Sind Lebensversicherungen noch zeitgemäß?
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Sind Lebensversicherungen noch zeitgemäß?
Interview Sind Lebensversicherungen noch zeitgemäß? „Finanzen im Unternehmen“ fragte nach bei Dr. Stefan Kleine-Depenbrock, Vorstandschef der cash.life AG, dem größten Käufer von Lebensversicherungen in Deutschland. » Heute kommen die Versicherungsunternehmen nicht mehr am Zweitmarkt für Lebensversicherungen vorbei. 8 Herr Dr. Kleine-Depenbrock, Sie haben einige Erfahrung in der Versicherungsbranche gesammelt. Wie kommt man als jemand, der bei Verkäufern von Lebensversicherungen gearbeitet hat, darauf, diese Lebensversicherungen zu kaufen? Kleine-Depenbrock: Wer in der Versicherungsbranche tätig ist, beschäftigt sich zwangsläufig mit dem riesigen Markt an Lebensversicherungen, die vorzeitig beendet werden müssen. Der Policenverkauf an cash.life bot hier ab 1999 erstmals eine clevere Alternative zum Rückkauf durch den Versicherer. Also haben wir nach einem Weg gesucht, wie wir möglichst vielen Anlegern diese Alternative zugänglich machen können. Heute kommen die Versicherungsunternehmen nicht mehr am Zweitmarkt für Lebensversicherungen vorbei. Derzeit arbeiten wir mit zehn Versicherern in Pilotprojekten zusammen. Das zeigt, wie „salonfähig“ die Möglichkeit des Policenverkaufs auf dem Zweitmarkt geworden ist. In den USA existiert das Geschäftsmodell schon länger. Konnten Sie das so einfach auf Deutschland übertragen? Kleine-Depenbrock: Das US-amerikanische Modell ist nicht mit dem deutschen zu vergleichen. Während in den USA sozusagen eine Wette auf den Tod der versicherten Person abgeschlossen wird, kalkulieren wir hier in Deutschland mit dem Ablauftermin der Police. In Deutschland weiß ich also genau, wann ich etwas von der Versicherung bekomme, aber nicht wie viel, während die Investoren in den USA genau wissen, wie viel Geld sie erwarten können, aber nicht wann. Denn die Leistung ist dort an den Tod der versicherten Person gekoppelt. Das WANN spielt aber bei der Renditeerwartung eine sehr große Rolle. Deshalb sind Investitionen in den US-Zweitmarkt für risikobereite Anleger geeignet, die Investition in den deutschen Zweitmarkt gilt als sehr sicher. Angesichts des jährlichen Stornovolumens von rund zwölf Milliarden Euro und einem geschätzten Zweitmarktpotenzial von sechs bis sieben Milliarden Euro dürfen wir in unserer Aufklärungsarbeit aber nicht nachlassen. Bei der Unternehmensgründung wurde das Geschäftsmodell von der Versicherungswirtschaft sehr kritisch beobachtet. Aufgrund der Vorteile, die der Zweitmarkt auch den Versicherern bringt – ich nenne hier nur: die günstigen Auswirkungen auf die Stornoquote, kein Abfluss bei den Kapitalanlagen und eine günstigere Kostenverteilung – entwickeln sich die Versicherungsunternehmen inzwischen hin zu interessierten Partnern. Viele Versicherungsunternehmen waren anfangs nicht gerade glücklich über die Aufkäufer. Haben Sie noch ein gutes Verhältnis zu den alten Kollegen? Kleine-Depenbrock: Aber natürlich. Das wird nicht nur sportlich gesehen, sondern erfährt eine immer größere Akzeptanz. In unseren zahlreichen Gesprächen mit den Vorständen der Versicherungsgesellschaften haben wir festgestellt, dass auch bei den so genannten Insidern immer noch ein Informationsdefizit besteht. Unsere oben angesprochenen Pilotprojekte sind der erste Schritt in Richtung institutionelle Zusammenarbeit. Warum steigen die großen Versicherungen nicht selber in das Geschäft ein und kaufen die eigenen Policen zurück? Das würde die Stornoquote doch auch erheblich senken. Kleine-Depenbrock: Das stimmt. Es würde aber erheblich gegen die Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer verstoßen. Der Versicherer kann nicht dem „unwissenden“ Stornowilligen den Rückkaufswert und einem „aufgeklärteren“ Versicherungsnehmer mehr Geld bieten. Von daher wirkt das Angebot der cash.life wie eine Art Verbraucherschutz. Wir stellen sicher, dass Versicherungsnehmer in den Nutzen einer höheren Auszahlung kommen Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie in diesem jungen Markt anfangs zu kämpfen? Kleine-Depenbrock: Unser Hauptanliegen ist seit Unternehmensgründung, die Versicherten darauf aufmerksam zu machen, dass es eine lukrative Alternative zum Storno gibt. Nach sechs Jahren cash.life wissen immerhin 14 Prozent der Bevölkerung von dieser Möglichkeit. als bei Storno, wenn der Vertrag dieses erlaubt. Darüber hinaus behält der Verkäufer einen Todesfallschutz. Die Versicherungen müssen ihre Kunden zukünftig stärker an den stillen Reserven beteiligen. Das erhöht die Rückkaufwerte. Kleine-Depenbrock: Wir begrüßen diese Regelung ausdrücklich, denn sie kommt unserer Forderung nach 2006 Interview mehr Transparenz bei Lebensversicherungen nach. Die Neuerungen für das Versicherungsvertragsgesetz, die im Regierungsentwurf der Bundesregierung enthalten sind, werden sich außerdem positiv auf unser Geschäftsmodell auswirken. Durch die Beteiligung der Versicherten an den stillen Reserven wird der Wert der Policen steigen. Davon wird cash.life als einer der größten Versicherungsnehmer in Deutschland partizipieren. Wir erwarten weiter, dass durch Mindestrückkaufswerte beim Frühstorno die Rückkaufswerte im Spätstorno sinken werden. Auch das ist positiv für den Zweitmarkt. Also keine Kritik von Ihrer Seite am Gesetzesvorschlag? Kleine-Depenbrock: Wir halten den Vorschlag von Ministerin Zypries, die Beteiligung an den stillen Reserven auch bei Kündigung der Police zuzuteilen, für einen Konstruktionsfehler. Dies würde bedeuten, dass diejenigen, die vertragsbrüchig werden, privilegiert werden. Das halten wir für ein falsches Signal in Zeiten, in denen der Aufbau einer privaten Altersvorsorge eminent wichtig ist. Hier werden wir uns zusammen mit der Versicherungswirtschaft und Verbänden für eine Korrektur einsetzen. Außerdem sinkt der Garantiezins immer weiter ab. Wie lange hält Ihr Geschäftsmodell noch? Kleine-Depenbrock: Was den Garantiezins angeht, so kaufen wir derzeit Policen, die Ende der 1980er-Jahre abgeschlossen wurden. Die sinkende Garantieverzinsung bezieht sich auf das Neugeschäft. Mittelfristig hat das keinen Einfluss auf unser Geschäft. Werden die Versicherungsunternehmen nicht trotzdem versuchen, höhere Rückkaufwerte für ihre Kunden zu vermeiden? Kleine-Depenbrock: Der Kuchen, den die Versicherungsgesellschaften verteilen können, wird durch das novellierte Versicherungsvertragsgesetz nicht größer. Das heißt, wenn zum Beispiel Frühstornierer künftig mehr Geld bekommen sollen, müssen andere weniger bekommen. Wir können nur vermuten, wer durch diese Kostenumverteilung benachteiligt werden wird. Genaueres wissen wir ab 2008, wenn das Gesetz in Kraft treten wird. Das wird nicht dazu beitragen, Lebensversicherungen attraktiver zu machen. Zudem arbeiten vor allem die Verbraucherschützer daran, Sparer aufzuklären, dass die Renditen bei Lebensversicherungen nicht gerade renter und verbraucherfreundlich wird. Unsere regelmäßige Bewertung der Versicherungsgesellschaften zeigt auch, dass sich die Unternehmen von der Börsenkrise 2001 erholt haben und wieder profitabel und finanziell sehr stabil sind. Wir rechnen damit, dass die Versicherer ihre Kunden sehr bald über steigende Überschussbeteiligungen an den Gewinnen beteiligen. Auch das wird die Lebensversicherung wieder attraktiver machen. Wenn es um private Altersvorsorge geht, ist die kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherung nach wie vor der Deutschen liebstes Kind. Kritiker sagen, das Geschäft funktioniere nur, solange Sie den Ankauf der Versicherungen billig finanzieren können. Wenn die Kapitalmarktzinsen über die Rendite der Lebensversicherungen steigen, könnten die Banken höhere Sicherheiten verlangen. Geht die Rechnung für Sie dann noch auf? Kleine-Depenbrock: Wir haben uns langfristig gegen steigende Zinsen mit so genannten Derivaten abgesichert. Es kommen auch immer mehr Policenaufkäufer auf die Idee. Wird da der Markt nicht langsam knapp? Kleine-Depenbrock: Das Marktpotenzial bewegt sich in einer Spanne von sechs bis sieben Milliarden Euro pro Jahr. Wir schätzen, dass auf dem Zweitmarkt in diesem Jahr ein Volumen von gut einer Milliarde Euro gehandelt wird. Das Potenzial ist also noch lange nicht ausgeschöpft. Welche alternativen Strategien sehen Sie für Ihr Unternehmen, um weiter zu wachsen? Kleine-Depenbrock: Unser oberstes Ziel ist es, den Bekanntheitsgrad über die Möglichkeit des Policenverkaufes in der breiten Bevölkerung zu steigern. Nur so können wir unser Marktpotenzial voll ausschöpfen. Darüber hinaus haben wir seit 1. November 2006 eine neue Dienstleistung eingeführt, die es uns ermöglicht, auch unser Kundenpotenzial weiter zu nutzen. Seither können Versicherte ihre Police bei cash.life auch beleihen – zu besseren Konditionen als am Markt. Damit bieten wir Versicherten eine weitere lukrative Alternative zum Storno. Besitzen Sie selber noch Lebensversicherungen? Kleine-Depenbrock: Aber natürlich. Ich bin ein großer Fan der Lebensversicherung. Sie bietet eine attraktive Rendite bei höchstmöglicher Sicherheit. Zudem steht im Rahmen meiner privaten Vorsorge der Risikoschutz im üppig sind. Sind Lebensversicherungen als Altersvorsorgeinstrument für Unternehmer noch zeitgemäß oder braucht man sie nur noch als Sicherheit für die Banken? Kleine-Depenbrock: Da bin ich anderer Meinung. Die Novellierung des VVG war bitter nötig. Sie wird dafür sorgen, dass das Produkt Lebensversicherung transpa- Vordergrund. Haben Sie keine Ambitionen, diese zu verkaufen? Kleine-Depenbrock: Nein, ich sehe derzeit keinen Anlass dafür. ■ 2006 Dr. Stefan Kleine-Depenbrock, geboren am 16. Februar 1967, begann seine Laufbahn im Versicherungsbereich 1986 mit einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Es folgte bis 1992 das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau mit dem Abschluss zum Diplom-Kaufmann und anschließender Promotion. In verschiedenen Positionen war er danach bei diversen Versicherungen tätig; zuletzt war er als Generalbevollmächtigter bei der LVM Versicherung für Kapitalanlagen, strategische Planung und Finanzdienstleistung zuständig. Seit 2004 ist er Vorstandsvorsitzender der cash.life AG in Pullach. 9