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SULZER-ANALOGIE Wie die Natur Sonnenenergie nutzt Dank der Sonnenstrahlung entstehen auf der Erde Werkstoffe und Energiequellen, die sich stetig erneuern. Heute ist die technische Nutzung dieser erneuerbaren Ressourcen weltweit im Kommen; in der Pflanzenund Tierwelt ist sie indes seit jeher weit verbreitet. Die Meridiantermite genießt in ihrem Bau optimales Wohnklima dank Sonnenenergie. T ermiten nutzen in ihren riesigen Wohnburgen passiv die Sonnenwärme. Die in der nordaustralischen Steppe lebenden Meridiantermiten müssen damit fertig werden, dass die Temperaturen nachts bis auf 5 ºC sinken, am Tag jedoch tropische Werte erreichen. Die Spezies baut sich ein an dieses Klimaregime optimal angepasstes Nest: In der Grundfläche ein Gebilde wie ein stark geschlitztes Auge, ist der Bau mit seiner Längsachse genau auf den lokalen NordSüd-Meridian ausgerichtet. Nach oben wird die Burg immer enger und endet schließlich als schmaler Grat – ein Objekt ähnlich einer auf dem Rücken liegenden Axt. Steigt die Sonne am Morgen über den Horizont, ist die gesamte Breitseite des Baus der Sonne ausgesetzt – das Nest profitiert nach der kühlen Nacht voll von der wärmenden Strahlung. Zur heißen Mittagszeit hingegen steht die Sonne über der schmalen Kontur der Burg, was das Nest vor übermäßiger Hitze bewahrt. Hornissen gestalten aus erneuerbaren Werkstoffen kunstvolle Nester. 12 | Sulzer Technical Review 1/2012 Sonnenlicht produziert Nährstoffe Aufhängung sowie ein elastischer BlattDas Pflanzenblatt kennt seit Jahrmillionen stiel bringen das Blatt im Wind zum die Photosynthese. Es produziert mit grü- raschen Schwingen. nen Chlorophyll-Farbstoffen aus SonnenErneuerbare Werkstoffe im licht die lebenswichtigen Nährstoffe und Hornissennest liefert so auch Nahrung für Mensch und Der in der Technik vielgepriesene Trend Tier. Wechselwarme Tiere wie Reptilien zum Einsatz erneuerbarer Werkstoffe ist und Amphibien nutzen die Sonnenenergie bei Pflanze und Tier die Regel, denn passiv, indem sie sich den energetischen Aufwand einer konstanten Körpertem- natürliche Organismen können ohne nachhaltiges und Ressourcen schonendes peratur sparen und die Sonnenwärme nutzen, um die optimale Betriebstempe- Wirtschaften längerfristig nicht überleben. Von der Zellulose der pflanzlichen Zellratur zu erreichen. wände bis zum Chitin des Käferpanzers Neben der Sonnenenergie setzt die dienen erneuerbare Materialien als natürNatur auch auf Windenergie – letztlich liche Werkstoffe. Architektonische eine Variante von Sonnenenergie, da die Meisterwerke sind die Papiernester der Luftmassen durch die Thermik in der Atmosphäre bewegt werden. Der ameri- Hornissen und Wespen. Von vergrauten Holzlatten, Telefonstangen oder alten kanische Präriehund, ein Nagetier, baut Bäumen nagen die Insekten feine Splitter seinen ausgedehnten Bau unter der Erde mit mehreren Ausgängen. Einer der Aus- ab und formen sie mit Speichel als Klebstoff zu Kügelchen. Aus dem biologischen gänge mündet in einen die Ebene Grundmaterial baut im Frühjahr das markant überragenden Erdhügel. Streicht nun der Präriewind über die topoDie Sonne erwärmt Luftmassen und bringt sie graphische Erhöin Bewegung. Viele Tiere und Pflanzen nutzen hung, entsteht nach geschickt die Kraft des Windes. dem Bernoulli-Prinbegattete Hornissenweibchen zur Nestzip ein Unterdruck, wodurch der Bau gründung eine erste sechseckige Zelle belüftet wird. und heftet sie unten an eine Decke. WähAuch die typische Zitterbewegung rend Wochen und Monaten erweitert von Pappelblättern im Wind erfüllt einen das wachsende Hornissenvolk das Nest, bestimmten Zweck. Die Grenzschicht der bis ein mächtiger Etagenturm wie eine Luft an der Blattoberfläche wird damit umgekehrte Pagode von der Decke laufend erneuert, was die Diffusion von Gasen und Wasserdampf durch die Spalt- hängt. öffnungen erleichtert. Die spezifische Herbert Cerutti Blattform mit leicht seitlich versetzter 4366