dan jungclas 2254 keim road naperville, illinois 60565

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dan jungclas 2254 keim road naperville, illinois 60565
Absender:
Helmut Niedernostheide
Thiener Str.3. D-49594 Alfhausen
(Germany -Deutschland-)
DAN JUNGCLAS
2254 KEIM ROAD
NAPERVILLE, ILLINOIS 60565-4007
U. S. A.
Franz Feldkamp
Ein Geschenk an das Ankumer Heimatarchiv
Besuch aus Haseliinne mit angenehmer Uberraschung
Das Ankumer Heimatarchiv, das yom Heimat- und Verkehrsverein Ankum eV verwaltet wird, hat im
FrUhjahr 2000 ganz iiberraschend ein groBes Geschenk erhalten. Am 21. Februar 2000 erlolgte im
Heimathaus durch Herrn Jorg Urboneit aus dem emsHindischen Haseltinne die Ubergabe des
"Dusing'sehen Nadl1asses" an die Vcrtreter. des Ankumer Heimatvereins. Dieser "Dusing'sche NaC:i­
laB" besteht aus einem Registerheft und 126 handschriftlich beschriebenen Heften sowie einigen weni­
gen gesammelten Zeitungsartikeln und sonstigen Zeitdokumenten.
Diese Hcfte enthalten auBerordentlich viele Angaben zu den Verhaltnissen in Ankum und Umgebung
aus der Zeit von etwa 1860 bis zum Bcginn des II. Weltkrieges. Angelegt und aufgeschrieben hat diese
Hefte der Hotelier und Gastwirt sowie beeidigter PreuJ3ischer Auktionator Joseph Dusing, der zusam­
men mi t seiner Frau .Johanna, geb. Kitzerow, jahrzehntelang das friihere "Hotel Kitzerow", spater
"Hotel DUsing", betrieben hat. Dieses Hotel stand im Zentrum von Ankum an der Stelle, wo heute das
neue Rathaus steht. Neben dem Hotel- und Gaststattenbetrieb hatte Dusing auch zeitweilig die Ankllmer
Postagentur und betrieb auch die Postkutsche zwischen Ankum und Bersenbriick. Neben dem Hotel­
gebaude gehorte zum Dusing' schen Besitz auch die ,,Alte Post" und Dlisings Maststall am Schusterboll.
An der Stelle des alten Maststalles befindet sich heute die Tierarztpraxis Dr. Niemann und ein Sonnen­
studio.
Die Hefre wurden von Joseph Dusing etwa in del' Zeit von 1922 bis 1939 angelegt und handschriftlich
in der damals gebl'auchlichcn Siltterlinschrift beschrieben. Die Aufzeichnungen sind zwar nach Themen
geordnet, abel' immer wieder hat der Verfasser plbtzliche EinfaJle in die Texte eingeflochten und aufge­
schricben. In dem extra angelegten Registerheft sind insgesamt 149 Hefte mit ltd.-Nr. und stichwortartiger
lnhal tsangabc aufgelistet. Hiervon liegen 126 Hefte im Original vor und wurden offenbar liber Genera­
tionen von den DUsing' sehen Erben wie ein Schatz gehUtet. Zuletzt hat diesen Schatz der gebiirtig aus
Ankum stammende Jorg Urboneit in seinem Hause in HaselUnne verwahrt. Ji::il'g Urboneit ist in seiner
Wahlheimat HaselUnne seit.Jahren in der Heimatarbeit aktiv, wahrscheinlich angeregt und motiviert
durch flel'rn Friedrich Berentzen, langjahriger Biirgenneister von Hasellinne und nach wie VOl' Vorsit­
zender des dortigen Heimatvereins.
Die Heimatfreunde aus HaselUnne hatten nun Anfang 2000 bei unsel'em Vorsitzenden Wilhelm
KrUmpelmann nachgefragt, ab eine Abol'dnung des Hasellinner Heimatvereins das Ankumer Heimat­
haus besichtigen kanne. Es wurde ein Termin vereinbal't und am 21.2.2000 erschien fast der gesamte
Vorstand des Hcimatvereins HaselUnne in Ankum; an der Spitze Friedrich Berentzen und Jorg Urboneit.
Sic fUhrten einen graBen schweren Koffer mit und stellten diesen geheimnisvoll im Heimathaus abo
Nach einer gemeinsamen Kaffeetafel und einem lockeren Meinungs- und Erfahrungsaustausch lufteten
unsere HaselUnner Freunde dann da,s Geheimnis des "geheimnisvollen graBen schwarzen Kaffers".
Jorg Ul'boneit holte seinen "Schatz" herallS und sagte, es seien Hefte, die von einem Ankumer BUrger
in Ankum und liber Ankum aufgezeichnet worden seien und es sei sein und seiner Familie Wunsch und
Wille, daB diese Hefte wieder nach Ankum zurUck kamen lInd im Ankumer Heimatarchiv verwahlt
wurden. Sie enthielten zwar auch viele individuelle und personliche Daten" doch seien es liberwiegend
zeitgenossische und inzwischen auch schon historische Dinge, die in diesen Heften uber Ankum und
Uber viele Ankumer aus del' damaligen Zeit aufgezeichnet sind.
Den Yertretem des Heimatvereins Ankum konnte man die Uberraschung ansehen. Der Vorsitzende
Wilhelm Krlimpelmann bedankte sich bei Jorg Urboneit und seiner Familie ganz herzlich fur diese
gelungene Uben-aschung und das auBerordentlich groBzUgige Geschenk fUr das Ankumer Archiv. Er
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.. f)ii\/II.~schcl1 ,A./ochlosscs" im Helma/hoLis. VI. Franz Feldkamp, Wilhelm
{/rho!leil. Il1ge Ur!Jolieir, J6rg Ur!Joneir
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werde versuchen, diesc allen Hanclschriften Zli entziffern und die Texte, S<1\\':'lt Sic \\.'11
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(luIch sci nc berun iche T2ltigkcit cngstcn Kontakt mit del' Bevolkel'ung des Dol'fes, des Ki rchspic Is unci
llel weileren Umgebung harte, aufgezeichnet und gesammelt wurden, von groBer BeclcLllllllt: \;[,11l
\\tlde ciicse Un1erlagen den inleressicrten Heimatforschern im Rahmen del' ArclJiv- Llnd Hell ' 1,\tarbcll
III I ,L\ l!SWCllLl!lg ;sur VerfLigung stellen.
\C;·SP/iICh. IllUIl
Wer die Heimat nicht Zieht und die Heimat nicht ehrt,
ist ein Lump und des Gliicks in der H eimat nicht wert.
H.A.
Solange noch die Eichen wachsen
in alter Pracht um HoI und HallS,
solange stirht in Niedersachsen
die echte Stammesartnicht aus.
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Franz Feldkamp
Joseph Diising
* 7. 10. 1860 in Heeke, t 19.5.1939 in Ankum
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Joseph DUsing wurde am 7. Oktober 1860 auf dem DUsing/schen Colonate in Heeke, Kirchspiel
Alfhausen, geboren. Er wuchs auf dem von seinem Vater verwalteten Hof auf und besuchte die Schule
in Heeke. Er hatte noch vier Schwestem und aus erster Ehe seiner Mutter zumindest einen Halbbruder.
Er schreibt in einem seiner Hefte " Wie meirz IJogenannter Bruder, Vorsohn meiner Eltern, meine
Eltern Lind uns vier Kinder vom Hofe verwies, kam ich zu meinem Vetter Heinrich Ratermann
und lernte dort nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch jegliche Entbehrungen, die damit
verbunden sind, wenn Kinder von ihren Eltern genommen werden".
Sein Vater war ein geborener Alberkempe aus Thiene und ist offensichtlich als zweiter Mann auf das
DUsing' sche Colonat geheiratet. Sein Pflegesohn war Anerbe des Hofes und hat offensichtlich mit
EITeichung der Volljahrigkeit den Hof se1bst angetreten und seine Mutter mit Pflegevater und Ha1bge­
schwister vom Hofe verwiesen. Die Eltem und die drei Schwestem haben auf dem Hof Alberkempe
Unterkunft gefunden.
In diesem Zusammenhang konnte man fast das alte Sprichwort: "Unrecht gut gedeihet nichl',bemiihen,
denn bereits im Jahre 1880 wurde der HofDUsing in Heeke an die Familie Speckjohann verkauft, die
diesen noch heute bewirtschaftet.
In den Aufzeichnungen von Joseph DUsing finden wir dann zu seinem weiteren Werdegang folgende
Notiz: ,,1m Jahre 1875 Lind 76 besuchte ich von Heeke aus die hohere Burgerschule in Ankum
Lind v'v'o!zrzte im ersten Semester bei dem Konrektor Mollenbrock in dem Hause, wo jetzt die Post
ist. Mollenbrock heiratete in den ersten Wochen meines Ankommens im Mollenbrock 'schen Hause.
Er zog mit seiner jungen Frau Wilhelmine, geb. Schulte zu Russel, in Frolken Haus. Mein Nach­
bar als Mitschuler war ein Baar aus Wettrup, der wohnte bei August Hiltermann. Alfred Eymann,
auch ein Mitschuler, wohnte bei seinen Eltern am Kirchhofe in Schulten Hause . .... ".
Nach dem Besuch der Biirgerschule kehrt Joseph DUsing auf den Hof seines Vetters in Heeke zuriick
und erlernte die Landwirtschaft. Danach hat er seine Militarpflicht in Berlin abgeleistet und ist dann
nach Ankum zurlick gekommen als Hausknecht bei dem Backer und Gastwirt Johann Gerhard Kitzerow.
Er muJ3 seine Aufgaben wohl zur Zufriedenheit seines Dienstherren erledigt haben, so daB dieser spater
der Heirat seiner einzigen Tochter Johanna mit seinem HausknechtJoseph Diising zustimmte. Am 26.
November 1890 war Hochzeit im Hause Kitzerow und der alte "Vater Kitzerow" hatte einen Schwie­
gersohn und Nachfolger flir das von ihm aufgebaute Geschaft.
Joseph Diising hat dann im Alter von 38 Jahren noch die Priifung, die ihm die Tatigkeit als beeidigter
Auktionator errnoglichte, abgelegt. Er war dann neben seiner Tatigkeit als Hotelier und Gastwirt bis ins
hohe Alter im Raum Ankum und Umgebung als beeidigter PreuJ3ischer Auktionator f. d. Regierungsbe­
zirk Osnabriick tatig und hat in dieser Eigenschaft viele Holzauktionen auf den Hafen der Umgebung,
Hofverpachtungen, Grundstiicksverpachtungen und sogar Grundstiicks- und Hofverkaufe durchge­
fuhrt. In seinen Aufzeichnungen fmden sich hierzu zahlreiche Details.
Es sollen nun einige Originaltexte ausseinen Heften folgen, die mog­
lichst wort- und buchstabengetreu abgeschrieben sind:
"Hier will ich eine Begebenheit einschalten, wofur man sich sparer
interessieren wird. Wie ich in meinen Heften des ofteren vermerkt
habe, bin ich kein Historiker, will auch sonst kein Mensch sein, der
wissenschaftliche Sachen schreibt. Ichflechte aber vieles in meine
Schreiberei hinein, wofur sich heimatliebende Menschen doch spa­
ter interessieren werden.
Sonntagsnachmittags von 1;2 1 Uhr bis kurz vor 1;2 3 Uhr wenn der
Nachmittags-Gottesdienst anfing, wurde bei dem Heuermann
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Heeke
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Flurkarle vom Hal Dusing in Heeke.
Diedrich Lagemann jetzt Heinrich Berens Karten gespielt, sagar Scat. Es erschienen: Franz
Hackmann, spater Ralkenberg Brickwedde, Didrich Hackmann spater Kaufmann und Wirt in
Darpen, Wilhelm Hackmann spater gliicklicher Erbe des Heskampschen Hafes in Hekese, Hein­
rich Lagemann und dessen Gebruder Gerh. und Hermann. Nur Heinrich war Kartenspieler. Die
beiden Gebruder nicht. In den Ferien war Carl Hackmann der Mediziner auch dabei. Dieses
spielte sich in den Jahren 1885 -1890 abo
Der aile Hal Dusing, Geburtshaus von Joseph Dusing.
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Es war also wahrend seiner Junggesellenzeit, als er noeh Hausknecht bei Kitzero war. Bei den erwahn­
ten Gebrudern Hackmann muE es sich um den GroHvater der heutigen Generation und dessen Bruder
handeln.
1m HeftNr. 31 besehreibtJoseph Dusing unterdem Datum 19. Sept. 1925 u.a. das "Fleet" im Bauem­ haus. Nach dem Kamin beschreibt er die Fenster, deren Verglasung und leitet dann uber zu seinen
Erinnerungen und seiner eigenen Leidenschaft und Liebhaberei:
An del' Seite im Untersehlage wo del' lange Ej3tiseh stand, waren Fenster mit Bleiverglasung, die
dureh eiehen Klappen mit groj3en, verzierten Hangden unterbrochen waren. Bei Neubauten, aueh
wenn sich del' Anerbe des Hofes verheiratete, schenkten. Verwandte und Nachbarn gehrannte
Fenster mit ihrem Namen und zeitgemiij3en Spruchen. Seltenfehlte die Jahreszahl, was bei der­
artigen klein en Saehen in unserer sehneilebigen Zeit meistens vergessen wird. Diese Fenster
sieht man in den Bauernhausern nieht mehr,' .'lie sind von Altertumsfreunde aufgekauft. Man
sieht .'lie nur noeh in besseren Hausern und Museen. Die letzten Fenster sah man noeh auf dem
Riimpingschen Colonate in Heeke. Eine kleine Partie dieser Fenster sind noeh im Rempesehen
Gesehiijishause in Alfhausen, das dem Thierarzt Grothaus dart gehort, zu sehen. Der Bauer
hangt sonst so zahe an das Alte, in dieser Weise besitzt er nicht geniigend Schonheitssinn, da er
solchen Kaufern, die nachfreiem Ermessen viel Geld dafur geben, widerstehen konnte. leh hahe
mieh von je her fiir diese Kultursachen sehr interessiert, habe 40 Jahre gesammelt, um meille
Fenster im Gast- und Ej3zimmer zu erhalten. Der Kunstmaler Hans Lueg in Osnabruek hat .'lie
mir dann so zusammengestellt und verbleiet. Mogen die Zeitgesehichte diese Fenster noch reeht
lange zu meinem Gedenken erhalten lassen! Eine Nachahmung diesel' Fenster linden .'lie im
Kreisaussclnif3zimmer des Kreishauses Bersenbruck. "
Sein Wunsch zur Erhaltung der alten bleiverglasten und kunstvoll mit Ankumer Motiven bemalten Fen­
sterscheiben im ehemaligen Hotel Dlising ist aueh nicht in EIfiillung gegangen. Alles, was UIlS von diesen
wertvollen Fensterbiidem erhalten geblieben ist, sind einige Fm-bfotos vom friiheren Ankumer Vikar
Wilhelm MUhlmeyer, die Fensterbilder selbst sind wahrseheinlich den gleichen Weg gegangen, wic
DLising das Schieksal del' kunstvoll gestalteten Fensterscheiben aus den alten Bauemhauser sehilderte.
Bei Umbauarbeiten haben die spatercn EigentUmer die alten Fenster mit den bemalten Glasseheiben
ausgebaut und in einem Schuppen eingelageli. Dem Vemehmen naeh soDen diese Scheiben dann spater
an fahrende Handler (Hollander?) verkauft worden sein. Sie sind somitfiir Ankum fUr immer vel'lol'en.
Joseph DUsing hatte neben den bunten Glasfenstem noeh viele alte kutlturhistorische Gegenstande
gesammelt und in seinem Gasthause ausgestellt. Auf aiten Fotos aus dem Hotel DUsing ist eine Hille
Ankwn Hauptstrafie nach 1932 (rechts Hotel Dusing-Kitzerow).
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dieser Gegenstande zu erkennen. Aueh deren Verbleib nach Aufgabe des Hotels ist nieht bekannt.
Die Ehe der Familie Dusing blieb kinderlos. Frau Johanna DUsing ist in der Naeht von Griindonnerstag
auf Karfreitag 1936 nach langerer Krankheit verstorben. Zwei Tage zuvor war ihre Nichte Irmgard
Lindgen, die zur Pflege des Ehepaares Dusing von Buer b. Melle naeh Ankum gekommen war, ganz
plOtzlich verstorben. Joseph DUsing lag zu dieser Zeit auch im Ankumer Krankcenhaus, naehdem man
ihm am 19.3.1936 das reehte Bein amputiert hatte. Seine Frau Johanna und die Nichte Irmgard sind
dann am Dienstag naeh Ostern gemeinsam in Ankum beerdigt worden. Joseph DUsing muBte das
Krankenbett hUten und konnte den beiden Verstorbenen nieht einmal die letzte Ehre durch Tei1nahme
an der Beerdigung und dem Requiem erweisen. Er hat sich dann wohl noch verstiirkt dem Sehreiben
zugewandt. Unter dem 29. Juli 1936 hat er u.a. folgenden Text aufgesehrieben:
"Das Schicksal hat unter meinem vielseitig~n wirtschaftlichen Leben einen dicken Strich ge­
zogen. Ich hin am 19. Marz 1936 durch den Verlust meines rechten Beines zum Krilppel ge­
"vorden. 75 Jahre war ich in vollem Besitz meiner Korperkraft, wenige Krankheiten hatten mei­
nen Karper geschwacht, nun mufi ich in sitzender Lebensweise die Zeit verbringen und denke oft
an das gebrechliche Alter und an das Ende meines frilher so wechselseitigen Lebens. In einem
Hefte iiber das "Krankenhaus Ankum" habe ich naheres ilber Ursache und Verlust meines Bei­
nes und uber meine Krankheit geschrieben. Auch habe ichfrilher, wenn ich Zeit hatte, manches
niedergeschrieben, besonders interessierten mich kulturhistorische Sachen und zeitgemafie Er­
lebnisse, die spater der Nachwelt von Interesse sein konnen. Viele Reisen habe ich in meinem
Leben nicht machen konnen, denn es fehlte mir an Zeit und Geld. Wenn ich unterwegs war,
besuchte ich in den Grofistadten in erster Linie Museen, Kirchen, SchlOsser ectr., um die Kunst
und Wissenschaji der alten und neuen Welt zu bewundern, am liebsten ging ich allein meine
Wege, weil ich eine andere Zielrichtung hatte wie meine Kameraden. Diese Studien haben mich
denn auch veranla.f3t, viele kulturhistorische Sachen zu sammeln und sie in meinem frilheren
Hotel Kitzero auJzustelien. "
In einem weiteren Heft unter dem Datum 12. Okt. 1936 hat er dann folgende Aufzeiehnungcn gemaeht:
"Am 4. Oct. 1936 kam der Fabrikant Brandes & Diesing, Osnabrilck,JohannisstrafJe und brachte
mir das bestellte kiinstliche Bein. Der mir verbliebene Oberschenkel ist aber noch so empfind­
lich, dafi ich die Ubung mit der Prothese noch nicht vornehmen kann. Der Kostenpunkt des
kiinstlichen Beines wurde ungefahr, sagte der Kunstler, 240 Mk. kosten. 1m Hause bewege ich
mich mit Krilcke, kann aber kaum eine Stufe auf
und heruntersteigen. Es liegt diese Unbeholfen­
heit auch viel an mein Alter. Ich beschiiftige mich
nun bei meiner sitzenden Lebensweise viel mit
Aufzeichnungen aus meinen frii.heren und zeiti­
gen Lebenserfahrungen, womit ich mich meistens
vormittags beschaftige. Nachmittags mache ich
dann Ausfahrten mit meinem elektrischen Wagen.
Wenn die Batterie vol! geladen ist, so kann ich,
wie die Gebrauchsanweisung sagt, bis zu 80 Ki­
lometer fahren, bis sie wieder nachgefii.Ut wer­
den mufJ. Die Batterie wird mit Haushaltungs­
strom, welcher pro Kilowatt 9 Pfg. kostet, ge­
fullt.
Einige Zeit spater fmden wir diese Notiz:
"Heute am 15. Marz 37 bin ich angefangen, mich
mit meinem kilnstlichen Bein zu ilben, nachdem
mir mein leibliches Bein am 19. Marz 1936 amH
ArtlCinder Bauernfamilie dargestellt zum Artlander
Trachtenfest 1905'durch Josef Dusing und anderen
Ankumern.
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Heinrich Griiter
Hotel Kitzerow
Ein altes, weitbekanntes Gasthaus, Hotel Kitzerow, hat im Laufe dieses Friihjahrs seine Pforten gescWossen. Die Familie Kitzerow, vermutlich wendischen Ursprungs, laBt sich etwa 350 Jahre in Ankum
nachweisen. Michael Kitzerow war yon 1593 bis 1625 Richter zu Ankum. Sein Sohn Christian ubernahm 1629 die Vogtei Ankum. Dessen Sohn Christoph Lorenz war Notar in Ankum. Er starb 1709 im
Alter von 82 Jahren. Die folgende Generation wurde durch Arnold Christoph vertreten, dessen Stand
mcht bekannt ist. Christophs Sohn Johann Herrtfann Adam, geb. 1720, griindete: in Ankum eine Brauerei und betrieb Gastwirtschaft. Sein einziger Sohn Johann Gerhard ist 1746 geboren. Wenn wir annehmen, daB er 'lor dieser Zeit sein Geschaft gegrlindet hat, ist der SchluB berechtigt, daB dieses etwa 200
Jahre auf der alten Stiitte bestanden hat. Die Vertreter der folgenden Generation betrieben neben dem
Unterhalte der Schankwirtschaft auch Backerei. Auf Johann Gerhard folgte Johann Heinrich, dann
Johann Gerhard, der bekannte von A. Eymann in seinem Buche yom Omnibus erwahnte "Vater Kitzerow", der hochbetagt 1903 starb. Sein einziges Kind, Johanne, geb. 1.12.1862, gest. 10.4.1936.
stammte aus dessen erster Ehe mit Katharina Grothaus aus Alfhausen. Mit ihr ist in Ankum das alte
Geschlecht der Kitzerow erloschen. Johanne war in kinderloser Ehe verheiratet mit dem Auktionator
und Gastwirt Joseph Dusing, der auch 'lor einigen Jahren gestorben ist. DUsing hatte das Hotel vorher
verkauft. Sein Nachfolger hat es jetzt an die Regierung vermietet, die es zur Einrichtung der hier im
Entstehen begriffenen Lehrerbildungsanstalt bzw. zur Unterbringung der SchUler mitbenutzen will.
Das Haus wurde noch zu Lebzeiten des "Vater Kitzerow" umgebaut und aufgestockt. Ais dann urn die
Jahrhundertwende der Reiseverkehr mehr und mehr stieg und die Verbindungen nach Osnabrtick noch
schlechter war, als Autos noch zu den Rm1ttiten gehorten, da wurde das Hotel ein gesuchtes Absteigequarrier, namentlich fUr die reisenden Kaufleute. Und sie waren dort gut aufgehoben. In dem Glasfenster des Esszimmers, daB frtiher ebenso wie die Gaststube und das ganze Haus einem Museum glich, ist
das Lob des alten Patriarchen noch der Nachwelt erhalten. Neben dem Wappen des ersten Michael
Kitzerow ist zu lesen:
"De beste Wert was Kitzero' s Gerd, de hadde wat mit van't Ankumer Quitt, un nu bie sinen Erwen
schall ock nien Gast bederwen."
Seine Kinder, Johanne und JDseph, haben das Vatererbe gut verwaltet. rhre Kuche war weit und breit
bekannt, selbst noch zur Weltkriegszeit, wenn' s auch nur Erbsensuppe oder Pferdebohnengemlise mit
Speckeinlage gab. Auch dieser Zeit und diesen Menschen ist in dem erwahnten Buntglasfenster ein
Lob gespendet:
"Feinen Wien un munteren Sinn schenket Dusing's Josep in, de allerfettste Panne hew siene Frau
Johanne. Jeder Gast wett frisk un froh hier in' Gasthus Kitzero."
Heute sind die ehemals gastlichen Raume fUr diese Zwecke geschlossen. Ab und zu sieht man noch
Fremde, die den Lauf der Dinge noch nicht kennen, an den TUren rtitteln, bis freundliche Nachbam sie
eines Besseren belehren. Von der StraBe aus sieht man noch die Negative der bekannten Stubenfensterbilder, den Stammbaum, Heimatbilder, den alten Postwagen, den Ankumer Stumpen, ein altes,
strohbedecktes Heuerhaus usw.
Die neue Zeit hat neue Aufgaben. Dasalte stirbt und neues Leben bltiht aus den Ruinen. Aber die
Erinnerung an die vergangenen Zeiten und deren Menschen wird hier in diesem Hause noch lange
fortleben.
Ankum, den 20.3.1941.
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