1 Predigt zu Mk 7,31-37: Heilung eines Taubstummen Bolheim

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1 Predigt zu Mk 7,31-37: Heilung eines Taubstummen Bolheim
Predigt zu Mk 7,31-37: Heilung eines Taubstummen
Bolheim – Predigt zu den ökumenischen Bibeltagen 13.10.2013
Hanna Nicolai
Markus 7,31-37
Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische
Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte.
32 Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war, und baten ihn, dass er die Hand
auf ihn lege.
33 Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und
34 sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf!
35 Und sogleich taten sich seine Ohren auf und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig.
36 Und er gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen. Je mehr er's aber verbot, desto mehr
breiteten sie es aus.
37 Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.
Liebe Gemeinde,
was wünschen Sie jemandem zum Geburtstag? Alles Gute? Gottes Segen? Immer wieder
höre ich bei solchen Glückwünschen den Satz: „Ich wünsche dir vor allem Gesundheit“.
Übrigens, wenn jemand heute Geburtstag hat, dann wünsche ich ihm auch all dies.
Mit dem Wunsch nach Gesundheit wird doch auch deutlich: An der Gesundheit, an der fehlt
es öfter als uns lieb ist. Und ich meine jetzt nicht nur die kleinen Zipperlein, sondern auch die
Krankheiten, die uns richtig zu schaffen machen. Uns selber oder unseren Lieben. Das Herz,
der Krebs, chronische Leiden, mit denen wir seit Jahren leben müssen, psychische Erkrankungen, körperliche Einschränkungen.
Wünschen Sie sich da manchmal ein Wunder? Dass Sie oder eines ihrer Lieben wieder gesund werden, der Krebs überwunden wird, die Folgen des Schlaganfalls zurückgehen, dass es
geschieht, dass seelische Verletzungen heilen. Ich weiß, dass auch bei uns in Bolheim/Herbrechtingen manche krank sind und manch einer Gott in den Ohren liegt mit der
Bitte um ein Wunder!
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Eine Wundergeschichte haben wir gerade eben in der Schriftlesung gehört. Da kann einer auf einmal hören und reden, der vorher taub und stumm war. Ich lade Sie ein, heute
morgen aus vier verschiedenen Blickwinkeln auf dieses eine Wunder zu hören. Vier verschiedene Stimmen anzuhören in der Hoffnung, dass sich uns wundersam erschließt,
was uns Jesus damit für unser Leben sagen will – seien wir gesund oder krank.
Hören wir also zum ersten Mal hin:
Eines Tages, da haben mich meine Freunde mitgenommen. Das machen sie öfter. Ich bin
ganz froh, dass sie das machen. Denn ich bin anders als sie. Mit mir umzugehen, ist gar nicht
so einfach. Ich verstehe so vieles nicht. Die bewegen immer ihren Mund und scheinen sich zu
verstehen. Wenn ich meinen Mund bewege, dann schauen sie mich immer nur ganz verständnislos an. Wenn ich wild gestikuliere verstehen sie mich erstaunlicher Weise meist besser.
Aber irgendwie kann ich nicht alles deutlich machen, was ich will. Manchmal fühle ich mich
deshalb sehr einsam und unverstanden. Dann rede ich mit mir selbst in Gedanken. Aber dieses
Gespräch, das dreht sich irgendwann im Kreis. Ich höre nur mich selbst. Ich bin froh, dass
meine Freunde mich heute mitnehmen! Dann komme ich da heraus!
Im Dorf ist ein fremder Mann. Und ganz viele Menschen. Meine Freunde schieben mich zu
diesem Fremden. Wer das wohl ist? Er schaut mich freundlich an. Selten schaut mich jemand
an so wie er. Er legt seine Hand um mich und geht mit mir einige Schritte weiter. Wir sind
unter uns. Das tut gut, nicht so in der riesigen Menge zu sein. Ich habe den Eindruck: Da ist
einer, der sich mir ganz persönlich zuwendet. Und jetzt, jetzt steckt dieser Mann mir seine
Finger in die Ohren und meine Zunge berührt er. Und er schaut auf zum Himmel – wahrscheinlich betet er. Seine Lippen bewegen sich – ich bin gerührt. Hier kümmert sich einer um
mich. Hier hat einer verstanden, wo es bei mir im Argen liegt. Und dann, dann geschieht etwas, das werde ich mein Leben lang nicht vergessen: Ich erfahre zum ersten Mal in meinem
Leben, was diese andere Welt ist, in der meine Freunde leben. Ich höre Geräusche und Stimmen. Und dann bewege ich meine Lippen und rede – und die anderen schauen mich nicht
mehr so komisch an wie sonst, nein, sie jubeln und sagen: du kannst richtig sprechen - auf
einmal!
Für mich ist das ein Wunder: Ich war taub und stumm und kann jetzt hören und reden! Ich
kann zum ersten Mal sagen, was ich tief innen drin in mir empfinde. Und das deshalb, weil
dieser Jesus sich mir ganz persönlich zugewandt hat. Das deshalb, weil er mich mit seinen
Händen berührt hat und für mich gebetet hat.
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Jemanden haben, der mich zu Jesus bringt! Jemanden haben, der es ermöglicht, dass Jesus
an meine kranken Stellen seine Hände legen kann. Jemanden haben, der zum Himmel aufblickt und meine Not vor Gott bringt! Gerade auch dann, wenn ich selbst keine Worte mehr
habe.
Haben Sie jemanden?
Das ist ja gar nicht so selbstverständlich jemanden zu haben, der für einen betet. Dem ich
meine Not anvertrauen kann und der sie für mich vor Gott bringt.
Wenn nicht, haben Sie den Mut und melden Sie sich bei mir oder Herrn Junge oder Herrn
Susai. Wir beten gerne für sie.
Jemanden haben, der mich zu Jesus bringt.
Hören wir zum zweiten Mal hin auf dieses Wunder, dass da einer auf einmal hören und
reden kann, der vorher taub und stumm war.
Vor einiger Zeit, da war dieser Jesus schon einmal in unsere Gegend. Wir haben gehört, dass
er Wunder tut. Dass er Kranke heilt. Und da haben wir gedacht: Wir haben einen guten
Freund, der taub und stumm ist - ob Jesus ihn auch heilen kann? Wir haben uns umgehört, wo
dieser Jesus ist - aber dann, dann war er wieder weg. Er muss irgendwie weitergereist sein.
Verpasste Chance. Naja, aber wer weiß. So umherziehende Wunderheiler gibt es immer wieder. Und da sind auch ordentliche Scharlatane darunter. Da geht es den Menschen nachher
nicht besser, sondern schlechter. Vielleicht war es auch besser so. Mmh, naja, andererseits
erzählen die Leute, dass Jesus anders ist als die anderen wandernden Heiler.
Und jetzt heute, heute kam er durch unser Dorf. Und da haben wir sofort unseren Freund mitgenommen und haben Jesus gebeten, dass er ihm die Hand auflegt – damit er gesund wird.
Jesus hat das gemacht. Aber was ich eigentlich am eindrücklichsten fand war ein Wort. Das
blieb mir hängen: „Hefata!“ „Tu dich auf!“
Ich dachte: Wie kann Jesus nur zu einem, der nichts hört, etwas sagen! - aber durch dieses
Wort ist es tatsächlich geschehen: Seine Ohren taten sich auf; seine Zunge hat sich gelöst und
er konnte richtig reden.
Und auch bei mir ging etwas auf. Mir ging ein Licht auf. Ich erinnerte mich an den letzten
Sabbat in der Synagoge. Da wurde ein Psalm gebetet, in dem es hieß: „Wenn Gott, spricht, so
geschieht’s; wenn er gebietet, so steht’s da.“ (Ps 33,9). Und ganz am Anfang im erste Buch
Mose spricht Gott auch – und erschafft durch sein Wort diese Welt: „Es werde Licht. Und es
ward Licht“ (1. Mose 1,3). Dieser Jesus ist wirklich ein anderer Wunderheiler. Er ist es deshalb, weil so nur Gott selbst handelt. Es stimmt, was die Leute sagen: Er ist Gottes Sohn. Sei3
ne Worte haben die Macht, was nicht ist, zu schaffen. „Wenn er, spricht, so geschieht’s; wenn
er gebietet, so steht’s da.“ „Hefata!“ „Tu dich auf“.
Jesu Worte haben die Macht, was nicht ist, zu schaffen. Sie schaffen bis heute das, was
wir nicht machen können, was wir uns auch nicht einreden oder selber sagen können. Manches kann uns nur Gott selber sagen – und wenn er es sagt, dann geschieht es auch: „Tu dich
auf!“ oder auch „Dir sind deine Sünden vergeben!“
Hören wir eine dritte Stimme zu diesem Wunder.
Liebe Christen in Bolheim/Herbrechtingen, vermutlich sind Sie jetzt etwas erstaunt, einen
Brief von mir zu bekommen. Ich bin Markus und mir war es ganz wichtig, dass ich diese Geschichte von dem Taubstummen in meinem Evangelium aufschreibe. Ich habe sie aufgeschrieben, damit meine Gemeinde nicht vergisst, dass Gott Wunder tut. Ganz verschiedene
Wunder.
Immer wieder werde ich von Leuten in meiner Gemeinde angesprochen, die sagen: „Jesus hat
einen Menschen geheilt, der wirklich taub und stumm war. Aber Markus, wenn ich dein ganzes Evangelium lese, dann habe ich den Eindruck, dass du noch etwas anderes sagen willst.
Dass du uns sagen willst, dass wir eigentlich alle in gewisser Weise taub und stumm sind.“
Und dann sage ich zu meinen Gemeindegliedern: Ihr habt recht. Jesus hat Wunder getan –
und er hat mit den Wundern nicht nur deutlich machen wollen, dass er körperliche Gebrechen
heilen kann. Er hat damit auch gesagt: ihr seid letztlich alle taub und stumm - taub für Gottes
Reden zu euch.
Wenn Sie in meinem Evangelium weiter lesen, dann merken Sie das. Die Jünger haben nicht
kapiert, wer Jesus ist – obwohl sie die ganze Zeit mit ihm umhergereist sind. Obwohl ihnen
Jesus soviel von Gott erzählt hat. Obwohl sie dieses Wunder miterlebt haben. Sie haben es
nicht kapiert, weil ihre Ohren verschlossen waren. Jesus selber hat seinen Jüngern die Ohren
und die Augen geöffnet. Und erst dann haben sie erkannt, dass er Gottes Sohn ist. Dann konnten sie an ihn glauben.
Und deshalb sagt diese Geschichte auch: Auch an dir, lieber Hörer meines Evangeliums, hat
Jesus Christus dieses Wunder getan. Er hat deine Ohren geöffnet, dass du seine Botschaft
hören und an ihn glauben kannst! Er hat dir deine Zunge gelöst, damit du Loblieder singen
kannst!
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Das erlebe ich auch immer wieder in meiner Gemeinde: Gott öffnet Menschen das Ohr und
sie kommen zum Glauben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dieses Wunder in ihrer Gemeinde
auch immer wieder erleben!
Ja, Wundergeschichten erzählen eine Geschichte, aber nicht nur ein Wunder. Dass Gott
es schenkt, dass Menschen an ihn glauben, auf ihn vertrauen können, seine Worte wirklich
hören können, ist auch ein Wunder! Ein Wunder, dass Jesus selber bewirkt. Und das er bis
heute bewirkt, weil er die Macht hat das zu schaffen, was nicht ist.
Können Sie noch? Eine Stimme haben wir noch nicht gehört zu diesem Wunder:
Ich wollte eigentlich nur schnell zum Brunnen und Wasser holen. Meine Tochter ist schwer
krank, sie hat hohes Fieber. Ich wollte ihr kalte Umschläge machen und dazu brauchte ich
Wasser. Und dann war der Weg versperrt – mit Menschen. Und hier war richtig was los. Die
Leute haben vor Freude geschrieen, manche haben getanzt, andere lagen sich in den Armen.
Aber es gab auch welche, die standen da und schauten nur. Mit verwundertem Gesicht, kopfschüttelnd. Aber irgendwie doch von der Freude angesteckt. In allem Trubel habe ich immer
wieder einen Satz gehört: „Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die
Sprachlosen redend“. Ich habe dann auch nach und nach mitbekommen was los ist. Es wurde
mir erzählt: „Jesus hat einen Tauben geheilt!“
Wissen Sie, als ich das gehört habe wurde mir klar: die Heilszeit ist angebrochen. Die Zeit,
die unsere alten Propheten immer wieder angekündigt haben, auf die wir alle so sehnlich warten. Das ist ein alter Begriff „Heilszeit“ oder auch „Reich Gottes“ – aber genau so ist es: Mit
Jesus, da kam Gott auf die Erde und somit auch etwas von Gottes Herrlichkeit. Ein Vorgeschmack des Himmels ist dieses Wunder!
Den Himmel auf Erden, den hat Jesus nicht gebracht. Dazu gibt es noch viel zu viel Krankheit
und Leid in dieser Welt. Sie wissen ja, meine Tochter ist schwer krank. Wie es mit ihr weitergehen wird, das weiß ich nicht. Ob sie wieder gesund werden wird? Es ist schon ernst. Ich
bete zu Gott, „Mach sie gesund!“ Vielleicht wird er es tun – so wie heute hier bei dem Taubstummen.
Und wenn nicht? Das hört sich jetzt vielleicht seltsam an, aber dieses Wunder, von dem ich
auf dem Weg zum Brunnen erfahren habe, dieses Wunder ist für mich ein Hinweis auf den
Himmel. Darauf, dass Gott alles gut und heil macht – hier oder dann einmal in der Ewigkeit.
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Dieses Wunder ist ein Hinweis auf den Himmel. Ja, wo Kranke Heilung finden, wo Menschen zum Glauben kommen, da wird die gute Schöpfung Gottes wieder hergestellt. Wunder
zeigen uns: Gottes Herrschaft ist bei uns auf der Erde angebrochen. Wenn Jesus Kranke heilt,
dann zeigt er uns: Gottes Herrschaft hat hier auf der Welt begonnen und wird nicht mehr zum
Stehen kommen. Wunder stärken unseren Glauben. Sie stärken unser Vertrauen, dass es Gott
auch mit uns gut machen wird.
Vier Stimmen – eine Geschichte:
Gott heilt – und wohl dem, der jemanden hat, der ihn zu Jesus bringt.
Gott heilt – weil er die Macht hat, mit seinem Wort das zu bewirken, was nicht ist.
Gott heilt – er vollbringt das Wunder, dass wir heil werden – indem er unsere Ohren und unser Herz für sich öffnet und wir an ihn glauben können.
Gott heilt – und seine Wunder sind ein Hinweis darauf, dass seine Herrschaft auf unserer Welt
angebrochen ist und er letztlich alles wohl machen wird.
Amen.
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