Der Taucher

Transcription

Der Taucher
Tochter des Neptun und der
Erde
1798
gilt
als
das
Balladenjahr
Schillers,
da
ist
auch
sein
„Taucher“
entstanden: 27 Strophen, je sechszeilig, selbstverständlich gereimt (ababcc),
wobei man die Reime in Schillers Mundart denken muss. Beschrieben wird ein
Ereignis, dessen Bedeutung in einer (bekannten) Zeile zu fassen ist: Der
Mensch versuche die Götter nicht.
Friedrich Schiller & Willi Glasauer:
Der Taucher
Berlin: Kindermann 2009
www.kindermannverlag.de
ISBN 978-3-934029-33-0
32 Seiten * 15,50 € * ab 04 Jahre
Im Übermut wirft der König einen goldenen Becher in die
tosende
See
und
fordert
seine
Untertanen
auf,
ihn
zurückzuholen. „Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp’ …“ beginnt Schiller seine
Ballade. Der junge Knappe wagt es, springt hinab, findet gegen alle Wahrscheinlichkeit
den Becher und wird Strudel, der ihn zunächst hinunter sog, nun wieder nach oben
gespült. Gar grässlich sei es dort unten, und niemand solle es jemals wieder wagen,
dort hinab zu tauchen. Als der König jedoch seine Tochter demjenigen verspricht, der
die Tat wiederholt, vergisst der Jüngling seinen Vorsatz.
Das Schlussbild zeigt die hohe Klippe. Das Volk ist des Wartens auf den Jüngling
überdrüssig, alle entfernen sich gebückt vom Ort der Götterversuchung. Allein die
Prinzessin steht und blickt in die Fluten. Die Angst um ihn beginnt bereits der Trauer
zu weichen.
Willi Glasauer strichelt seine Bilder in feinen kurzen Linien und koloriert sie mit
stumpfen Farben. Seine Welt de Mittelalters zeigt die Menschen, wie wir sie uns
vorstellen – der Ritter mit der Rüstung, der König mit der Krone, der Ehrenkette und
dem Degen, die Königin mit Hündchen, Hermelinkragen und gewickeltem Hut. Bei den
sich überstürzenden Wellen (von links kommen sie) nimmt er Anleihen bei japanischen
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Darstellungen, um gleich darauf zurückzukommen auf unsere Zeit, die Schiller
beschreibt: Dudelsackspieler, Hofstaat, jubelndes Volk.
Glasauer begleitet die Ballade, wie er eine Geschichte begleitet. Das Wesentliche ist
allerdings das Letzte, bevor der Verlag die Ballade noch einmal ganz abdruckt,
27 Strophen lang. Eine Bild-Doppelseite mit integriertem Text, der deutlich unterhalb
des Kliffs kurz über den beiden Vögeln abgedruckt ist. Die beiden Vögel fliegen gegen
die steile Wand, der eine hat gerade seine Flügel nach unten gedrückt und sich dabei
nach oben, der andere ist in genau der anderen Phase, schließt seine Flügel, die er
angeengt nach unten führen muss, um dem Auftrieb Genüge zu tun. Doch jeder Blick
nach links auf die beiden Tiere findet ein Abweichen nach rechts. Die eine, die
Prinzessin beugt sich gerade noch sicher auf der Klippenhöhe nach unten. Sie weiß,
dass ihre Hoffnung vergeblich ist, aber dennoch zwingt ihr Schmerz sie zu dieser
Haltung. Das Volk und der Hofstaat dagegen macht sich in deutlicher Linie „aus dem
Staub“. Selbstverständlich wissen alle, dass der König den Tod des Jünglings auf dem
Gewissen hat, er selbst auch. Aber niemand will dem Ereignis zugeordnet werden. Und
damit wird getan, als hätte es nicht stattgefunden - wäre da nicht die Prinzessin, die
all der Flucht Verantwortung straft.
Ein ganz beeindruckendes Bild, das jeder sprachlichen Interpretation der Ballade sehr
überlegen ist. Über die Charaktere der Geschichte selbst ließen sich ganz viele Wörter
verlieren – oder in den (vor allem für Schüler) veröffentlichten Interpretationen finden.
Man darf aber auch selbst denken. Geschadet hat dieser Vorgang erwiesenermaßen
noch nicht.
Ulrich H. Baselau
für
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