Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen Geothermie
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Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen Geothermie
Betrieb und Markt Geothermie-Gewächshaus von außen Bild: LVG Heidelberg Adrian Albers, Heike Sauer, Ute Ruttensperger Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen Geothermie - Teil 1 An der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) Heidelberg ist das neue 740 Quadratmeter große Gewächshaus nun seit einem Jahr in der Nutzung. Nach einigen Kinderkrankheiten stehen jetzt die ersten Versuchserfahrungen zu Verfügung, diese wurden bei der IPM (Internationale Pflanzen Messe) in Essen vorgestellt. V Das neue Gewächshaus hat einen erheblich geringen Wärmedurchgangskoeffizienten, eine bessere Lichtdurchlässigkeit und eine bivalente Wärmeversorgung. 26 on außen betrachtet sieht das neue Gewächshaus der LVG Heidelberg wie ein gewöhnliches modernes Gewächshaus der Venlobauart aus (siehe Titelbild - Abb.1). Es besitzt eine Grundfläche von 740 m², die Stehwandhöhe misst 4,75 Meter. Die Stehwand und das Dach sind mit Acrylglas-Stegdoppelplatten von „Alltop“ eingedeckt. Der Vorteil der „Alltop“ Stegdoppelplatten liegt in einem geringeren Wärmedurchgangskoeffizienten von 2,5 Watt pro m²K und senkt im Vergleich zum Einfachglas damit den Wärmebedarf des Gewächshauses. Dieser Wert wird durch einen lichtdurchlässigen Tagschirm, einen Energieschirm für die Nacht, sowie eine Verdunklungsanlage, die den beheizten Kulturraum verkleinert, weiter gesenkt. Hinzu kommt eine gute Lichtdurchlässigkeit von 91 % mit zusätzlicher UV Durchlässigkeit. Dies kommt der Pflanzen durch einen kompakteren Wuchs und bessere Farbausprägung zu gute. Zum Vergleich: Einfachglas hat einen Wärmedurchgangskoeffizienten von 6 W pro m²K und hat eine UV filternde Eigenschaft. Das Gewächshaus ist zur Umsetzung von unterschiedlichen Versuchsvarianten in zwei Abteile geteilt. Zurzeit wird dies dazu genutzt verschiedene Klimastrategien gegeneinander zu vergleichen. Die Besonderheit des Gewächshauses liegt in seiner bivalenten Wärmeversorgung. An der LVG wird die oberflächennahe Geothermie in Verbindung mit der Wärmepumpentechnik genutzt. Die Wärmepumpe deckt den Grundlastwärmebedarf des Gewächshauses. Den Spitzenlastwärmebedarf des Gewächshauses deckt eine Gasheizung. Ziel des Vorhabens ist es, das energetische Einsparpotenzial zu beurteilen. Damit geht die Einsparung von fossilen Energieträgern und die Reduktion des CO2 Ausstoßes einher. Des Weiteren gilt es die erhöhten Investitionskosten im Vergleich zur Produktionskostensenkung, die durch Nutzung der Anergie entsteht, zu betrachten. Anergie ist in diesem Fall die nicht arbeitsfähige Energie des Erdbodens, unsere Erdwärme. Landinfo 3 | 2014 Betrieb und Markt Nutzung der Wärmepumpentechnik zur Wärmebereitstellung In Kältemaschinen hat die Wärmepumpentechnik unser Leben schon erobert. Nur wenige wollen auf den Komfort verzichten, die diese Technik bringt. Sei es um im Auto oder am Arbeitsplatz einen kühlen Kopf zu bewahren oder Lebensmittel zuverlässig zu lagern. In umgekehrter Weise lässt sich die Technik aber auch zur Förderung von Wärme nutzen. Die Wärmepumpe funktioniert nach einem Kreisprozess, in dem ein Kältemittel mit Hilfe von elektrischer Hilfsenergie zum Zirkulieren gebracht wird. Dabei erfährt das Kältemittel vier Arbeitspunkte: Verdampfung, Kompression, Verflüssigung und Entspannung. Am Anfang steht das Verdampfen des Kältemittels. Dabei nimmt das Kühlmittel Wärmeenergie aus seiner Umgebung auf. Im zweiten Schritt wird das Kühlmittel komprimiert. Durch den höheren Druck erwärmt sich das Gas, behält aber den Aggregatzustand. Im nächsten Schritt gibt das Kühlmittel die Wärme an das Heizungswasser, welches das Gewächshaus versorgt wird, ab. Im vierten Schritt wird das Kältemittel wieder entspannt, so dass es wieder den Anfangsdruck besitzt und flüssig ist. Der Kreisprozess kann erneut durchgeführt werden. Auf der IPM in Essen hatten die Messebesucher die Möglichkeit, mittels eines Funktionsmodells das Prinzip der Wärmepumpe nachzuvollziehen (Abb. 2). Dazu konnte am Modell beobachtet werden, wie sich die Temperatur auf der primären Seite verringerte und auf der sekundären Seite zunahm. Ebenso wurde mit Interesse verfolgt wie die elektrische Leistungsaufnahme mit zunehmender Temperaturdifferenz zwischen Primärseite und auf der Sekundärseite ebenfalls anstieg. Eine Tatsache, die beim großen Bruder wiederzufinden ist. Energetische Bewertung der Wärmepumpe während der Weihnachtssternkultur Die Weihnachtssternkultur war die erste Versuchskultur im Geothermiehaus mit anschließender Auswertung. Die Messung der bereitgestellten Wärmemenge der Wärmepumpe betrug 19.132 kWh. Der Bedarf an konventioneller Wärme durch die Gasheizung belief sich auf 328 kWh. Damit wurden 97,6 % der benötigen Wärme durch die Wärmepumpe bereitgestellt. Die Leistungszahl der Wärmepumpe berechnet sich Landinfo 3 | 2014 aus der Nutzleistung durch die eingesetzte Hilfsenergie. Die Hilfsenergie in Form von elektrischem Strom betrug 6.256 kWh, die in Haus gelieferte Wärmemenge betrug 19.132 kWh. Daraus ergibt sich Leistungszahl von 3,1. Abbildung 2 Fachgespräch mit interessierten Messebesuchern, siehe auch Funktionsmodell Wärmepumpe Bild: LVG Heidelberg Mittels der Messungen wurde auch das Einsparpotenzial einer Temperaturregelstrategie, der „dynamischen Außentemperaturkorrektur“ (dAt) überprüft. Die dAt kommt mit dem Ziel zum Einsatz, Pflanzen bei gleicher Qualität mit weniger Energiekosten zu produzieren. Die dAt korrigiert den Heizungssollwert nach der Abweichung der realen Außentemperatur von ihrem Erwartungswert, dem langjährigen Mittel. Ist eine bestimmte Jahres- und Tageszeit zu kalt, wird der Sollwert abgesenkt. Ist eine bestimmte Jahres- und Tageszeit zu warm, wird der Sollwert angehoben. Im Versuch war eine Energieersparnis durch die dAt gegeben. Der Wärmebedarf der dAt-Variante war mit 1.500 kWh, 20% unter dem der Standardvariante. Die dynamische Außentemperaturkorrektur bewirkte eine Senkung der Tagesmitteltemperatur von 2 °K. Daraus resultierte eine Kulturzeitverlängerung von bis zu einer Woche und sie ist Sorten bedingt abhängig. Beim Habitus konnten Unterschiede festgestellt werden, die Pflanzenqualität war in beiden Varianten gut. Der Wärmebedarf des Gewächshauses lag 20 % unter der Standardvariante. Die Kulturzeit verlängerte sich um 1 Woche. Für eine effiziente Wärmepumpe wird nach Bußmann1) eine Leistungszahl t 4 gefordert. Die Leis- ______________________ 1) BUSSMANN, W. et al: Geothermie - Energie aus dem Inneren der Erde. 2012, Fraunhofer Irb Verlag, Stuttgart 27 Betrieb und Markt Abbildung 3 Variantenvergleich von AlZPr vs. dAt der Sorte ‚Peppy Blue‘ (Petunien), Aufnahme vom 7.4.2014 Bild: LVG Heidelberg tungszahl hängt eng mit der Temperaturdifferenz zusammen, die die Wärmepumpe anheben muss. Die Temperaturdifferenz lag während des Messzeitraums bei 50 °K und hierfür liegt die erzielte Leistungszahl mit 3,1 im normalen Bereich. Jetziges Ziel ist es, die Temperaturdifferenz zu senken, um die Leistungszahl zu erhöhen. Gelingen soll dies durch eine frühere Umschaltung von Wärmepumpe auf die Gasheizung oder durch eine bessere Nutzung der Wärmerückgewinnung, die im Frühjahr und Herbst eine höhere Vorlauftemperatur im Primärkreis bewirkt. Zur ökologischen Bewertung der Wärmepumpe ist der Primärenergiefaktor mit einzubeziehen. Damit wird dem Energieaufwand für die Rohstoffförderung und dem Wirkungsgradverlust der Stromindustrie Rechnung getragen. Nach EnEV 2009 Anlage 1 Abschnitt 2.1.1 beträgt dieser für das deutsche Stromnetz zurzeit 2,6. Zur Erzeugung der 6.256 kWh benötigten elektrischen Leistung wurde 16.265 kWh an primärer Energie eingesetzt. Wird die in Haus gelieferte Wärme von 19.132 kWh durch diesen Wert dividiert ergibt sich ein Faktor von 1,2. Somit ist die Bilanz zur Reduzierung des Primärenergieeinsatzes im Vergleich zur alleinigen Nutzung der Gasheizung positiv. Petunien Adrian Albers LVG Heidelberg Tel. 06221/ 7484-858 [email protected] 28 Stellvertretend für die Beet- und Balkonsaison wurden Petunien der Sorte ‘Peppy Blue‘ (Dümmen) verwendet um die Auswirkung der Klimastrategie dAt und des Klimas zu zeigen. Der Wärmebedarf lag in der dAt-Variante mit 712 kWh weniger um 30% niedriger als in der Standardvariante. Die Leistungszahl und der Primärenergiefaktor waren im Vergleich zur Poinsettienkultur unverändert. Die Auswertung zeigte einen Unterschied zu Gunsten der dAt. Die Tagesmitteltemperaturen waren in beiden Varianten gleich. Die Südseite hatte ein besseres Lichtangebot als das nördlich gelegene Versuchsabteil. Dies führte dazu, dass die Pflanzenhöhe und der Pflanzendurchmesser in der dAt und der Vergleichsvariante gleich waren. Unterschiede gab es jedoch bezüglich der Blütenanzahl und -größe, diese waren in der dAt-Variante größer und bewirkten letztlich eine bessere Bewertung der Pflanzenqualität innerhalb der dAt-Variante (Abb. 3). Die dAt trägt dran einen kleinen Anteil, das Lichtangebot und ein sich damit schneller aufheizendes Gewächshaus, ist als Hauptgrund für dieses Ergebnis zu sehen. Fazit 97,6% des benötigen Wärmebedarfs konnten durch die oberflächennahe Geothermie und Wärmepumpe in den durchgeführten Versuchen gedeckt werden. Die Regelstrategie dAt (dynamischen Außentemperaturkontrolle) zeigte für die Weihnachtssterne eine Energieeinsparung bei ähnlicher Pflanzenqualität. Bei der Petunienkultur addierten sich die Ersparnisse und bessere Pflanzenqualität mit einen besseren Lichtangebot und dies beweist wieder einmal, dass der Faktor Licht im Gartenbau ein wichtiger ist. Landinfo 3 | 2014