Theorie der (Prüfungs-)Angst - Staatliche Schulberatung in Bayern

Transcription

Theorie der (Prüfungs-)Angst - Staatliche Schulberatung in Bayern
Weiterbildung zur Beratungsfachkraft – Regionalkurs Oberbayern-West und München
Alexander Geist, StD, Staatlicher Schulpsychologe, Supervisor (BDP), SB-Stelle Obb.Ost
Theorie der (Prüfungs-)Angst
1. Begriffsklärung
•
•
Prüfungsangst als Bewertungsangst
Emotionskomponenten:
o Affektive Komponente: Unlustvolles, nervöses Gefühl der affektiven Erregung,
das physiologisch an Subsysteme des limbischen Systems gebunden ist.
o Kognitive Komponente: Sorgen um einen drohenden Misserfolg und seine
möglichen Konsequenzen.
o Physiologische Komponente: Periphere physiologische Aktivierung mit
Symptomen wie erhöhter Herzfrequenz, Schwitzen, Übelkeit etc.
o Motivationale Komponente: Flucht- und Vermeidungstendenzen.
Abb. 1: Beispiele sich überschneidender Angstkonstrukte im Zusammenhang mit
Leistungsangst (Schnabel 1968, zit. n. Cortina 2008, S. 51)
2. Theorien und Befunde zur Entstehung und Wirkung von
Prüfungsangst
2.1 Genetische Aspekte
•
•
Angst als Teil der evolutionären Grundausstattung, wichtige Funktion für das
Überleben.
Im konkreten Einzelfall ist es diagnostisch oft sehr schwer möglich, genetische
Dispositionen und z.B. Modelllerneffekte (siehe unten) abzugrenzen.
1
•
Gleichwohl ist es plausibel anzunehmen, dass Temperamentsunterschiede beim
Umgang mit Herausforderungen und Gefahren bestehen. Kompliziert wird die
Sache durch Wechselwirkungen mit Umweltreaktionen.
2.2 Lerntheorien
2.2.1 Klassisches Konditionieren
•
•
•
Ausgangspunkt: genetisch programmierte, instinkthaft verankerte Reiz-ReaktionsKette den Ausgangspunkt. Tritt in zeitlich-räumlicher Nähe ein neutraler Reiz hinzu,
überträgt sich die Reaktion auf diesen, der sodann zum konditionierten Reiz wird.
Bei der Entstehung von Prüfungsangst gilt als unkonditionierte Reiz-Reaktions-Kette
beispielsweise „elterlicher Tadel/Strafe Æ Angst“ (ausgehend davon, dass für ein
Kind die positive Beziehung mit den Eltern überlebensnotwendig, eine negative
gefährdend ist). Tritt in diesem Kontext nun die Schule mit Prüfungen (= neutraler
Reiz) auf, verbinden sich Prüfungen mit der ursprünglich unkonditionierten Angst
zu einer konditionierten Reiz-Reaktions-Kette „Prüfung Æ Angst“.
Ein anderer Entstehungsweg wäre, falls als unkonditionierte Reiz-Reaktions-Kette
„Ausschluss aus der Gruppe Æ Angst“ vorliegt (Hintergrund wäre hier, dass das
Kind bei schlechten Noten verspottet wird). Weiter geht es wie beim ersten
Beispiel.
2.2.2 Operantes Konditionieren
•
•
•
•
•
Grundprinzip: Verhalten wird über tatsächliche bzw. mögliche / antizipierte
Reaktionen auf Verhaltensweisen gesteuert: Darbieten positiver Konsequenzen
(positive Verstärkung durch Lob oder Belohnung), Darbieten negativer
Konsequenzen bzw. Entzug positiver Konsequenzen (positive vs. negative
Bestrafung), Entzug negativer Konsequenzen (negative Verstärkung) bzw.
Ausbleiben von Reaktionen (Löschung).
Für die Entstehung von Angst bedeutsam: Bestrafungsformen sowie die negative
Verstärkung.
Strafreize für die Prüfungsangstentstehung in verschiedenster Weise bedeutsam:
körperliche Strafreize, soziale Strafreize
Modell vermag freilich nicht zu erklären, wieso Kinder nicht auf dieselben
angedrohten Strafen gleich reagieren; wiederum sind kognitive
Vermittlungsprozesse anzunehmen. So konzediert auch das operante
Konditionieren, dass über die Bewertung einer Konsequenz als positiv oder aversiv
letztlich der Lerner entscheidet.
Therapeutisch ist freilich das operante Konditionieren von großer Bedeutung.
2.2.3 Modelllernen
•
•
hoher Stellenwert als Erklärungsansatz in der Praxis: „Eltern und Geschwister sind
einflussreiche Verhaltensmodelle im Sinne der sozialen Lerntheorie.
Familienhäufung von Leistungsangst muss somit nicht auf genetische
Gemeinsamkeiten zurückgehen, sondern kann sich ebenso plausibel auf die
Kopie eines Verhaltensmusters beziehen, dessen Übernahme durch soziale
Verstärker belohnt wird.“ (Cortina 2008, S. 53f.).
In einem solchen Fall wird es oft nötig sein, auch die Eltern in das
Angstbewältigungstraining einzubeziehen und mit ihnen zu erarbeiten, wie sie
dem Kind ein neues Vorbild sein können.
2
2.3 Kognitive Theorien der Angstentstehung
Grundgedanke: Unsere Verhaltensweisen und Gefühle werden von Gedanken
bestimmt bzw. hervorgerufen. Gelingt es, das Denken über etwas zu verändern,
verändert man auch seine Gefühle gegenüber diesem Etwas und seine Handlungen.
3
2.3.1 Die Stressbewältigungstheorie von Lazarus
Ein bedrohlicher Reiz wird vom Individuum zwei kognitiven Bewertungsprozessen
unterworfen:
• einer Primärbewertung, in der es um die subjektive Bedeutsamkeit der Situation
für das Wohlergehen des Individuums geht,
• und einer Sekundärbewertung, in der das Individuum über Hilfsmittel und
Bewältigungsmöglichkeiten nachdenkt.
Die Primärbewertung umfasst folgende Einzelaspekte:
• Beurteilung der Bedeutung der Situation für das Wohlergehen im engeren Sinne:
Die Situation kann (a) bedeutungslos, (b) günstig, (c) Stress erzeugend sein.
• Im Falle der Beurteilung als Stress erzeugend gibt es wiederum drei Möglichkeiten:
(a) Durch die Situation ist bereits ein Schaden/Verlust eingetreten. Diesen Fall
können wir im Folgenden ausblenden, weil die Prüfung nicht per se einen
Schaden darstellt. (b) Die Situation stellt eine Bedrohung dar, d.h. eine vermutete,
vorhergesehene Beeinträchtigung. (c) Die Situation wird als Herausforderung
wahrgenommen, d.h., Stress ist zwar absehbar, aber ein Gewinn ist aus Sicht des
Individuums möglich.
Zu einer Angstreaktion kommt es nur, wenn im Rahmen der Primärbewertung die
Situation als Bedrohung wahrgenommen wird und im Rahmen der
Sekundärbewertung festgestellt wird, dass das Individuum über keine
Handlungsoptionen verfügt, die ihm eine erfolgreiche Bewältigung der Bedrohung
erlauben.
Auf diesen Abwägungsprozess nehmen natürlich Merkmale der Person Einfluss, z.B.
ihre Belastbarkeit, ihre Bewältigungskompetenzen (objektiv gegebene und subjektiv
wahrgenommene Kompetenzen sind dabei zu unterscheiden), ihre Interessen usw.
Überträgt man das Modell auf die Entstehung von Prüfungsangst bei Schülern/-innen,
so ergibt sich Folgendes: Die wichtigsten Überlegungen des Kindes, die über seine
Ängstlichkeit oder Nichtängstlichkeit angesichts einer Prüfungssituation entscheiden,
sind:
ƒ Erlebt es die Prüfung als bedeutungslos, als angenehme Herausforderung oder als
Bedrohung? (Primary Appraisal)
ƒ Glaubt es die Kompetenz zu besitzen, um die Prüfung zu meistern, wenn ich sie als
bedrohlich empfinde? (Secondary Appraisal)
Konsequenz für die Beratung: Man muss das Kompetenzbewusstsein der Kinder
fördern. Das subjektive Kompetenzbewusstsein wird aber nur aufzubauen sein, wenn
auch tatsächlich objektive Kompetenz vorliegt. Umgekehrt gilt: Die objektive
Kompetenz stellt insofern eine notwendige, freilich keine hinreichende Bedingung für
subjektives Kompetenzbewusstsein dar.
4
PERSON
Belastbarkeit
Bewältigungs
-kompetenz
Interesse
usw.
UMWELT
veränderte
PERSON
Stressoren
situative
veränderte
UMWELT
Bedingungen
Neueinschätzung
(Reappraisal)
Einschätzung der Bedeutung für das
Wohlergehen
(Primary Appraisal)
Einschätzung der Bewältigungsmöglichkeiten
(Secondary Appraisal)
positive
Einschätzung
negative
Einschätzung
positive
Einschätzung
kein Stress
(keine Angst)
Stresserleben
(Angst)
kein Stress
(keine Angst)
Bewältigungsversuche
(Mobilisierung, Planung)
Möglichkeiten:
- intrapsychische Bewältigung
- Informationssuche
- direkte Aktion
- Aktionshemmung
negative
Einschätzung
Stresserleben
(erhöhte
Angst, evtl.
Krise,
Depression)
Neue Bewältigungsversuche
usw.
Abb. 1: Das Grundmodell der Angstentstehung nach Lazarus
5
2.3.2 Angst und erlernte Hilflosigkeit: Die Angsttheorie von Seligman
Seligmans Angsttheorie versucht zu klären, unter welchen Bedingungen ein
Individuum Nichtbewältigung erwartet.
Ereignisse
Unvorhersagbarkeit
subjektive
Unkontrollierbarkeit
wiederholte Erfahrungen
spezifische
Attributionsprozesse
Hilflosigkeit (kogn.)
Beeinträchtigung des
Selbstwertgefühls (kogn.)
Erregung (emot.)
phänomenologisch Angst
unter bestimmten
Bedingungen
Weiterentwicklung
zu
phänomenologisch
Depression
Abb. 2: Seligmans Theorie der Angstentstehung
Attribuierungen lassen sich auf drei Ebenen beschreiben und damit systematisieren:
Dimension 1: zeitliche Erstreckung von Nichtkontrollierbarkeit
Pole:
Stabilität vs. Variabilität; Ergebnis: chronische vs. akute
Hilflosigkeit
Dimension 2: Verallgemeinerungsgrad der Ursachenzuschreibung
Pole:
Globalität vs. Spezifität; Ergebnis: globale
(situationsklassenübergreifende) vs. spezifische (nur auf eine
Situationsklasse bzw. sogar auf eine spezifische Situation bezogene)
Hilflosigkeit
Dimension 3: Ausmaß der von der Nichtkontrollierbarkeit betroffenen
Personengruppe und damit indirekt Ausmaß der
6
Eigenverantwortlichkeit für die Nichtkontrolle
Pole:
Internalität vs. Externalität; Ergebnis: persönlich-individuelle
vs. universelle
Hilflosigkeit
global
spezifisch
(am Beispiel einer
Englischarbeit)
external
stabil
„Die Lehrkraft /
Schule verlangt
einfach zu viel.“
„Der EnglischLehrer verlangt
einfach zu viel.“
„Der Englischlehrer will mich
reinhauen.“
„Der Englischlehrer ist eben
unfair.“
variabel
„Freitage waren
immer schon
Pechtage.“
„Im Winter bin
ich immer
schlechter
als im Sommer.“
„Diese Schulaufgabe war zu
schwer.“
„Heute habe
ich
einfach Pech
gehabt.“
internal
stabil
„Ich bin
unbegabt.“
„Sprachlich bin
ich unbegabt.“
variabel
„Ich lerne zur
Zeit nicht
genug.“
„Die Grammatikkapitel,
die drankamen,
kapiere ich
einfach nicht.“
„Zur Zeit nervt
mich Englisch.“
Abb. 3: Schülertypische Attribuierungen nach Versagen, gegliedert nach den
Attributionsdimensionen nach Seligman
Je nach dem Ergebnis der Attribuierungsüberlegungen auf allen drei Ebenen, also
dem spezifischen Attribuierungsmuster fallen die Folgen aus:
• Der Zustand der Hilflosigkeit ist umso schwerer, je globaler und stabiler die
Ursachen für Nichtkontrolle beurteilt werden. Variable bzw. spezifische
Ursachenzuschreibungen führen nur zu einem geringen Maß von bzw. zu keiner
Hilflosigkeit.
• Hilflosigkeit im weiteren Sinne wird als Angst empfunden bzw. wird zur Angst im
üblichen Sprachgebrauch, wenn
a) das eigene Versagen auf internale und grundsätzlich mehr stabile Ursachen
zurückgeführt wird,
b) das Individuum aber noch keine Aussage darüber treffen kann, ob es nicht in
einer späteren Situation doch noch Herr der Situation wird, dann also
Kontrollierbarkeit entsteht.
• Aus der Angst wird Depression, wenn der/die Hilflose sich sicher ist, nicht nur im
Moment, sondern dauerhaft bzw. grundsätzlich und generell die Situation nicht
kontrollieren zu können. Der/die Hilflose erlebt damit einen generellen
Kontrollverlust, gibt auf und wird apathisch. Der schlimmste Fall von Hilflosigkeit ist
mithin der mit dem Attributionsmuster „an mir/immer/überall“, fachsprachlich
gesagt mit dem Muster
o internal („Das Versagen liegt nur an mir.“),
o stabil („Ich werde immer versagen.“) und
o global („Ich versage überall.“).
Zwischenfazit: Lehrkräfte wie Beratungsfachkräfte müssen zur Angstprophylaxe bzw.
bei der Beratung bereits prüfungsängstlicher Kinder darauf abzielen, vorteilhafte
Attributionen zu fördern bzw. ungünstige Attributionsmuster abzubauen.
7
Mit Seligmans Theorie ist noch nicht hinreichend geklärt, warum denn nun ein
Individuum solche Attribuierungsmuster entwickelt, die es mehr oder weniger stark in
den Zustand der Hilflosigkeit bringen. Hier kann Banduras Theorie weiterhelfen, der
allerdings sein Konzept unabhängig von Seligman entwickelt hat.
2.3.3
Banduras Theorie: Selbstwirksamkeitserwartungen, ihre Quellen und ihre
Folgen
Bandura („Vater" des Modellernens) geht wie Seligman davon aus, dass für die
Aktualisierung von Angst Erwartungen hinsichtlich eigener Leistungsmöglichkeiten
(Effizienz- und Selbstwirksamkeits-erwartungen) entscheidend sind. Diese
Erwartungen wiederum resultieren aus drei Quellen:
• früheren Erfahrungen i.S.v. früheren Handlungsvollzügen (Lernergebnisse nach
dem Modell des operanten Konditionierens),
• stellvertretenden Lernprozessen, also einem Lernen ohne eigenes Handeln
(solchen nach dem Prinzip des Modelllernens),
• sonstwie erworbenen Überzeugungen.
Diese Lernprozesse determinieren die Effizienz- und Selbstwirksamkeitserwartungen
und bestimmen somit das Handeln eines Individuums.
Negative Einschätzungen der eigenen Selbstwirksamkeit führen zu Angst und
begünstigen ein Vermeiden der gefürchteten Situation. Ist diese Vermeidung
erfolgreich, kann also über Vermeidungsreaktionen eine konkrete Bedrohung für den
Moment beseitigt werden, werden die Erwartungen hinsichtlich der Effektivität der
eigenen Reaktionen bestätigt („Man muss sich nur drücken, dann passiert einem
nichts.") und wird die Vermeidungsreaktionen beibehalten. Wiederholt sich diese
„positive" Erfahrung, werden Vermeidungstendenzen verfestigt und ist der Ängstliche
nur schwer von seiner Haltung abzubringen.
Das Problem liegt also darin, dass mit jedem erfolgreichen Vermeiden der
gefürchteten Situation
1. eine Verstärkung der Überzeugung, die Situation sei gefährlich, erfolgt und
2. die eigene Kompetenz zur Bewältigung einer subjektiv als gefährlich
wahrgenommenen Situation nicht nur nicht gesteigert wird, sondern das negative
Selbstbild ("Auf andere Weise als durch Flucht kann ich die Situation nicht
meistern") sogar zementiert wird.
Die Angst wird durch die Vermeidung zwar für den Moment reduziert, vielleicht sogar
für länger, denn ein Individuum wird nach längerem erfolgreichen Vermeiden auch
die Ausgangssituation als weniger gefährlich betrachten, da es ja nun eine wenn
auch wenig schöne Bewältigungsstrategie entwickelt hat, aber in den allermeisten
Fällen lassen sich „gefährliche" Situationen eben nicht nur Vermeidung meistern. Dies
gilt insbesondere für den Schulbereich.
Bezug zur Theorie Seligmans: Die das Handeln determinierenden Effizienz- und
Selbstwirksamkeits-erwartungen steuern die Ergebnisse der Attribuierungsprozesse im
Modell Seligmans. Wer über frühere Erfahrungen, stellvertretende Lernprozesse und
kognitive Umstrukturierungen negative Erwartungen hinsichtlich seiner
Wirkmöglichkeiten gewonnen hat, wird eher zu den oben beschriebenen negativen
Attribuierungsmustern gelangen, also Misserfolg eher stabil und internal sowie ggf.
auch global erklären und dementsprechend in den Zustand der Hilflosigkeit
gelangen. Für den Moment oder mittelfristig erfolgreiche Vermeidungsreaktionen
8
ändern dabei nichts an den Attributionen, sondern sie verstärken ungünstige
Attributionsmuster sogar.
2.3.4 Die Angst vor der Angst
In den bisherigen Modellen unberücksichtigt bleiben die kognitive Verarbeitung
früherer Angsterfahrungen und hierbei insbesondere auch die kognitive Verarbeitung
körperlicher Angstsymptome. Auf diese Weise kann sich die Angststörung ohne
weitere negative Erfahrungen selbst verstärken. Gründe für diese „Angst vor der
Angst“ sind:
• Traumatischer Charakter der ersten Angsterfahrung
• Erlebnis der Leistungsbeeinträchtigung (Aufbau von Katastrophenvorstellungen)
• Sorge vor der Fremdwahrnehmung der Angstsymptome
Die „Angst vor der Angst“ kann einen dramatischen Verlauf nehmen, der auf einem
Teufelskreislauf von Wahrnehmung der Angstmerkmale und kognitiver Bewertung als
Angst, was die Merkmale wiederum verstärkt usw.
2.4 Die Ursachen angstfördernder Gedankengänge
Wichtig:
• Angst entsteht im Regelfall multifaktorell, d.h. durch das Zusammenwirken
mehrerer Faktoren.
• Nicht jedes aufgelistete Merkmal muss zwangsläufig zu Angst führen,
entscheidend ist auch hier die kognitive Verarbeitung durch das Individuum.
2.4.1 Ursachen in der Familie
• überzogene Leistungserwartungen
• mangelnder Glaube an die Leistungsfähigkeit des Kindes
• Eltern und / oder Geschwister als Angstmodell
• problematische Erziehungsstile
• Geschwisterrivalität
• familiäre Konfliktsituationen (inkl. sich auflösender Ehen oder Scheidungen)
• unbewusste systemische Erwartungen
2.4.2 Ursachen in der Schule
• Verhalten von und Beziehung zu Mitschülern/-innen
• Verhalten von und Beziehung zu Lehrkräften (u.a. unpräzise
Prüfungsanforderungen, überzogene Leistungserwartungen, übermäßiger
Zeitdruck, Übermaß an (insb. schweren) Prüfungen, starke soziale
Bezugsnormorientierung, extreme Stile des persönlichen Auftretens und
Unterrichtens (Kälte, Distanziertheit, Härte, Desinteresse an der Person des
Kindes), verunsichernde Bemerkungen unmittelbar vor der Prüfung,
verunsichernde Rituale und die Konzentration der Schüler/-innen
reduzierende Aktivitäten, Sonderfall: Übertragungsprozesse)
2.4.3 Ursachen im Kind selbst
• mangelnde Lernaktivitäten, fehlerhafte Lerntechniken
• fehlerhafte Prüfungstaktiken
• Pubertät
• geistige Überforderung
• Geschlecht
2.5 Auswirkungen der Prüfungsangst
9
Erwartung des
Versagens
verstärkt
tatsächliches
Versagen
bewirkt
bewirkt
Verhaltensänderungen, z.B.
• reduzierte Konzentration
• schnellere Resignation
• ungenauere Vorbereitung
usw.
Abb. 4: Der Teufelskreislauf der Angst
Wesentliche Verhaltensänderungen:
• negative Folgen für die Aufmerksamkeit
• Reduzierung der zur Aufgabenbearbeitung genutzten Zeit
• Störung der Informationsverarbeitung und Problemlösung (Bevorzugung
ineffektiver Lösungsstrategien: oberflächliche Betrachtung der Aufgabenstellung,
überhastet-impulsives Herangehen an die Lösung)
• Suche nach Gründen, die die Bedrohung bestätigen könnten oder verstärken
• schnelleres Aufgeben und Resignieren
• Veränderungen der Motivationslage und Attributionen (Reduzierung von
Interesse und intrinsischer Motivation; Veränderung der Attribution hin zur
Erklärung von Erfolgen mit Zufall / Leichtigkeit und Misserfolgen mit mangelnder
Begabung)
• Mängel der Vorbereitung
• generell Flucht- und Vermeidungsstrategien im Vorfeld (Aufschub- und
Ersatzhandlungen, offene oder versteckte Flucht, Flucht in das Einfache)
Biologische Folgen der Angst: genetisch programmiertes
Angstbewältigungsprogramm kontraproduktiv für Bewältigung geistiger Leistungen
Soziale Folgen der Angst: manchmal Entwicklung sozialer Folgeprobleme
(Außenseitertum, Aggressivität)
Zusammenfassung:
10
11
12