Portugal, Lissabon: Zwischen Tejo und Rossio

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Portugal, Lissabon: Zwischen Tejo und Rossio
Portugal, Lissabon: Zwischen Tejo und
Rossio, Costa Estoril und Sintra
Reisetagebuch von Detlef Fritz
Der Elevador de Santa Justa,
Lissabons berühmter Fahrstuhl
Blick über die Fächer der Alfama,
der älteste Stadtteil
Eine kleine Badebucht neben dem
Hauptstrand von Estoril
Der Turm vom Belém im Tejo gilt
als eines der Wahrzeichen der
Stadt
Auf dem Pracio do Comercio, dem
großen Platz am Tejo-Ufer
Der Rossio gilt als das Herz von In der Bucht von Estoril liegen die
Lissabon, zumindest der Baixa
Badeorte Cascais und Estoril
Der Vasco-da-Gama-Turm im
Lissaboner Expo-Viertel
Der Nationalpalast im Zentrum
des Bergstädtchens Sintra
Die Silhouette von Lissabon,
gesehen von Cacilhas
Sonntag, 28. Juni 2015: Lissabon – Chiado, Bairro Alto, Baixa, Alfama
Die Maschine der TAP landet um neun Uhr früh auf dem Flughafen von Lissabon. Der
Airport-Shuttle bringt uns für 3,50 Euro pro Ticket in die Innenstadt – wobei im Fahrpreis
auch noch eine spätere Benutzung der „Eléctrico“, der Straßenbahn mit inbegriffen ist.
Auf dem Weg in die Innenstadt fällt nicht nur auf, dass überall zwischen de Neubauten auch
noch alte, historische Gebäude stehen, sondern auch, dass in diesen alten Häusern vielfach der
Leerstand herrscht.
Etwa gegen 10 Uhr steigen wir an der Bushaltestelle am Rossio aus, in die U-Bahn um.
Eigentlich gilt der Rossio als das „Herz von Lissabon“, als der Platz, wo das Leben pulsiert,
aber um diese Zeit herrscht noch gähnende Leere. Hier steigen wir in die U-Bahn, fahren eine
Station bis zum Chiado – und finden unser Hotel, das Borges, fast direkt am U-Bahnhof.
Unmittelbar neben unserem Hotel befindet sich das Café A Brasileira, einst Treff der
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Lissaboner Literaten, woran nun das Denkmal für eines dieser Dichter erinnert, heute vor
allem ein teures Café für die Touristen.
Weil wir erst ab 14 Uhr in unser Zimmer kommen, lassen wir also nur das Gepäck in einem
Abstellraum des Hotels, laufen dann eine der abgehenden Gassen hügelabwärts zum Ufer des
Tejo, zu den Cais do Sodré. Bestimmt wird die Aussicht hier von der – noch einige Kilometer
weiter westlich gelegenen – Brücke des 25. April, die wie eine Kopie der Golden Gate Bridge
in San Francisco wirkt, die auf der anderen Seite des Tejo fast in gerader Linie zu der auf
einem Hügel stehenden Christus-Figur führt, einer Christus-Figur, die wiederum der Statue in
Rio de Janeiro nachempfunden ist. Ansonsten herrscht auf der Uferpromenade nun allmählich
zur Mittagszeit sonntägliche Ruhe. Nur einige Cafés locken eine größere Zahl Besucher an.
Auf dem Rückweg fällt vor allem in den kleinen Seitengassen des Bairro Alto auf: An vielen
Gebäuden sind die Fassaden noch mit den traditionellen Kacheln verziert, meist in blau, mit
Landschafts- und maritimen Motiven oder Heiligenbildern. Aber: Viele dieser alten Häuser
stehen noch leer, haben vielleicht ein Restaurant oder ein Café im Erdgeschoss, während die
darüber liegenden Stockwerke immer noch auf ihre Instandsetzung warten.
Nach dem Einchecken im Hotel geht es erst einmal über den Chiado zum Rossio, dabei vorbei
Elevador de Santa Justa. Rund 30 Meter hoch ist das verzierte gusseiserne Gestell des
Fahrstuhles, der die zum Rossio führende Straße mit dem höher gelegenen Chiado verbindet,
eine Konstruktion des Jahres 1902, bei der man sich spontan an den Eiffelturm erinnert fühlt.
Aber schließlich wurde dieser Fahrstuhl, der der berühmteste von 30 ähnlichen StadtFahrstühlen ist und zum Wahrzeichen seines Viertels wurde, ja auch von einem Mitarbeiter
und Schüler Eiffels entworfen. Fünf Euro soll die 30-Meter-Fahrt mit dem Fahrstuhl kosten,
ein stolzer Preis, der aber nicht wirklich abschreckt. Jedenfalls hat sich vor der Kasse eine
lange Schlange gebildet.
An der Nordseite des lang gezogenen Rossio setzen wir uns in ein Café. Der viereckige Platz
selbst, bestimmt von den Brunnen und Denkmälern, ist aber fast leer. Hier bestimmt das aus
dunklen Pflastersteinen gebildete Wellenmuster das Bild: geht man, auf den Boden schauend,
über den Platz, meint man tatsächlich, durch Wellen zu laufen.
Und natürlich ist es die Umgebung, die den Reiz des Platzes ausmacht. Das ist weniger der
klassizistische Bau des Nationaltheaters, das sind vielmehr die Bürgerhäuser entlang der
anderen Seiten.
Schließlich bummeln wir von der Nordseite aus durch die Nebengassen am Rossio. Da führt
der Weg zunächst zu einer alten Kirche – und davor steht ein kleines Denkmal mit dem
Davidstern, eine Erinnerung an die erste Judenverfolgung im mittelalterlichen Lissabon.
Gleich daneben verraten die in allen Weltsprachen gehaltenen Wandinschriften, wie sich die
portugiesische Hauptstadt heute gern sehen würde: „Lissabon, die tolerante Stadt.“ In der
Nachbarschaft zu Kirche, Denkmal und Wandinschriften hat sich ein Treffpunkt afrikanischer
Flüchtlinge herausgebildet.
Zurück am Chiado steigen wir in die Elécritico: Bei den Straßenbahnen, die in diesem Teil
der Innenstadt verkehren, gibt es jeweils nur einen Waggon – und bei jedem dieser Waggons
könnte es dem optischen Eindruck nach um ein Originalstück aus dem 19. Jahrhundert
handeln. Diese Wagen sind weit kleiner als die neuen Straßenbahnwaggons, vielleicht halb so
lang wie die modernen Wagen, wurden aber auch bei der Inneneinrichtung nie modernen
Anforderungen angepasst. Selbst der Leitstand des Fahrers wirkt immer noch altertümlich.
Zwar gibt es gibt es direkt für die Touristen ausgewiesene „historische“ Linien, aber die
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unterscheiden sich nur im Preis von den „normalen“ alten Straßenbahnen, die durch das
Bairro Alto kreuzen.
Unsere erste Fahrt führt uns zur Station an der Rua Norberto de Aravjo, der Station am
Museum der Schönen Künste und vor allem am „Einstieg“ zur Alfama. Vom Platz aus sieht
man über das Gewirr von Gassen und Gässchen, über die roten Dächer dieses ältesten
Stadtteils von Lissabon, eine schmale Treppe führt hinunter in das bis an den Tejo reichende
Viertel. Wir begnügen uns bei diesem Stop allerdings mit der Aussicht, nicht nur über
Alfama, sondern auch auf das auf einem Berg oberhalb der Stadt liegende alte Königsschloss.
Unabhängig von den Sehenswürdigkeiten: Eine Fahrt mit der Eléctrico ist wie die Mischung
zwischen einer Achterbahn- und einer Geisterbahnfahrt. So altersschwach die einzelnen
Waggons auch sein mögen: Hier rattern und tuckern unter Aufbietung aller Reserven die
Hügel hoch, rasen dann quietschend wieder hinab durch die engen Straßen. Und die sind so
eng, dass man an manchen Stellen durch ein offenes Waggonfenster die Hauswände berühren
könnte.
Montag, 29. Juni 2015: Cascais und Estoril
An den Cais do Sodré ist auch der Bahnhof für die Züge zu Lissabons Badeorten Cascais und
Estoril. Etwas mehr als 20 Minuten ist die Bahn unterwegs, fährt die ganze Zeit über die
Küste entlang, vorbei am Turm von Belém, dem Wehrturm aus der Zeit, als Portugal Europas
führende Seefahrernation war, vorbei an Lissabons Villenvororten.
In Cascais ist Endstation. Der Bahnhof liegt nur wenige Schritte von der Fußgängerzone, der
Altstadt des Ortes entfernt. Früher mag Cascais ein – vermutlich sogar relativ wohlhabendes –
Fischerstädtchen gewesen sein, heute dient alles dem Tourismus bzw. den aus Lissabon
kommenden Badegästen: Kaum ein Haus der Altstadt, in dem nicht ein Restaurant oder ein
Café, wenigstens aber ein Andenkenladen untergebracht ist. Trotzdem hat sich Cascais
Altstadt so gut es geht sein historisches Bild bewahrt. Viele Gebäude tragen an der Fassade
noch die typischen Kacheln als Wandzierde, das Straßenpflaster ist mit dem gleichen
Wellenmuster versehen wie auch der Rossio in Lissabon.
Am Rand der Altstadt, in der Nähe von Hafen und Strand, strahlt der Rathausplatz
kleinstädtischen Bürgerstolz aus. Es ist natürlich kein großes Rathaus, das sich die
Einwohner der Stadt gönnten, aber erkennbar der Ort der Entscheidungen, zweistöckig, im
zweiten Stock mit drei Balkonen, von denen aus die Stadtoberen sich dem Volk gezeigt haben
dürften, dazu einem Turmaufbau mit Rathausuhr und zwei Glocken. Am Rand des
Rathausplatzes steht allerdings ein noch etwas repräsentatives Gebäude, ein langgezogener
Bau mit kunstvollen blauen Kacheln, die Motive der Bibel und der Heiligengeschichten
zeigen.
Vom Strand von Cascais sieht man auf den Hafen, auf die nach oder von Lissabon aus
fahrenden oder auf ihre Weiterfahrt wartenden größeren Schiffe. Es ist ein nicht all zu langer,
von Felsen umrahmter Sandstrand – der nun aber voller Besucher ist.
Oberhalb des Strandes befindet sich eine Außenstelle des portugiesischen
Marineministeriums, untergebracht in einem festungsartigen Bau am Beginn einer kleinen
Gasse kleiner Häuser, vielleicht ehemaligen Fischerhäusern, nun hübsch restauriert mit
blühenden Blumenschmuck vor den Anwesen. Von dieser erhöht liegenden Gasse aus hat
man den besten Blick auf die Bucht von Estoril. Von hier erscheinen Cascais, Estoril und
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auch die anderen benachbarten Orte wie eine zusammengewachsene Stadt, die Ausuferungen
von Lissabon, hier aber mit quirrligem Strandleben, Wassersportlern, Bootsverkehr.
Mit der Bahn fahren wir nun einige Stationen zurück nach Estoril. Von einem historischen
Zentrum wie in Cascais ist hier rund um den Bahnhof nichts zu sehen, nur eine breite
Durchfahrtstraße. Dabei liegt das Zentrum des Ortes genau gegenüber dem Bahnhof, nämlich
das Spielcasino. Das soll angeblich das größte Europas sein, auch, wenn der moderne Bau
einen unspektakulären Eindruck macht, sich als einfacher Zweckbau präsentiert. Immerhin
liegt er aber umgeben von einem größeren Park, der nun am frühen Nachmittag aber auch
keine Spaziergänger anlockt. Auch die Straßen sind menschenleer.
Estorils Leben spielt sich zu dieser Zeit ausschließlich am Strand ab. Der ist auch um einiges
länger als der von Cascais, und die Strandpromenade erweist sich als die eigentliche
Hauptstraße des Ortes, zugänglich natürlich nur für Fußgänger. Oberhalb der
Strandpromenade liegt eine uralte graue Festung, nun eine Discothek. Endpunkt der
Promenade: Eine kleine Bucht mit einem winzigen Sandstrand unterhalb einer
Appartementanlage.
Wer gut zu Fuß ist, hätte die rund sieben Kilometer von Cascais aus bis hierher auch laufen
können. Wir setzen uns allerdings wieder in die Bahn – und fahren zurück nach Lissabon.
Dienstag, 30. Juni 2015: Hop-on-Hop-off-Tour nach Alfama, Belém und
durch das Expo-Viertel
Nach der Landung hatten wir bereits am Flughafen für zusammen 54 Euro zwei Tickets für
die Hop-on-Hop-off-Bustouren der Grayline gekauft – nun ist es Zeit, die Tickets, die für alle
vier Routen gelten, einzulösen. Am Rossio soll unsere Fahrt beginnen – und die beginnt mit
der Erkenntnis, dass dieser Anbieter wohl nicht der ist, dessen Busse am häufigsten
verkehren. Während wir noch warten, kommen jedenfalls schon etliche anderer Busse der
Konkurrenz-Linien vorbei.
Die erste Linie, in die wir steigen, ist die „Castle Line“. Vom Rossio aus führt die vorbei an
Kirchen und Brunnen aus dem 13. Jahrhundert sowie weiteren mittelalterlichen
Sehenswürdigkeiten nach Alfama. Der Bus hält an der Stelle, an der wir schon vorgestern aus
der Straßenbahn gestiegen sind. Diesmal allerdings steigen wir die Treppen hinab in
Lissabons ältestes Viertel.
Dass es hier keine Autos gibt, versteht sich fast von selbst. Aber auch Mofas oder gar
Fahrräder sieht man in diesem Labyrinth nicht. Schließlich geht es hier nicht nur ständig
herauf und herunter, hier muss man auch ständig Treppen steigen. Doch diese wahrhaft
mittelalterlichen Gassen sind mit Girlanden geschmückt – und an einer Stelle entdecken wir
auch einen alten, mit einem Löwenkopf versehenen Brunnen.
Vor dem Fado-Museum setzen wir uns in ein Café, steigen dann wieder auf zur
Bushaltestelle. Die Linie führt nun vorbei an den grauen Mauern von Lissabons erster
Kathedrale, dann über die große Prachtstraße, die Avenida da Liberdade zum Parque Eduardo
VII. An der Südseite dieses großen Parks, gegenüber dem Denkmal des Marqués de Pombal,
ist die Station der Gray-Line-Busse, Startpunkt und Ziel aller Linien.
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Das heißt allerdings auch jedesmal: Auf den Anschluss muss man eine Weile warten.
Die nächste Route, die wir wählen, führt nach Belém. Auch hier geht es zunächst wieder über
die 50 Meter breite Prachtstraße, Richtung Cais do Sodré, dann den Tejo entlang, unter die
Brücke des 25. April hindurch, vorbei an den ärmeren Vierteln der Hauptstadt. Durch das
historische Zentrum von Belém mit dem Präsidentenpalast und seinen Museen steuert der Bus
wieder den Tejo an, die Haltestelle mit dem Turm von Belém.
Sonderlich imposant ist dieses Wahrzeichen Lissabons eigentlich nicht. Aber schließlich ist
das ja auch nicht die einzige Sehenswürdigkeit an dieser Stelle des Tejo-Ufers. In der Zeit der
Salazar-Diktatur kam noch das Denkmal für die gefallenen Soldaten von Portugals
Kolonialtruppen und ein Armeemuseum dazu, außerdem gibt es noch die Nachbildung jenes
Doppeldeckers, mit dem Anfang der 1920er die erste Überquerung des Südatlantik von
Lissabon nach Rio de Janeiro gelang.
Doch natürlich kommen die Besucher wegen des Turms von Belém hierher. Vor dem Eingang
zu der Befestigung hat sich die unvermeidliche Schlange von Wartenden gebildet, deren
Länge die Lust auf eine Besteigung des auf einer kleinen Insel direkt am Ufer gelegenen
Turms rauben kann.
Wir fahren also wieder zurück um Ausgangspunkt der Hop-on-Hop-Off-Busse, besteigen den
Doppeldecker für unsere letzte Tour, die so genannte Oriente-Tour. Die führt in den
modernen Osten Lissabons – und schließlich in das fast futuristische Viertel der
Weltausstellung von 1998.
Das mutet zunächst eher nach einer langweiligen Tour durch die Neubauquartiere der
portugiesischen Hauptstadt an, ein Eindruck, der aber schon bei den Twin-Towers, einer recht
eindrucksvollen Demonstration moderner Wohnarchitektur, verschwindet. Weiter geht es
vorbei am Zoo, schließlich. wieder in der Nähe des Tejo-Ufers, passieren wir Linie einer
Seilbahn. Die gehört bereits zum Weltausstellungs-Gelände, so, wie auch das
Einkaufszentrum und natürlich das Aquarium.
Am einprägsamsten von all den Expo-Bauten ist allerdings der Vasco-da-Gama-Turm, mit 45
Metern nicht gerade ein Wolkenkratzer, aber doch die Gebäude der Umgebung überragend,
auffällig aber vor allem wegen seiner Form. Der Turm stellt nämlich ein Segel dar – und
erinnert mit seinem Aussehen an das Burj al Arab von Dubai. Das mag zwar höher und größer
sein, aber dafür wirkt das Lissaboner Gegenstück feiner und filigraner.
Der Turm markiert für unsere letzte Tour des Tages auch die Wendemarke: Nun geht es
zurück zum Ausgangspunkt.
Mittwoch, 1. Juli 2015: Sintra, Avenida da Liberdad
Klassizistisch, wie in manchen Reiseführern gepriesen, ist der Bahnhof am Rossio nur mit
seiner Fassade. Hinter denen verbirgt sich ein an Zweckmäßigkeit orientierter
Verkehrsknotenpunkt, der Lissabons Zentrum mit den Vororten und dem Umland verbindet.
Die Fahrt zu unserem Ziel, zum Bergstädtchen Sintra, dauert etwa 45 Minuten.
Rund um den Bahnhof macht Sintra den Eindruck eines ganz normalen,, unscheinbaren
Bergstädtchens, eher ein Dorf, über dem sich allerdings hoch oben auf einem Berg die grauen
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Mauern einer mittelalterlichen Festung erheben. Und für ein normales Bergdorf wohl auch so
zumindest in der Dimension nicht üblich: Die Masse von Cafés und Restaurants, die jetzt aber
noch alle leer sind. Dazu wird überall für Hop-on-Hop-off-Touren und Stadtrundfahrten
geworben, zu Preisen, die den Lissaboner Preisen jedenfalls in nichts nachstehen. Wir
entscheiden uns für einen der kleineren, unabhängigen Tourenanbieter, der uns eine SintraRundfahrt im Privatwagen anbietet.
Die führt nun zunächst zum Nationalpalast im Zentrum der Altstadt. Der Nationalpalast ist als
ältestes königliches Schloss die Keimzelle des royalen Sintra, der Grund, warum sich der nun
zum UNESCO-Welterbe zählende Ort zum Treffpunkt des Hochadels entwickelte. Nun hat
sich – wie bei allen Sehenswürdigkeiten – an der Kasse eine lange Schlange von Wartenden
gebildet, die das Schloss in der Stadtmitte auch von innen besichtigen möchten.
Dabei wirkt der weiße, im maurischen Stil gehaltene Bau, der, wenn man sich der Altstadt
von der Hauptstraße nähert, noch das Bild des gesamten Ortszentrums prägt, aus der Nähe
betrachtet nicht einmal wie ein Schloss, sondern eher wie ein überdimensioniertes
Herrenhaus, eine große Finca.
Dafür hat man vom Schlossplatz aus den besten Blick auf die hügelige Altstadt. Enge Gassen
führen von der Hauptstraße aus nach oben in die höheren Regionen des von herrschaftlichen
Villen umgebenen Ortes. Die großzügigste dieser Villen, so klärt uns unser Sintra-Führer auf,
diente in früheren Zeiten übrigens als Sanatorium für – betuchte – Nervenkranke.
Vom Nationalpalast aus fahren wir die Bergstraße hoch in Richtung der maurischen Festung,
legen aber zunächst einen Besichtigungsstopp an der Quinta da Regaleira ein. Zeigte sich der
Nationalpalast als „Herrenhaus“ – das hier ist ein Schloss, ein Märchenschloss umgeben von
einem nicht minder märchenhaften Park mit Tümpeln, künstlichen Wasserfällen und Grotten.
Diese verspielte Anlage war dabei nie der Sitz eines Angehörigen der Königsfamilie oder des
Hochadels, das ließ sich im 19. Jahrhundert ein reich gewordener Plantagenbesitzer aus
Brasilien errichten, der sich bei seinen Vorstellungen wohl von allen romantischen
Mittelaltervorstellungen leiten ließ, die zu seiner Zeit kursierten.
Im Hauptgebäude der Anlage steigen wir die Wendeltreppe hoch auf die Aussichtsplattform,
sehen auf die Ziertürme mit den Dämonenfiguren, auf die fast versteckt liegenden weiteren
Bauten, auf andere Türme, Pavillons im Grünen und mehr, machen dann einen kleinen
Rundgang durch das Gelände, das auch eines „echten“ Königsschlosses würdig wäre.
Bei der Weiterfahrt zum Mauren-Kastell halten wir am Lawrence-Hotel, auch das ein alter
Adels-Sitz, nun Luxus-Hotel mit labyrinthartig angelegtem Park – und, durch das Tor der
Einfahrt – einem wirklich einmaligen Blick auf den Palacio de Pena, dem nach den Aussagen
der Reiseführer bedeutendsten Palast von Sintra.
Unser Ziel ist allerdings die maurische Festung. Und zumindest den Weg unterhalb der
Festungswälle kann man nehmen, ohne Eintritt bezahlen zu müssen. Regelmäßig werden die
noch intakten grauen Mauern auf der Spitze des Berges von Wehrtürmen unterbrochen. Dazu
liegt mitunter auch direkt am Weg eine zusätzliche Wehranlage. Angeblich soll die Festung
von Sintra für die Mauren eine strategisch eher unwichtige Anlage gewesen sein – die aber
doch um etliches gewaltiger war als das, was die Christen dieser Zeit an Festungen
aufzubieten hatten.
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Große Angst vor einem Sturm auf ihre Festungsmauern scheinen die Mauren nicht gehabt zu
haben. Einige der Vorratssilos befinden sich unterhalb der Wälle. Dazu gibt es einen
maurischen Friedhof mit einigen nun unter Glas liegenden Skeletten, eine Moschee, für den
Nicht-Archäologen kaum also solche erkennbar, die nun als Museum dient.
Die Ausstellungsstücke reichen zurück bis in die Jungsteinzeit. Immerhin weisen die ersten
Siedlungsspuren auf dem Berg von Sintra zurück bis 5000 Jahre vor Beginn unserer
Zeitrechnung.
Wir unternehmen noch einen Abstecher zum Palacio de Pena, dem Schloss auf einer anderen
Bergkuppe. Das Schloss von Pena gilt zwar als „Neuschwanstein Portugals“, doch von
weitem wirkt die in gelben und roten Tönen gehaltene Anlage eher nicht wie ein die
Romantik nachspielendes „Märchenschloss“, sondern wie eine farbenfrohe Burgaanlage mit
spielerischen Elementen.
Unsere Sintra-Rundfahrt endet auf einem Parkplatz nahe der Altstadt, durch die wir nun noch
einen kleinen Bummel unternehmen. Rund um den Hauptplatz unterhalb des Nationalpalastes
drängen sich die Restaurants und Cafés, alle gut besucht, eine von diesem Platz in die höher
gelegenen Ortsteile führende, gerade mit bunten Wimpeln geschmückte Gasse ist voller
Andenkenläden. Doch am Ende dieser Gasse verläuft sich die Touristenmenge, geht es fast
ruhig zu. Auf einem kleinen Platz steht ein öffentlicher Brunnen mit allegorischen Motiven,
die verwinkelten, steilen Gassen, zu steil und zu eng selbst für Motorräder oder Fahrräder,
erinnern als die Alfama in Lissabon – nur, dass hier alles noch kleiner und beschaulicher ist.
Vor unserer Rückfahrt gehen wir noch in ein chinesisches Lokal am Bahnhof etwas essen,
setzen uns dann in den Zug, der uns wieder an den Rossio bringt.
Am Abend unternehmen wir noch einen Spaziergang in der Baixa, durch den südlichen Teil
der Avenida da Liberdade zum Pracio do Comercio. Südlich des Rossio wird Lissabons
Prachtboulevard zur – sehr breiten – Fußgängermeile, mit teuren Geschäften links und rechts,
mit den Freiluft-Restaurants in der Mitte. Auch in einigen Nebengassen sieht es ganz ähnlich
aus, wenn auch auf kleinerem Raum.
Die Avenida da Liberdade endet an einem Torbogen. Der kleine Platz dahinter scheint
allabendlich für eine schwarzafrikanische Tanzgruppe zur Bühne zu werden, die hier – relativ
zwanglos – ihr Können präsentieren.
Verglichen mit dem Gedränge auf der Avenida da Liberdade scheint der Pracio do Comercio
fast menschenleer. Aber der von repräsentativen Gebäuden umgebene Platz mit einem
monumentalen Reiterdenkmal in der Mitte ist aber auch so riesig, dass sich hier auch die
größte Menschenmenge verlieren würde.
Donnerstag, 2. Juli 2015: Cacilhas
Die Cais do Sodré sind allen Brücken zum Trotz ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Wer
nicht im Auto über die Brücke des 25. April fährt, überquert den Tejo in der Fähre – und die
Cais do Sodré sind der Ort, von dem aus die meisten Fährlinien verkehren.
Wir nehmen die Fähre nach Cacilhas, zu dem Stadtteil, der den Cais genau gegenüberliegt.
Die Fähren sind geschlossen, eben keine Ausflugsschiffe, aber wenn man einen guten
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Fensterplatz, schaut man doch zurück auf die Kulisse des Pracio do Comercio, auf die vor uns
liegende Christus-Statue, natürlich auch auf den kleinen Hafen von Cacilhas.
Zumindest der Hafen von Cacilhas scheint auf Touristen eingestellt. Rund um die Fährstation
gibt es einige Fischrestaurants, die alle weit billiger sind als die Gaststätten auf der anderen
Seite des Tejo, ein Wanderweg führt zur Christus-Figur, eine nicht all zu lange
Fußgängerzone in die „Innenstadt“.
Weitere Attraktionen hat Cacilhas seinen Besuchern allerdings nicht zu bieten – außer einem
im Hafen liegenden Dreimaster, und eben das Panorama auf der anderen Seite des Ufers.
Nach einem Mittagessen fahren wir wieder zurück zu den Cais do Sodré, checken aus dem
Hotel aus, machen uns auf den Weg zum Flughafen.
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