Skype, ICQ, Slick – aber Kwick
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Skype, ICQ, Slick – aber Kwick
SERIE Samstag, 9. Oktober 2010 16 Folge 6: Twitter, Facebook & Co.: Was Eltern unbedingt wissen sollten Kinder sind anders. Sie hocken stundenlang vor dem Computer und schreiben Kurznachrichten hin und her, tippen blitzschnell Kryptisches in ihr Handy und wollen möglichst viele Freunde haben – im Internet. Eltern sind dabei nicht gefragt. Doch die sollten sich um die Mediennutzung ihrer Kinder kümmern. Die große Serie vom 28.9. bis 6.11.2010 Mehr im Internet: www.swp.de/ulm/kinder – Am Dienstag lesen Sie: Filme und Bücher: Was passt wann? Skype, ICQ, Slick – aber Kwick Was Kinder im Internet alles treiben – und was zur Gefahr werden kann Bei einem sozialen Netzwerk im Internet mitzumachen, ist für Jugendliche meist selbstverständlich. Doch Eltern wissen oft wenig darüber. Welche Gefahren gehen von Facebook, ICQ und Twitter aus? THOMAS VEITINGER Ulm. Wie unterschiedlich Medien genutzt werden, ist in jeder Straßenbahn zu sehen. Während ältere Fahrgäste Zeitung lesen oder gar nichts tun, tippen jüngere mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihren Nokias, Samsungs und Sony Ericssons herum. Es wird gesimst und gechattet, gemailt und getwittert: ein oft blitzschnelles Hin- und Herschreiben von Nachrichten via Handy. Fast 3 Milliarden SMS werden in Deutschland verschickt – jeden Monat. Etwa von „solf1“, der „locker mal auf 400 bis 500“ monatlich kommt und im Internet-Forum „gutefrage.net“ etwas besorgt die Frage stellt: „Ist das leicht übertrieben?“ Zumindest ist es nicht billig, eine SMS kostet je nach Anbieter zwischen 8 und 19 Cent, „solf1“ zahlt also bis zu 95 Euro. Mit Handys werden nicht nur harmlose Texte ausgetauscht, sondern auch Bilder oder Filmclips. Immer wieder berichten geschockte Eltern und Lehrer über Foltervideos oder drastische Sexdarstellungen auf den Telefonen. Eltern sollten sich zunächst klar machen, dass ein Handy ein sehr persönliches Gerät ist, so etwas wie das „Tagebuch“ des Kindes, erklärt der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (MPFS). Wer einen Verdacht hat, dass sich auf den mobilen Geräten seines Kindes bedenkliches Material befindet, sollte das Gespräch suchen und klar machen, warum Gewaltvideos, Pornografie und ähnliches dort nichts zu suchen haben. Jugendliche kön- Illustration: Maike Hettinger nen sich durch die Weitergabe solcher Videos und Bilder strafbar machen, soweit denken die wenigsten. Die allermeisten Jugendlichen nutzen ihre Handys aber für Erlaubtes. Dabei gehen sie immer öfter ins Internet, verschicken auch E-Mails, was der Web-Zugang, den die neueren Handys haben möglich macht. Via Internet lassen sich auch Kommunikationsplattformen erreichen. Sie ermöglichen den Informationsaustausch mit vielen Freunden gleichzeitig. Facebook dürfte die bekannteste Anwendung sein, es gibt aber auch Schüler VZ, Myspace und viele andere. Das Prinzip ist aber immer das gleiche: Auf der Plattform finden sich Freunde, Bekannte, Schüler oder einfach nur Gleichgesinnte. Sie schreiben sich, spielen zusammen oder weisen sich auf Interessantes im Netz hin. Wichtig ist dabei oft die Eigendarstellung, welchen Gruppen man sonst noch angehört, was für Bilder prä- sentiert werden – und wie viel virtuelle Freunde man hat. Zum Problem kann wie im realen Leben Mobbing werden, das die EU-Medienkommissarin Viviane Reding für „ein ernstzunehmendes Problem, vor allem in Europa“ hält. Es kommt laut Initiative Klicksafe.de in allen Schulstufen und -formen vor, geballt aber bei 12- bis 17-jährigen Gymnasiasten. Hier hilft vor allem Aufklärung. Eltern Workshop für Eltern Viele Eltern sind überfordert mit dem, was sich im weltweiten Netz abspielt. Wollen Sie das ändern und gemeinsam mit anderen Nicht-Wissern die Cyber-Welt erobern? Endlich die Fragen stellen, für die Sie von ihrem Kind nur mitleidige Blicke ernten? Dann kommen Sie zu einem unserer Eltern-Workshops im November. Anmeldung und Info: [email protected] müssen klar stellen, dass CyberMobbing kein leichtes Vergehen ist. Zugleich müssen sie mit ihren Kindern darüber sprechen, was sie im Netz treiben. Manche Nutzer sind auf mehreren Diensten aktiv, nutzen zu Facebook oft regionale Angebote wie Kwick, Lokalisten, Wer-kenntWen, Spin oder Jappy. Mittlerweile ist jeder dritte Deutsche auf einer soziale Plattform. Die Gefahr der Sucht ist da. Eltern sollten aufmerksam werden, wenn Kinder in ihrer Freizeit immer häufiger vor dem PC sitzen und weniger reale Freunde haben. Klare Regeln sind von Anfang an nötig. Im Extremfall gibt es professionelle Hilfe. Die Kommunikation via Handy und Computer läuft nicht nur über Internet-Seiten. Für manche Dienste muss gar keine InternetSeite angesteuert werden. Über so genannte Instant Messenger kann man direkt an Freunde schreiben, die in der Anwendung sofort antworten können, das Hin und Her erscheint untereinander auf dem Handy-Bildschirm. Slick, Nimubzz, Bing, Fring und Skype Mobile sind solche Handy-Programme. Daheim am Computer ist die Instant-Kommunikation ebenfalls möglich etwa mit AOL Instant Messenger (AIM), ICQ, Windows Live Messenger, Skype oder Yahoo Messenger. Mittels einer Web-Kamera kann man sein Gegenüber sogar sehen. Nur in eine Richtung funktioniert ein Dienst, den auch Bundesfamilienministerin Kerstin Schröder nutzt: Twitter („Habe gerade die 16. Shell Jugendstudie präsentiert“). Hier gilt es mit maximal 140 Zeichen so genannte Follower (englisch: folgen) über oft sehr persönliche Erlebnisse zu informieren. Nicht nur die zu intensive Nutzung von PC und Handy kann zum Problem werden. Im Netz tummeln sich viele Abzocker, dafür müssen die Kinder ein Bewusstsein entwickeln und mit persönlichen Infos spärlich umgehen. Name, Adresse, Telefonnummer, Fotos und Videos dürfen nicht unbedacht weitergegeben werden. Denn eine 14-jährige Schülerin kann in Wirklichkeit ein 58-jähriger Pädophiler sein. Info www.internet-abc.de/eltern/ home.php; www.mpfs.de; www.klicksafe.de Lesetipps Literatur im Internet ist zu finden auf: - www.internet-abc.de/eltern/jugendschutz-gewalt-computerspiele.php; - http://bupp.at/forschung/studien-undartikel; - www.jff.de dann auf „Publikationen“ - www.bundespruefstelle.de/bpjm/Jugendmedienschutz-Medienerziehung/erziehungmedienkompetenz,did=134030.html Wenn Jugendliche in Colaflaschen pinkeln Internet, Computerspiele und Handy sind für Heranwachsende hoch attraktiv – Eltern sollten bei der Mediennutzung Vorbild sein Um Medienmissbrauch vorzubeugen sollten Eltern nicht zu oft fernsehen, regelmäßig mit Kindern essen und sich für den PC interessieren. Dies meint der Lörracher Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Clemens Keutler. THOMAS VEITINGER Was finden Kinder und Jugendliche an Computern und Handys eigentlich so attraktiv? CLEMENS KEUTLER: Diese Medien sind ständig verfügbar. Sie sind selbstwertsteigernd, etwa weil Erwachsene bei der Bedienung um Hilfe bitten. Sie sind unter Gleichaltrigen angesagt, und es gibt eine eigene Sprache, die Erwachsenen oft nicht beherrschen. Computerspiele bringen auch Erfolg. . . KEUTLER: Darauf sind die Spiele ja gerade ausgelegt. Es wird ausdrücklich eine Nutzungsleidenschaft und Abhängigkeit angestrebt, damit die Jugendlichen etwa beim OnlineSpiel „World of Warcraft“ jeden Monat die hohen Gebühren zahlen und immer wieder neue Spiele kaufen. Die Wertschätzung anderer ist einer der besten Verhaltensverstärker für menschliches Handeln. Wenn Jugendliche in Gruppen kämpfen, halten sie sich für unersetzlich. Ich hatte einmal einen Jugendlichen in meiner Praxis, der in Colaflaschen pinkelte, weil er bei den stundenlangen Spielen einfach nicht aufs Klo konnte ohne seine Kampfkollegen im Stich zu lassen. Nimmt Medien-Missbrauch zu? KEUTLER: In einer Untersuchung haben 88 Prozent der 6- bis 13-Jährigen einen Computerzugang, mehr als die Hälfte eine Spielkonsole und 42 Prozent einen Fernseher im Zimmer. 13 Prozent spielen fast täglich. Wer mit 10 Jahren schon anfängt, kommt langfristig schlecht wieder davon weg. Das ist bei Spielsucht nicht anders als beim Alkohol. Wir haben einen 15-Jährigen gebeten, Tagebuch zu führen. Er erschrak, als herauskam, dass er im Schnitt sieben Stunden pro Tag spielte. An Wochenenden waren es bis zu 14 Stunden ohne Unterbrechung. Was ist an Spielen so attraktiv? KEUTLER: In Krisenzeiten ist eine virtuelle Existenz nicht selten attraktiver als die reale. Es ist wie ein Neuanfang in einer anderen Welt, deren Parameter man zudem noch selbst definieren kann. Gibt es Risikogruppen? KEUTLER: Eindeutig. Kinder, insbesondere Jungs, die sich oft selbst überlassen bleiben, früh unkontrollierten Zugang zu Computer und Fernseher haben, kein geeignetes „Gegenmodell“ zu diesem Verhalten bei erwachsenen Bezugspersonen finden, sind besonders gefährdet. Wer dann noch wenig Freunde und keine Hobbys hat, viel daheim rumsitzt, hat schlechte Karten. Nutzen Mädchen und Jungs PC und Internet unterschiedlich? KEUTLER: Ja, Jungs spielen deutlich mehr Rollenspiele wie World of Warcraft sowie Ballerspiele. Mädchen engagieren sich in sozialen Netzwerken und sind deshalb besonders von Erwachsenen bedroht, die sich als Gleichaltrige ausgeben, Kontakte suchen und über das Erschleichen von intimen Informationen und Bildern die Jugendlichen unter Druck setzen können. Das Netz ist also eine Gefahr? KEUTLER: Mädchen bringen naive pubertäre Fantasien ein, die ihnen später furchtbar peinlich sind, sich Jetzt anrufen & gewinnen! 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Ein Mädchen etwa hatte sich selbst als Model fotografiert und die Fotos ins Netz gestellt. Es gibt auch Foren für Magersüchtige. Oder Suizidforen, in denen geeignete Selbsttötungsstrategien oder gar gemeinsame Selbstmorde diskutiert werden. Was können Eltern tun? KEUTLER: Fernseher gehören grundsätzlich nicht in ein Kinderzimmer, das ist fahrlässig. Die Geräte haben Aufforderungscharakter, sie sollten deshalb nicht im Wohnzimmer offen stehen, sondern besser in einem Nebenraum oder hinter verschlossenen Türen einer Schrankwand. Familien sollten regelmäßig zusammen essen und miteinander reden ohne laufenden Fernseher. Eltern sollten da Vorbild sein, wenig fernsehen, vor allem nicht schon vormittags und stattdessen besser soziale Kontakte pflegen. Wie können Eltern Medien-Missbrauch verhindern? KEUTLER: Indem sie sich für den Computerkonsum der Jugendlichen interessieren. Indem sie schauen, was gespielt wird und mit dem Kind darüber sprechen. Indem sie beobachten, ob das Kind allein oder bei Freunden unbeaufsichtigt vor der Glotze oder dem Computer rumhängt. Sechsjährige brauchen kein Handy, da müssen sich auch Oma und Patentante dran halten. Es helfen notfalls auch von Experten eingerichtete Filterprogramme, die Zeit und Inhalte am Computer einzugrenzen. Wenn Eltern Angst haben, ihren Kindern den Computer oder das Fernsehen abzuschalten, läuft schon viel schief. In diesen Fällen sollte umgehend Kontakt zur nächsten Beratungsstelle aufgenommen werden. Wenn diese Kinder und Jugendlichen erst nach wochenlangem Fehlen in der Schule oder nachdem sie ihr Zimmer zertrümmert haben, mit Polizei und Notarzt in die Klinik kommen, wird Hilfe zunehmend schwierig und langwierig. Unsere Serie im Überblick 1. Von der Freude, Kinder zu haben 2. Unsere Kinder in Zahlen 3. Erziehung heute und gestern 4. Das nervt! Jugendliche packen aus 5. Fragen zur Erziehung (I) 6. Twitter, Facebook und Co.: Was Eltern unbedingt wissen sollten 7. Filme und Bücher: Was passt wann? 8. Fit statt fett: Kinder müssen rennen 9. Kauflust, Taschengeld und kleine Jobs 10. Verwöhnt und verzogen: Kleine Tyrannen 11. Die Theorie: Pädagogische Konzepte 12. 24 Stunden schöner Wahnsinn 13. Wenn die Hormone verrückt spielen 14. Ausgegrenzt: Was gegen Mobbing hilft 15. Erziehung: Wie viel Staat muss sein? 16. Fragen zur Erziehung (II) – Leser antworten 17. Über die Lust am Lernen 18. Aus Erfahrung gut: Die Großeltern [email protected]