.o. 1.2. (b)) maßgeblich.
1.2.2.1.
Wird die Zuständigkeit auf das im Bezirk des Vollstreckungsorgans
belegene Vermögen begrenzt ?
Ja, da am Wohnsitz des Drittschuldners nach § 23 ZPO die Forderung des Schuldners gegen
den Drittschuldner belegen ist. Die Pfändung bleibt auf die vom PfÜB erfassten Forderungen
beschränkt, §§ 829, 835 ZPO.
1.2.3.
Kommt es auf den Wohnsitz / Sitz des Schuldners an?
1991, 285 (290)). Genauso wenig wie eine mögliche Zustellungsverweigerung (vgl. oben bei FN 20) kann aber
eine mögliche fehlende Anerkennung im Prozess im Ausland dem Erlass des Pfändungsbeschlusses im Wege
stehen (ebenso Gottwald IPRax 1991, 285 (290)).
30
Marquordt S. 46; A.A. Stein-Jonas/Roth (22. Aufl.) ZPO § 23 Rz 27: Alternative Zuständigkeit am Sitz der
Zentrale und der kontoführenden Niederlassung; offen gelassen für die örtliche Zuständigkeit in OLG Frankfurt
IPRax 1999, 247 (250). Gegen Roth, der sich auf § 53 I KWG stützen will, spricht insb. § 53 I 2 KWG: Alle in
Deutschland befindlichen Niederlassungen einer ausländischen Bank werden aufsichtsrechtlich zusammen als
ein deutsches Bankinstitut behandelt, das einheitlich geleitet werden muss (vgl. Nirk, Kreditwesengesetz,
11.Aufl 2000, S.57). § 53 I KWG stellt damit gerade nicht auf die einzelne kontoführende Niederlassung ab.
Und die von § 53 II Nr. 4 KWG fingierten Eigenmittel „des Instituts“ stehen zivilrechtlich einzig und allein dem
(ausländischen) Unternehmen als solchem zu (Marvede in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz,
2000, § 53 Rz 91,95,112f). „Die aufsichtsrechtliche Fiktion der Verselbständigung gilt für die
Zwangsvollstreckung nicht“, Marvede a.a.O. § 53 Rz 110
31
Die Niederlassung ermöglicht allerdings eine Zustellung des Pfändungsbeschlusses, s.o. 1.2.1. a.E.
5
Ja, alternativ, s.o. 1.2.
1.2.3.1.
Wird die Zuständigkeit auf das im Bezirk des Vollstreckungsorgans
belegene Vermögen begrenzt?
1.2.4.
Gibt
es
einen
„Gleichlauf“
zwischen
der
Zuständigkeit
des
Vollstreckungsorgans und dem Gericht der Hauptsache (bzw. des
„Titels“)?
Für die Pfändung zum Zwecke der normalen Zwangsvollstreckung: Nein.
1.2.5.
Gibt
es
einen
„Gleichlauf“
zwischen
der
Zuständigkeit
des
Vollstreckungsorgans und dem Gericht der Klage gegen den
Drittschuldner?
Nein.
1.2.6.
Gibt
es
besondere
Zuständigkeitsvorschriften
im
Fall
der
Sicherungsvollstreckung?
Keine besonderen Regelungen gelten im Falle der auf die Pfändung (ohne Überweisung)
begrenzten Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO.
Erhebliche Besonderheiten bestehen für das Arrestverfahren:
I. Funktionelle Zuständigkeit:
Für die Vollziehung des dinglichen Arrestes als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes
in eine Forderung durch deren Pfändung32 ist das Gericht zuständig, das (in der ersten
Instanz33) in der Sache über den Arrestsantrag entscheidet (Arrestgericht), § 930 I 3 ZPO. Als
Arrestgericht ist alternativ das Gericht der Hauptsache und das Amtsgericht am Sitz des
Drittschuldners zuständig, §§ 919, 23 S.2 ZPO. Die Tätigkeit als Arrestgericht ist funktional
grundsätzlich dem Richter vorbehalten.34
II. Die sachliche Zuständigkeit des Arrestgerichts hinsichtlich der Vollstreckung eines
Arrestbefehls durch Pfändung einer Forderung folgt aus der für das Arrestverfahren, § 930 I 3
ZPO.
III. Örtliche und Internationale Zuständigkeit
32
Da das Arrestverfahren auf Sicherung angelegt ist, verbleibt es bei dem Pfändungsbeschluss, für den gem. §
930 I 2 ZPO die allgemeinen Regeln über die Pfändung von Forderungen gelten. Eine Überweisung an den
Gläubiger findet im Gegensatz zur normalen Zwangsvollstreckung (§ 835 ZPO) nicht statt.
33
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht, 6. Aufl. 1999, Rz 1546, Stein/Jonas-Grunsky ZPO § 930 I Rz 2
34
Bassenge/Herbst/Roth RPflG § 20 Rz 18. Jedoch kann der Rechtspfleger auf Grundlage eines vorhandenen
Arrestbeschlusses Forderungen pfänden, soweit dies im Arrestbeschluss noch nicht geschehen ist, sowie einzelne
weitere Folgeentscheidungen treffen, § 20 Nr.16 RPflG.
6
1) Internationale Zuständigkeit für das Arrestverfahren:
Für die internationale Zuständigkeit gilt im Anwendungsbereich der EuGVO (VO 44/2001)
Art. 31 EuGVO, der wiederum auf die Prozessrechte der Mitgliedsstaaten verweist.
a) Das nach dem EuGVO für die Hauptsache zuständige Gericht ist auch für alle
Arrestanträge international zuständig, ohne Beschränkung der Zuständigkeit auf das dort
belegene Vermögen.35
b) Darüber hinaus ist nach h.M.36 auch ein nach deutschem autonomen Prozessrecht für die
Hauptsache zuständiges Gericht für das Arrestverfahren zuständig, § 919 Var 1 ZPO. In Frage
kommt hierfür u.a. der Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO.37
Allerdings bedarf es gemäß der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 24 EuGVÜ38 für die
internationale Zuständigkeit eines nach Einheitsrecht in der Hauptsache nicht zuständigen
Gerichtes für einstweilige Maßnahmen einer realen Verknüpfung zwischen dem Gegenstand
der Maßnahme und der Zuständigkeit des Mitgliedsstaates des angerufenen Gerichts.
Zweifelhaft ist, ob dies auch für Arrestverfahren gilt, da eine Gefahr der Vorwegnahme der
Hauptsache hier nicht besteht39.
c) Die ebenfalls international zuständigen Amtsgerichte am Ort der Belegenheit einzelner
Vermögensgegenstände des Schuldners, auf die sich das Arrestverfahren bezieht (§ 919 Var 2
ZPO) werden dem Erfordernis der realen Verknüpfung jedenfalls in Hinblick auf diese
Gegenstände gerecht. Will der Gläubiger von dieser Zuständigkeit Gebrauch machen, so hat
er in seinem Antrag einen im Bezirk des Gerichts belegenen Vermögensgegenstand zu
bezeichnen.40
2) Örtliche Zuständigkeit für das Arrestverfahren:
Das Gericht der Hauptsache ist für alle Arrestanträge zuständig, die Amtsgerichte am Ort der
Belegenheit des Vermögens nur bei Anträgen, die sich (auch41) auf eine Forderung beziehen,
deren Schuldner (=Drittschuldner) zum Zeit der Antragstellung seinen Sitz in ihrem Bezirk
hat.
Ist eine Hauptsache bereits bei einem Gericht anhängig, so prüft dieses in Hinblick auf seine
Zuständigkeit bezüglich des Arrestbefehls lediglich, ob es in der Hauptsache international
zuständig ist und der Zivil-/ Arbeitsrechtsweg gegeben ist, nicht aber, ob es in der Hauptsache
örtlich zuständig ist.42
3) Internationale Zuständigkeit für die Arrestvollziehung durch Pfändung:
Gemäß § 930 I 2 ZPO gelten für die Arrestpfändung grundsätzlich die allgemeinen
Vorschriften über die Pfändung. Demnach kann bei Vorliegen einer Zuständigkeit nach I.1) (§
35
EuGH Rs. 391/95 Slg. 1998 I 7091 Nr. 19 [Van Uden]
Thomas/Putzo ZPO § 919 Rz 6, Nagel/Gottwald IZPR § 15 Rz 12, jeweils m.w.N.; noch zu Art. 24 EuGVÜ
EuGH Rs. 391/95 Slg. 1998 I 7091 Nr. 42 [Van Uden]; a.A. Hornung ZVglRWiss 95 (1996) 304 (309ff).
37
Der aber zusätzlich dem Erfordernis des hinreichenden Inlandsbezuges unterliegt, vgl. Hornung ZVglRWiss
95 (1996) 304 (306f).
38
EuGH Slg.1998 I 7091 Nr. 40
39
vgl. EuGH Slg.1998 I 7091 Nr. 46, daher gegen eine solche Beschränkung OLG München RIW 2000, S. 464
(465), Thomas/Putzo ZPO Art 31 EuGVÜ Rz 3. vgl auch die gegenüber Art. 12 EheVO (einstweilige
Maßnahmen auf in dem Vollstreckungsstaat belegene Güter) weitere Formulierung des Art 31 EuGVO.
40
Laut OLG Frankfurt IPRax 1988, 24 bedarf es dabei der Glaubhaftmachung nicht nur des Vorhandenseins
eines Kontos, sondern eines Guthabens; zustimmend Schumann, IPRax 1988, 13 (14). Großzügiger BAG RIW
1984,316(318) zur Zuständigkeit nach § 23 ZPO in einem Hauptsacheverfahren (Existenz eines Kontos bedeute
das Vorhandensein einer Forderung gegen die Bank). Vgl. auch Welter S. 38 m.w.N.
41
Am Gerichtsstand der Belegenheit eines Gegenstandes lassen sich alle in Deutschland belegenen
Vermögensgegenstände arrestieren; Welter S. 36.
42
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 919 Rz 4
36
7
828 II ZPO) im Rahmen der Arrestpfändung auch auf Auslandsvermögen zugegriffen
werden.43
4) Örtliche Zuständigkeit für die Arrestvollziehung durch Pfändung:
Für die Forderungspfändung ist das Arrestgericht ausschließlich (örtlich) zuständig.44 Der
Arrestbefehl (sowohl des Gerichts der Hauptsache als auch des Gerichts, an dem sich
Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt des Arrestantrages befindet) ist Vollstreckungstitel
für ganz Deutschland. Eine Beschränkung auf das sich im Bezirk des Gerichts befindende
Vermögen findet nicht statt,45 so dass eine Vollstreckung in das gesamte in Deutschland
befindliche Vermögen des Schuldners auf Grundlage des Arrestbefehls möglich ist - im Fall
des Amtsgerichts als Arrestgerichts auch in Vermögensteile, die sich nie in seinem Bezirk
befunden haben.46
IV. Auch bei Filialen verbleibt es bei der allgemeinen Zuständigkeit des Arrestgerichts.
2.
Das Verfahren zur Erwirkung des Vollstreckungszugriffs
2.1.
Welche Voraussetzungen muss der Gläubiger vortragen?
2.1.1.
Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen
1) In Deutschland erfordert jede Zwangsvollstreckung einen formlosen Antrag des
Vollstreckungsgläubigers bzw. seines Anwalts. Aus ihm muss für das im Antrag zu nennende
Vollstreckungsorgan erkennbar sein, welche Vollstreckungsmaßnahme verlangt wird.
2) Der Antragsteller muss einen Vollstreckungstitel vorlegen. Vollstreckungstitel sind
öffentliche Urkunden, aus denen sich ergibt, dass ein materiellrechtlicher Anspruch besteht
und dieser im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann47. Wichtigster Titel
ist das (rechtskräftige oder vorläufig vollstreckbare) Endurteil, § 704 I ZPO. Weiter mögliche
Titel sind in § 794 I ZPO genannt (insb. Vergleiche, Vollstreckungsbescheide und
vollstreckbare notarielle Urkunden).
3) Des Weiteren muss die Vollstreckbarkeit des Titels durch die sog. Vollstreckungsklausel
(§§ 724 ff ZPO) auf der dem Vollstreckungsorgan vorzulegenden Ausfertigung des Titels
amtlich bescheinigt werden (vollstreckbare Ausfertigung48). Da insb. der Gerichtsvollzieher
als wichtigstes Vollstreckungsorgan nur über begrenzte juristische Kenntnisse verfügt, soll
ihm durch die Klauselerteilung die Prüfung abgenommen werden, ob der Titel wirksam und
vollstreckbar ist (sog. Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung).
4) Spätestens bei Beginn der Vollstreckung muss die vollstreckbare Ausfertigung dem
Vollstreckungsschuldner zugestellt werden, § 750 I 1 ZPO.
5) Es darf kein Vollstreckungshindernis bestehen, wie z.B. die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens, § 89 InsO.
43
BVerfGE 64,1(18); vgl. Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 930 Rz 7
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 930 Rz 2
45
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 919 Rz 13 m.w.N.
46
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 919 Rz 13
47
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 29
48
Regelmäßig wird nur eine einzige vollstreckbare Ausfertigung erteilt, um zu verhindern, dass der Gläubiger in
höheren Umfang vollstreckt als vom Titel gedeckt. Jedoch erlaubt § 733 ZPO die Erteilung weiterer
vollstreckbarer Ausfertigungen, wenn der Gläubiger hieran ein berechtigtes Interesse hat.
44
8
6) Im Fall der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils muss gegebenenfalls die Leistung
einer Sicherheit nachgewiesen werden.
2.1.2.
Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen (Fristen)?
Da der Antrag inhaltlich denselben Anforderungen wie der Pfändungsbeschluss unterliegt,49
muss der Antrag Vollstreckungsgläubiger, Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner soweit
die zu pfändende Forderung (unten 2.2.) benennen sowie die zu vollstreckende
Gesamtforderung im Einzelnen aufschlüsseln (Höhe der Hauptforderung, Nebenforderung
wie Zinsen, Kosten der Rechtsverfolgung).50
Abgesehen von der Frage der Verjährung der titulierten Forderung (30 Jahre, § 197 I Nr.3
BGB) sind grds. keine Fristen zu beachten.
2.1.3.
Welche Dokumente muss er vorlegen?
Mit dem Antrag sind dem Vollstreckungsgericht die für den Beginn der Zwangsvollstreckung
erforderlichen Urkunden vorzulegen.51 Hierzu gehören:
1) Der mit der Vollstreckungsklausel versehenen Vollstreckungstitel, s.o. 2.1.1.
2) Im Falle der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung: Nachweis der
Erbringung der Sicherheitsleistung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde , §
751 II ZPO.
3) Nachweis über die Zustellung des Titels (allerdings kann dieser auch zusammen mit
Pfändungsbeschluss zugestellt werden), § 750 I 1 ZPO.
4) Öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, die Voraussetzung für die Erteilung
einer qualifizierten Vollstreckungsklausel sind (insb. bei bedingten Leistungen und bei
Rechtsnachfolge auf Gläubiger- oder Schuldnerseite, §§ 726ff), sind dem Schuldner ebenfalls
vor oder mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses zuzustellen, § 750 II ZPO. Daher hat
der Gläubiger entweder diese Urkunden oder einen Nachweis über ihre Zustellung
vorzulegen.
5) Wenn der Schuldner gegen Aushändigung eines Wechsels zu leisten hat, der Wechsel.52
2.1.4.
Besteht ein Formularzwang?
Nein. Der Antrag auf Forderungspfändung kann bei dem zuständigen Gericht schriftlich (mit
handschriftlicher Unterschrift53) eingereicht oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle
erklärt werden. Zweckmäßigerweise wird in der Praxis der Antrag meist in Form eines
Entwurfes für den beantragen Pfändungsbeschluss gestellt.54 Hierfür sind Formulare im
49
Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl. 2002, Rz 461
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 502
51
Stöber Rz 470
52
Stöber Rz 470a
53
Streitig, vgl. Stöber Rz 469. Jedenfalls genügt eine fernmündliche Bestätigung des nicht unterschriebenen
Antrags, Stöber a.a.O.
54
Stöber Rz 468
50
9
Handel erhältlich; deren Benutzung führt jedoch öfters zu Problemen bei der ausreichenden
Bestimmtheit der Bezeichnung der zu pfändenden Forderung.55
2.2.
Wie genau ist das zu pfändende Konto zu bezeichnen?
Die Bezeichnung der zu pfändenden Forderung muss zwei sich ergänzenden Anforderungen
genügen:
Zum einen dem vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Dieser besagt für den Fall
der Pfändung von Forderungen, dass die Forderung im Antrag so genau bezeichnet sein muss,
dass sie von anderen Forderungen exakt unterschieden werden kann.56 Es muss eindeutig
feststehen, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist.57 Anzugeben sind
also der Gläubiger (Kontoinhaber), der Schuldner (die Bank) und der Schuldgrund (z.B.
Forderung aus Spareinlage; zum Kontokorrent vgl. unten).
Zweitens muss der Vollstreckungsgläubiger ausreichende Tatsachen vortragen, aus denen das
Vollstreckungsgericht schließen kann, dass die zu pfändende Schuldnerforderung besteht (und
pfändbar ist).58 Eine Glaubhaftmachung oder gar ein Beweis des Vortrags ist nicht
erforderlich; der Vortrag des Vollstreckungsgläubigers wird grundsätzlich als wahr
unterstellt.59
2.2.1.
Genügt die allgemeine Angabe des Namen des Schuldners und die
Bezeichnung der Bank?
Die Nennung der Zweigniederlassung oder Zweigstelle der Bank ist zur Bezeichnung der
Person des Drittschuldners nicht erforderlich,60 aber hinreichend.61 Jedoch kann die Angabe
der entsprechenden Geschäftsverbindung zur Identifizierung der gepfändeten Forderung
förderlich sein, s.u. 2.2.2.62 Der Rechtsgrund einer zu pfändenden Forderung ist idR in
Umrissen anzugeben. Übermäßige Anforderungen werden hieran jedoch nicht gestellt, da der
Gläubiger in der Regel die Verhältnisse des Schuldners nicht kennt.63
Bei der Pfändung von Bankkonten bedeutet dies nach h.M., dass die Umschreibung „ aus
Kontoverbindung“ nicht diesen Ansprüchen genügt.64 Vielmehr muss auf Ansprüche aus
Konten oder Guthaben verwiesen werden. Dabei ist zwischen den Ansprüchen aus dem
Kontovertrag und dem aus dem parallel dazu bestehenden Kontokorrentverhältnis zu
unterscheiden.
Beispiel für eine zulässige Formulierung: „Zu pfänden sind alle Ansprüche des Schuldners
gegen den ….. [Bank] aus Konten (insb. Sparkonten, Girokonten) oder Ansprüche auf
Zahlung des gegenwärtigen und gesamten künftigen Überschusses (Guthaben), der dem
Schuldner aus der in laufender Rechnung bestehenden Geschäftsverbindung jeweils gebührt.65
55
Stöber Rz 461, 485c
BGHZ 80, 172 (180f)
57
Welter, Zwangsvollstreckung und Arrest in Geldforderungen, S. 7 m.w.N.
58
OLG München, WM 1990, 1591
59
Stein-Jonas/Brehm ZPO § 829 Rz 37
60
Welter, S. 8 m.w.N.; Stöber Rz 156b
61
Stöber Rz 501a
62
Stöber Rz 156b, 157a
63
BGH WM 1988, 950 (951)
64
Nachweise bei Welter S.8
65
Hinsichtlich möglicher (ausführlicherer) Formulierungen vgl. das als Anlage angefügte Muster sowie das
Muster bei Sühr, Die Bearbeitung von Pfändungsbeschluss und Drittschuldnererklärung, 3. Aufl. 1987, S. 118.
56
10
Einige Ansprüche aus der Geschäftsverbindungen sind mit dieser Formulierung noch nicht
umfasst, z.B. Ansprüche aus Depotverträgen. Diese sind gesondert zu pfänden.66
2.2.1.1.
Wenn ja, sind Verdachtspfändungen (search orders) zulässig?
Der Gläubiger hat für die Forderungspfändung diejenigen Tatsachen vorzutragen, die eine
Pfändung rechtfertigen. Dabei darf sich der Vortrag nicht in unsubstantiierten Behauptungen
erschöpfen, die auf die Erschließung von Erkenntnisquellen abzielen.67 Eine derartige
Ausforschung ist dem deutschen Zivilprozessrecht grundlegend fremd. Verdachtspfändungen
verstoßen regelmäßig gegen das Verbot der Ausforschung und sind auch den Dritten
(Banken) gegenüber rechtsmissbräuchlich. Eine unzulässige Ausforschung liegt regelmäßig
vor, wenn gleichzeitig Anträge auf Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen eine
Vielzahl von Kreditinstituten auf einem Bankplatz gestellt werden68, sofern nicht
Anhaltspunkte vorliegen, dass der Schuldner seine Gutachten bei mehreren Banken „gestreut“
hat (um sie schwerer auffindbar zu machen). Die Kostenlast liegt bei erfolglosen
Verdachtspfändungen beim Gläubiger.69
2.2.2.
Muss die kontoführende Stelle (Filiale), muss eventuell (bei mehreren
Konten) die konkrete Kontonummer angegeben werden? Genügt eine
andere Umschreibung?
Da Spar- und Girokonten als Namenskonten70 geführt werden, ist die Nennung der
Kontonummer nicht notwendig71, aber in der Form „insbesondere aus dem Konto mit der
Nummer … … “ zu empfehlen, soweit die Nummer bekannt ist.
Bei der Formulierung ist zwischen den Ansprüchen aus dem Girovertrag sowie den
Ansprüchen auf Gutachten aus laufender Geschäftsverbindung (Kontokorrent) zu
unterscheiden.
Bei eigenständiger Kontenführung durch Filialen ist sehr umstritten, ob und inwieweit die
Angabe der Filiale notwendig ist.72 Dabei stellt sich die Frage, ob es der Bank zumutbar ist,
bei allen Filialen die Konten des Schuldners zu überprüfen.73
Jedoch kann vom Gläubiger die Kenntnis der internen Organisation der Bank kaum verlangt
werden.74 Weiter ist es grundsätzlich Sache des Drittschuldners, seine Organisation so zu
gestalten, dass er Kenntnis davon hat / erhalten kann, wem er Geld schuldet, so dass mit der
66
Welter S. 10
Stöber Rz 485c
68
OLG München WM 1990, 1591 = OLGZ 1991, 322 (für 264 in Frankfurt ansässige Kreditinstitute; das OLG
forderte „zumindest eine engere Eingrenzung der möglichen Drittschuldner“), LG Hannover, WM 1985, 81
(Verdachtspfändung bei 20 Kreditinstitute sei rechtsmissbräuchlich; der Gläubiger wurde auf die Möglichkeit
der eidesstattlichen Versicherung verwiesen), AG München WM 1988, 174 (10 Münchener Banken), Stöber Rz
458a, Welter S. 12.
Vgl. aber auch Bruckmann, Die Praxis der Zwangsvollstreckung, 1997 Rz 338: „Immer dann, wenn sich der
Gläubiger geschickt genug anstellt (und das ist nicht schwer), muss der beantragte Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss ergehen.“
69
Bruckmann a.a.O. Rz 338: keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung
70
Vgl. Stöber Rz 157a: Anders wohl im Falle von Nummernkonten.
71
BGH NJW 1981, 2193 (2195) [allerdings für den Fall eines einzigen Kontos bei dieser Bank]
72
Für die allgemeine Notwendigkeit der Angabe: Prost, NJW 1958, 486; LG Berlin WM 1986, 803; weitere
Nachweise bei Welter, S. 9
73
Nachweise bei Welter S.9
74
Stöber Rz 157 Fn 16
67
11
wohl h.M. davon auszugehen ist, dass es der Benennung der kontoführenden Filiale nicht
bedarf.75 Insoweit dürfte die Frage der „Zumutbarkeit“ für die Banken dank des Trends zum
Online-Banking in Zukunft eine geringere Rolle spielen.76
2.2.2.1.
Gibt es einen „vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz“?
Ja, s.o. 2.2.
2.3.
Welche Prüfungen nimmt das Vollstreckungsorgan vor:
2.3.1.
Im Hinblick auf die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung?
Das Vollstreckungsgericht prüft von Amts wegen seine Zuständigkeit und die allgemeinen
Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung, Fälligkeit der
Vollstreckungsforderung) gemäß den vorgelegten Dokumenten (oben 2.1.3.). Es prüft den
Antrag des Gläubigers auf Vollständigkeit.77
2.3.2.
Im Hinblick auf die zu pfändende Forderung?
Es prüft weiterhin von Amts wegen, ob nach dem Vortrag des Gläubigers die zu pfändende
Forderung dem Schuldner gegen den Drittschuldner zusteht und pfändbar ist (rechtliche
Prüfung).78 Das Vollstreckungsgericht prüft nicht, ob die Forderung dem Schuldner
tatsächlich zusteht,79 es prüft allerdings, ob nach dem Vortrag des Gläubigers die Forderung
bestehen kann80 (Schlüssigkeitsprüfung, bei Konten selten relevant).
2.4.
Ist eine Ergänzung des Vollstreckungsantrags durch den Gläubiger
möglich?
Hat der Gläubiger bei Antragstellung einen Gesichtspunkt übersehen, so ist ihm vor der
Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung zu geben, § 139 II ZPO. Der Gläubiger kann sodann
behebbare Vollstreckungshindernisse beseitigen bzw. seinen Antrag präzisieren.81 Kleinere
75
Vgl. die Nachweise bei Welter, S. 9; unklar Stöber Rz 157; vgl. auch BGH WM 1988 950 (953), wo für die
Auslegung des Pfändungsantrages auf den erkennbaren Willen des Gläubigers abgestellt wird, möglichst alle
von der Drittschuldnerin geführten Konten zu pfänden und ohne weiteres eine Formulierung für zulässig erklärt
wird, die alle bei der Drittschuldnerin geführten Konten umfasst. Sühr geht auf S. 26 für Sparkassen davon aus,
dass auch die Ermittlung von Konten bei Zweigstellen ohne weiteres zumutbar ist (allerdings ist insoweit die
Besonderheit des lokal gegliederten Sparkassensystems zu beachten, die zu einer sehr geringen Zahl von Filialen
pro (Kreis-)Sparkasse führt). ; anders Stöber Rz 279 für das Postbankgirokonto; dem kann aus obigen Gründen
nicht gefolgt werden.
76
Vgl. z.B. das „MultikanalBanking“- Angebot der Dresdner Bank (www.dresdner-privat.de/fb/
multikanalbanking/mbk_info.html), das dem Kunden den Zugriff auf alle seine Konten mit einer PIN erlaubt.
77
Stöber Rz 484
78
Stöber Rz 485; Thomas/Putzo ZPO § 829 Rz 4, 20; zur Pfändbarkeit in diesem Sinne gehört jedoch nicht ein
mögliche Pfändungsschutzes nach § 850ff ZPO (s.u. 7.4.), vgl. Schmidt, DGVZ 2002, 149 (150f)
79
Dies muss nötigenfalls in einem Erkenntnisverfahren zwischen Gläubiger und Drittschuldner geklärt werden,
Stöber Rz 487
80
Stöber Rz 485a
81
Hierzu und insgesamt zu 2.4.: Stöber Rz 479
12
Mängel können per Telefon beseitigt werden.82 Bei wesentlichen, voraussichtlich nicht
behebbaren Mängeln wird dem Gläubiger unter Hinweis auf den Mangel Gelegenheit zur
Rücknahme des Antrages gegeben.
2.5.
Wird der Schuldner vor Erlass der Vollstreckungsmaßnahme angehört?
Zum Pfändungsgesuch wird der Schuldner vor der Pfändung nicht gehört, § 834 ZPO.83
2.5.1.
Wenn nein: Gibt es eventuell Ausnahmen bei besonderen Konten
(Gehaltskonto)?
Gemäß § 850b III ZPO soll das Vollstreckungsgericht vor der Pfändung bedingt pfändbarer
Bezüge (insb. von Unterhaltsrenten sowie Witwen- und Waisenrenten) die Beteiligten, also
auch den Schuldner hören. § 850b betrifft jedoch nur die Ansprüche gegen die Unterhalts- /
Rentenverpflichteten als solche, nicht aber Ansprüche des Schuldners gegen die Bank, wenn
der Unterhalt auf dem Bankkonto eingegangen ist. Den Pfändungsschutz von Bankguthaben
regelt § 850k ZPO, der eine Anhörung des Schuldners vor der Durchführung der Pfändung
nicht vorsieht. Der wichtigste Grund für diesen Unterschied dürfte darin liegen, dass in den
Fällen des § 850b ZPO keine Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung besteht.
§ 850k ZPO sieht stattdessen eine Aufhebung des Zugriffs durch das Vollstreckungsgericht
auf Antrag des Schuldners – und damit dessen Anhörung - nach erfolgter Pfändung vor, s.u.
7.4.
2.5.2.
Kann
der
Schuldner
vor
Vollstreckungsbeginn
vorsorglich
Schutzmaßnahmen (protective orders) beantragen / eventuell eine
Schutzschrift hinterlegen?
Der Schuldner kann sich trotz § 834 ZPO durch eine Schutzschrift vorbeugend gegen eine
Pfändung wehren. Dies ist z.B. im Bereich der Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Hinblick auf das (fehlende) Vorliegen der gesetzlichen Anforderungen an die
Sicherheitsleistung sinnvoll.84 Entsprechendes Vorbringen ist vom Vollstreckungsgericht zu
würdigen:85 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 GG): Die
Würdigung des Schriftsatzes kann den Schuldner nicht warnen und führt auch nicht zu
wesentlichen Verzögerungen.86
82
Durch Aktenvermerk festzuhalten.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist von Art. 103 Grundgesetz zwar auch für das Vollstreckungsverfahren
garantiert. Der Anspruch des Gläubigers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) erlaubt aber eine
Ausnahme von diesem Grundsatz zur Verhinderung einer übermäßigen Verzögerung oder Vereitelung der
Vollstreckung durch den Schuldner; vgl. BVerfGE 57, 346 (359) für den Erlass einer Anordnung der
Durchsuchung einer Wohnung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung. Unter dem Gesichtspunkt der
Vollstreckungsvereitelung wird z.T. die Zulässigkeit der Überweisung der Forderung vor Anhörung des
Schuldners bezweifelt (vgl. Vogel NJW 1997, 554 (556) FN 21). Dabei wird jedoch das ebenfalls dem Gebot des
effektiven Rechtsschutzes unterfallenden Interesses des Gläubigers an einer zügigen Befriedigung (nach oft
langwierigem Prozess) nicht hinreichend beachtet.
84
Vogel NJW 1997, 554 (555)
85
Vogel a.a.O., Stöber Rz 481a
86
Vgl. oben FN 83
83
13
2.6.
Wie lange dauert die Bewirkung eines Vollstreckungsakts?
Zwischen Pfändungsantrag und Zustellung beim Drittschuldner (in Deutschland) liegen i.d.R.
3 Tage; höchsten 1 Woche; s.u. 9.3.1.
2.7.
Welchen Rechtsbehelf kann der Gläubiger einlegen, wenn der Antrag
abgelehnt wird?
Gegen eine (auch nur teilweise) Zurückweisung des Pfändungsantrages findet die sofortige
Beschwerde statt, § 793 ZPO.87 Dies ist binnen zweier Wochen beim Vollstreckungsgericht
oder beim Beschwerdegericht einzulegen, § 569 I 1 ZPO.
2.7.1.
Welches Organ ist zuständig?
Über die sofortige Beschwerde entscheidet als Beschwerdegericht das dem
Vollstreckungsgericht übergeordnete Landgericht, §§ 72, 119 I GVG88. Dieses kann bei
begründeter Beschwerde den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss selbst erlassen oder das
Verfahren an das Vollstreckungsgericht zurück überweisen, § 572 III ZPO.89
Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache
gem. § 574 I Nr.2 ZPO, § 133 GVG eine Rechtsbeschwerde zum BGH möglich; diese muss
vom Beschwerdegericht (Landgericht) zugelassen werden.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist in Arrestsachen keine Revision möglich, § 542 II
2 ZPO.
Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache
gem. § 574 I Nr.2 ZPO, § 133 GVG eine Rechtsbeschwerde zum BGH möglich; diese muss
vom Beschwerdegericht (Landgericht/Oberlandesgericht) zugelassen werden.
2.7.2.
Wird der Schuldner im Rechtsbehelfsverfahren gehört?
Nein. Gemäß § 834 ZPO ist der das Verfahren nicht betreibende Schuldner zur Vermeidung
der Vollstreckungsvereitelung durch Verfügung über die Forderung im Beschwerdeverfahren
nicht zu hören, solange noch nicht wirksam gepfändet ist .90
2.8.
Muss der Gläubiger einen Kostenvorschuss zahlen?
Grundsätzlich ja. Gemäß § 49 Gerichtskostengesetz (GKG) ist der Gläubiger als Antragsteller
Kostenschuldner des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Gemäß § 65 V GKG „soll“ über einen
Pfändungsantrag in der Zwangvollstreckung nur nach Zahlung der anfallenden Kosten
(Gebühr für das Verfahren und der Auslagen für die Zustellung des Pfändungsbeschlusses)
entschieden werden.
87
Stöber Rz 729
§ 119 III ZPO eröffnet den Bundesländern die Möglichkeit, das OLG durch Landesgesetz zum alleinigen
Berufungs- und Beschwerdegericht zu erklären.
89
Stöber Rz 735
90
KG NJW 1980, 1341 (1342), Stein/Jonas-Brehm ZPO § 834 Rz 1; Stöber Rz 729 Fn 50
88
14
Ausnahmsweise entfällt die Vorschusspflicht:
- wenn dem Gläubiger Prozesskostenhilfe für das Zwangsvollstreckungsverfahren bewilligt
wurde, § 65 VII 1 Nr. 1.
- wenn dem Gläubiger Gebührenfreiheit zusteht, § 65 VII 1 Nr. 2 (insbesondere Bund,
Länder, § 2 GKG).
- wenn dem Gläubiger die Zahlung des Kostenvorschusses (erhebliche) Schwierigkeiten
bereiten würde, § 65 VII 1 Nr. 3 GKG
- wenn die Verzögerung dem Gläubiger einen nicht oder nur schwer ersetzbaren Schaden
bereiten würde, § 65 VII 1 Nr. 4 GKG.
Die Ausnahmen nach Nr. 3 + 4 setzen weiter voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht
mutwillig erscheint, § 65 VII 2 GKG.
Keine Vorschusspflicht besteht bei der Vollstreckung aus Titeln der Arbeitsgerichte, § 12 IV
Arbeitsgerichtsgesetz.91
2.8.1.
Wenn ja, in welcher Höhe?
Gemäß § 11 I GKG i.V.m. Nr. 1640 des Kostenverzeichnisses beträgt die Gebühr für einen
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (der mehrere Forderungen umfassen kann) wie auch
für einen isolierten Pfändungsbeschluss (im Falle der Sicherungsvollstreckung oder der
Arrestpfändung) 10,- EUR, unabhängig von der Höhe der zu pfändenden Forderung.92 Hinzu
kommen die Auslagen für die Zustellung des Beschlusses.
Daher werden die in 2.8. genannten Ausnahmen Nr. 3+4 für die Zwangsvollstreckung
praktisch nicht relevant.
2.8.2.
Wie werden die Kosten erstattet?
Der Gläubiger hat, sofern seinem Antrag stattgegeben wird, sowohl einen prozessualen (1)),
wie auch einen materiellrechtlichen (2)) Kostenerstattungsanspruch:
1) Nach § 788 I 1 HS 1 ZPO trägt grundsätzlich der Schuldner die (notwendigen) Kosten der
Zwangsvollstreckung.
- Diese sind nach § 788 I 1 HS 2 im Regelfall mit dem zur Zwangsvollstreckung anstehenden
Anspruch ohne besondere Kostenfestsetzungsentscheidung einzutreiben. D.h., der
Rechtspfleger rechnet den Vorschuss zu der titulierten Forderung hinzu; es bedarf für die
Vollstreckung in Hinblick auf diese Kosten keines besonderen Titels.93 Der Gläubiger kann
sich aus der gepfändeten Forderung auch in Hinblick auf die Vollstreckungskosten
befriedigen. Die Vollstreckungskosten teilen dabei den Rang des Hauptanspruchs.94
- Alternativ kann gemäß § 788 II eine Kostenfestsetzung durch gesonderte Entscheidung des
Vollstreckungsgerichts ergehen. Das Festsetzungsverfahren richtet sich dabei nach §§ 103 f,
107 ZPO. Ein solcher Kostenfeststellungsbeschluss ist gemäß § 794 I Nr. 2 ZPO ein
Vollstreckungstitel, der seinerseits vollstreckt werden kann.
2) Der Gläubiger hat ebenfalls einen materiellrechtlichen Anspruch gegen den Schuldner auf
Erstattung des Kostenvorschusses infolge des zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden
Gesamtschuldverhältnisses (§ 426 I + II BGB, § 788 I ZPO).
91
Vgl. Stöber Rz 850
Stöber Rz 845
93
OLG Frankfurt/M DGVZ 1982, 57(60), Stein-Jonas/Münzberg ZPO § 788 Rz 26 m.w.N.
94
LG München DGVZ 1974, 58 (59), Stein-Jonas/Münzberg ZPO § 788 Rz 26a
92
15
Diesen müsste er allerdings erst im Wege eines normalen Zivilprozesses titulieren lassen, um
dann aus diesem Titel die Zwangsvollstreckung zu betreiben.
2.9.
Gelten
besondere
Regelungen,
wenn
der
Gläubiger
lediglich
Sicherungsmaßnahmen beantragt?
Keine besonderen Regelungen gelten im Falle der auf die Pfändung (ohne Überweisung)
begrenzten Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO. Für das Arrestverfahren gilt
folgendes:
I. Im Arrestverfahren bedarf es nach § 929 ZPO keiner Vollstreckungsklausel, außer im Fall
der Rechtsnachfolge auf Gläubiger- oder Schuldnerseite.
II. Fristen:
1) Gemäß § 929 II ZPO ist die (weitere) Vollziehung des Arrestbefehls unstatthaft, wenn nach
Verkündung des Arresturteils oder Zustellung des Arrestbeschlusses ein Monat vergangen ist.
Bereits vollzogene Pfändungen bleiben aber wirksam. Die Frist wird durch Einreichung eines
(vollständigen) Antrages auf Pfändung gewahrt.95
2) Solange das Hauptverfahren nicht anhängig ist, hat gemäß § 926 I ZPO das Arrestgericht
(Rechtspfleger96) auf Antrag anzuordnen, dass die Partei, die einen Arrestbefehl erwirkt hat,
binnen einer vom Arrestgericht (Rechtspfleger) zu bestimmenden Frist (von i.d.R. mindestens
zwei Wochen97) Klage zu erheben hat. Gemäß § 926 II ZPO muss das Arrestgericht (Richter)
auf Antrag die Aufhebung des Arrestes aussprechen, wenn binnen dieser Frist nicht Klage
erhoben wird. Folge: Weitere Vollstreckungsmaßnahmen sind unzulässig, § 775 Nr. 1 ZPO.
Bereits vollzogene Arrestmaßregeln (insb. Pfändung) sind aufzuheben, § 776 S.1 ZPO.
III. Vorzulegende Dokumente:
Da das Arrestgericht zuständig ist, muss kein Titel vorgelegt werden. Da gemäß § 929 III 1
ZPO die Vollzeihung des Arrestbefehls vor dessen Zustellung an den Schuldner zulässig ist98,
muss auch dessen Zustellung nicht nachgewiesen werden.
IV. Antragsergänzung
Auch im Arrestverfahren ist die Ergänzung des Arrestgesuches (nach richterlichem Hinweis
nach § 139 II ZPO) möglich.99 Dies gilt auch für einen mit dem Arrestgesuch verbundenen100
oder einen isolierten Pfändungsantrag.
V. Anhörung des Schuldners:
1) Die Entscheidung über das Arrestgesuch kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, §
921 I ZPO. Hierüber entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Auf eine
mündliche Verhandlung kann insbesondere verzichtet werden, wenn andernfalls der
Arrestbefehl (wegen Warnung des Schuldners) seinen Zweck nicht mehr erfüllen könnte.101
95
Stöber Rz 814
Funktionell zuständig gemäß § 20 Nr. 14 RPflG
97
Analog § 276 I 2, 277 III ZPO, vgl. Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 926 Rz 9 m.w.N.
98
Gemäß § 929 III 2 ist die Pfändung aber wirkungslos, wenn die Zustellung des Arrestbefehls an den Schuldner
nicht (1) binnen einer Woche nach der Vollziehung oder (2) nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 II erfolgt.
99
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 920 Rz 6
100
vgl. Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 920 Rz 17
101
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 921 Rz 1
96
16
Der Schuldner ist dann auf das Rechtsmittel des (nachträglichen) Widerspruchs beschränkt, §
924 ZPO.
Ordnet das Gericht keine mündliche Verhandlung an und weist den Antrag zurück, so ist der
diesbezügliche Beschluss gemäß § 922 III dem Antragsgegner (Schuldner) nicht mitzuteilen.
Will es ohne mündliche Verhandlung entscheiden und dem Antrag möglicherweise
stattgeben, so kann es dem Gegner die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme geben.102
Es muss dies aber nicht tun, wenn hierdurch der Zweck des Arrestverfahrens beeinträchtigt
würde.103
2) Für die Vollziehung durch Pfändung gilt das unter 2.5. gesagte: keine Anhörung des
Schuldners. Zweckmäßigerweise sollte der Pfändungsantrag daher durch gesondertes
Schriftstück erfolgen.104
VI. Rechtsbehelf des Gläubigers: s. Fragebogen einstweiliger Rechtsschutz
VII. Anhörung im Rechtmittelverfahren:
1) hinsichtlich des mit dem Arrestbeschlusses verbundenen
Pfändungsbeschlusses gilt das unter 2.7.2. gesagte entsprechend.
oder
isolierten
2) Hinsichtlich der Ablehnung des Arrestantrages ist zu unterscheiden: Soweit bereits eine
mündliche Verhandlung stattgefunden hat oder der Schuldner schriftlich angehört wurde, ist
er auch in der zweiten Instanz anzuhören. Ansonsten Entscheidung über mündliche
Verhandlung105 oder schriftliche Anhörung106 nach pflichtgemäßem Ermessen. Wird der
Arrest vom Beschwerdegericht ohne mündliche Verhandlung erlassen, so ist gegen diesen
Beschluss Widerspruch zulässig, § 924 I.107
VIII. Kostenhöhe
Gemäß § 11 I GKG i.V.m. Nr. 1310 des Kostenverzeichnisses entsteht mit Antragstellung für
das Arrestverfahren eine volle (streitwertabhängige) Gebühr.108 Bei einem Streitwert von
EUR 10.000,- beträgt diese EUR 196,-. Diese wird neben der Gebühr für die Pfändung
fällig.109
IX. Kostenerstattung
Über den Umfang der Kostenpflicht hins. des Arrestverfahrens wird im Urteil/Beschluss des
Arrestgerichts entschieden.110 Der obsiegende Antragsteller hat gemäß § 91 ZPO einen
prozessualen Kostenerstattungsanspruch, der den Prozesskostenvorschuss umfasst. Die
Kostenentscheidung ist als Teil des Urteils/Beschlusses wie dieses/r111 sofort vollstreckbar.112
Die Vollstreckung ist dabei aber auf Befriedigung, nicht nur auf Sicherung gerichtet, d.h. es
erfolgt insoweit auch die Überweisung eines gepfändeten Anspruchs (vgl. u. 6.).
Da das Arrestverfahren ein Erkenntnisverfahren ist, bedarf es zur Geltendmachung und
Vollstreckung
des
prozessualen
Kostenerstattungsanspruchs
zwingend
einer
102
Thomas/Putzo ZPO § 922 Rz 2, Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rz 1
Thomas/Putzo ZPO § 922 Rz 3, Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rz 1
104
Stöber Rz 482
105
Stein/Jonas-Grunsky ZPO § 922 Rz 9
106
Stein/Jonas-Grunsky ZPO § 922 Rz 10
107
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rz 10
108
Bei mündlicher Verhandlung werden zwei zusätzliche Gebühren fällig, Nr. 1311 Kostenverzeichnis
109
Stöber Rz 845
110
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rz 12
111
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rz 12, § 929 Rz 1
112
Stein-Jonas/Grunsky ZPO § 922 Rz 12, OLG Frankfurt DGVZ 1982, 57 (60)
103
17
Kostenfestsetzung nach §§ 103ff ZPO. Für den materiellen Kostenerstattungsanspruch (aus §
426 I + II BGB, § 91 ZPO) gilt das oben (2.8.) gesagte entsprechend.
3.
Wirksamwerden des Vollstreckungszugriffs
3.1.
Wem wird der Pfändungsbeschluss zugestellt:
Die Forderungspfändung wird durch Zustellung an den Drittschuldner bewirkt, § 829 III ZPO.
Die ZPO sieht in dem an den Drittschuldner gerichteten „Verbot“113, an den Schuldner nicht
mehr zu zahlen (§ 829 I 1 ZPO), den entscheidenden Akt der Pfändung.114 Sie bestimmt
insbesondere den Rang des mit ihr begründeten Pfandrechts (§ 804 I ZPO).115 Zur Zustellung
über / an eine Zweigniederlassung s.o. 1.2.1.a.E.
Eine Zustellung an den Gläubiger erfolgt nicht, ihm wird eine Ausfertigung des
Pfändungsbeschlusses formlos ausgehändigt116, sofern er nicht Vermittlung der Zustellung
durch die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts beantragt hat. In diesem Fall wird die
Ausfertigung direkt an einen Gerichtsvollzieher übersandt, § 192 III ZPO. Sonst beauftragt
der Gläubiger einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung.117
Hinsichtlich der Arrestpfändung gelten diese Grundsätze entsprechend, §§ 928, 930 I 2
ZPO.118 Auch bei Verbindung von Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss in einem einzigen
Beschluss zusammengefasst sind, beinhalten sie jeweils ihre rechtliche Eigenständigkeit; auch
in diesem Fall gelten für die Zustellung der Arrestpfändung im Grundsatz die allgemeinen
Regeln.119 Hinsichtlich des Arrestverfahrens wird für die folgenden Fragen auf den
Fragebogen „vorläufige Maßnahmen“ verwiesen.
3.1.1.
dem Schuldner?
Ja. Nach Zustellung an den Drittschuldner stellt der Gerichtsvollzieher ohne weiteren Antrag
den Pfändungsbeschluss dem Schuldner zu, § 829 II 2 ZPO.120
3.1.2.
dem Drittschuldner?
Ja, s.o. 3.1.
3.1.3
Sind Ersatzzustellungen zulässig121?
113
So der Wortlaut von § 829 I 1 ZPO. Genau genommen wird jedoch lediglich eine Obliegenheit begründet:
Zwar kann der Drittschuldner noch an den Schuldner zahlen, jedoch wirkt dies für die deutsche Rechtsordnung
dem Gläubiger gegenüber nicht befreiend; vgl. Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 620.
114
Stöber Rz 525
115
Vgl. Stöber Rz 528
116
Stöber Rz 477
117
Stöber Rz 530
118
Vgl. Stöber Rz 815
119
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 1574
120
Stöber Rz 536. § 829 II 3 ZPO wurde durch Streichung von § 196 ZPO gegenstandslos, Stöber Rz 534
18
Ja.
1) Normale Ersatzzustellung gemäß den §§ 178ff ist unter den dort genannten
Voraussetzungen möglich.122
2) Gemäß §§ 185 n.F., 191 ZPO123 ist eine öffentliche Zustellung durch Aushang an der
Gerichtstafel (§ 186 II 1 ZPO) möglich,124
- wenn der Aufenthalt einer Person (ohne Zustellungsbevollmächtigten) unbekannt ist (bei
Bank als Drittschuldner nicht relevant)
- wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich oder nicht Erfolg versprechend ist. Zur
grenzüberschreitenden Zustellung von Pfändungsbeschlüssen s. auch u. 10.3.3.
- bei sonst notwendiger Zustellung an einem exterritorialen Ort.
Allerdings ist der Drittschuldner, der bei Zahlung an den Schuldner wegen der öffentlichen
Zustellung keine Kenntnis von dem Zahlungsverbot hat, analog §§ 407,412,1275 BGB vor
der Geltendmachung der Forderung durch den Gläubiger geschützt.125
3.2.
Wer veranlasst die Zustellung:
3.2.1.
das Vollstreckungsorgan?
1) Hinsichtlich des Drittschuldners: Grundsätzlich Nein.
Der Gläubiger kann allerdings die Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Zustellung
durch die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts erledigen lassen, § 192 III 1 ZPO.
Insofern hat diese den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung zu beauftragen, § 192 III 2 ZPO.
2) Hinsichtlich des Schuldners: Ja, s.o. 3.1.1.
3.2.2.
der Gläubiger?
Ja. Die Zustellung erfolgt im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 I ZPO) auf
Antrag des Gläubigers, §§ 829 II 1
3.2.3.
Welche Person / welches Organ führt die Zustellung durch?
Die Zustellung an den Drittschuldner erfolgt i.d.R. durch Übergabe einer beglaubigten
Abschrift der dem Gläubiger ausgehändigten Ausfertigung des Pfändungsbeschlusses durch
den Gerichtsvollzieher.
3.3.
Welche Rechtsfolgen hat die fehlerhafte Zustellung:
121
Art. 11-14 des Verordnungsvorschlags der Kommission vom 18.4.02 zur Einführung eines europäischen
Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Kom/2002/0159 endg., Amtsblatt Nr. C 203 E vom
27/08/2002 S. 86
122
Stöber Rz 530
123
Bis 1.7.2002 war eine öffentliche Zustellung an den Drittschuldner nicht möglich. Vgl Stöber Rz 531. A.A.
Thomas/Putzo ZPO § 185 Rz 6: Drittschuldner ist keine Person i.S.d. § 185 ZPO
124
Stöber Rz 531; wohl auch Geimer IZPR Rz 3249. A.A. Thomas/Putzo ZPO § 185 Rz 6: Drittschuldner ist
keine Person i.S.d. § 185 ZPO
125
Geimer IZPR Rz 3249, Stöber Rz 566 m.w.N., BGHZ 86,337 (339)
19
3.3.1.
an den Drittschuldner?
Die Zustellung an den Drittschuldner ist grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung der
Pfändung. Soweit es sich um einen erheblichen Fehler handelt, ist die Pfändung daher
unwirksam. Der Gerichtsvollzieher hat erneut zuzustellen. Möglich ist allerdings eine Heilung
gemäß § 189 ZPO, wenn sich der tatsächliche Zugang des Pfändungsbeschlusses an den
Drittschuldner nachweisen lässt.126
3.3.2.
an den Schuldner?
Schadenersatzpflicht des Fiskus wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB, 34 GG.127
4.
Gegenstand des Vollstreckungszugriffs
4.1.
Welche Forderungen auf dem Konto werden erfasst:
4.1.1.
der Zustellungssaldo?
Ja, vgl. § 357 Handelsgesetzbuch (HGB)128, jedenfalls sofern die Pfändung – wie üblich - mit
der Überweisung verbunden ist.129 Gepfändet wird der Anspruch auf Zahlung des
Überschusses (soweit vorhanden) aus der im Kontokorrent bestehenden Geschäftsbeziehung
der sich bei einer Saldoziehung im Moment der Zustellung an die Bank ergibt. Schuldposten,
die nach der Pfändung entstehen, können grundsätzlich nicht mehr in Rechnung gestellt
werden. § 357 S.1 HGB. Geschäfte, die aufgrund eines schon vor der Pfändung bestehenden
Rechtes (z.B. Kontenführungsgebühren, Rückbelastungen bei Nichteinlösung von Wechseln
und Lastschriften Dritter130) oder einer schon vor diesem Zeitpunkt bestehenden
Verpflichtung des Drittschuldners (z.B. vom Schuldner auf die Bank gezogene Wechsel, die
von dieser akzeptiert wurden; von der Bank garantierte Checks (z.B. Eurochecks)131)
vorgenommen werden, gelten nach § 357 S.2 HGB aber nicht als neue Geschäfte. Eingänge,
die vor Zustellung erfolgten aber noch nicht gebucht wurden, werden dem gegenwärtigen
Saldo nicht hinzugerechnet.132
Die Fiktion eines Zustellungssaldos ändert allerdings nichts daran, dass die Saldoforderung
erst zum nächsten periodischen Saldierungstermin fällig ist. Dieses Problem kann aber
umgangen werden, in dem man den girovertraglichen Anspruch auf Auszahlung des
Tagesguthabens mitpfändet.133
126
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 609. Voraussetzung ist, dass dem Drittschuldner eine im
Wesentlichen korrekte Abschrift des Pfändungsbeschlusses zugeht, vgl. Stöber Rz 527.
127
RG JW 1900, 426, Stöber Rz 536
128
BGH WM 1981, 542 (543), BGHZ 80,172 (175f), Welter S. 14 m.w.N.
129
Letztere Bedingung ist streitig; ihr wird von der wohl h.M. aber durch Zulassung einer Rückwirkung einer
später erfolgenden Überweisung viel an Schärfe genommen vgl. Canaris in Staub Großkommentar HGB (4.
Aufl. 2001) § 357 Rz 18
130
Staub/Canaris HGB § 357 Rz 24
131
BGH MDR 1997, 878 (878), Staub/Canaris HGB § 357 Rz 27
132
Sühr, Die Bearbeitung von Pfändungsbeschluß und Drittschuldnererklärung, 3.Aufl. 1987, S. 29
133
Stöber Rz 162
20
4.1.2.
künftige Salden?
Ja. Zukünftige (periodische) Aktivsalden, die sich infolge der periodischen
Rechnungsabschlüsse des Kontokorrents ergeben, sind pfändbar, sofern diese und das
Kontokorrentverhältnis ausreichend genau bezeichnet sind.134 Künftige Aktivsalden werden
in Standardformularen stets mitgepfändet.
4.1.3.
künftige Rechnungsabschlüsse?
s. 4.1.2.
4.1.4.
künftige Einzahlungen?
Aus dem Wesen des Kontokorrents ergibt sich, dass nur die Saldenforderungen pfändbar sind,
nicht aber Einzelforderungen. Dies schließt eine Pfändung der „Eingänge“ zunächst aus. Evtl.
kommt bei einem entsprechend formulierten Antrag aber eine Umdeutung in eine Pfändung
des Saldenanspruchs in Betracht. 135
Darüber hinaus kommt eine Pfändung des Anspruchs des Schuldners aus dem Girovertrag auf
fortlaufende Auszahlung des jeweiligen Tagesguthabens in Betracht.136
Geschieht eine Pfändung der Tagessaldi nicht, so kann der Schuldner nach Auffassung des
BGH über Eingänge zwischen Zustellung und nächsten periodischem Rechnungsabschluss
grds. frei verfügen, sofern der Gläubiger nicht auch den Anspruch auf Durchführung von
Überweisungen pfändet.137
4.1.5.
die Kreditlinie?
Die
Pfändbarkeit
von
Ansprüchen,
die
sich
aus
einem (Dispositions-)
138
Krediteröffnungsvertrages ergeben können, ist umstritten. Grundsätzlich gilt: Das Recht
des Schuldners auf Abruf des Kredites ist als höchstpersönliches Recht nicht pfändbar. Nach
Auffassung des BGH ist aber der Anspruch auf Auszahlung pfändbar, der sich ergibt, wenn
der Schuldner dieses Recht (z.B. durch Einreichung eines Überweisungsauftrages bei nicht
gedecktem Konto oder Verlangen nach Barauszahlung) tatsächlich in Höhe eines bestimmten
Betrages ausübt.139 Allerdings ist in den Geschäftsbedingungen der Banken für diesen Fall
meist ein Widerrufsrecht der Bank vorgesehen, so dass diese Möglichkeit in der Praxis keine
große Rolle spielt.140
4.2.
Ist der Zugriff auf das Konto auf die Höhe des zu vollstreckenden
Betrages begrenzt?
134
BGHZ 80, 172 (181), Stöber Rz 159, 163
Stöber Rz 158
136
BGHZ 84, 325 (329), Stöber Rz 166ff m.w.N., str.
137
BGHZ 84, 325 (332), BGHZ 86, 23 (25), vgl. Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. A. § 21 VI 2 b) cc). Vgl.
auch Welter S. 17 und einschränkend BGHZ 93, 315 (324)
138
vgl. die Nachweise bei Welter S. 18f
139
BGH NJW 2001,1937
140
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 529
135
21
1) Hinsichtlich des Pfändungsbeschlusses: Nein.141
2) Hinsichtlich des Überweisungsbeschlusses ist zu differenzieren:
a) bei Überweisung zur Einziehung: Nein, aber: Die Überweisung erfolgt zwar in voller
Höhe, zur Einziehung ermächtigt ist der Gläubiger aber nur in Höhe der
Vollstreckungsschuld.142
b) bei Überweisung an Zahlungsstatt (§ 835 II ZPO): Ja.143
4.2.1.
Wenn ja, sind eventuelle Nebenforderungen zu berücksichtigen?
Bei Überweisung: Ja (im Beschluss aufzuführen).144
4.2.2.
Wenn ja, werden die Vollstreckungskosten berücksichtigt?
Bei Überweisung: Ja (im Beschluss aufzuführen).145
4.2.3.
Wenn nein, gibt es eine „Obergrenze“?
Gemäß § 803 I 2 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nicht weiter ausgedehnt werden, als zur
Befriedigung
des
Gläubigers
und
zur
Deckung
der
Kosten
des
Zwangsvollstreckungsverfahrens notwendig ist. Hierbei erfolgt nach Erhebung einer
Volstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) durch den Schuldner eine Prognose des
Vollstreckungsgerichts in Hinblick auf die Einbringlichkeit der (behaupteten)
Forderung(en).146 Auch bei Bankkonten kann die Einbringlichkeit aus rechtlichen Gründen
zweifelhaft sein. Die Vollpfändung einer Forderung (bzw. der Ansprüche aus dem
Kontokorrentverhältnis) ist daher regelmäßig auch dann zulässig, wenn deren Nennwert höher
als der zu vollstreckende Anspruch ist.147 Streitig ist, ob der Gläubiger bei Pfändung mehrere
Forderungen begründen muss, warum er mehrere Forderungen pfändet, wenn bereits eine
Forderung vom Nennwert her die Vollstreckungsforderung übersteigt.148
Bei schuldhafter Überpfändung kann sich ein Gläubiger nach § 823 II BGB
schadenersatzpflichtig machen.149 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass (auch bei
Überpfändung) eine Verfügungsbeschränkung des Schuldners nur in Höhe der
Vollstreckungsschuld besteht, so dass er im Übrigen zu wirksamen Verfügungen – allerdings
nicht zu Lasten des Gläubigers in Hinblick auf die Einbringlichkeit - in der Lage bleibt.150
4.2.4.
Wie erfolgt die „Freigabe“ des Kontos?
141
Stöber Rz 756
Stöber Rz 760, Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 639
143
Stöber Rz 588b, 760
144
Stöber Rz 588b, 760
145
Stöber Rz 588b
146
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 631
147
Stöber Rz 757 m.w.N.
148
Stöber Rz 758 m.w.N., offen gelassen von BGH NJW 1975, 738 (739)
149
BGH BB 1956, 254
150
Stöber Rz 760, 504
142
22
Nach Befriedigung des Gläubigers: Die Freigabe erfolgt durch Beschluss des
Vollstreckungsgerichts (§§ 775,776 ZPO) nach Freigabeerklärung des Gläubigers oder nach
Vorlage eines Nachweises der Bank über die Überweisung in Höhe der Gläubigerforderung
oder nach Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage durch den Schuldner.151
Bei Überpfändung: nach Erhebung des Rechtsbehelfs der Vollstreckungserinnerung durch
den Vollstreckungsschuldner durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts, § 766 ZPO.152 Der
Vollstreckungsschuldner hat darzutun, dass das Recht des Gläubigers auf Befriedigung durch
eine Beschränkung der Pfändung auf einen Teil der Forderung nicht im Mindesten
beeinträchtigt wird.153
4.2.4.1.
Welches Vollstreckungsorgan ist zuständig?
Das Vollstreckungsgericht (§ 766 I 1), funktional der Richter (§ 20 Nr. 17 S.2 RPflG).
Allerdings kann der Rechtspfleger der Erinnerung nach Anhörung des Gläubigers abhelfen,
ohne sie dem Richter vorzulegen. 154 Hiergegen kann der Gläubiger nach § 793 I ZPO, § 11 I
RPflG sofortige Beschwerde zum Landgericht einlegen.155
4.2.4.2.
Wird der Gläubiger gehört?
Ja, zumindest schriftlich, sofern der Richter zuungunsten des Gläubigers entscheiden will.156
Mündliche Verhandlung liegt im Ermessen des Gerichts.157
4.2.4.3.
Werden andere Personen gehört?
Der Schuldner als Partei. Dritte (Vertreter der Bank) idR nur als Zeuge.
4.3.
Auswirkungen der Kontokorrentabrede:
4.3.1.
Werden Bankkonten normalerweise als Kontokorrent geführt?
Ja.158
4.3.2.
Schildern Sie kurz die Rechtsgrundlagen und die Rechtswirkungen des
Kontokorrents:
4.3.2.1.
Rechtsgrundlage des Kontokorrents?
§ 355 I Handelsgesetzbuch (HGB) definiert das Kontokorrent (vom Gesetz alternativ auch
„laufende Rechnung“ genannt) als eine Geschäftsbeziehung einer Person mit einem
151
Thomas/Putzo ZPO § 803 Rz 11, § 775 Rz 21; Stöber Rz 744
Thomas/Putzo ZPO § 766 Rz 2
153
Stöber Rz 757
154
Thomas/Putzo ZPO § 766 Rz 9
155
Thomas/Putzo ZPO § 766 Rz 2
156
OLG Frankfurt Rechtspfleger 1979, 111 (111)
157
Stein/Jonas-Münzberg ZPO § 766 Rz 39
158
Stöber Rz 156, Rz Welter S. 14. Vgl. z.B. Nr. 7 (1) AGB der Sparkassen.
152
23
Kaufmann (hier: Bank) derart, dass die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen
Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt werden und in regelmäßigen
Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich
ergebenden Überschuss ausgeglichen werden.159
4.3.2.2.
Rechtswirkungen des Kontokorrents?
Die Einbeziehung der Einzelforderung in das Kontokorrent „lähmt“ diese, so dass sie nicht
mehr selbstständig geltend gemacht, abgetreten oder aufgerechnet werden können.
Dementsprechend sind auch nur noch die Saldenforderungen pfändbar (vgl. § 357 HGB),
nicht aber die Einzelforderungen. 160
4.3.3
Hat die Kontokorrentabrede Vorrang vor dem Vollstreckungszugriff?
Grundsätzlich ja. Insofern nicht, als entgegen der Kontokorrentabrede mit der Pfändung eine
Saldierung erfolgt.161
4.3.3.1.
Wird der Zwangsvollstreckungszugriff begrenzt?
Ja, auf die verschiedenen Salden, s.o. 4.3.2.2. (+Anspruch aus Girovertrag)
4.3.3.2.
Kann der Gläubiger eventuell das Konto kündigen?
Nein.
4.3.3.3.
Kann die Bank wegen der Pfändung das Konto kündigen?
Neben der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung sehen die Geschäftsbedingungen der
Banken regelmäßig eine Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund vor, wenn gegen den
Kunden die Zwangsvollstreckung eingeleitet wird162 oder eine wesentliche Verschlechterung
der Vermögensverhältnisse des Kunden eintritt.163
4.3.3.4.
Welche
Wirkungen
haben
frühere
Verfügungen
(Forderungsabtretungen) des Schuldners über das Konto?
4.3.3.4.1.
Bleiben diese Verfügungen, wenn sie auch künftige Forderungen
betreffen, wirksam?
Die Pfändung einer vom Schuldner bereits abgetretenen – auch künftigen - Forderung ist
nicht möglich. Dies gilt auch in Fällen der stillen Zession.164
159
Vgl. Stöber Rz 156
Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. A. § 21 III 1
161
Zu den hierzu vertretenen Theorien vgl. Stirnberg, Pfändung von Girokonten, 1983 passim
162
Nr. 26 II d AGB Sparkassen
163
Nr. 19 III AGB Banken
164
Stöber Rz 765f
160
24
Dabei ist aber das Kontokorrentverhältnis zu beachten: Da jeweils Saldenforderungen bzw.
der Anspruch auf Auszahlung des Tagessaldos gepfändet werden, kommt es auf die Frage an,
ob diese Ansprüche (nicht eventuelle Einzahlungen) voraus abgetreten sind.165
4.3.3.4.2.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Wirksamkeit
bestehen bleibt?
4.3.3.4.3.
Ist die Wirksamkeit derartiger Verfügungen zeitlich limitiert (Fristen)?
Nein.
4.4.
Gibt es besondere Regelungen für gemeinschaftliche Konten (OderKonten)?
Bei einem Gemeinschaftskonto mit Einzelberechtigung (Oder-Konto) kann jeder Gläubiger
eines der Kontoinhaber das Kontoguthaben in vollem Umfang pfänden.166 Allerdings besteht
diese umfassende Zugriffsmöglichkeit nur im Verhältnis zur Bank. Gegenüber dem anderen
Kontoinhaber erwirbt der Vollstreckungsgläubiger nach wohl h.M. ein Recht an der
Forderung, das mit einer potentiellen Ausgleichspflicht des Pfändungsschuldners gegenüber
dem Kontomitinhaber „belastet“ ist (§ 430 BGB).167 Ob er dem Kontomitinhaber zur vollen
oder teilweisen Rückzahlung verpflichtet ist, richtet sich nach dem Verhältnis der
Kontoinhaber untereinander.168
Zur Frage des Pfändungsschutzes s. dort.
4.4.1.
Kann der mitberechtigte Ehegatte (sonstige Person) über das Konto
weiter verfügen?
Die bloße Pfändung hindert nach wohl h.M.169 die weitere Verfügungsbefugnis des
Mitberechtigten nicht, da mit der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger nur den Platz des
Vollstreckungsschuldners einnimmt, die Bank aber gegenüber den Gesamtgläubigern
weiterhin das Wahlrecht ausüben kann, an wen sie erfüllt.170 Jedoch sei die Bank (i.d.R.)
165
Vgl. zum kontokorrentrechtlichen Abtretungsverbot Canaris Bankvertragsrecht Rz 182
Stöber Rz 166n
167
OLG Koblenz NJW-RR 1990,1385; Stöber Rz 341, 166n; a.A. Wagner WM 1991,1145 (1146) sowie
Staudinger-Langhein (13. Aufl.) § 741 BGB Rn 81: Nur Ausgleichsanspruch des Kontomitinhabers gegenüber
dem Vollstreckungsschuldner; die Lage sei nicht anders zu beurteilen, als wenn der Vollstreckungsschuldner das
Geld abgehoben hätte, um damit seine Schulden zu bezahlen.
168
Für das Verhältnis zwischen Ehegatten wird eine solche Ausgleichspflicht grundsätzlich als konkludent
ausgeschlossen abgelehnt, da das Konto dem Bestreiten des gemeinsamen Lebensunterhalts dienen soll (vgl.
Canaris Bankvertragsrecht, 3.Aufl. 1988, Rz 225). Allerdings endet dieser Ausgleichsausschluss z.B. im
Insolvenzfall, da dann das Konto nicht mehr dem Familienunterhalt zugute kommt (Canaris Rz 229). M.E. lässt
sich dieser Gedanke auch auf die Einzelzwangsvollstreckung übertragen: Ein Ausgleichsanspruch sollte hier
grundsätzlich bejaht werden, soweit der Gläubiger nicht wegen einer Schuld vollstreckt, die der Schuldner zum
Zwecke des Familienunterhalts eingegangen ist.
169
Stöber Rz 341 mwN, OLG Dresden MDR 2001,580; Rendels, Rechtsprobleme bei Konten von Eheleuten,
Diss. 1993, S. 70 m.w.N., wohl auch Canaris Bankvertragsrecht Rz 225, a.A. OLG Stuttgart OLGR 1998, 378
(bereits mit (Vor-) Pfändung entfällt Verfügungsbefugnis des anderen Kontoinhabers); Münchener Kommentar
(MüKo) - Selb BGB § 428 Rz 2
170
Stöber Rz 63
166
25
verpflichtet, an denjenigen zu erfüllen, der Zahlung zuerst verlangt.171 Nach einer stark
vertretenen Ansicht liegt jedenfalls in der Beantragung und Zustellung des mit dem
Pfändungsbeschluss regelmäßig verbundenen Überweisungsbeschlusses an die Bank bereits
ein solches Leistungsverlangen.172
Etwas anderes dürfte auch dann nicht gelten, wenn bei Kontoeröffnung eine sog.
Schutzklausel173 eingefügt wurde.174
4.4.2.
Gibt es Beschränkungen?
S.o. 4.4.1. sowie in Hinblick auf eine mögliche Überpfändung, s.o. 4.2.3.. Soweit eine
Verfügung möglich ist, kann der Kontomitinhaber durch sie jedoch nach § 430 BGB dem
Pfändungsgläubiger gegenüber ausgleichspflichtig werden (vgl. o. 4.4.).
4.4.3.
Entscheidet hierüber das Vollstreckungsorgan?
Nein.
4.5.
Gibt es Regelungen zur Verschleierung von Bankkonten
(beispielsweise Treuhandkonten, Konten von Strohmännern)
Siehe zunächst § 154 Abgabenordnung :
§ 154 (Kontenwahrheit)
(1) Niemand darf auf einen falschen oder erdichteten Namen für sich oder einen Dritten ein
Konto errichten oder Buchungen vornehmen lassen, Wertsachen (Geld, Wertpapiere,
Kostbarkeiten) in Verwahrung geben oder verpfänden oder sich ein Schließfach geben lassen.
(2) Wer ein Konto führt, Wertsachen verwahrt ... oder ein Schließfach überlässt, hat sich
zuvor Gewissheit über die Person und Anschrift des Verfügungsberechtigten zu verschaffen
und die entsprechenden Angaben in geeigneter Form, bei Konten auf dem Konto,
festzuhalten. Er hat sicherzustellen, dass er jederzeit Auskunft darüber geben kann, über
welche Konten oder Schließfächer eine Person verfügungsberechtigt ist.
(3) Ist gegen Abs. 1 verstoßen worden, so dürfen Guthaben, Wertsachen und der Inhalt eines
Schließfachs nur mit Zustimmung des für die Einkommen- und Körperschaftsteuer des
Verfügungsberechtigten zuständigen Finanzamts herausgegeben werden.
171
Wagner WM 1991,1145 (1146ff), MüKo-Selb BGB § 428 Rz 2, , Canaris, Bankvertragsrecht, 3.Aufl. 1988,
Rz 225, 228 m.w.N., OLG Nürnberg NJW 1961, 510 (511); a.A. Rendels, S. 80, 71 mit zutreffendem Hinweis
auf die Widersprüchlichkeit der h.M. (S. 77), die außerhalb der Zwangsvollstreckung bei widersprüchlichen
Weisungen auf die letzte Weisung abstellt.
172
Wagner WM 1991,1145 (1146ff), MüKo-Selb BGB § 428 Rz 2, Canaris, Bankvertragsrecht Rz 228, Rendels,
S. 72ff; offengelassen von BGHZ 93, 315 (321), kritisch Stöber 341 FN 28; a.A. Staudinger-Huber (12. Aufl.) §
741 BGB Rn 55 sowie Staudinger-Langhein (13. Aufl.) § 741 BGB Rn 81. In BGHZ 95, 185 (187) verneint der
BGH zwar eine Auswirkung der Konkurseröffnung über einen Kontoinhaber auf das Giroverhältnis mit dem
anderen Kontoinhaber; entgegen Rendels S. 72 läßt sich hieraus aber kein „erst-recht“-Schluss ziehen, da in der
Konkurseröffnung eben kein konkretes Auszahlungsverlangen gegenüber der Bank liegt .
173
Jeder Kontomitinhaber ist berechtigt, durch einseitige Erklärung das Oder- in ein Und-Konto umzuwandeln.
174
Rendels, S. 82ff geht in diesem Fall davon aus, dass durch ein dem Überweisungsbeschluss widerstreitendes
Zahlungsverlangen ein Und-Konto entsteht. Auf dem Boden des Prioritätsprinzips der h.M. käme dies aber wohl
zu spät (anders Rendels S. 60), da die Kontoeröffnungsanträge i.d.R. ein Widerrufsrecht nur für die Zukunft
vorsehen (vgl. das Muster Anhang 4 bei Rendels).
26
Weitere Identifizierungs- und Anzeigepflichten folgen aus dem Geldwäschegesetz. Dieses ist
aber nicht anwendbar für Zwecke der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung.
I. Treuhandkonten
Zur Vollstreckung in eine zu einem zu einem Treuhandvermögen gehörende Forderung ist ein
Titel gegen den Treuhänder (idR der Kontoinhaber; auch bei Anderkonten) nötig, da nur er
dem Drittschuldner (Bank) gegenüber zur Geltendmachung der Forderung legitimiert ist. Ein
Titel gegenüber dem Treugeber genügt nicht.175
Bei einer Pfändung durch Gläubigern des Treuhänders werden (als solche bei der Bank vom
Treuhänder eingerichtete) Anderkonten von Notaren, Rechtsanwälten etc. nur erfasst, wenn
diese im Pfändungsantrag/beschluss ausdrücklich einbezogen sind.176
Wird Treuhandvermögen von Gläubigern des Treuhänders gepfändet, so kann der Treugeber
nach wohl h.M. dem mit Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) entgegentreten, auch wenn das
Treuhandverhältnis nicht für Dritte (wie bei Anderkonten der Fall) publik ist, sofern das
Treugut als solches eindeutig identifizierbar ist.177
Gläubiger des Treugebers können (nur) den Anspruch des Schuldners gegen den Treuhänder
(Anwalt, Notar, etc.) auf Rückübertragung pfänden.178
II. offene Fremdkonten
Beim (offenen) Fremdkonto sind Gläubigerschaft (Kontoinhaberschaft) und
Verfügungsbefugnis getrennt. Für die Pfändung gegen den Kontoinhaber gelten die
allgemeinen Vorschriften.179
III. Sonderkonten
Im Falle sonstiger Sonderkonten, bei der bei Kontoeröffnung der Name eines Dritten angefügt
ist, ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln, ob nach dem Willen der Parteien
ausnahmsweise der dort angegebene Dritte (alleiniger) Inhaber des Kontos sein soll (offenes
Fremdkonto); dann gilt das unter II. gesagte. 180
Ansonsten liegt entweder ein offenes Treuhandkonto
gemeinschaftliches (oder-) Konto (s. dazu oben 4.4.).
vor
(dazu
I.),
oder
ein
IV. (verdeckte) Fremdkonten eines Strohmanns
Das Konto kann von Gläubigern des Kontoinhabers (=Strohmanns), nicht aber von
Gläubigern des Dritten gepfändet werden. Auch hier hat der Hintermann aber die
Möglichkeit, Drittwiderspruchsklage zu erheben.181 Gläubiger des Hintermannes können beim
Strohmann den Anspruch auf Rückgabe des Guthabens pfänden.
175
Stöber Rz 402ff
Capeller MDR 1954, 708 (708f)
177
So Stöber Rz 402 unter Berufung auf BGHZ 61, 72 (77) (dort allerdings für ein vertragliches Pfandrecht);
dagegen zurecht Canaris Bankvertragsrecht Rz 279f; vgl. auch BVerfG NJW 1983, 2766 (2767) „offenkundig“
178
Stöber Rz 403
179
Canaris, Bankvertragsrecht Rz 238f
180
Da der Giroverkehr auf eine schnelle Abwicklung angelegt ist, kommt dies jedoch nur in seltenen Fällen in
Betracht, vgl. Stöber Rz 408
181
Stöber Rz 409
176
27
V. Vermögensverschiebungen zu Lasten der Gläubiger können innerhalb gewisser Fristen von
den Gläubigern nach dem Anfechtungsgesetz durch Erhebung einer Anfechtungsklage
rückgängig gemacht werden (4 Jahre bei Schenkungen; 10 Jahre bei vorsätzlicher
Gläubigerbenachteiligung).
4.5.1.
Muss die Bank die Existenz derartiger Konten nachprüfen?
I. Ist das (offene) Anderkonto nicht ausdrücklich als gepfändet bezeichnet, so erklärt die
Banken das Vorhandensein eines Anderkontos, ohne aber den Kontostand oder sonstige
Einzelheiten zu erwähnen.182
II. Ja.
III. Je nach dem (s. 4.5.1.).
IV. Nein.
4.5.2.
Genügt für die Pfändung der Titel gegen den Schuldner?
I. Nein. Titel gegen Treuhänder nötig. Pfändungsbeschluss muss Anderkonto ausdrücklich
enthalten, s.o. 4.5.
II. Ja.
III. Je nach dem.
IV. Nein.
5.
Wirkung des Vollstreckungszugriffs
5.1.
Zahlungsverbot des Drittschuldners?
Ja, § 829 I 1 ZPO. Folge: Die Zahlung an den Schuldner hat (grds.) keine Erfüllungswirkung
mehr.183
5.2.
Einziehungsverbot des Schuldners?
Ja, § 829 I 2 ZPO. Der Schuldner hat sich jeglicher Verfügung zu enthalten, die das
Pfändungspfandrecht des Gläubigers beeinträchtigen könnte,184 vgl. oben 4.2.3.
5.3.
Rechtsstellung des Gläubigers:
5.3.1.
Erhält der Gläubiger ein Pfandrecht an der Forderung, das ihm Priorität
einräumt?
182
Stöber Rz 406, vgl. z.B. Nr. 11 der Sonderbedingungen der Volksbank für Anderkonten von Rechtsanwälten
Stöber Rz 565, Schack IZPR Rz 982
184
Stöber Rz 559
183
28
Ja, § 804 I-III ZPO. Der Rang des Pfandrechts bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der
Pfändung (Zustellung an Drittschuldner), nicht der Überweisung.185
5.3.2.
Sind
konkurrierende
Pfändungen
anderer
Gläubiger
zu
berücksichtigen?
Es ist zu unterscheiden:
I. Soweit sie im Rang vorgehen, können diese Gläubiger vorrangige Befriedigung verlangen.
II. Bei gleichem Rang infolge gleichzeitiger Zustellung haben die Gläubiger ein Recht auf
Befriedigung nach dem Verhältnis der Beträge, für die die Pfändung erfolgt ist. Für die
„Gleichzeitigkeit“ ist grundsätzlich die Uhrzeit der Zustellung maßgeblich. § 168 Nr. 1
GVGA sieht allerdings vor, dass der Gerichtsvollzieher, der nach Erhalt eines
Pfändungsauftrages und vor dessen Zustellung noch einen weiteren Pfändungsauftrag erhält,
beide gleichzeitig zuzustellen hat. Hierdurch wird das Prioritätsprinzip nicht unerheblich
beinträchtigt.186
III. Ein nachrangiger Gläubiger wird befriedigt, sofern von dem gepfändeten Betrag nach
Befriedigung der vorrangigen Gläubiger ein Rest verbleibt.
Näher unten 8.2.
5.3.3.
Wenn ja, innerhalb welcher Frist müssen konkurrierende Pfändungen
angebracht werden?
Eine erneute Pfändung ist möglich bis zur Überweisung an Zahlung statt an einen Gläubiger
oder bis zur Einziehung der Forderung durch den Gläubiger.187
5.3.4.
Erhält der Gläubiger die Forderung zur Einziehung überwiesen?
Ja, wahlweise. Alternativ kann er sie sich auch an Zahlung statt überweisen lassen, § 835 I
ZPO.
6.
Die Rechtsstellung des Drittschuldners
6.0.
Ist die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner für
die Pfändung konstitutiv?
Ja, § 829 III ZPO; s.o. 3.1.
6.1.
Die Erklärung des Drittschuldners:
185
Stöber Rz 779, 781
Kritisch Baur/Stürner Zwangsvollstreckungsrecht § 6 Rz 6.39. Abweichungen vom Prioritätsprinzip können
sich auch ergeben, wenn ein Gläubiger den Rang durch Rechtsmissbrauch erschlichen hat (z.B. falsche Angaben
zur Erwirkung einer öffentlichen Zustellung), vgl. Stöber Rz 782
187
Stöber Rz 774
186
29
6.1.1.
Wer fordert den Drittschuldner auf, über die Forderung / das Konto
Auskunft zu erteilen:
Gemäß § 840 ZPO gibt eine erfolgte gerichtliche Pfändung dem Gläubiger das Recht, vom
Drittschuldner Auskunft binnen zweier Wochen ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses zu
verlangen.188
6.1.1.1.
das Vollstreckungsorgan?
Nein.
6.1.1.2.
der Gläubiger?
Ja.
6.1.2.
Gibt es eine Frist, innerhalb der die Erklärung abzugeben ist?
Dauer der Frist?
Ja, zwei Wochen ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses, § 840 I ZPO. Kann durch den
Gläubiger (nicht aber das Gericht) verlängert werden. Nach h.M. muss die Erklärung in dieser
Frist dem Gläubiger (oder dem Gerichtsvollzieher, § 840 III ZPO) zugehen, nach a.A. genügt
Absendung der Erklärung. 189
6.2.
Gegenstand der Erklärung des Drittschuldners190:
Der Gegenstand der Erklärung hängt direkt vom Inhalt des Pfändungsbeschluss in Hinblick
auf die verschiedenen gepfändeten Forderungen ab.
6.2.1.
Aktueller Kontenstand?
Ja.
6.2.2.
Weitere Konten des Schuldners?
Ja, wenn Antrag + Pfändungsbeschluss entsprechend formuliert sind.
6.2.3.
Bestand der Forderung?
Ja, § 840 I Nr. 1. ZPO.191 Maßgebend ist der Pfändungszeitpunkt. Wiederholtes
Auskunftsverlangen ist aber möglich insb. bei der Pfändung künftiger Forderungen.192
188
Vgl hierzu Stöber Rz 627ff
Stöber Rz 637 m.w.N
190
Bitte fügen Sie - falls vorhanden - ein übliches Formular der Drittschuldnererklärung bei.
191
Stöber Rz 627
189
30
6.2.3.1.
Auch eventuelle Nebenrechte?
Ja.193
6.2.3.2.
Einwendungen gegen die Forderung?
Ja, § 840 I Nr. 1 ZPO
6.2.4.
Pfändungen konkurrierender Gläubiger?
Ja, § 840 I Nr. 3 ZPO. Auch sonstige Rechte Dritter, § 840 I Nr. 2 ZPO.
6.3.
Rechtswirkungen der Drittschuldnererklärung:
6.3.1.
Rechtswirkung als Anerkenntnis der Forderung?
Nein.
6.3.1.1.
Fehlende Erklärung als Fiktion eines Anerkenntnisses?
Nein.194
6.3.2.
Wenn nein: Auswirkungen im Prozess des Gläubigers
gegen den Drittschuldner (Beweislastumkehr)?
Keine195
6.4.
Die Sanktionierung der Drittschuldnererklärung
6.4.1.
Führt die unrichtige Erklärung/fehlende Erklärung zur Anerkennung der
Forderung?
Nein, s.o.
6.4.2.
Führt die fehlende Geltendmachung von Einwendungen zu deren
Ausschluss?
192
Stöber Rz 635
Stöber Rz 652
194
Heute ganz h.M., BGHZ 69, 328 (329), Stöber Rz 646 m.w.N.. Ganz ausnahmsweise kann aber bei
entsprechender Formulierung der Drittschuldnererklärung diese als Schuldanerkenntnis auszulegen sein.
195
Vgl. Stöber Rz 648ff, insb. Rz 652
193
31
Nein.
6.4.2.1.
Gibt es eine Schadensersatzpflicht des Drittschuldners?
Ja, § 840 II 2 ZPO.
6.4.2.2.
Nennen Sie die Tatbestandsvoraussetzungen der
Schadensersatzpflicht, insbesondere, ob ein Verschulden des
Drittschuldners erforderlich ist?
Schuldhafte Nicht- oder Schlechterfüllung (zu spät, unvollständig oder falsch) des
Auskunftsanspruchs des Gläubigers. Dabei liegt die Beweislast für fehlendes Verschulden
beim Drittschuldner.196
6.4.2.3.
Umfang der Schadensersatzpflicht?
Der dem Gläubiger durch die Nicht-/Schlechterfüllung kausal entstehende Schaden ist zu
ersetzen. Hierzu gehört insbesondere: Unnütz aufgewandte Kosten der Rechtsverfolgung
(vorgerichtlich und Prozesskosten) gegen den Drittschuldner; Versäumnis anderer
Vollstreckungsmöglichkeiten gegen Schuldner. 197
Nicht umfasst sind Schäden infolge des Unterlassens einer Pfändung aus anderen Titeln.198
6.4.2.4.
Wie kann die Schadensersatzpflicht geltend gemacht werden?
Normale Klage. Ist bereits eine Klage des Gläubigers gegen den Drittschuldner auf Zahlung
aus der gepfändeten Forderung anhängig, kann die Klage (jedenfalls in Hinblick auf die
Prozesskosten) abgeändert werden, §§ 263f ZPO.199
6.5.
Der Schutz des Drittschuldners
6.5.1.
Welche Einwendungen kann der Drittschuldner geltend machen?
Die Klage des Gläubigers gegen den Drittschuldner ist begründet, wenn der gepfändete
Anspruch des Schuldners an den Drittschuldner besteht und wirksam gepfändet ist.
Dementsprechend kann der Drittschuldner die Unwirksamkeit der Pfändung geltend machen,
das Bestehen einer Forderung des Schuldners bestreiten. Darüber hinaus kann er dem
196
BGHZ 79, 275 (277), Stöber Rz 648 m.w.N.
Stöber Rz 649
198
Stöber Rz 649a
199
Stöber Rz 650
197
32
Gläubiger alle Einwendungen entgegensetzen, die er gegen den Schuldner hatte, §§ 404,
1211, 412 BGB.200
Er kann dem Gläubiger nicht entgegenhalten, die Vollstreckungsforderung (des Gläubigers
gegen den Vollstreckungsschuldner) bestehe nicht.201
6.5.2.
Gibt es einen Schutz gegen irrtümliche Zahlungen an den Schuldner?
6.5.2.1.
Als Gutglaubensschutz?
Bei irrtümlichen Zahlungen an den Schuldner: Ja, § 407 BGB analog.202
6.5.2.2.
Als Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger?
Bei irrtümlichen Zahlungen an den Gläubiger: Ja.203
6.5.3.
Kann der Drittschuldner Ersatz seiner Aufwendungen verlangen?
6.5.3.1.
Wenn ja, vom Gläubiger?
Nein. Prozessuale Verpflichtung im Interesse der Allgemeinheit.204
6.5.3.2.
Wenn ja, vom Schuldner?
Grundsätzlich: Nein. Eine anderweitige vertragliche Abrede ist jedenfalls nicht durch AGB
möglich205.
7.
Schuldnerschutz (Immunities)
7.1.
Erfasst die Forderungspfändung auch das sog. „Gehaltskonto“ (i.w.S.,
auch: Leistungen der Sozial- und Rentenkassen) des Schuldners?
I. Arbeitseinkommen: Ja (anders bei der Lohnpfändung beim Arbeitgeber).
II. Sozialleistungen: Grundsätzlich ja, s. aber unten 7.4. zu § 55 I SGB AT
7.2.
Wenn nein, erklären Sie bitte den Ablauf der Vollstreckung in
Gehaltskonten.
7.3.
Wenn ja, gibt es besondere Schutzvorschriften für den Schuldner und
seine Familie?
200
Stöber Rz 663
Stöber Rz 664
202
BGHZ 86,337 (339), Stöber Rz 620
203
OLG Düsseldorf WM 2002, 74 (Leistungskondiktion)
204
BGH NJW 2000, 651 (652), Stöber Rz 647, str
205
BGH NJW 2000, 651 (651)
201
33
Ja, §§ 850ff ZPO / § 55 SGB AT.
7.3.1.
Gibt es Pfändungsfreigrenzen für den Schuldner selbst?
Ja.
7.3.1.1.
Sind diese gesetzlich geregelt?
Ja , § 850c I 1 ZPO / § 54 SGB AT.
7.3.1.2.
Legt das Vollstreckungsgericht die Grenzen fest?
I. Arbeitseinkommen: Nein.
II. Sozialleistungen: Nein.206
7.3.2.
Gibt es Pfändungsfreigrenzen für die Angehörigen des Schuldners
(insbesondere Unterhaltsgläubiger)?
I. Bei Vorhandensein von Unterhaltsgläubigern erhöht sich die Pfändungsfreigrenze
gegenüber dritten Gläubigern gemäß § 850c I S.2 ZPO.
Für Pfändung durch Unterhaltsgläubiger
Unterhaltsschuldners gem. § 850 d ZPO.
gelten
niedrigere
Freigrenzen
des
II. Gemäß § 54 SGB AT gelten die § 850ff ZPO für laufende Geldleistungen der Sozialkassen
insoweit entsprechend.
7.3.2.1.
Sind die Pfändungsfreigrenzen gesetzlich geregelt?
Ja, s.o.
7.3.2.2.
Legt das Vollstreckungsgericht die Grenzen fest?
Nein.
7.3.3.
Gibt es eine Indexierung der Freigrenzen?
Ja, § 850c IIa ZPO.
206
Vgl. Stöber Rz 1363
34
7.4.
Das Verfahren des Schuldnerschutzes
I. Arbeitseinkommen
Für den Pfändungsschutz irrelevant ist, ob auf dem „Gehaltskonto“ noch sonstige Zahlungen
eingehen.207
1) Im Gegensatz zur Pfändung der Lohnforderung beim Arbeitgeber (Berücksichtigung der
Pfändungsfreigrenzen durch den Arbeitgeber) erfolgt bei der Kontenpfändung eine (teilweise)
Aufhebung der Pfändung erst auf Antrag des Schuldners, § 850k ZPO. Dies wird ermöglicht
durch § 835 II 2 ZPO, der bestimmt, dass die Bank bei Kontoguthaben natürlicher Personen
erst zwei Wochen nach Überweisung an den Gläubiger leisten oder hinterlegen darf.208
2) Bei dem Antrag auf Aufhebung sind zwei Stufen zu unterscheiden:
a) Gemäß § 850k I ZPO ist die Pfändung aufzuheben, soweit das Guthaben dem der (insb.
nach §§ 850c/d ZPO) Pfändung nicht unterworfenen Teil der Einkünfte des Schuldners für die
Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht.209 Hierfür trägt der
Schuldner die volle Beweislast.210
Wird dem Antrag stattgegeben, erlischt das Pfändungspfandrecht des Gläubigers. Ein auf dem
Konto belassener Betrag verliert jedoch infolge des Kontokorrents wieder seine
Selbstständigkeit und kann mit dem nächsten Saldo (idR vierteljährlicher Saldo, aber auch
Pfändungsaldo durch neue Pfändung) gepfändet werden.211 Ein erneuter Antrag nach § 850k
ist aber möglich.
b) In der Praxis wichtiger ist der sog. Vorabschutz nach § 850k II ZPO: Ist der Antrag nach §
850k I ZPO gestellt, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag oder auch von Amts
wegen (allerdings nicht gegen den Willen des Schuldners)212 einer Notlage des Schuldners
dadurch vorbeugen, dass es für den laufenden, dringend notwendigen Unterhalt die Pfändung
aufhebt. Die so freigegebene Summe darf die voraussichtlich nach § 850k I ZPO
freizugebende Summe nicht übersteigen. Im Gegensatz zu § 850k I ZPO bedarf es für § 850k
II ZPO nur einer Glaubhaftmachung der Behauptungen des Schuldners (§ 850k II 3 ZPO).
3) Die Frist des § 835 II 2 ZPO kann durch einstweilige Anordnung nach § 850k III ZPO
verlängert werden, wenn sie vor Erlass eines Beschlusses nach § 850k I oder II abzulaufen
droht.213
4) Bei der Zwangsvollstreckung in ein Oderkonto dürften § 850k und § 55 SGB AT auch
dann eingreifen, wenn diese durch einen Gläubiger des anderen Kontoinhabers erfolgt.214
5) In besonderen Fällen kann das Vollstreckungsgericht nach § 765a ZPO die Pfändung eines
Kontos als sittenwidrige Härte für den Schuldner aufheben, wenn auf dieses Konto nur der
207
Stöber Rz 1282 m.w.N.
Streitig ist, ob hiervon auch Konten umfasst sind, auf denen für die Bank erkennbar keinerlei
wiederkehrenden Einkünfte eingehen (insb. Sparkonten), vgl. Stöber Rz 1286, Stein/Jonas-Brehm ZPO § 835 Rz
48
209
Beispiel: Bei Lohnzahlung am 1. des Monats und Pfändung am 5. Juni: Pfändungsschutz hinsichtlich 25/30
des monatlich pfändungsfreien Einkommens. Bei Pfändung am 25. Juni: Pfändungsschutz nur hinsichtlich 5/30,
auch wenn das ganze Monatseinkommen auf dem Konto belassen wurde. Näher: Stöber Rz 1290
210
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 850k Rz 16
211
Stöber Rz 1292
212
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 850k Rz 22
213
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 850k Rz 26ff
214
Canaris, Bankvertragsrecht Rz 228
208
35
unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens eingeht und die Vollstreckung daher von
vorneherein aussichtslos bzw. der Pfändungsantrag rechtsmissbräuchlich erscheint.215
II. Sozialleistungen
1) Gemäß §§ 54,55 Sozialgesetzbuch – allgemeiner Teil (SGB AT) sind Guthaben, die durch
Überweisung von Sozialleistungen auf das Konto des Schuldners entstanden sind, für 7
Kalendertage ab Gutschrift unpfändbar. Eine Pfändung des Guthabens gilt mit der Maßgabe
ausgesprochen, dass sie das Guthaben in Höhe des unpfändbaren Anteils der Sozialleistungen
während der 7 Tage nicht umfasst, § 55 I S. 2 SGB AT. Die Saldoziehung beim Kontokorrent
erfolgt dennoch zum Zustellungszeitpunkt, nur bleibt der Schuldner in genanntem Umfang
verfügungsbefugt. Verfügt der Schuldner nicht binnen 7 Tagen über das Geld, ist der gesamte
Saldo von der Pfändung (und Überweisung) umfasst.216
Ist der Schuldner im Debet, so geht eine Pfändung ohnehin ins Leere.217
2) Gemäß § 55 II SGB AT muss die Bank nach der Pfändung nur an den Schuldner zahlen,
soweit ihr die Unpfändbarkeit bekannt ist oder der Schuldner sie ihr nachweist. Eine in dieser
Frist an den Gläubiger durchgeführte Zahlung wirkt dem Schuldner gegenüber nicht
befreiend, § 55 III SGB AT. Der Schuldner kann in einem solchen Fall nochmalige Leistung
an sich auch dann verlangen, wenn er den Nachweis der Unpfändbarkeit erst nach Ablauf der
sieben Tage erbringt; die Bank hat dann allerdings einen Bereicherungsanspruch gegen den
Gläubiger.218 Hat der Schuldner nach Pfändung innerhalb der 7-Tage über die volle Höhe der
Sozialleistung verfügt, erfasst die Pfändung das verbleibende Kontoguthaben, § 55 II 2 SGB
AT.219
3) Belässt der Schuldner sein Geld über die 7-Tagesfrist hinaus auf dem Konto, so schützt ihn
§ 55 IV SGB AT: Sozialleistungen, die als solche generell unpfändbar sind, bleiben dies auch
nach Überweisung auf das Konto.220 Im Übrigen verweisen §§ 55 IV, 54 IV SGB AT für die
durch Gutschrift laufender Sozialleistungen entstandene Forderungen221 auf die §§ 850ff
ZPO.222 Diese sind unpfändbar, soweit ihr Betrag dem unpfändbaren Teil der Leistungen für
die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht.
In beiden Fällen erfolgt im Gegensatz zu § 55 I SGB AT der Pfändungsschutz nicht
automatisch bzw. durch die Bank. Die Pfändung ist vielmehr wirksam und muss per
Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) angegriffen werden, wobei eine einstweilige
Anordnung nach §§ 766 I 2, 732 II ZPO möglich ist.223
215
Vgl. bejahend LG Rostock Rechtspfleger 2003, 37 (37) wegen Gefahr der Kündigung des Girokontos eines
Beziehers von Erwerbsunfähigkeitsrente; im Einzelfall ablehnend LG Traunstein Rechtspfleger 2003, 309 (309).
Ebenfalls über § 765a ZPO erfolgte der Pfändungsschutz bezüglich Mieteinnahmen mit Lohnersatzfunktion bei
einem Hausmeister im Beschluss des LG Heilbronn Rechtspfleger 2003, 202 (202).
216
Stöber Rz 1430, Liesecke WM 1975, 314 (323), a.A. wohl Terpitz BB 1976, 1564 (1565f)
217
Die Bank selbst kann aber innerhalb der 7-Tagesfrist eine Auszahlung an den Schuldner in Höhe der
Gutschrift nicht wegen des Debets verweigern, es sei denn, die Bank hat das Debet als Vorschuss auf die
Gutschrift zugelassen, Liesecke a.a.O. S. 323. § 55 SGB AT hat also grundsätzlich Vorrang vor der
Kontokorrentabrede.
218
Stöber Rz 1430
219
Stöber Rz 1436a
220
Insbesondere einmalige Zahlungen sowie Erziehungsgeld (§ 54 III Nr.1 SGB AT), Mutterschaftsgeld (Nr.2),
Kindergeld (Gem. § 54 V SGB AT / § 76 Einkommenssteuergesetz ist der Anspruch auf Kindergeld gegen den
Staat nur aufgrund des Unterhaltsanspruchs eines Kindes pfändbar).
221
Hierunter fallen insbesondere die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
222
Vgl. oben 7.4. I 2a)
223
Stöber Rz 1439i
36
4) Gemäß § 850i ZPO bleibt § 55 SGB AT unberührt, d.h. § 850k ZPO ist auf
Sozialleistungen nicht anwendbar.224 Die Zwei-Wochenfrist des § 835 III 2 ZPO schützt aber
auch Konten, auf die Sozialleistungen eingehen.225
Gehen auf ein Konto sowohl Arbeitseinkommen wie Sozialleistungen ein, sind § 850k ZPO
und § 55 SGB AT nebeneinander je für ihren Regelungsbereich anwendbar.226
7.4.1.
Werden die Schutzvorschriften von Amts wegen oder auf Antrag (des
Schuldners und seiner Familienangehörigen) angewandt?
I. Arbeitseinkommen
1) Endgültige Freigabe nach § 850k I: Auf Antrag, s.o. 7.4. I 2a)
2) Vorabschutz nach § 850k II: Auch von Amts wegen, s.o. 7.4. I 2b)
3) § 835 III 2 ZPO: kraft Gesetzes227
4) Einstweilige Anordnung nach § 850k III ZPO: Auf Antrag oder von Amts wegen228
II. Sozialleistungen
1) § 55 I: Sieben-Tagesfrist: kraft Gesetzes, s.o. 7.1.
2) Vorabschutz analog § 850k II ZPO nicht möglich229 (aber auch unnötig).
3) § 835 III 2 ZPO: kraft Gesetzes, s.o.
4) § 55 IV: Erinnerung durch Schuldner nötig230
5) Einstweilige Anordnung nach § 766 I 2, 732 II ZPO auf Antrag oder von Amts wegen
7.4.2.
Kann der Schuldner die Auszahlung eines bestimmten Freibetrags für
seinen Lebensunterhalt verlangen?
7.4.2.1.
Aufgrund einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts
I. Arbeitseinkommen: Ja, s.o. 7.4.1.
II. Sozialleistungen: In den Fällen des § 55 IV SGB AT.
7.4.2.2.
Unmittelbar vom Drittschuldner unter Vorlage eines Formblatts
Sozialleistungen: In der 7-Tagesfrist des § 55 I SGB AT, ohne Formblatt.
224
Stöber Rz 1298
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 835 Rz 48
226
Stöber Rz 1298
227
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 835 Rz 48
228
Stöber Rz 1296
229
Stöber Rz 1439i
230
Ganz h.M., Stöber Rz 1439i m.w.N.; a.A. noch Landmann Rechtspfleger 2000, 440 (446): Automatische
Anwendung des § 55 IV durch die Bank; insoweit revidiert in Landmann Rechtspfleger 2001, 282 (282).
225
37
7.4.3.
Wer berechnet den Freibetrag:
7.4.3.1.
Das Vollstreckungsorgan?
I. Ja. Zuständig ist der Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht, § 20 Nr. 17 RPflG, § 850k.
II. In den Fällen des § 55 IV SGB AT. Ausschließlich zuständig ist der Richter beim
Vollstreckungsgericht, §§ 766I, 764, 802 ZPO, § 20 Nr. 17 RPflG, mit Abhilfemöglichkeit
des Rechtspflegers.231
7.4.3.2.
Der Drittschuldner?
I. Bei direkter Lohnpfändung ja, nicht bei Kontenpfändung.
II. In den Fällen des § 55 I SGB AT.
7.5.
Kann der Gläubiger seinerseits eine besondere Schutzbedürftigkeit
geltend machen?
7.5.1.
Bei der Vollstreckung wegen Unterhalt
Ja, § 850d sowie § 850f I a.E. ZPO / i.V.m. § 54 IV SGB AT.
7.5.2.
Bei der Vollstreckung wegen einer Forderung aus unerlaubter
Handlung des Schuldners
Ja, § 850f II ZPO / i.V.m. § 54 IV SGB AT.
7.5.3.
Welches Vollstreckungsorgan entscheidet über den Antrag?
Das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger/Richter), s.o..
8.
Die Einziehung der Forderung
8.1.
Welche Befugnis hat der Gläubiger zur Einziehung der gepfändeten
Forderung?
Ihm wird wahlweise die (Geld-) Forderung an Zahlung statt übertragen oder er wird zur
Einziehung ermächtigt, § 835 I ZPO.
231
Stöber Rz 1439i
38
8.1.1.
Wird ihm die Forderung übertragen?
Wahlweise, s.o. Dann gilt § 835 II.
8.1.2.
Gilt er zur Einziehung ermächtigt?
Ja, wenn er die Überweisung zur Einziehung beantragt hat, § 836 ZPO.
8.1.3.
Bedarf
die
Einziehung
einer
weiteren
Entscheidung
des
Vollstreckungsorgans?
Es bedarf neben dem Pfändungsbeschluss des Überweisungsbeschlusses, der die
Berechtigung zur Einziehung herstellt, § 836 I ZPO. Beide Beschlüsse werden i.d.R. in einem
Formblatt verbunden.232
8.1.4.
Wie erfolgt die Titulierung der Forderung zugunsten des Gläubigers?
8.1.4.1.
In einem gesonderten Prozess zwischen Gläubiger und Drittschuldner?
Ja, dabei ist dem Schuldner der Streit zu verkünden, § 841 ZPO.
8.1.4.2.
Durch
das
Vollstreckungsgericht,
wenn
der
Drittschuldner
die
Forderung anerkennt?
Nein.
8.2.
Welche Rechte haben konkurrierende Gläubiger?
Soweit die Forderung des Schuldners gegen die Bank durch Pfändung und Überweisung an
Zahlung statt an den Pfändungsgläubiger nicht mehr beim Schuldner existiert, geht eine
spätere Pfändung ins Leere und ist unwirksam.
Entsprechenden gilt im häufigeren Fall einer Überweisung zur Einziehung, soweit die
Einziehung (Leistung durch die Bank) vor Erlass der zweiten Pfändung erfolgt und damit die
Forderung untergegangen ist.
Zu beachten ist, dass eine Überweisung an Zahlung statt nur in Höhe der Gläubigerforderung
erfolgt, und bei der Überweisung zur Einziehung der Gläubiger nur in Höhe seiner Forderung
zur Einziehung ermächtigt ist; s.o. 4.2. Darüber hinausgehende Beträge können von einer
späteren Pfändung erfasst werden.
Ist eine Forderung vor der Einziehung von mehreren Gläubigern wirksam gepfändet, so gilt
gemäß § 804 III ZPO das Prioritätsprinzip hinsichtlich der verschiedenen Pfändungen, vgl.
5.3.2. Nach § 853 ZPO kann der Drittschuldner bei mehrfachen Pfändungen den Betrag mit
befreiender Wirkung bei dem Amtsgericht hinterlegen, dessen Pfändungsbeschluss ihm zuerst
zugestellt wurde. Gemäß §§ 853, 856 I ZPO ist jeder Gläubiger berechtigt, vom
Drittschuldner Hinterlegung des von diesem dem Schuldner geschuldeten Betrages zu
verlangen und den Drittschuldner (alternativ zur Zahlungsklage) nötigenfalls auch auf
232
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 835 Rz 2
39
Hinterlegung zu verklagen.233 Alle weiteren Pfändungsgläubiger werden auf Antrag des
Drittschuldners zum zuerst anhängigen Prozess beigeladen. Das Urteil wirkt (insb. in
Hinblick auf die befreiende Wirkung der Hinterlegung) dann auch gegen sie. Weiteren
Prozessen der Pfändungsgläubiger gegen den Drittschuldner steht damit im Ergebnis durch
die Beiladung der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen.234 Genügt der hinterlegte Betrag
nicht zur Befriedigung aller Pfändungsgläubiger, so erfolgt die Verteilung durch das Gericht
in einem Verteilungsverfahren gemäß den §§ 872ff ZPO nach Priorität.
Ein konkurrierender Gläubiger, der Inhaber eines vorrangigen rechtsgeschäftlichen
Pfandrechts an der Forderung ist235, kann seine Rechte durch Erhebung der
Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO, § 1290 BGB geltend machen. Entsprechend dem
Rechtsgedanken des § 805 ZPO wird hierbei aber nur die Verwertung durch den
nachrangigen Pfändungsgläubiger für unzulässig erklärt; dessen Pfändungspfandrecht als
solches bleibt wirksam und führt im Ergebnis zur Befriedigung des Pfändungsgläubigers aus
dem Rest des Erlöses, soweit vorhanden.236 Bis zur Entscheidung über die Klage nach § 771
ZPO kann das Gericht die Zwangsvollstreckung (auch ein anhängiges Verteilungsverfahren
zwischen den Pfändungsgläubigern) vorläufig einstellen.237
8.2.1.
Gilt das Prioritäts- oder das Gruppenprinzip?
Prioritätsprinzip, s.o. 5.3.2.
8.2.2.
Wenn das Gruppenprinzip gilt:
8.2.2.1.
Wie erfolgt die Anmeldung weiterer Forderungen?
8.2.2.2.
Gibt es eine öffentliche Bekanntmachung?
8.2.2.3.
Gibt es Anmeldefristen? Welche Rechtsfolge hat die Fristversäumung?
8.2.2.4.
Wie werden die Forderungen verteilt?
9.
Rechtstatsächliche Informationen
9.1.
Wie viele Forderungspfändungen werden in Ihrem Land jährlich
bewirkt?
Im Gegensatz zur statistischen Lage bei Sachpfändungen ist die Datensituation bei der
Kontenpfändung leider recht dünn. Insbesondere weisen die Erhebungen des Statistischen
233
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 642. Dies setzt allerdings eine entsprechende internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte für diese Klage voraus.
234
Stein/Jonas-Brehm ZPO § 856 I Rz 2 m.w.N.
235
§ 1280 BGB verlangt i.d.R. für die Wirksamkeit der Verpfändung einer Forderung, dass die Verpfändung
dem Schuldner dieser Forderung (hier also der Bank) angezeigt wird. Dies gilt nicht für deren Abtretung.
236
wohl h.M., vgl. Stein/Jonas-Münzberg ZPO § 805 Rz 1 m.w.N.; a.A. OLG Hamm NJW-RR 1990, 233: es ist
ausschließlich § 805 ZPO (analog) anzuwenden.
237
Stein/Jonas-Münzberg ZPO § 872 Rz 3
40
Bundesamtes238 die Kontenpfändungen nicht gesondert aus, sondern nur als Teil der
„sonstigen Vollstreckungssachen“, von denen Sie c.a. die Hälfte ausmachen.
1993: c.a. 1,2 mio Pfändungsanträge im Gebiet der alten BR Deutschland ohne neue
Bundesländer 239
1998: c.a. 1,7 mio Pfändungsanträge für Gesamt-Deutschland240
Von 1998 bis 2000 ist ein starker Rückgang der sog. „sonstigen Vollstreckungssachen“
festzustellen; da Verfahren für Eidesstattliche Versicherungen für 2000 noch nicht getrennt
ausgewiesen sind, kann für 2000 nur sehr grob geschätzt werden.
2000: c.a. 1,4 mio Pfändungsanträge für das gesamte Deutschland
Die Höhe der gepfändeten Forderungen ist nicht statistisch erfasst.
9.2.
In welcher Relation stehen diese Maßnahmen zu
9.2.1.
Vollstreckungsmaßnahmen insgesamt (Anzahl/Höhe)?
Jahr
1993
2000
Zwangsvollstreckungsaufträge Gerichtsvollzieher:
8.200.000
8.900.000
Zwangsversteigerungen/Zwangsverwaltungen:241
48000
100000
9.2.2.
Mobiliarvollstreckungen (Anzahl/Höhe)?
1993: 8,2 Mio Aufträge, eingezogen ca. 1.0 Mrd EUR242
2000: 8,9 Mio Aufträge, eingezogen ca. 1.5 Mrd EUR243
2001: 8,8 Mio Aufträge, eingezogen: ca. 1.5 Mrd EUR244
9.3.
Gibt
es
Informationen
über
die
Verfahrensdauer
bei
Kontenpfändungen:
Statistisches Material ist zu 9.3. nicht verfügbar. Die folgenden Angaben beruhen auf
Erfahrungswerten von Praktikern.
9.3.1.
Im Hinblick auf die Beschlagnahme des Kontos?
238
Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 (Rechtspflege) Reihe 2, 2000 S. 34f
Institut für Rechtstatsachenforschung der Universität Konstanz, Arbeitsplatz Gericht – Effizienz der
Zwangsvollstreckung (Zwischenbericht) S. 8f
240
Hierzu und zum Folgenden Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 (Rechtspflege) Reihe 2, 2000 S. 35
241
Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 (Rechtspflege) Reihe 2, 2000 S. 35
242
Übersicht DGVZ 1994 S. 143
243
Übersicht DGVZ 2001 S. 143
244
Übersicht DGVZ 2002 S. 143
239
41
Zwischen Antragstellung,245 Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB)
und dessen Zustellung an einen Drittschuldner (in Deutschland) vergeht i.d.R. weniger als
eine Woche, üblich sind 3 Arbeitstage.
Die in § 845 ZPO vorgesehen Vorpfändung (s.o. 1.1.) erfolgt i.d.R. innerhalb von 1-2 Tagen
(2-3 Tage in ländlichen Regionen). Von Problemen, die Monatsfrist des § 845 II ZPO zur
Bewirkung der eigentlichen Pfändung durch Zustellung des PfÜB beim Drittschuldner
einzuhalten, wird - soweit ersichtlich - nichts berichtet.
9.3.2.
Im Hinblick auf die Befriedigung des Gläubigers?
Gemäß § 840 ZPO hat der Drittschuldner zwei Wochen Zeit, um seine Erklärung abzugeben
(6.1.2.) Der weitere Verlauf hängt stark davon ab, ob der Drittschuldner die Forderung
anerkennt oder nicht. Staatliche Organe erhalten bei freiwilliger Zahlung an den Gläubiger
i.d.R. keine Rückmeldung, so dass statistische Angaben nicht verfügbar sind.
Zu beachten ist auch, dass der überwiesene Anspruch auf den Tagessaldo aufgrund der
Kontokorrentabrede erst im Zeitpunkt des nächsten periodischen Rechnungsabschluss fällig
ist, im Gegensatz zum deswegen möglichst mit zu pfändenden Anspruch aus dem Girovertrag
auf Auszahlung des Tagesguthabens.246
9.3.3.
Im Hinblick auf eventuelle Rechtsbehelfe des Drittschuldners bei den
Vollstreckungsgerichten?
Über die (seltene) Vollstreckungserinnerung des Drittschuldners wird i.d.R. innerhalb von 12, selten 3 Monaten entschieden.
9.3.4.
Für den Fall, dass der Gläubiger die Forderung gegen den
Drittschuldner gerichtlich geltend macht?
Hierfür gibt es keine gesonderte Statistik. Entsprechende Klagen werden als normale
Zivilverfahren erfasst.
Erstinstanzliche Zivilklagen bei Amtsgerichten werden zu 79% innerhalb von 6 Monaten
erledigt,247 zu 95% innerhalb von 12 Monaten. Bei Langgerichten (ab 5000 EUR Streitwert, §
23 GVG) sind 63% der erstinstanzlichen Klagen innerhalb von 6 Monaten erledigt, zu 85%
innerhalb von 12 Monaten.248 Da der Gläubiger jedoch Informationsdefizite hat, spricht viel
dafür, dass die Vorbereitung derartiger Verfahren zusätzliche Zeit erfordert.
9.4.
Über welche praktischen Vollzugsprobleme wird in ihrem Land
berichtet?
Reformbedarf wird vor allem im Bereich der Sachpfändung gesehen.
245
Ausgehend von einem vollständigen, zulässigen Pfändungsantrag
Stöber Rz 162
247
Erledigung i.d.S. tritt insb. ein, wenn ein Urteil ergeht, egal, ob dieses mit der Berufung angegriffen wird oder
nicht. Gegebenenfalls ist zu der angegebenen Zahl daher noch die Dauer eines Berufungsverfahrens
hinzuzurechnen.
248
http://www.destatis.de/download/d/veroe/fach_voe/gerichte.pdf
246
42
9.5.
Gibt es rechtspolitische Änderungsvorschläge zur Pfändung von
Bankkonten?
Kritik besteht vor allem an der Zersplitterung der Zuständigkeiten insgesamt. Die
Forderungspfändung wird als im Wesentlichen gut funktionierend angesehen, es sind eher
kleinere Änderungen angedacht.249
9.6.
Vorausgesetzt, ein Betrag von 10.000,- € wird vollstreckt, welche
Kosten fallen für den Vollstreckungsakt an:
9.6.1.
beim Vollstreckungsorgan?
10 EUR, s.o. 2.8.1.
9.6.2.
für die Beauftragung eines Rechtsanwalts (durch den Gläubiger)?
146 EUR (3/10 Gebühr, § 57 BRAGO). Entsprechend weniger, falls gepfändete Forderung
weniger wert als 10000 EUR ist.
9.6.3.
Wer trägt diese Vollstreckungskosten?
Vorschuss durch Gläubiger, im Ergebnis Schuldner, § 788 ZPO, s.o. 2.8.2.
10.
Grenzüberschreitende Kontenpfändung
Insoweit sind grundsätzlich zwei Problemkreise zu unterscheiden:
I. Die Pfändung von Konten deutscher Banken, die bei ausländischen Filialen ohne eigene
Rechtspersönlichkeit geführt werden (und i.d.R. dort zu erfüllen sind); dazu oben 1.2.1.1.
II. Die Pfändung von Konten bei Banken mit Sitz im Ausland, dazu oben 1.2.1.
10.1.
Ist eine grenzüberschreitende Kontenpfändung in ihrem Land zulässig?
10.1.1.
gegen einen Drittschuldner im Ausland?
Ja, sofern eine sonstige Zuständigkeit gegeben ist. Siehe zunächst oben 1.2. und 1.2.1.
Im Frühjahr 1998 haben sich das Bundesjustizministerium und die Justizministerien der
Länder sich darauf verständigt, dass die internationale Forderungspfändung keine
exterritoriale Zwangswirkung hat. Daraufhin wurde auch die Rechtshilfeordnung für
249
Vgl. zu verschiedenen Reformbemühungen Baur/Stürner Zwangsvollstreckungsrecht I, 12. Aufl. 1995, Nr.4.7
ff, insb. 4.17
43
Zivilsachen (ZRHO) in Art. 28 und 59 dahingehend abgeändert, dass der Hinweis auf eine
mögliche Beeinträchtigung fremder Hoheitsrechte durch die Zustellung von PfÜBen
gestrichen wurde.250
Seitdem erfolgen grenzüberschreitende Zustellungen, insbesondere nach Österreich und
Frankreich.
Einen Sonderfall bildet die Frage einer Exemption eines staatlichen Drittschuldners.251
10.1.2.
gegen einen Schuldner im Ausland?
Ja, sofern eine sonstige Zuständigkeit gegeben ist (s.o. 1.2); Art. 3 II EuGVÜ / EuGVO steht
dem nicht entgegen.252 Die Pfändung ist wirksam mit der Zustellung an den Drittschuldner
(s.o. 3.1.).
10.2.
Wenn eine solche Kontenpfändung unzulässig ist, welche Begründung
wird hierfür gegeben:
10.2.1.
Territorialität der Vollstreckungshandlung?
10.2.2.
Schutz des Schuldners?
10.2.3.
Schutz des Drittschuldners?
10.2.4.
Schutz konkurrierender Gläubiger?
10.2.5.
Bitte geben Sie weitere Begründungen an
10.3.
Wenn eine grenzüberschreitende Kontenpfändung zulässig ist, wie wird
diese durchgeführt?
10.3.1.
Durch Zustellung des Vollstreckungsakts
Drittschuldner nach VO 1348/00/EG?
an
den Schuldner /
Ja, s.o. 1.2.1. Die Zustellung an den Schuldner im Ausland erfolgt nach § 829 II 4 ZPO durch
Aufgabe zur Post.
10.3.2.
Durch Zustellung des Vollstreckungsakts an die inländische Haupt/Zweigniederlassung der Bank, jedoch mit der Folge, dass auch Konten
im Ausland gepfändet werden?
I. Bei Hauptniederlassung in Deutschland: Ja, s.o. 1.2.1.1.
II. Bei Zweigniederlassung in Deutschland: Ja, s.o. 1.2.1.
250
Gottwald, IPRax 1999, 395 (396)
Vgl. hierzu LG Stuttgart NJW 1986, 1442 für die Witwenrente eines früher in Deutschland stationierten US
Soldaten (insoweit unzutreffend, da Art. 34 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut im Verhältnis zu
den USA den Pfändungsakt erlaubt, wenn der Anspruch nach US-Recht pfändbar ist, und sich die
Unpfändbarkeit nach den Ausführungen des LG erst aus der analogen Anwendung des deutschen Rechts ergab)
252
OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456 (456f) Nagel/Gottwald IZPR § 17 Rz 59; A.A. Jestaedt IPRax 2001, 438
(440)
251
44
10.3.3.
Sind fiktive Zustellungen zulässig?
Theoretisch ja, s.o. 3.1.3.253 Praktisch sind sie für Kontenpfändungen im Europäischen
Justizraum ausgeschlossen, da die Adresse einer Bank stets ermittelbar sein dürfte und eine
Zustellung per Post (Mindestanforderung: Einschreiben mit Rückschein, § 183 III 2 ZPO)
nach Art. 14 EuZVO (VO 1348/2000) möglich ist.
Ein gewisses fiktives Element liegt in § 829 II 1 ZPO (s.o.10.3.1.), da die Zustellung an den
Schuldner bereits mit der Aufgabe zur Post bewirkt ist (für den Rang des Pfändungspfandrechts kommt es aber auf die Zustellung an den Drittschuldner an).
10.3.4.
Welches Recht ist auf den grenzüberschreitenden Vollstreckungsakt
(im Hinblick auf das ausländische Konto) anwendbar:
Soweit prozessuale Handlungen in Rede stehen, ist nur das deutsche Recht als lex fori
anwendbar.254 Auf tatbestandliche Voraussetzungen der prozessrechtliche Normen kann
jedoch nach den allgemeinen Regeln des IPR ausländisches Recht anwendbar sein. Beispiel:
die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit (inklusive der Wirkungen eines Kontokorrents) als
Vorfrage der Pfändbarkeit eines Anspruchs;255 diese richtet sich nach dem nach Art. 33 II
EGBGB (= Art 12 II EuVÜ) anwendbaren Sachrecht, während sich die Pfändbarkeit als
solche direkt nach der ZPO richtet.256
10.3.4.1.
in Bezug auf den Vollstreckungsakt selbst?
Deutsches Recht als lex fori,257 inklusive des entstehenden Pfändungspfandrechts.258
10.3.4.2.
in Bezug auf den Schutz des Schuldners?
1) Für deutsche Pfändungsbeschlüsse gilt im Grundsatz ausschließlich deutsches Recht als lex
fori.259 Hierunter fallen insbesondere Pfändungsfreigrenzen260 und mögliche Rechtsmittel.261
2) Dies schließt nicht aus, dass Vorfragen wie z.B. Umfang und Bestehen eines
Unterhaltsanspruchs (der eine weitergehende Pfändung erlaubt) oder Umfang und Bestehen
der zu pfändenden Forderung ausländischem Recht unterstehen.262
3) Überdenkenswert (trotz der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten) erscheint
allerdings, für den Fall, dass Ansprüche gegen eine deutsche Bank ausschließlich bei deren
Filiale im Ausland zahlbar und klagbar sind (vgl oben 1.2.1.1.), trotz ihrer prozessualen
253
A.A. Marquordt S. 58 vor der Reform des § 185 ZPO.
Geimer IZPR Rz 3237; vgl. für Österreich Schima FS Dölle 1963 Band II S. 341 (355)
255
Schack IPRax 1997, 318 (319f); Reichel, AcP 131, 293 (303ff). Letzterer erwägt allerdings, nach deutschem
materiellen Recht unabtretbare Forderungen (nur) für die Zwecke der Zwangsvollstreckung auch dann als
unabtretbar zu betrachten, wenn sie nach dem auf sie anwendbaren ausländischen Sachrecht abtretbar sind
(Abtretungsverbote würden damit als eine Art Eingriffsnorm angewendet).
256
Reichel, AcP 131, 293 (301f), Gottwald IPRax 1991, 285 (290)
257
Geimer IZPR Rz 3237
258
Reichel, AcP 131, 293 (301), vgl. auch OLG Hamburg, Niemeyer’s Zeitschrift für Internationales Recht 11
(1902), 271 (279)
259
Reichel, AcP 131, 293 (300)
260
Schack IPRax 1997, 318 (320); Gottwald IPRax 1991, 285 (290), Rheinstein RabelsZ 1934, 277 (303); vgl.
für Österreich Schima FS Dölle 1963 Band II S. 341 (355).
261
Geimer IZPR Rz 3241
262
Reichel, AcP 131, 293 (300f)
254
45
Natur263 kumulativ eine Anwendung der Pfändungsfreigrenzen am Ort der Filiale in Betracht
zu ziehen. Zwar wird der Schuldner seinen Wohnsitz in diesem Fall fast immer in
Deutschland haben, was die deutschen Pfändungsfreigrenzen als angemessen erscheinen lässt.
Jedoch kann es ohne Kumulation zu einer partiellen Doppelverpflichtung des Drittschuldners
kommen, wenn der Schuldner nach erfolgtem deutschem PfÜB die Bank im Ausland auf
Erfüllung verklagt und das ausländische Gericht zwar die Wirkungen das PfÜB grundsätzlich
anerkennt, aber die Anerkennung nur im Rahmen der Ordre Public Standards seiner eigenen
Pfändungsfreigrenzen durchführt (vgl. u. 10.4.2 I3)).264 Dass eine solche Kumulation einen
Anreiz für Schuldner darstellen könnte, ihr Geld bei Auslandsfilialen zu deponieren265
erscheint angesichts der dadurch hervorgerufenen zusätzlichen Kosten jedenfalls für den
Bereich der Pfändungsfreigrenzen eher zweifelhaft – eine solche Verlagerung von Geldern
dürfte eher aus Verschleierungsgründen erfolgen. 266
Die hier angesprochene Problematik erübrigt sich, sollte man dem unten (10.6. 2)) gemachten
Vorschlag folgen.
4) Soweit ausländische Forderungspfändungen bzw. ihre Wirkungen anerkannt werden, gilt
ebenfalls die dortige lex fori; die deutschen Pfändungsfreigrenzen können jedoch im Rahmen
der Ordre Public Prüfung relevant werden (s.u. 10.4.2.I3).
10.3.4.3.
in Bezug auf den Schutz des Drittschuldners?
Bezüglich möglicher Rechtsmittel: Deutsches Recht als lex fori.267
Bei einer Zahlung des Drittschuldners an den Schuldner richtet sich die Erfüllungswirkung für
das Verhältnis zum Schuldner (also die Frage, ob der Schuldner noch Zahlung von der Bank
verlangen kann) nach der lex causae des Vertragsverhältnisses.268
Die Frage der Erfüllungswirkung (inclusive Gutglaubensschutz) gegenüber dem
Pfändungsgläubiger richtet sich bei einem deutschen Pfändungsbeschluss demgegenüber nach
deutschem Recht.269
263
S.u. 10.4.2. I 3). Technisch gesehen würde es sich dabei um eine Anpassung der deutschen Zivilprozessualen
Normen an den Auslandsachverhalt handeln.
264
Fiktives Beispiel: Österreicher (Ö) hat Konto bei österreichischen Filiale der Deutschen Bank (D). Guthaben
10.000,- EUR. Deutsche Pfändungsfreigrenze: 1000,- EUR. Österreichische Grenze: 2000,- EUR. Deutsches
Gericht pfändet für deutschen Gläubiger G die Forderung (voll). Ö beantragt Pfändungsschutz; Pfändung wird
i.H.v. 1000,- EUR (ausschließliche Anwendung deutscher Pfändungsgrenzen) vom deutschen
Vollstreckungsgericht aufgehoben. Danach Klage des Ö in Österreich auf Auszahlung des Guthabens. Gericht
in Österreich erkennt zwar Pfändungswirkung an, wendet aber seinerseits österreichische
Pfändungsschutzbestimmungen an. Der Klage des Ö wird i.H.v. 2000,- EUR stattgegeben. Bei Zahlungsklage
des G gegen D in Deutschland stellt sich die Frage, inwieweit D befreiend an Ö leisten konnte. Da die Pfändung
nur i.H.v. 1000,- EUR aufgehoben wurde, bliebe es im Übrigen beim Zahlungsverbot gegen D. D müsste an G
daher 9000,- EUR auszahlen - insgesamt also 11.000,- EUR leisten (vgl. hierzu und zu einem möglichen
Bereicherungsanspruch gegen Ö unten 10.4.2.)
265
So Reichel, AcP 131, 293 (303)
266
Auch bei einem entsprechenden Anerkennungssystem auf europäischer Ebene bestünde kein Anreiz, Gelder
bei inländischen Filialen von Banken aus Ländern mit hohem Sozialschutzniveau zu „parken“: Eine Kumulation
sollte nur bei einer Pfändung am Ort des Hauptsitzes der Bank erfolgen; die Gerichte am Ort der Filiale können
sich weiterhin auf ihr nationales Recht beschränken. Ohne Kumulation hingegen bestünde ein – dem Gedanken
des einheitlichen Marktes abträglicher - erheblicher Anreiz, sein Geld im Inland nur bei einheimischen Banken
einzuzahlen, um sich nicht zusätzlich der Gefahr von Pfändungen am Hauptsitz der Bank bei potentiell
niedrigeren Freigrenzen auszusetzen.
267
Geimer IZPR Rz 3241
268
Geimer IZPR Rz 3267
269
Der Pfändungsbeschluss lässt ein deutsches Pfändungspfandrecht entstehen. Dessen Erlöschen muss sich
dementsprechend ebenfalls nach deutschem Recht richten. Vgl. im Ergebnis Geimer IZPR Rz 3267
46
10.3.4.4.
in Bezug auf die Konkurrenz anderer Gläubiger und dinglicher
Sicherheiten?
1) Hinsichtlich der Konkurrenz anderer Gläubiger gilt deutsches Recht als lex fori, insb. das
Prioritätsprinzip.270
2) Das Bestehen dinglicher Sicherheiten richtet sich nach der lex rei sitae. Ihre Wirkung im
Zwangsvollstreckungsverfahren richtet sich nach der lex fori.
10.4.
Anerkennung ausländischer Vollstreckungsakte
10.4.1.
Wird in Ihrem Land ein ausländischer Vollstreckungsakt anerkannt und
vollzogen (prozessuale Anerkennung)? Falls ja:
Die prozessuale Anerkennung eines Vollstreckungsaktes im Sinne der Art. 32ff EuGVO (oder
des § 328 ZPO) ist nach h.M. ausgeschlossen.271 Dies gilt auch, wenn die Überweisung der
Forderung in ein ausländisches Urteil gegen den Drittschuldner integriert ist.272 Prozessual
anerkannt wird in diesem Fall273 nur die Feststellung der Rechtslage zwischen Gläubiger und
Drittschuldner (Verpflichtung zur Zahlung), nicht aber die (nur) als Vorfrage entschiedene
Frage, ob die Forderung vom Vollstreckungsschuldner auf den Vollstreckungsgläubiger
übertragen wurde. Letzteres ist eine Frage des (materiellrechtlichen) Kollisionsrechts.274
10.4.1.1.
Welche Vorschriften regeln die Anerkennung?
10.4.1.2.
Welches Recht ist auf den Vollstreckungsakt anwendbar?
10.4.1.3.
Welches Recht gilt in Bezug auf den Schutz des Drittschuldners
(einschließlich im Hinblick auf die Auskunftspflicht)?
10.4.1.4.
Welches Recht gilt in Bezug auf konkurrierende Gläubiger?
10.4.1.5.
Welches Recht gilt für den Schuldnerschutz?
270
Nagel/Gottwald § 17 Rz 61,69; Schack IPRax 1997, 318 (321), RGZ 77, 250 (253f)
Grundlegend Rheinstein RabelsZ 1934, 277 (308); Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im
internationalen Rechtsverkehr, 1930, S. 36f; ebenso BAG IPRax 1997, 335 (337), Marquordt, Das Recht der
internationalen Forderungspfändung m.w.N. auch der Rsp.; Nagel/Gottwald § 17 Rz 22; in diese Richtung auch
RGZ 36, 355 (357), RGZ 77, 250 (252). Für die Anerkennung prozessualer Wirkungen analog § 328 ZPO
hingegen OLG Oldenburg IPRax 1997, 337 (340), Geimer IZPR Rz 3283 unter Anlehnung an § 102 EGInsO
272
Marquordt, S.80f. Unklar Baur / Stürner Zwangsvollstreckungsrecht § 55 Rz 32f : für eine direkte
Anwendung der Anerkennungsvorschriften des EuGVÜ (jetzt EuGVO), wenn sich aus dem
Zwangsvollstreckungsverfahren ein „Titre executoire“ ergibt.
273
Die Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO dürften in diesem Fall zumindest dann Platz greifen, wenn das
Urteil auf einer Entscheidung in der Sache beruht; etwas anderes mag bei einem Anerkenntnis des
Drittschuldners gelten. Sehr zweifelhaft erscheint der Fall einer Verurteilung als Reaktion auf die Nichtabgabe
einer Erklärung durch den Drittschuldner. Die Überprüfung der Zuständigkeit im Anerkennungsstaat ist
allerdings nach Art. 35 III EuGVO regelmäßig ausgeschlossen. Soweit aber z.B. in England und Irland zur
Begründung der Zuständigkeit an die bloße „Presence“ angeknüpft wird, kann dies nach Art. 35 I, Art.3, Anhang
1 EuGVO zur Nichtanerkennung führen.
274
Marquordt, S.81
271
47
10.4.1.6.
Falls nein: Welche Begründung wird hierfür gegeben (vgl. 10.2.)?
Ein eigentlicher Vollzug im Inland findet nicht statt;275 keine gesetzliche Grundlage für eine
solche Anerkennung; 276 Anerkennung eines Urteils und eines Vollstreckungsaktes liegen auf
unterschiedlichen Ebenen.277
10.4.2.
Werden
in
ihrem
Land
die
Wirkungen
278
Vollstreckungsakts bei der Anwendung des Sachrechts
eines
ausländischen
berücksichtigt ?
I. Bei Sitz des Drittschuldners im Vollstreckungsstaat:
Grundsätzlich ja. Die Einzelheiten sind jedoch sehr umstritten.
1) Ähnlich wie bei einer Enteignung sind nach h.M. 279 die materiellrechtlichen (schuld- und
sachenrechtlichen) Wirkungen eines ausländischen Vollstreckungsaktes jedenfalls dann zu
berücksichtigen, wenn die Forderung infolge eines Sitzes der Bank im Vollstreckungsstaat
dort belegen ist, der Drittschuldner Kenntnis von der Pfändung erhalten hat und der
Pfändungsakt keinen Verstoß gegen den deutschen Ordre Public enthält. 280
2) Abweichend hierzu verneinte das Bundesarbeitsgericht281 die Wirkungserstreckung einer
ausländischer Lohnpfändung282 mit der Begründung, § 23 II ZPO stelle keine allgemeine
Regelung der Belegenheit einer Forderung dar.283 Weiter führt das BAG aus, nur durch
Nichtanerkennung könne die Einheit von Zuständigkeit und anwendbarem Sachrecht bei der
Pfändung von Arbeitseinkommen (sprich: Pfändungsschutzvorschriften) gewahrt werden.
3) Dabei übersah das BAG jedoch folgendes:
Erstens sind die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850ff nicht als Sachrecht, sondern prozessual zu
qualifizieren,284 da sie öffentlich-rechtliche Schranken der Zwangsvollstreckungsgewalt des
Staates darstellen,285 nicht aber die Leistungsverpflichtung des Schuldners beschränken.286
275
Nagel/Gottwald § 17 Rz 22
BAG IPRax 1997, 335 (337)
277
Rheinstein RabelsZ 1934, 277 (308)
278
Hier verstanden als Gegenbegriff zum Kollisionsrecht. Prozessuale Wirkungen sind also mit umfasst.
279
Nagel/Gottwald § 17 Rz 23, Rheinstein RabelsZ 1934, 277 (309); weitergehnd (Anerkennung der
prozessualen Wirkungen nach § 328 ZPO analog) für die Pfändung eines Gesellschaftsanteils einer deutschen
GmbH OLG Oldenburg IPRax 1997, 338 (340). Auch bejaht BGHZ 118, 151 (162) die Anerkennung eines
durch eine Liechtensteinische Sicherungsmaßnahme begründeten Pfändungspfandrechts (nicht der Entscheidung
als solcher!).
280
Wenn z.T. zusätzlich verlangt wird, dass die Formvorschriften und Zuständigkeitsregelungen des dortigen
Forums eingehalten wurden (Stein-Jonas/Münzberg ZPO § 829 Rz 103, Marquordt S. 98) so ist dies m.E.
einzuschränken: Abgesehen von über den Ordre Public erfassbaren Extremfällen darf die Einhaltung des
ordnungsgemäßen Verfahrens nur insoweit relevant sein, als dies nach dem dortigen Prozessrecht Auswirkung
auf die Wirksamkeit des Vollstreckungsakt hat, der zur Änderung der Rechtszuordnung führt. Ebenso OLG
Hamburg Niemeyer’s Zeitschrift für Internationales Recht 11 (1902), 271 (280).
281
IPRax 1997, 335 (337)
282
Der in Deutschland lebende Kläger (K) war bei einer deutschen Niederlassung einer U.S. Gesellschaft (G)
beschäftigt. Seine geschiedene Ehefrau erwirkte zwecks Vollstreckung eines Unterhaltsanspruchs in den USA
den Ausspruch eines Zahlungsverbotes gegen die G. Die G verweigerte daraufhin K gegenüber die Auszahlung
des Lohnes. Das BAG verneinte aus deutscher Sicht eine Pfändung des Lohnanspruchs und verurteilte die G zur
Zahlung des Lohnes.
283
Ebenso Marquordt, S.94
284
Stein-Jonas/Münzberg ZPO § 811 Rz 8, MüKo-Schilken ZPO § 811 Rz; ähnlich Reichel AcP 131, 293 (302)
a.A. Marquordt S. 153, Gamillscheg, Internat. Arbeitsrecht 1959, S. 322. Anderes gilt natürlich für Regelungen
der Abtretbarkeit und Verpfändbarkeit, auch wenn diese auf die Regelungen der ZPO verweisen mögen.
285
Stein-Jonas/Münzberg ZPO § 811 Rz 2; Stein-Jonas/Brehm § 850 Rz 1
286
Stein-Jonas/Münzberg ZPO § 811 Rz 2
276
48
Zweitens sind trotz der grundsätzlichen Geltung der ausländischen lex fori die deutschen
Pfändungsfreigrenzen im Rahmen der Ordre Public Prüfung einzubeziehen.
Entgegen Schack287 dürfte dabei grundsätzlich bei der Pfändung eines in Deutschland
entstandenen Lohnsanspruchs kein gegenüber den (auch im öffentlichen Interesse
liegenden288) §§ 850ff ZPO abgesenkter Maßstab anzulegen sein. Die von §§ 850ff ZPO
definierte äußerste Grenze der Belastbarkeit eines Schuldners289 stellen vielmehr eine den
deutschen
Lebensverhältnissen
(und
Preisen)
angepasste
Ausprägung
des
290
Sozialstaatsprinzips dar, auf das sich der in Deutschland Beschäftigte – und i.d.R. dort
lebende – bei seiner Lebensplanung verlassen können muss.291
II. Eine Anerkennung ist - unabhängig vom Sitz des Drittschuldners - grundsätzlich nicht
möglich, soweit eine zeitlich vorgehende Pfändung (insb. in Deutschland) infolge des
Prioritätsprinzips die ausländische Pfändung ins Leere laufen lässt.292
1) Fraglich ist, ob das auch dann gilt, wenn der ausländische Pfändungsgläubiger im Ausland
gegen den Drittschuldner einen Titel erwirkt, der als solcher in Deutschland anzuerkennen
und zu vollstrecken ist.293 In einem solchen Fall führt eine Nicht-Anerkennung der
ausländischen Pfändung dazu, dass der Drittschuldner zu doppelter Zahlung (je an den
ausländischen und den inländischen Pfändungsgläubiger) gezwungen ist, und auf einen i.d.R.
wenig aussichtsreichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Schuldner
verwiesen ist. Hierbei ist folgendes zu bedenken:
2) Zunächst ist die Frage der Anerkennung des gegen den Drittschuldner ergangenen Titels
von der Anerkennung der darin entschiedenen Vorfrage der Forderungsinhaberschaft zu
unterscheiden (s.o. 10.4.1.). Die Pflicht zur Anerkennung des ausländischen Titels verwehrt
einem deutschen Gericht grundsätzlich nicht, auf Grundlage des deutschen PfÜB bei einer
Klage des Pfändungsgläubigers gegen den Drittschuldner die Vorfrage der
Forderungsinhaberschaft entgegengesetzt zu entscheiden.294
3) Die vom BGH295 für einen solchen Fall erwogene Lösung der Hinterlegung des Betrages
durch den Drittschuldner ist jedenfalls im Anwendungsbereich der EUGVO entweder
verfassungswidrig (weil sie rechtsstaatswidrig einen auf dem PfÜB beruhenden deutschen
Titel missachtet) oder europarechtswidrig (weil sie die praktische Wirksamkeit der
Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Titels untergräbt) und dogmatisch falsch.
Denn es besteht keinerlei Ungewissheit, an wen zu leisten ist. Vielmehr bestehen zwei (wie
stets möglicherweise inhaltlich falsche) Titel, die jeweils eine Leistungsverpflichtung
287
a.a.O.
BGHZ 4, 153 (154), BAG IPRax 1997, 335 (337) (Vermeidung eines Anspruchs auf Sozialhilfe)
289
Stein-Jonas/Münzberg § 811 Rz 2
290
Regierungsbegründung, Bundestagsdrucksache 8/693, S. 45
291
Zumal die §§ 850ff ZPO einen – wirtschaftsfördernden – Leistungsanreiz für den Schuldner enthalten, vgl.
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 540. Etwas anderes mag ausnahmsweise dann gelten, wenn der
Schuldner in einem anderen Staat – insb. dem Vollstreckungsstaat – wohnt.
292
RGZ 77, 250 (254). Zwar kann aus deutscher Sicht in diesem Fall durchaus ein ausländisches Pfandrecht
entstehen. Dieses ist aber nachrangig mit der Folge, dass eine (auch erzwungene) Zahlung des Drittschuldners an
den ausländischen Pfändungsgläubiger nicht befreiend gegenüber dem deutschen Pfändungsgläubiger wirkt.
Eine besondere Situation ergibt sich, wenn zunächst in einem dem Gruppenprinzip folgenden Land ein
Vollstreckungszugriff erfolgt, dann in Deutschland gepfändet wird und danach ein weiterer Gläubiger im
Ausland sich dem Verteilungsverfahren anschließt. S. hierzu OLG Hamburg Niemeyer’s Zeitschrift für
Internationales Recht 11 (1902), 271 (280).
293
Verneinend Stein/Jonas-Brehm ZPO § 829 Rz 103 bei FN 504f
294
Sofern sich die Rechtskraft des ausländischen Urteils nicht auch auf diese Vorfragen erstreckt (i.S.e.
Zwischenfeststellungsurteils, § 256 II ZPO), vgl. Schlosser, Eu-Zivilprozessrecht Art 34-36 EuGVO Rz 22ff
295
BGH IPRax 1985, 154 (155f)
288
49
feststellen.296 Überdies hilft die „Lösung“ des BGH nicht, wenn aufgrund des ausländischen
Urteils gegen den Drittschuldner im Ausland vollstreckt wird.
4) Soweit das ausländische Gericht trotz Rüge durch den Drittschuldner die zeitlich
vorrangige deutsche Pfändung bewusst nicht beachtet hat, so kann dies gemäß Art. 34 Nr. 1
EuGVO (Ordre Public) zur Versagung der Anerkennung des Urteils führen.297
5) Die bloße Nichtberücksichtigung mangels Rüge führt demgegenüber zu einem materiell
unrichtigen Urteil, das aber dennoch anzuerkennen ist.298 Der Drittschuldner muss in einem
solchen Fall daher tatsächlich doppelt zahlen – einmal aufgrund eines unrichtigen Urteils,
einmal aufgrund seiner materiellrechtlichen Verpflichtung. Da er dem Schuldner gegenüber
aber nur einmal zur Zahlung verpflichtet ist und dieser auf Kosten des Drittschuldners
gegenüber zwei Gläubigern befreit wird, kann der Drittschuldner insoweit einen Anspruch
gegen den Schuldner aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen.299
III. Bei Sitz des Drittschuldners in Deutschland
1) Für diesen Fall existiert bislang kaum Rechtsprechung. Im Fall von RGZ 77, 250 wurde die
Anerkennung bereits deswegen ausgeschlossen, weil die ausländische Pfändung erst nach
einer deutschen Pfändung erfolgte (s.o.)
2) In der Literatur im Ergebnis weitgehend akzeptiert300 wurde eine Entscheidung des OLG
Hamburg,301 nach der grundsätzlich eine ausländische (Arrest-) Pfändung anzuerkennen ist,
die gegen eine deutsche Gesellschaft mit Zweigniederlassung im Ausland durch das Gericht
am Sitz der Zweigniederlassung ergeht.
3) Die Rechtslage im Übrigen ist unsicher. Angesichts dessen, dass die deutsche ZPO nach
heutiger Auffassung auch Pfändungen gegenüber Drittschuldnern im Ausland zulässt, kann
eine Beschränkungen der Anerkennung auf die in I. genannten Fälle nicht überzeugen.
Wie weit und unter welchen Voraussetzungen aber eine Anerkennung zu erfolgen hat, wird in
der Literatur sowohl de lege lata wie de lege ferenda sehr unterschiedlich beantwortet.302
Abzulehnen ist jedenfalls die Auffassung, wonach eine Mitwirkung deutscher Stellen bei der
Zustellung eines ausländischen PfüB zwingend zu deren Anerkennung führt.303
10.4.2.1.
Welche Kollisionsnormen regeln die Berücksichtigung der Wirkungen
des ausländischen Vollstreckungsakts?
Es gibt hierfür keine gesonderten gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelungen.304
Es stehen sich zwei Auffassungen konträr gegenüber (s.o. 10.4.1.): Die Anhänger einer
prozessualen Anerkennung wollen § 328 ZPO analog anwenden; die h.M. dagegen
296
Prütting IPRax 1985, 137 (140)
Prütting IPRax 1985, 137 (140). Hierzu nimmt der BGH a.a.O. nicht ausdrücklich Stellung.
298
BGH IPRax 1985, 154 (155), Prütting, a.a.O.
299
Rheinstein, RabelsZ 1934, S. 287f. Sehr fraglich (und detailabhängig) ist allerdings, welchem Recht dieser
Anspruch kollisionsrechtlich unterfällt; vgl. Schack IPRax 1997, 318 (322f).
300
Welter S. 67, einschränkend Stein/Jonas-Brehm ZPO § 811 Rz 2: „jedenfalls für eine Forderung, die im
dortigen Bereich entstanden ist“; kritisch zur Begründung Rosenbaum S. 42
301
Niemeyer’s Zeitschrift für Internationales Recht 11 (1902), 271
302
Überblick bei Marquordt S. 87ff
303
Zutreffend Marquordt S. 73 FN 1 gegen Stöber Rz 458
304
BAG IPrax 1997, 335 (336)
297
50
enteignungsrechtliche Grundsätze i.V.m. kollisionsrechtlichen Prinzipien (der lex rei sitae).305
Im Folgenden wird der h.M. gefolgt.
10.4.2.2.
Welche Wirkungen werden berücksichtigt?
10.4.2.2.1.
Verfügungsbeschränkungen aufgrund der Beschlagnahme des Kontos?
Ja.306
10.4.2.2.2.
Vermögenstransfer auf den Gläubiger?
Ja, inklusive der Übertragung einer Befugnis zur Einziehung.307
10.4.2.2.3.
Weitere Wirkungen?
Zum dinglichen Vermögenstransfer kommen insbesondere hinzu308
- die Wirkung eines Rechtsgrundes (Causa) im Bereicherungsrecht im Verhältnis des
Drittschuldners zum Pfändungsgläubiger
- Tatbestandswirkung im Rahmen der lex causae hinsichtlich der Befreiung des Schuldners
gegenüber dem Pfändungsgläubiger
- Tatbestandswirkung im Rahmen der lex causae hinsichtlich der Befreiung des
Drittschuldners gegenüber dem Schuldner
10.5.
Geltendmachung
von
nachträglichen
Änderungen
der
titulierten
Forderung durch den Schuldner (insb. Erfüllung)
10.5.1
Zuständigkeit
10.5.1.1.
des Prozessgerichts ?
Bei deutschen Titeln ist gemäß § 767 ZPO das Prozessgericht erster Instanz für die
Vollstreckungsabwehrklage zuständig.
Bei ausländischen Titeln (außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVO) ist das
Exequaturgericht (§ 722f ZPO) zuständig.309
Bei europäischen Titeln ist das Prozessgericht zuständig, dessen Urkundsbeamter die
Vollstreckungsklausel erteilt hat, §§ 14, 9 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG).
10.5.1.2.
der Gerichte / Vollstreckungsorgane am Ort der Forderungsbelegenheit
Nein.
305
Vgl. Schack IPRax 1997, 318 (319)
OLG Hamburg Niemeyer’s Zeitschrift für Internationales Recht 11 (1902), 271 (279f)
307
Schack IPRax 1997, 318 (323); Rosenbaum S. 36 (siehe aber S. 37); a.A. wohl Gottwald IPRax 1991, 290
308
S. zum Folgenden Schack IPRax 1997, 318 (322)
309
Geimer IZPR Rz 1236
306
51
10.5.1.2.1.
Falls ja: Erfolgt eine Koordination mit dem Prozessgericht?
10.5.1.2.2.
Falls ja: Wie wird die Koordination durchgeführt?
10.5.2.
Ergeben sich Änderungen aufgrund des Verordnungsvorschlags
zum Europäischen Vollstreckungstitel?
Die Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung eines EVT sollen nach dem Vorschlag dem
jeweiligen nationalen Recht unterliegen.310 Das deutsche Klauselerteilungsverfahren dürfte
aber als solches mit dem europäischen Vollstreckungstitel nicht vereinbar sein.311 §§ 14, 9
AVAG sind daher nicht anwendbar und es ist offen, welches Gericht zuständig sein soll.
10.5.3.
Sonstige Anmerkungen
10.6.
Bitte erläutern Sie kurz, welches der in der Vorbemerkung aufgeführten
Vollstreckungsmodelle für eine grenzüberschreitende Kontenpfändung
vorzugswürdig ist bzw. inwieweit Sie Bedenken gegen die Zulassung
eines derartigen Vollstreckungsakts haben.
1) Vorschlag 3 erscheint mir für sich alleine nach vorläufiger Betrachtung gegenüber der
bisherigen Möglichkeit der Arrestierung zur Sicherung der Vollstreckung des
anzuerkennenden Titels keinen Gewinn zu bringen, der die Schwierigkeiten der zu regelnden
Probleme aufwiegen würde.
2) Er lässt sich aber mit einer abgeschwächten Variante des Vorschlags 2 sinnvoll
folgendermaßen kombinieren:
Die Pfändung bei der Zentrale312 und damit die Auskunftspflicht der Bank umfasst potentiell
(je nach Antrag) alle Konten, auch die im Ausland geführten.313
Hinsichtlich der inländischen Konten erfolgt das vollständige Zwangsvollstreckungsverfahren
nach der Erklärung des Drittschuldners nach nationalem Recht.
Hinsichtlich der ausländischen (mitgliedstaatlichen) Konten hat die Pfändung ipso jure die
Wirkung eines Arrestes bzw. des diesem am nächsten kommenden Sicherungsmittels des
ausländischen Prozessrechts. Soweit die inländischen Konten zur Befriedigung des (/der)
Gläubigers nicht ausreichen, kann der Gläubiger im Ausland nach dortigem Recht das
Zwangsvollstreckungsverfahren weiter betreiben. Die Frage Priorität/Gruppenprinzip etc.
310
Yessiou Faltsi, Der Europäische Vollstreckungstitel und die Folgen für das Vollstreckungsrecht in Europa;
noch unveröffentlichter Vortrag vom 11. April 2003, Tübinger Tagung der Wissenschaftlichen Vereinigung für
Internationales Verfahrensrecht, unter IV 1.
311
Yessiou Faltsi a.a.O. unter III 3.
312
Für deren Sitz ist (jedenfalls in Hinblick auf die internationale Zuständigkeit) zwingend auf den tatsächlichen
Sitz, nicht den statutarischen Sitz abzustellen.
313
Ob nur EG-weit oder weltweit sollte das nationale Recht bestimmen. Eine Sonderregelung hinsichtlich des
Automatismus könnte für die Rechtsordnungen notwendig sein, in denen das Zwangsvollstreckungsorgan selbst
aktiv verschiedene Arten von Schuldnervermögen recherchiert und erst dann entscheidet, welches Vermögen zur
Deckung der Schuld herangezogen wird (z.B. Schweden)
52
würde dabei – ebenso wie anwendbare Pfändungsfreigrenzen – jeweils vom nationalen
Gericht/Vollstreckungsorgan nach seinem eigenen Recht behandelt werden können.
Die Frage des Verbots einer übermäßigen Pfändung würde sich dabei zunächst nach der lex
fori des Hauptsitzlandes richten. Eine nachträgliche Aufhebung des Arrests wäre auf dieser
Basis grundsätzlich sowohl durch das Gericht des Hauptsitzes314 als auch durch die Gerichte
am Sitz der Niederlassung nach Maßgabe des ausländischen Rechts möglich, wobei die
Gerichte am Sitz der Niederlassung für die Frage der Überpfändung nur auf die Höhe der in
ihrem Land geführten Konten abstellen dürften.
Eventuelle Sanktionen für übermäßige Vollstreckungshandlungen dürften aber allein vom
Gericht des Hauptsitzes nach dem dortigen Recht getroffen werden.
Hinzukommen müsste eine spezifische Freigaberegelung für die ausländischen Konten nach
Abgabe der Drittschuldnererklärung (kurze Fristen).
Gegenüber Vorschlag 3 hat diese Lösung m.E. den weiteren Vorzug, dass sich durch die
Beschränkung des Verwertungszugriffs auf die jeweils im einzelnen Mitgliedstaate geführten
Konten die Situation des Drittschuldners gegenüber der jetzigen Situation keinesfalls
verschlechtern kann, wenn die Anerkennung der Arrestwirkung gesichert ist.
Die Auswirkungen einer Pfändung z.B. bei einer deutschen Bank auf Konten, die in
Drittstaaten geführt werden, sollten durch eine Öffnungsklausel im Prinzip zunächst den
mitgliedstaatlichen Rechten überlassen bleiben. Dabei könnte eine zusätzliche europäische
Regelung der Koordination mit den mitgliedstaatlichen Verfahren notwendig sein.
3) Er dürfte sich evtl. auch dahingehend ausdehnen lassen, dass eine Pfändung durch
Zustellung bei einer Filiale ebenfalls die beschriebenen Arrestwirkungen auf alle im
Europäischen Justizraum geführten Konten hat. Im Gegensatz zu einem vollständigen
Pfändungs- und Verwertungsverfahren, dass europaweit wenn überhaupt dann nur am Sitz der
Zentrale durchgeführt werden kann, erscheint eine entsprechende Beschränkung der
Zuständigkeit für diese „Arrestpfändung“ nicht notwendig. Gewisse Anpassungen des oben
angesprochenen Systems dürften allerdings notwendig sein, z.B. in Hinblick auf die Frage der
Zuständigkeit bei übermäßiger Pfändung. Auch bedürften - in Hinblick auf die Weiterleitung
der Informationen über die Pfändung an die Zentrale - Fragen des Gutglaubensschutzes der
Lösung. Eine solche Regelung müsste unabhängig davon sein, ob sich der Hauptsitz der Bank
innerhalb oder außerhalb des europäischen Justizraumes befindet, um jeglichen Anreiz für
eine Sitzverlagerung europäischer Banken ins Ausland zu vermeiden.
4) Beiden Vorschlägen ist gemein, dass es jeweils um verschiedene nationale Verfahren
bezüglich einer einzigen Schuldners geht, in denen auch der Drittschuldner identisch ist, und
bei dem das Original des Titels nur einmal vorliegen muss. Für die Fortführung der Verfahren
in den einzelnen Mitgliedsstaaten sollte eine Kopie des Titels genügen; das von Jeuland
(Dalloz 2001, 2106 (2108)) aufgeworfene Problem stellt sich hier also nicht. Funktioniert die
Kommunikation innerhalb der Bank als juristischer Person (wofür diese verantwortlich ist), so
ist hierdurch die Koordination der Verfahren - insbesondere bei Zahlung durch den Schuldner
/ Drittschuldner - erheblich erleichtert. Diese Koordination muss natürlich dennoch geregelt
werden.
5) Diese Vorschläge sind nicht als von mir bevorzugt zu betrachten, sondern lediglich als
zusätzliche Möglichkeit, sollte sich Vorschlag 2 als solcher nicht als realisierbar erweisen.
6) Als Minimalziel sollte unabhängig von der positiven Regelung grenzüberschreitender
Kontenpfändungen auf jeden Fall die Frage der Anerkennung ausländischer
314
Falls sich inzwischen am Sitz der Niederlassung andere Gläubiger dem Verfahren angeschlossen haben,
müsste die dortige lex fori über die weiteren Folgen entscheiden.
53
(mitgliedstaatlicher) Kontenpfändungen zumindest für den Fall einheitlich geregelt (und
bejaht) werden, dass sich der Drittschuldner oder die kontoführende Zweigstelle im
Vollstreckungsstaat befindet. Dabei muss primäres Ziel sein, den Drittschuldner vor einer
doppelten Leistungsverpflichtung zu bewahren. Die (bewusste) Missachtung einer derart
anzuerkennenden Pfändung im Verfahren Gläubiger gegen Drittschuldner ist als gesonderter
Anerkennungsverweigerungsgrund in Art. 34 EuGVO aufzunehmen.
7) Ziel der oben gemachten Vorschläge ist dementsprechend auch weniger eine wesentliche
Erleichterung der Vollstreckung für den Gläubiger, als vielmehr der Schutz des
Drittschuldners durch ein eindeutiges Zuständigkeits- und Anerkennungssystem innerhalb
Europas. Der hierdurch ermöglichte Schutz der Banken vor der Gefahr einer doppelten
Zahlung versöhnt diese möglicherweise mit der „Lästigkeit“, die der grenzüberschreitende
Zugriff auf Filialen mit sich bringt. In Anlehnung an Schack315 ist aber zu unterstreichen, dass
dieser Zugriff der Preis ist, den die Banken für die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden
Tätigkeit in einem gemeinsamen Markt zu zahlen haben.
Anhang: Fallstudie
Fall: Gläubiger G hat gegen die Schuldnerin, eine juristische Person, einen Titel über
10.000 € erstritten. Das rechtskräftige (alternativ: vorläufig vollstreckbare) Urteil über
diesen Betrag soll durch die Pfändung eines Bankkontos, das bei einer Filiale am
Sitz des Schuldners geführt wird, verwirklicht werden. Das Konto weist einen
positiven Saldo von 12.000 € auf. Der Drittschuldner behauptet, diese Forderung
habe die Schuldnerin 10 Tage vor der Pfändung an einen anderen Gläubiger (G2)
abgetreten. Im Ergebnis erweist sich der Einwand als unbegründet. Ein weiterer
Gläubiger (G3) pfändet auf dem Konto in Höhe von 5.000 € und will sich dem
Verfahren anschließen.
Lösung: Das Gericht am Sitz des Schuldners ist für die Pfändung zuständig, § 828 II Var 1
ZPO. G erwirkt bei entsprechender Formulierung seines Antrages einen Beschluss über die
Pfändung der Saldoforderung i.H.v. 12000,- EUR. Hat er beantragt, sie zur Einziehung
überwiesen zu bekommen, erfolgt auch die Überweisung in dieser Höhe, zur Einziehung
ermächtigt ist G aber nur in Höhe von 10.000,- EUR (vgl. 4.2.)
Wäre dem Vollstreckungsgericht eine Vorausabtretung zuverlässig bekannt gewesen, hätte es
den PfÜB nicht erlassen.316 Eine wirksame (auch stille) Vorausabtretung317 könnte die Bank
der Klage des G auf Zahlung als Einwendung entgegenhalten; die Pfändung ginge insoweit
ins Leere.318 Die Bank würde dies bereits in ihrer Drittschuldnererklärung gemäß § 840 I Nr.
1 ZPO angeben. Bei Zweifeln über die Wirksamkeit der Pfändung könnte die Bank den
gepfändeten Betrag auch gemäß § 372 BGB mit Erfüllungswirkung hinterlegen.319
315
IZPR Rz 988
Stöber Rz 765
317
Diese Ausführungen gelten so zunächst nur für Sparkonten. Im Falle eines Girokontos sind die
Einzelforderungen kontokorrentgebunden und (mangels gesonderter Abrede mit der Bank) nicht abtretbar (BGH
WM 1971, 178 (178); vgl. Liesecke WM 1975, 286 (299)). Die mögliche Abtretung eines zukünftigen
periodischen Saldos hindert den Zugriff auf den Zustellungssaldo durch den Pfändungsgläubiger nicht (vgl.
Stöber Rz 165a). Die Abtretung eines potentiellen Zustellungssaldos dürfte nicht möglich sein. Mangels
anderweitiger vertraglicher Abrede (vgl. BGH NJW 1954,190) abtretbar ist zwar der fortlaufende
Auszahlungsanspruchs aus dem Girovertrag; nach § 357 HGB hat eine spätere Nutzung dieses Anspruchs
allerdings keinen Einfluss auf den Zustellungssaldo.
318
Stöber Rz 765f
319
Stöber Rz 768
316
54
Da der Einwand unbegründet ist, kann G – solange der dritte Gläubiger noch nicht gepfändet
hat - im Namen des S die Bank (nur)320 auf Zahlung der 10.000 EUR an ihn (G) erfolgreich
verklagen und auf Grund dieses Titels gegen die Bank vollstrecken.
Solange die Forderung von G noch nicht eingezogen ist, steht sie weiter im Vermögen der
S.321 Der dritte Gläubiger kann daher ebenfalls in „das Konto“ vollstrecken (weiterer
Zustellungssaldo). Hierzu hat er selbständig einen PfÜB zu erwirken.322
Wird der Bank dieser zweite PfÜB zugestellt, kann sie gem. § 853 ZPO den Geldbetrag
(12.000 EUR) hinterlegen; sie muss dies tun, wenn einer der Gläubiger dies verlangt. Nach §
856 I ZPO können G und G3 gegen die Bank auf Hinterlegung klagen bzw. sich bzw. sich
gemäß § 856 II ZPO einer solchen Klage als Streitgenosse anschließen. Die Bank kann
sämtliche Gläubiger beiladen lassen; die Entscheidung über den Anspruch auf Hinterlegung
ist ihnen allen gegenüber gem. § 856 III, IV ZPO wirksam.
Nach Hinterlegung durch die Bank erfolgt das Verteilungsverfahren (oben 8.2.). Wegen des
Prioritätsprinzips (§ 804 IV ZPO) erhält G3 nur den Restbetrag von 2.000 EUR zur
Befriedigung.
Hinterlegt die Bank nicht von sich aus und verlangen weder G noch G3 Hinterlegung, kann G
die Bank auf erfolgreich auf Zahlung von 10.000,- EUR verklagen; eine Klage des G3 wäre
nur i.H.v. 2000,- EUR begründet.
Variante:
Im Fall eines (evtl. gegen Sicherheitsleistung) vorläufig vollstreckbaren Urteils ändert sich
hieran grundsätzlich nichts. Soweit für die Vollstreckung an sich eine Sicherheitsleistung des
Gläubigers notwendig ist, kann er gem. § 720a ZPO ohne Sicherheitsleistung eine sog.
Sicherungsvollstreckung durchführen; d.h. den Anspruch pfänden, ohne ihn überwiesen zu
erhalten. Diese Pfändung erfolgt rangwahrend.323
Wird das Urteil rechtkräftig, kann G die Verwertung ohne Sicherheitsleistung betreiben; G2
bleibt auf die 2000 EUR beschränkt.
Wird das Urteil jedoch aufgehoben, entfällt die Vollsteckbarkeit (§ 717 I ZPO). Das
Vollstreckungsgericht hat daraufhin gem. §§ 775 Nr.1, 776 S.1 die Aufhebung der Pfändung
zu beschließen.324 Damit entfällt das Pfändungspfandrecht des G325 und G2 rückt rangmäßig
auf, kann also – soweit noch keine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren nach § 856 ZPO
ergangen ist – die Bank auf 5000,- EUR in Anspruch nehmen.
320
Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rz 639, Stöber Rz 603
Stöber Rz 774; anders bei Überweisung an Zahlung statt: hier wird G sofort Inhaber der Forderung, Stöber
a.a.O.
322
Stöber Rz 777
323
Stein/Jonas-Münzberg ZPO § 720a Rz 1. Es kann nach Teilen der Literatur allerdings zu Problemen
hinsichtlich der Einbeziehung späterer Geschäfte in den Saldo kommen, s.o. 4.1.1.
324
Stein/Jonas-Münzberg ZPO § 775 Rz 26
325
Stein/Jonas-Münzberg ZPO § 804 Rz 41
321
55