Pracht am main

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Pracht am main
Ton | Test: High-End-5.0-Surround-Set
Holger Müller hat nicht nur in Physik aufgepasst, er hat bei German Physiks die
im test
High-End-5.0-Surround-Set
German Physiks movie three
€ 18.000
Highlight
Autor: Stefan Schickedanz //
Redaktion: Holger Biermann //
Bilder: Josef Bleier, Hersteller
Man spricht
Deutsch
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Wissenschaft zum Programm gemacht. Mit dem einzigartigen DDD-Rundumstrahler
verspricht er Surround-Fans ein unvergleichliches 360-Grad-Vergnügen.
W
ir Deutschen sind groß
darin, bestehende Konzepte bis zum Exzess zu
perfektionieren. Wenn
es um Querdenken und Aufbrüche zu
neuen Ufern geht, hängen uns andere
ab. So musste etwa MP3 erst im Ausland Karriere machen, um via iPod
endlich zu Hause Fuß zu fassen.
Der Maintaler Unternehmer Holger
Müller kann ein Lied davon singen.
Wenn er seine einzigartige DDD-Technik (Dicks Dipole Driver, siehe Kasten
Seite 66) für omnidirektionale
Schallabstrahlung erläutert, schwankt
der Hesse zwischen reichlich Stolz
und ein wenig Wehmut. Er kann stets
neue Auszeichnungen im Ausland anführen, doch im Inland blieb ihm eine
vergleichbare Anerkennung bisher
verwehrt. „Gerade im Handel herrscht
die Meinung vor, Rundumstrahler wären diffus“, wundert sich der Querdenker.
Dabei hat German Physiks gerade
mit großem Einsatz und Materialaufwand alles in seiner Macht stehende
unternommen, um diesem Killer-Argument zu begegnen. So besteht die
Membran des DDD-Wandlers im Set
aus den Standboxen Unlimited MK II
(als Ultimate mit Polyester-Oberfläche
erhältlich) und den kompakten PQS100 Plus für die Center- und Rear-Kanäle nicht mehr aus Titanfolie, sondern aus hauchdünnem Karbon, mit
dessen Hilfe Phantomschallquellen
sehr präzise Gestalt annehmen. Die
perfekte 360-Grad-Abstrahlung, die
diese Breitband-Chassis in der Horizontalen erreichen, bietet sich für Surround-Anwendungen nicht nur an, sie
drängt sich sogar förmlich auf. So
lässt sich eine gleichmäßige Schallverteilung im ganzen Raum erzielen.
Zudem verfügen sämtliche Boxen
des 18.000 Euro teuren German-Physiks-Sets nicht nur über die gleichen
Treiber für den Mittel- und Hochtonbereich. Sie weisen auch identische
Abstrahlcharakteristiken auf. Spätestens darin unterscheiden sie sich von
dem, was allgemein üblich ist. Durch
andere Anordnungen der MittelHochton-Chassis in Mehr-Wege-Systemen weichen dagegen üblicherweise
insbesondere die Front- und CenterLautsprecher vom Rundstrahlverhalten ab und oft sogar die Rear-Speaker,
wenn es sich etwa um Dipole handelt.
Science Fiction
Damit verspricht German Physiks in
der Theorie eine äußerst räumliche
Performance und verringert den Einfluss der Sitzposition auf das räumliche, aber auch das tonale Hörerlebnis
gegenüber konventionellen Lautsprechern sehr deutlich. Das gilt ganz besonders für jene, die mit ihrem Heimkino-System ebenfalls Stereo in bester
Qualität genießen möchten, sich aber
nicht dem Diktat des Stereo-Dreieicks
beugen wollen.
Die futuristisch anmutenden Pilze
auf den durch Sandwich-Bauweise
und Kammern mit Metallkügelchen
ruhig gestellten Tieftongehäusen der
German-Physiks-Boxen tragen in ihrem Kopf alle Zutaten eines typischen
Konus-Chassis: einen elektrodynamischen Antrieb mit Magnet, Schwing­
spule und Zentrierspinne. In der Tat
macht der DDD-Treiber auch bei niedrigen Frequenzen eine kolbenförmige
Mebranbewegung und folgt am unteren Ende seines Arbeitsbereichs den
nach den Nachnamen ihrer Entdecker
benannten Thiele-Small-Parametern,
die das Verhalten eines federartigen
Schwingsystems festlegen.
Doch bei höheren Frequenzen passiert das, was Konstrukteure bei Lautsprechern gewöhnlich durch möglichst steife Membranen vermeiden
wollen: Sie brechen auf. Das heißt: Sie
folgen nicht mehr als Ganzes der Bewegung der Schwingspule. Doch die
nur 0,15 mm dünne Kohlfaser-Folie
des DDD-Wandlers ist sehr weich gehalten, um kontrollierte Partialschwingungen zu hohen Frequenzen
hin zu ermöglichen. In diesen Schwingungsmoden steckt das Geheimnis
zur gleichmäßigen 360-GradSchallabstrahlung über den gesamten
Arbeitsbereich des Breitbänders, der
genau genommen ein einteiliges ➜
Pracht am Main
Hinter German Physiks steht der audiophile IT-Fachmann Holger Müller, der bereits mit seinem Unternehmen Mainhattan Acoustic internationale Erfolge verbuchen konnte. Anfang der 90er-Jahre kam der Hesse mit dem Mathematiker Peter
Dicks zusammen, der in den 80er-Jahren den Prototypen eines Rundumstrahlers
entwickelt hatte. Dessen grundlegende Konstruktion basierte auf dem legendä­
ren, in den Ohm-F-Lautsprechern eingesetzten Walsh-Wandler – entwickelt vom
Amerikaner Lincoln Walsh – und wurde schließlich von Müller lizenziert und von
der neue gegründeten Firma German Physiks zur Serienreife gebracht. 1992 kam
der erste Lautsprecher mit DDD-Wandler in den Handel: der Borderland.
video-magazin.de | 08_2014
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Ton | Test: High-End-5.0-Surround-Set
Unbreakable
Höchste Bauteilequalität
von deutschen Zulieferern und Top-Verarbeitung sind für German
Physiks Ehrensache.
Mehr-Wege-Chassis ohne die übliche
elektronische Frequenzweiche ist.
Dagegen bündeln konventionelle Kolbenhub-Chassis den Schall zu hohen
Frequenzen hin immer stärker und
patzen, wie sich im Messlabor regelmäßig zeigt, zum großen Teil trotz
Arbeitsteilung schon bei seitlichen
Winkeln von weniger als 30 Grad.
Weil das DDD-Prinzip, das bis über
20 kHz hinauskommt, am unteren Bereichsende spätestens bei knapp über
100 Hz an seine Grenzen stößt, stellt
German Physiks den Wunder-Wandlern konventionelle Bässe zur Seite.
Die strahlen passend zur omnidirek­
tionalen Auslegung die ganze Schallenergie nach unten ab. Im Boden der
knapp über einen Meter hohen Unlimited sitzt ein 20-cm-Tieftöner, der
von einer aufwendigen Frequenzweiche unter 200 Hz ins Spiel gebracht
wird. In den kompakten PQS-100 Plus
setzt German Physiks einen 15er-Bass
ein. Da die extrem spacige, mit ihrem
Karbon-Furnier hochwertig wirkende
Zwei-Wege-Box weder Füße noch
Spikes hat, muss sie an die Wand gehängt werden. Dieser Aufstellung
trägt auch ihre Abstimmung im Bass
Rechnung. Wer der Statik seiner Wände nicht traut, kann sie auch auf Ständer (für 700 Euro) stellen.
Was den DDD-Wandlern allerdings
sehr entgegenkommt, ist weniger die
moderate Größe als vielmehr eine
schwache Bedämpfung des Hörraums.
Weil der Rundumstrahler seine
Schall­
e nergie gleichmäßig in alle
Richtungen verteilt, verpufft ein
Großteil davon, wenn die umliegenden Wände und Einrichtungen nicht
viel davon wieder reflektieren. Dafür
spricht der geringe Wirkungsgrad im
schalltoten Raum, der laut Labor rund
10 dB unter dem von konventionellen
Lautsprechern liegt, was allerdings in
halligen Räumen relativ zu sehen ist.
Hervorragende
Räumlichkeit
Im Hörtest konnte das Boxen-Quintett
unsere Erwartungen in Sachen Räumlichkeit nicht nur erfüllen, es übertraf
diese sogar deutlich. Nie zuvor stellte
sich im video-Hörraum eine derart
gleichmäßige Schallverteilung ein.
Wo man Platz nahm, spielte dabei keine Rolle. Besonders beeindruckend
war nicht nur der perfekte, gleichmäßige Übergang zwischen Front und
Center. Gerade auch an der völlig lückenlosen Ankopplung von vorne und
hinten zeigte sich die besondere Klasse des deutschen Dreamteams. So
konnten sich Phantomschallquellen
endlich frei und klar definiert in allen
Himmelsrichtungen bewegen – und
die Zuhörer auch, ohne dass das
Klangbild in sich zusammenfiel.
Gegenüber konventionellen Boxen
ließen sich die Instrumente, Stimmen
und Geräusche wie im echten Leben
leichter mitverfolgen. Zudem profitierten vor allem Streicher von der
DDD-Darbietung: Sie atmeten förm-
lich auf, wirkten weniger gepresst.
Das galt auch für Umweltgeräusche,
etwa wenn eine Filmszene in New
York spielte. Die Germans zeigten eine
spezielle Art von Authentizität, die
nichts mit Frequenzgang zu tun hat.
Weiterhin fiel die extreme Plastizität von Stereo-Aufnahmen mit klaren
Konturen auf – von wegen diffus.
Schaut man bei sehr guten konventionellen Boxen, ob der Center mitläuft,
ist man geneigt, bei der Unlimited MK
II sein Ohr prüfend an die SurroundBoxen zu halten. So plastisch kamen
nicht nur die Q-Sounds von Roger Waters‘ Album Amused To Death aus den
Boxen, sondern auch gute Live-Aufnahmen. Der Bass reichte abgrundtief
hinab, hätte aber im Oberbass etwas
mehr Volumen vertragen dürfen.
Im Surround-Betrieb übernahmen
die als Vollbereichsboxen eingesetzten PQS-100 Plus diese Aufgabe durch
Auffüllen der Lücke. In Stereo allein
auf sich gestellt, wirkte diese Abstimmung jenseits der Klassik etwas zugeschnürt. Auch Stimmen haftete ungeachtet der perfekten Verständlichkeit
in bestimmten Tonlagen ein leichter,
heller Beigeschmack an.
In puncto Neutralität, Hochtonauflösung und Sauberkeit erfordert die
Erzeugung unlimitierter Räumlichkeit Zugeständnisse. Die Physik lässt
sich eben auch nicht von Ingenieurskunst überlisten. Doch dieses einzigartige Set versteht es, die Grenzen beeindruckend zu erweitern. ■
Cone Heads: der DDD-Wandler
Der DDD-Wandler (Dicks Dipole Driver) entstand in Zusammenarbeit von German
Physiks mit dem Mathematiker Peter Dicks. Was aussieht wie ein senkrecht stehender Konus-Treiber ist in Wirklichkeit eine kleine technische Revolution. Während
sich ein konventioneller Konus nur kolbenförmig bewegt und damit den Schall in
Abhängigkeit von seinem Membrandurchmesser gerichtet abstrahlt, bedient der ab
einer gewissen Frequenz als Biegewellstrahler arbeitende DDD-Wandler 360 Grad
mit der gleichen Schallverteilung. Dieses perfekte Rundstrahlverhalten gleicht dem
von akustischen Musikinstrumenten und befreit vom Stereo-Dreieck. Im SurroundSystem ergibt sich eine optimale Schallverteilung, weil alle Lautsprecher des German-Physiks-Systems die gleiche Abstrahlcharakteristik aufweisen. Je nach Auslegung und Material – inzwischen ersetzt eine 0,15 mm starke Karbonfolie 0,025 mm
dickes Titan – arbeitet der DDD im Bereich zwischen 120 und 24 kHz. Eine Frequenzweiche ist lediglich zum Abtrennen vom konventionellen Konus-Bass vonnöten.
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Testergebnisse
„Hängt ihn höher!“
Hersteller
Modell
Preis
Das Motto des Western-Klassikers gilt auch
für die PQS-100 Plus. Zur Unterstützung des
DDD-Chassis kommt ein Downfiring-Bass zum
Einsatz. Es gibt aber auch einen Ständer.
German Physiks
Movie Three
18.000 Euro
Klangqualität (max. 900 Punkte) sehr gut (89%)804
Natürlichkeit (100)85
Auflösungsvermögen (100)86
Sprachverständlichkeit (100)89
Räumliche Abbildung (100)100
Spielfreude (100)80
Basspräzision (100)90
Tiefgang (100)89
Pegelfestigkeit (100)85
Set-Harmonie (100)100
Ausstattung (max. 80 Punkte)
sehr gut (88%) 70
Verarbeitung (max. 240 Punkte) überragend (94%) 225
Anmutung (120)110
Material (120)115
Gesamt (max. 1220 Punkte)1099
Testurteil: überragend (90 %)
Preis/Leistung: sehr gut
Daten und Messwerte
Internetwww.german-physiks.com
Daten & Fakten
Front (B x H x T) / Gewicht 24 x 105 x 24 cm / 28,9 kg
Center (B x H x T) / Gewicht 26,7 x 51 x 31 cm / 21 kg
Rear (B x H x T) / Gewicht
26,7 x 51 x 31 cm / 21 kg
Subwoofer (B x H x T) / Gewicht–
Oberflächen
Satin, Vinyl
Farben
Schwarz, Weiß, Grau, Braun
BesonderheitenDDD-Rundumstrahler
Black Cone down
Technik Front / Center / Rear
Ein 20-cm-Bass-Chassis verhilft
den Hauptlautsprechern zu beachtlichem Tiefgang. Untere
Grenzfrequenz: 32 Hz (-3 dB).
Bauart
2 Wege, geschlossen
Anzahl Wege
2/2/2
•
Magnetisch geschirmt
Besonderheiten Rear und Center für Wandaufhängung
Technik Subwoofer
Arbeitsprinzip–
Phase variabel / schaltbar
–/–
Hochpegeleingang / -ausgang
–/–
Raumanpassung–
Fernbedienung Sub–
German Physiks Set € 18.000
perfektes Surround-Panorama,
plastische Abbildung
Messwerte
Maximalpegel Front / Center / Rear / Sub 95 dB / – / –
Impedanz Front (min. / Durchschnitt)
2,8 / 4 Ohm
niedriger Wirkungsgrad
Testurteil: überragend
Preis/Leistung: sehr gut
90%
• = ja // – = nein
Aus dem Messlabor
Standpunkt
Gerade hatte ich einen Cooper S zum
Testen. Der Wagen war in manchen
Punkten nicht ganz so perfekt wie mein
eigenes Auto, aber er hatte etwas Mitreißendes, das man sonst nirgends
geboten bekommt. Irgendwie erinnert
mich das an German Physiks: Man
muss sich darauf einlassen, Prioritäten
neu zu definieren und mit einigen Gewohnheiten brechen. Dann kann man
damit außergewöhnlich Spaß haben.
German Physiks Unlimited MK II
Stefan
schickedanz,
sound-experte
Das Zwei-Wege-System ist sehr breitbandig,
zeigt allerdings Welligkeiten im Frequenzgang und erhöhten Klirr im Mittel-/HochtonBereich. Das Rundstrahlverhalten ist perfekt
gleichmäßig.
video-magazin.de | 08_2014
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