RWJ_0813_Forschungsstelle - Rheinisch Westfälischer Jäger

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RWJ_0813_Forschungsstelle - Rheinisch Westfälischer Jäger
Fotos: M. Breuer
forschungsstelle
8 Rubrik
Gefahr für Hunde im Jagdbetrieb durch Wildkatze, Luchs und Wolf?
Worauf Hundeführer
achten sollten
Die Ausbreitung der Wildkatze und die Zuwanderung von Luchs und Wolf stellen
auch Führer von Jagdhunden vor neue Herausforderungen – und werfen Fragen auf.
B
esteht eine Gefahr für meinen Hund
beim Zusammentreffen mit Luchs
oder Wolf, können Jagdhunde überhaupt noch sicher eingesetzt werden –
der Jagdgebrauchshundverein EuskirchenBonn befasste sich Mitte April bei einem
Vortrag mit Diskussion mit solchen Fragen, die sicher auch andere Jäger interessieren. Wildkatze, Luchs und Wolf werden nach nationalem und europäischem
Naturschutzrecht streng geschützt. Wild­
katze und Luchs unterliegen dem Jagdrecht (ganzjährig gechont) – und damit
auch der Hegeverpflichtung. Gefähr­
dungen und Störungen sollte man daher
– soweit möglich – sorgfältig vermeiden.
Gefährdung von
Wildkatzen durch Hunde
Wildkatzen können Jagdhunde nicht
ernsthaft gefährden – eher im Gegenteil:
So kann der Einsatz raubwildscharfer
Hunde bei Niederwild-Nachsuchen oder
am Bau Wildkatzen und ihre Jungen gefährden. In den Wildkatzen-Kernräumen
der Eifel ist diese Problematik allen betroffenen Revieren geläufig.
Da sich die Wildkatze ausbreitet, muss
auch außerhalb bislang bekannter Vorkommen mit Wildkatzen gerechnet werden (s. RWJ 7/2011). Grundsätzlich kann
und sollte jeder Jagdhund schon im jungen Alter lernen, dass Katzen generell
Tabu sind – weil das Hetzen auf Hunde
und Katzen bekanntlich auch bei Aus­
übung des Jagdschutzes nicht zulässig ist.
Begegnung von Luchs und Hund
Mitte November 2011 entwich ein junger
Luchskuder aus einem Wildpark im Arnsberger Wald. In den folgenden Wochen
berichteten Spaziergänger (teilweise mit
Hunden), dass der Luchs ihnen gefolgt
sei. Der halb zahme, an Hunde gewöhnte
Luchs wurde am 13. Januar 2012 vom
Amtstierarzt immobilisiert und zurück
ins Gehege gebracht. Dieser Luchs suchte
die Nähe von Menschen, weil er sie mit
Futter verband.
Im Teutoburger Wald berichtete eine
Reiterin über eine Begegnung mit einem
frei lebenden Luchs: Ihre Labradorhündin lief neben ihr auf dem Reitweg. Der
Luchs beobachtete den Hund und folgte
ihm in kurzer Entfernung, ohne allerdings Anstalten für einen Angriff zu
unternehmen. Der Reiterin war dies unangenehm – sie wendete, schrie den
Luchs an und warf mit der Gerte, worauf der Luchs verschwand. Menschen
zu Pferd werden von Wildtieren wie diesem Luchs häufig nicht beachtet, solange sie sich nicht deutlich bemerk­bar
machen. Jäger, Wanderer und Reiter
beobachte­ten dieses ostwestfälische
Pinselohr seit 2008 – es wurde nach
Kenntnis der Forschungsstelle nie aggressiv gegen Hunde.
In anderen deutschen Luchsgebieten
(Harz, Bayr. Wald, Hessen) kam es mehrfach zu Begegnungen von Hunden (meist
keine Jagdhunde) mit Luchsen an oder in
der Nähe gerissener Beutetiere.
Rheinisch-Westfälischer Jäger · 8/2013
In der Nordeifel stöberte 2003 ein Teckel
beim Spaziergang einen Luchs auf und
verfolgte ihn laut bellend. Der Luchs verteidigte sich mit einem Prankenhieb und
verletzte den Teckel mit seinen Krallen.
2007 kam es nach Zeitungsmeldungen
im Harz wiederholt zu Luchsangriffen
auf Hunde – zwei Hunde sollen dabei getötet worden sein. Der Luchs wurde als
abgemagert beschrieben – solche un­
typischen Fälle sind sehr selten.
Wird ein Luchs gestellt, kann das zu
Verletzungen (in der Regel durch Krallen/
s. Foto S. 9) beim Hund führen.
Luchse verteidigen Beute (evtl. auch
Jungtiere) gegen Nahrungskonkurrenten
und Fressfeinde – bei Anwesenheit von
Menschen ziehen sie sich zurück.
Luchs-Konflikte mit Jagdhunden im
Jagdeinsatz sind nicht bekannt.
Wolfsangriffe auf Hunde
Aus Osteuropa sind Fälle bekannt, in
denen Wölfe gezielt streunende Hunde
und Kettenhunde töten und fressen. Dabei handelt es sich um erlerntes Verhalten
einzelner Wölfe/einzelner Rudel – provoziert durch eine nicht sachgerechte
Hunde­haltung in ländlichen Regionen.
Vergleichbare Fälle in Deutschland
gibt es nicht, weil Kettenhaltung und
halb verwilderte, streunende Hunderudel bei uns nicht üblich sind. Die Erfahrungen aus deutschen Wolfsgebieten zeigen, dass eine sachgerechte Hundehaltung in Haus oder Zwinger und
vorschriftsmäßiges Führen von Hunden
an der Leine oder im Einwirkungsbereich des Menschen Wolfs-Übergriffe
wirksam verhindern.
Aus Skandinavien wird berichtet, dass
es jedes Jahr zur Jagdzeit im Oktober zu
Verlusten unter Jagdhunden kommt, die
von Wölfen getötet, aber nicht gefressen
werden. Dabei handelt es sich meist um
Elchhunde oder Hasenbracken, die bei
der dort üblichen Jagdweise sehr weit
vom Führer entfernt in Wolfsterritorien
arbei­ten: Elchhunde jagen allein und laut­
los, sie stellen und verbellen Elche und
auch Großraubwild eigenständig, bis der
Jäger nachrückt. Wölfe behandeln (sprich
attackieren) solche Hunde wie wild leben­
de Artgenossen, die in besetzte Territorien
eindringen. Dabei handelt es sich also um
eine innerartliche Auseinandersetzung –
und nicht um Beutefangverhalten.
Auch in Sachsen kam es 2005 zu
einem Vorfall mit einem Wolf: Ein Jagdterrier (DJT) hatte sich unbemerkt vom
Besitzer entfernt und war der Spur eines
Wolfes gefolgt. Der Terrier stellte den
Wolf – und wurde daraufhin mehrfach
gebissen und so schwer verletzt, dass er
später an den Verletzungen verendete.
Risiko für Jagdhunde in Luchsund Wolfsgebieten bei uns?
Erfahrungen aus deutschen Luchsund Wolfsgebieten zeigen, dass Konflikte
nur selten auftreten. Dabei ist das Risiko
abhängig von der Jagdart, dem eingesetzten Jagdhundetyp und der Entfernung
zum Hundeführer (s. Tabelle).
• Beim Buschieren und Stöbern im Feld,
beim Apportieren von Niederwild, bei
der Bau- und Wasserjagd sind Konflikte
mit Luchs und Wolf nicht zu erwarten.
• Bei uns werden zur Drückjagd auf
Schalenwild spurlaut jagende, niedrigläufige Stöberhunde eingesetzt, oft in
kleinen Gruppen, um Wild in Bewegung
zu bringen. Die Hunde entfernen sich
durchaus weiter vom Führer, ohne dabei
Wild hetzen zu dürfen.
• Zum Brackieren werden bei uns ebenfalls spurlaut jagende Hunde eingesetzt.
Wildkatze, Luchs und Wolf können solche Hunde frühzeitig hören und sich in
Sicher­heit bringen – Wildkatze und
Luchs ziehen sich in unzugängliche Verstecke, auf Bäume oder in Felsregionen
zurück. Wölfe weichen weiträumig aus.
• Wo Wolf/Luchs vorkommen, sollte man
Hunde bei Drückjagden 10 bis 30 Minuten nach Beginn des Treibens schnallen.
Besonders raubwildscharfe Hunde (und
solche, die im Ausland auf Großraub­wild
geführt wurden) sollten in Luchs- und
Wolfsgebieten nicht eingesetzt werden.
Nach bisherigen Erfahrungen aus deutschen Wolfsgebieten ist der Einsatz spurlauter Stöberhunde unkritisch. Allerdings
sollte man bekannte Umfelder von Wurfhöhlen von Luchs und Wolf meiden.
• Bei Nachsuchen auf Schalenwild kann
es zu Konflikten kommen, wenn Wölfe
das gesuchte Stück bereits gefunden haben und als eigene Beute beanspruchen
– oder der Hund von Wolf/Luchs gerissene Beutetiere findet.
Große Prädatoren werden eventuell
versuchen, ihre Beute zu verteidigen,
beim Auftauchen des Hundeführers weichen sie erfahrungsgemäß zurück.
Nachsuchenführer sollten entsprechend vorsichtig sein und Hunde bei Verdacht auf Luchs- oder Wolfsanwesenheit
nicht bzw. erst bei Sichtkontakt schnallen.
Von zufällig gefundenen Beuteresten
sollte man Hunde fernhalten – allein
schon deshalb, weil man Speichelreste
von Wolf oder Luchs nicht mehr genetisch nachweisen kann, wenn danach
noch Hunde am Kadaver waren.
Was tun, wenn mein Hund
auf Luchs oder Wolf trifft?
Luchse und Wölfe weichen Menschen
aus – oder beobachten die Situation aus
sicherer Entfernung. Auch für Hunde­
führer sind daher Begegnungen mit diesen Tieren sehr unwahrscheinlich. Falls es
aber doch zu einem Aufeinandertreffen
kommt, sollte man sofort seinen Hund
abrufen, anleinen – und sich dann ruhig
zurückziehen.
Sollte es zu einer Auseinandersetzung
kommen, ist der Hund abzurufen. Evtl.
Foto: I. Hucht-Ciorga
9
Luchse verteidigen sich gegen Hunde
mit ihren spitzen Krallen.
muss man sich selbst zurückziehen, damit
der Hund den Rückzug antritt – eigenhändiges Eingreifen ist nicht zu empfehlen.
Hundehalter werden ja oft schon beim
Versuch, Streithähne zu trennen, vom
eige­nen Hund gebissen – Eigenschutz
geht vor! Der Einsatz von Schusswaffen
ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern würde auch den eigenen Hund gefährden (ähnlich wie beim Fangschuss) –
stattdessen sollte man sich durch Rufen
und Werfen von Gegenständen deutlich
bemerkbar machen.
Nach einer Konfrontation muss man
seinen Hund sofort dem Tierarzt vorstellen, um den Impfschutz überprüfen und
Biss- und Kratzwunden versorgen zu lassen – auch schwere Bissverletzungen lassen sich äußerlich oft nicht feststellen.
Wird ein Jagdhund nachweislich von
Luchs oder Wolf verletzt oder getötet,
besteht unter Umständen die Möglichkeit einer Entschädigung. Dazu muss
man die Forschungsstelle umgehend informieren und Spuren dokumentieren.
Um die Situation in Hinblick auf den
Einsatz von Jagdhunden beurteilen zu können, sollten alle Vorkommnisse mit Luchs
und Wolf aufmerksam beobachtet und der
Forschungsstelle gemeldet werden.
Dr. Ingrid Hucht-Ciorga
Landesbetrieb Wald und Holz NRW,
Forschungsstelle für Jagdkunde und
Wildschadenverhütung, Sachgebiet Wildökologie,
Pützchens Chaussee 228, 53229 Bonn,
E-Mail: [email protected]
Wann kann es beim Jagdhunde-Einsatz zu Konflikten kommen?
Einsatzbereich für
den Jagdhund
Stöbern im Wald
Buschieren
Brackieren
Stöbern im Feld
Apportieren
Nachsuche auf Niederwild
Wasserjagd
Baujagd
Nachsuche auf Schalenwild
Charakteristik
spurlaut, z. T. wildscharf
spurlaut
z. T. raubwildscharf
raubwildscharf
raubwildscharf
wildscharf, spurlaut
bejagte Zielart
Reh-, Dam-, Rotwild,
Schwarzwild
Federwild, Hase, Kanin
Hase, Fuchs, Rehwild
Niederwild
Niederwild
Fuchs, Hase, Fasan
Wasserwild
Fuchs, Dachs
Schalenwild
Konfliktpotenzial
Entfernung zum
Hundeführer Wildkatze Luchs
Wolf
mittel bis hoch
gering
mittel
mittel
kurz
hoch
kurz
kurz
kurz
mittel
kurz
kurz
mittel
gering
mittel
gering
hoch
gering
hoch
gering
gering
gering
gering
gering
mittel
gering
gering
mittel
gering
mittel
gering
gering
mittel
gering
gering
mittel
Rheinisch-Westfälischer Jäger · 8/2013

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